Wissenschaftliches Arbeiten lehren

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Erfahrungen, Einblicke und ein bisschen Ernüchterung nach einigen Jahren Lehre "Wissenschaftliches Arbeiten"

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Probieren geht über studieren: Ideen für Übungen, die die Studierenden selbst lösen müssen.

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Bücher, Links und Apps zum Wissenschaftlichen Arbeiten gibt es viele - für Studierende. Aber welche eigenen sich für die Lehre?

Von Schatten, Wahrheit und Verantwortung: Wissenschaftliches Arbeiten als philosophische Reise

Ein Gastbeitrag von Dr. Nicolaus Wilder

Als Lehrender in der Allgemeinen Pädagogik erlebe ich die spannendsten Momente, wenn ich Platons Höhlengleichnis mit den Studierenden diskutiere und darüber die eigene Bildungsbiografie reflektiere. Aber dazu später mehr.

Entstanden etwa um 375 v. Chr. im antiken Griechenland ist Platons Höhlengleichnis „bis heute die tiefste und eindringlichste Analyse des Bildungsgeschehens geblieben, die sich auffinden läßt“ (Ballauff 1969, S. 91). Auch wenn Platon erkenntnistheoretisch heute nur noch von ideengeschichtlicher Bedeutung ist, so trifft dies keineswegs auf seine bildungstheoretischen Überlegungen zu. Gerade in dem gegenwärtig ausgerufenen Zeitalter der Künstlichen Intelligenz scheinen diese aktueller und relevanter denn je zu sein.

Doch was hat das mit der Vermittlung von wissenschaftlichem Arbeiten zu tun? Bei Platon im Grunde alles: Während Bildung (paideia) bei Platon ein umfassender Prozess der Entwicklung und Formung der Seele von innen und außen ist, der auf die Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen abzielt, ist Wissenschaft (epistēmē) die methodische Erkenntnis dieser höheren Wahrheiten selbst. Bildung also beschreibt den Weg zur Wissenschaft. Sie ist die Formung genau derjenigen Seele, die eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler zur wahren Erkenntnis benötigt. Wissenschaftliches Arbeiten zu lehren bedeutet damit nichts anderes als die Ermöglichung von Bildungsprozessen hin zu einer wissenschaftlichen Haltung. Und was dieser Weg konkret bedeutet, beschreibt das Höhlengleichnis eindrücklich. Drei – hier nur analytisch getrennte, aber eigentlich stark miteinander verwobene – Aspekte scheinen mir dabei von besonderer zeitloser Aktualität zu sein:

1) das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit

2) die selbstreflexive Erkenntnis des eigenen Schattendaseins und

3) die Aufgabe, das private und, vielleicht noch wichtiger, das öffentliche Leben zu verbessern

Diese gilt es im Folgenden holzschnittartig zu skizzieren.

Das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit

Wissenschaft ist bei Platon nicht ohne eine teleologische Ausrichtung auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu denken, wobei Gerechtigkeit im Grunde nur eine spezielle, aber für Platon die höchste, Wahrheit darstellt. Eine Wissenschaft, die nicht nach Wahrheit strebt, verkommt zu bloßer Rhetorik – Platons Kritik an den Sophisten seiner Zeit. Dieser Aspekt ist sicher am engsten verknüpft mit Platons Ideenlehre, also der Vorstellung, dass es ein Reich höherer, unveränderlicher und ewig wahrer Ideen gibt, von denen alles sinnlich Wahrnehmbare nur unvollkommene Manifestationen sind. Diese absoluten Ideen, die Platon grundsätzlich – jedoch tief unter falschen Vorstellungen verborgen – im Menschen angelegt sieht, über einen mühsamen Reflexionsprozess freizulegen, ist für ihn wesentliche Aufgabe der Wissenschaft, da sich daran alles weitere Handeln orientiert, auch das praktische. Diesen unmittelbaren Zusammenhang illustriert Platon wie folgt.

„Schließlich aber kam ich zu der Überzeugung, daß alle jetzigen Staaten samt und sonders politisch verwahrlost sind, denn das ganze Gebiet der Gesetzgebung liegt in einem Zustand darnieder, der ohne eine ans Wunderbare grenzende Veranstaltung im Bunde mit einem glücklichen Zufall nahezu heillos ist. Und so sah ich mich denn zurückgedrängt auf die Pflege der echten Philosophie, der ich nachrühmen konnte, daß sie die Quelle der Erkenntnis ist für alles, was im öffentlichen Leben sowie für den Einzelnen als wahrhaft gerecht zu gelten hat. Es wird also die Menschheit, so erklärte ich, nicht eher von ihren Leiden erlöst werden, bis entweder die berufsmäßigen Vertreter der echten und wahren Philosophie zur Herrschaft im Staate gelangen oder bis die Inhaber der Regierungsgewalt in den Staaten infolge einer göttlichen Fügung sich zu ernstlichen Beschäftigung mit der echten Philosophie entschließen.“

(Platon, VII. Brief, 326ab)

Platon, eigentlich angetreten, um politisch aktiv zu werden, „erfüllt von dem Drang nach staatsmännischer Betätigung“ (ebd.), stellt bei seiner kritischen Auseinandersetzung basierend auf seiner praktischen Erfahrung also fest, dass alle Staaten im Grunde ungerecht sind. Es fehlen gänzlich die Rahmenbedingungen, um auch nur die Möglichkeit zu haben, durch politisches Handeln den Staat verbessern zu können. Zur notwendigen Bedingung, um überhaupt eine Form von Handlungsmächtigkeit herzustellen, wird die Klärung der Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ist. Nur auf Grundlage der Auseinandersetzung mit dieser Frage lässt sich die Gesellschaft entsprechend verbessern.

Das Zitat verdeutlicht mehrere Aspekte:

1) Am Anfang steht die radikale Reflexion des Ist-Zustandes.

2) Um den Ist-Zustand zu verändern, bedarf es der Formulierung einer wahren – oder etwas weniger platonisch ausgedrückt: begründeten – Alternative und

3) Wissenschaft hat eine hochgradige gesellschaftliche Orientierungsfunktion und ist damit genuin normativ zu denken. Eine wertfreie Wissenschaft wäre für Platon wahrscheinlich wertlos.

Auch wenn wir Platons Absolutheitsanspruch an Wahrheit heute überwiegend nicht mehr so teilen würden, sondern Wahrheit eher korrespondenz- (eine Aussage ist dann wahr, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt), kohärenz- (eine Aussage ist dann wahr, wenn sie in einem System von Aussagen keine Widersprüche erzeugt) oder konsenstheoretisch (eine Aussage ist dann wahr, wenn sich darauf geeinigt wurde) denken, so bleibt das Streben nach einer Form von Wahrheit weiterhin konstitutiv für die Wissenschaft. Sonst ließe sich nicht plausibel von so etwas wie Fake News sprechen. Die Verantwortung einer normativen gesellschaftlichen Orientierungsfunktion lehnen große Teile der Wissenschaft jedoch gegenwärtig ab, was aber gerade in Zeiten großer gesellschaftlicher Transformationsprozesse nicht unproblematisch ist.

Auf dem Bild sieht man eine große Höhle, aus deren Aus-/Eingang Sonnenlicht hineinstrahlt. An den Wänden stehen Formeln und Zahlen. Steingebäude mit Säulen und Statuen sind an den Wänden der Höhle zu sehen. Einige Menschen laufen aus der Höhle hinaus oder hinein. Eine Gestalt steht etwas im Vordergrund auf einem Felsvorsprung und schaut dem Licht entgegen. Das Bild veranschaulicht das Höhlengleichnis.

Die selbstreflexive Erkenntnis des eigenen Schattendaseins

Die fundamentale Bedingung für Wissenschaft ist bei Platon die Erkenntnis der eigenen Schatten und Echos. Wir sind alle gefesselt an das, was uns vorgelebt wird, die Werte, die wir teilen, die Sprache, die wir sprechen, die Entitäten, an die wir glauben. Heute würde man das mit dem Begriff der Sozialisation beschreiben, dem Aufwachsen in einer Gesellschaft mit einer spezifischen Perspektive auf Welt und Selbst. Und wir glauben nur zu gerne, dass diese Dinge, also unsere Überzeugungen, auch wahr sind.

In meinen Seminaren ist das immer einer der spannendsten Momente, wenn ich frage: Wofür stehen denn in dem Gleichnis die Menschen in der Höhle? Wenn man den Diskussionen genug Zeit gibt, kommt es häufig zu folgendem Verlauf: „Na ja, die Menschen damals halt, die wussten ja noch nicht so viel.“ Oder: „Kinder, Platon beschreibt da den Prozess des Erwachsenwerdens.“ Irgendwann kommt es dann aber auch dazu, dass die Teilnehmenden sagen: „Aber es gibt doch heute auch erwachsene Menschen, die nur in Ihrer Bubble leben (aber das sind natürlich nicht wir hier an der Uni).“ Und in seltenen Fällen endet es in der fundamentalen Einsicht: „Diese Menschen stehen für uns alle. Wir alle sind gefesselt an bestimmte Sichtweisen.“ Was Platon von uns auf dem Weg in die Wissenschaft verlangt, ist nicht weniger, als an all diesen Dingen zu zweifeln, an die wir glauben und von denen wir überzeugt sind – eben unserer Bubble, in der wir uns so wohlfühlen. Wir sollen uns auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Schatten und Echos machen. Kein Wunder also, dass er diesen Prozess als zwang- und schmerzhaft beschreibt. Diesen Weg geht man weder freiwillig noch allein. Er muss begleitet werden und genau das ist bei Platon die Aufgabe der Pädagogen.

Der Weg zur Wissenschaft ist harte Arbeit am Selbst, dem eigenen Denken, Fühlen, Handeln und Urteilen, immer in Bezug auf das eigene Mensch-Welt-Verhältnis.

Diese fundamentale Dimension kritischer Selbstreflexion ist heute – auch in der Wissenschaft – verkümmert zu der Phrase des „kritischen Denkens“. In der Regel meint das ein kritisches Denken über die anderen, weil die eigene Position für die richtige, die wahre, die absolute gehalten wird. Platon aber meint das Gegenteil. Kritisches Denken meint zuvorderst ein kritisches Reflektieren des Selbst. Warum denke, fühle, glaube, meine ich, was ich denke, fühle, glaube oder meine? Und ich mache mich auf die Suche danach, ob es nicht auch anders sein könnte. Es geht Platon um die Überwindung der eigenen Ich-Bezogenheit.

In der neueren Wissenschaftstheorie ist genau das der zentrale Gedanke, der Popper bei der Idee der Falsifikation antrieb: Die Erkenntnis, dass der Mensch sich in seiner Meinung immer irren kann und wir uns genau deswegen auf die Suche nach dem machen müssen, was wir nicht glauben. Auch dieser Gedanke ist verkümmert zu dem Verfahren einer standardisierten Nullhypothesenformulierung. Aber es ist etwas ganz anderes, formal zu sagen, es gibt einen Schwan, der nicht schwarz ist und die Daten darauf zu testen, um zu aller Überraschung festzustellen, dass alle Schwäne weiß sind, oder sich auf den beschwerlichen Weg zu machen, den einen nicht schwarzen Schwan zu finden, von dem man überzeugt ist, dass es ihn nicht gibt.

Die Aufgabe, das private und das öffentliche Leben zu verbessern

Für Platon endet Wissenschaft aber nicht mit der Erkenntnis, mit dem Ausruhen auf der Insel der Seligen. Der härteste Teil beginnt erst dann. Aus der Einsicht in Wahrheit und Gerechtigkeit folgt die Notwendigkeit, auch andere daran teilhaben zu lassen und sich für eine Verbesserung des Lebens aller einzusetzen. Im Gleichnis wird das dargestellt durch den Rückgang in die Höhle und das Herausführen der in der Höhle Verbliebenen. Dieser Prozess ist durch größte Widerstände geprägt unter Bedrohung des eigenen Lebens, was von Platon an dieser Stelle keineswegs metaphorisch gemeint ist, sondern auf Sokrates Schicksal Bezug nimmt. Das ist die Pflicht der Wissenschaft. Sie darf sich nicht auf der Erkenntnis ausruhen, nur um am Ende zu sagen, „Ich hab es ja gewusst!“, sondern sie ist verpflichtet, Gesellschaft mitzugestalten. Wissenschaft ist von der Gesellschaft für die Gesellschaft und hat somit eine große gesellschaftliche Verantwortung. Bildung und Wissenschaft sind bei Platon also nicht als akademisches Spiel mit abstrakten Wissensbeständen gedacht, als Erkenntnis um der Erkenntnis willen, sondern hochgradig praktisch und politisch. Sie dienen der Verbesserung des Lebens.

Gerade jetzt, wo uns die potenziellen Gefahren Künstlicher Intelligenz langsam zu dämmern beginnen, in den ungeahnten Möglichkeiten, beliebige authentisch anmutende Deep Fakes zu erzeugen, Demokratien zu manipulieren, die Logik von Schatten und Echos nicht nur zu reproduzieren, sondern sogar zu verstärken, es im Grunde keine Instanz mehr gibt, die uns die Unterscheidung zwischen Wissen und Meinung abnimmt, scheint diese von Platon vorgeschlagene kritisch-reflexive Haltung des Ichs wichtiger denn je, genau wie die gesellschaftliche Verantwortung und die Fähigkeit in begründeten Alternativen oder gesellschaftlichen Utopien zu denken. Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, in der KI im Dienst von Mensch und Gerechtigkeit steht? Antworten auf solche Fragen zu formulieren, ist genuine Aufgabe der Wissenschaft.

Die Lehre wissenschaftlichen Arbeitens kann in der Auseinandersetzung mit Platon und insbesondere seinem Höhlengleichnis einen wichtigen Beitrag leisten. Sie befähigt zum Eröffnen eben dieser Haltung, wenn sie nicht reduziert wird auf das Auswendiglernen bestimmter methodisch-dogmatischer Verfahren.

Literatur

Ballauff, T. (1969). Pädagogik. Eine Geschichte der Bildung und Erziehung. Band 1: Von der Antike bis zum Humanismus. Alber.

Foto von Dr. Nicolaus Wilder
https://www.olafbathke.de/

Dr. Nicolaus Wilder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeine Pädagogik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Gründungsmitglied des VK:KIWA (Virtuelles Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz und wissenschaftliches Arbeiten) sowie Vorstandsmitglied des Zentrums für Konstruktive Erziehungswissenschaft e. V.

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KI-FOMO

In schwachem Licht sieht man einen Bahnsteig, auf dem eine Person mit Rollkoffer steht und einem fortfahrenden Zug hinterherblickt.
generiert mit ChatGPT-4 am 01.02.2024, und ja, der Zug fährt neben dem Gleis 😊

Geht es Ihnen auch so, wenn Sie an KI denken?

Der Bahnsteig ist leer, der Zug ist abgefahren, alle anderen sind weg. Nur Sie stehen noch da und sind – wahrscheinlich – der einzige Mensch auf Erden, der noch nie mit KI-Tools gearbeitet hat. Na ja, oder zumindest haben Sie das nicht systematisch getan. Nur hier und da mal ein bisschen, und dann eher auch für private Zwecke. Vielleicht haben Sie auch wieder damit aufgehört, weil Sie mit den Ergebnissen nichts anfangen konnten, und Sie haben sich gefragt, ob das schon alles war. Wieso dann der ganze Hype? Oder, Moment mal, haben Sie vielleicht etwas falsch gemacht?

Sicher nutzen alle anderen die Tools schon systematisch und noch dazu sehr versiert. Haben schon herausgefunden, wie das funktioniert und wie sie sich zurechtfinden, in diesem Wust an Informationen über immer neue Möglichkeiten. Wie man richtig promptet und der KI Inhalte entlockt, mit denen sich wirklich etwas anfangen lässt.

KI-FOMO? Ja, das ist sie: die Angst, etwas zu verpassen. Nicht ausreichend Bescheid zu wissen. Was, wenn alle anderen plötzlich besser, toller, produktiver sind, weil sie eben verstanden haben, wie es geht?

Alle anderen?

Ganz sicher nicht.

Lassen Sie sich gesagt sein: Da draußen gibt es noch sehr viele Menschen, die sich nicht eingehend mit KI-Tools befasst haben. Oder genauer: Da draußen gibt es noch sehr viele Lehrende, die sich nicht eingehend – oder gar nicht – mit der Nutzung von KI-Tools für den Einsatz in Lehre und Forschung befasst haben.

Die reden nur nicht über ihre Nicht-Nutzung. Es ist en vogue, über KI Bescheid zu wissen, und diejenigen, die nicht mithalten können, reden eben nicht. Sie sitzen dabei und sind stumm. Denn über ein Jahr, nachdem die breite Verfügbarkeit von ChatGPT den Hype ausgelöst hat, erscheint es seltsam, sich noch überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt zu haben.

Ist es zu spät für den Einstieg?

Ganz sicher nicht.

Das Feld ändert sich kontinuierlich und, wie viele es empfinden, beängstigend schnell. Das ist eine gute Nachricht, so paradox es klingt. Die Halbwertszeit des Wissens hier ist gering, weil die technologische Entwicklung so rasant ist. Wenn Sie jetzt einsteigen und aufholen möchten, müssen Sie also nicht alles „nachlernen“, bis Sie auf dem aktuellen Stand sind. Sie überspringen einfach das, was jetzt schon nicht mehr gilt. Damit haben sich die Früheinsteiger wochen- und monatelang befasst, jetzt ist es nicht mehr nötig. Ich finde das ein wenig vergleichbar mit anderen technischen Skills: Einer Person, die nie in der Zeit an einem PC gearbeitet hat, in der Dateinamen noch maximal acht Zeichen lang sein durften, fehlt dieses Wissen später nicht. Sie musste kein ausgeklügeltes System entwerfen, mit dem sie ihre Dateien benennen und vor allem wiederfinden kann. Genauso wenig muss eine Person, die heute in die Welt der KI einsteigt, wissen, mit welchen (viel spezifischeren) Prompts sie vor einem Jahr zum gewünschten Output gelangt wäre, wenn heute schon sehr viel durch Conversational Prompting erreicht werden kann. Ebenso ist das Wissen über bestimmte Workflows irrelevant, die noch vor kurzer Zeit üblich waren: Heute muss ich nicht mehr wissen, dass ich mir in ChatGPT einen Prompt formulieren lassen kann, um ihn in einem Bildgenerierungs-Tool zu verwenden. Denn das inzwischen multimodale ChatGPT erzeugt das Bild einfach selbst (lassen wir für dieses Beispiel außen vor, dass es natürlich Unterschiede zwischen den Tools gibt).

Die Grundlagen hingegen sind immer noch die gleichen wie vor Monaten. DIE müssen Sie kennen. Und die sind schnell erklärt. In meinen Workshops verwenden wir im ersten Angang meist nicht wesentlich mehr als eine viertel Stunde darauf. Natürlich kommen wir im Verlauf immer wieder darauf zu sprechen, aber für den Einstieg genügt es, sich kurz über die Basics zu verständigen.

Die absoluten Basics über textgenerierende KI

Bringen wir es auf den Punkt:

  • Ein textgenerierende KI-Tool ist kein Lexikon.
  • Ein textgenerierende KI-Tool ist keine Suchmaschine.
  • Ein textgenerierende KI-Tool ist kein Mensch.

Dazu noch ein paar Worte zu Datenschutz und Sicherheit. That’s it.

Wenn diese Grundlagen klar sind, können wir in den Tool-Test starten und einfach MACHEN.

KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten

In meinen Workshops sitzen vor allem zwei Zielgruppen. Ich führe zum einen KI-Schreibwerkstätten mit Studierenden durch, zum anderen erarbeite ich mit Lehrenden, wie sie – jetzt, da KI-Tools nun einmal existieren und auch nicht mehr verschwinden werden – wissenschaftliches Arbeiten lehren können. Die Inhalte dieser Workshops lassen sich nachvollziehbarerweise nicht von den Eigeninteressen der Lehrenden lösen. Sie wollen wissen, wie sie ihre eigenen Schreibaktivitäten durch den Einsatz von KI „optimieren“.

Es ist natürlich ein berechtigtes Anliegen, das eigene Schreiben entwickeln zu wollen. Mich wundert nur die Vehemenz, mit der es manchmal vorgetragen wird. Da entsteht bei mir schnell der Eindruck, als sollen die KI-Tools jetzt richten, was schon seit Jahren im Argen liegt. Schreibprozesse, die als nicht angenehm und als zu wenig produktiv empfunden werden, sollen nun mit Hilfe der KI-Tools beschleunigt werden.

Hier kommt auch wieder KI-FOMO ins Spiel. Was, wenn alle anderen besser, toller und schneller Texte produzieren? Wenn sie mehr publizieren und dadurch ihre akademische Karriere beschleunigen? Da hätten jene das Nachsehen, die keine KI-Tools nutzen.

Auch diesen Druck verstehe ich. Dennoch halte ich die Frage nach dem optimalen KI-Tool-Workflow für zu kurz gedacht. Damit meine ich die Frage, die mir in meinen Workshops regelmäßig gestellt wird: Wie bilde ich meinen Schreibworkflow möglichst lückenlos durch KI-Tools ab?

Analyse vor Lösung, ob mit oder ohne KI

Schreibprozesse sind individuell und damit sehr unterschiedlich. Wie immer fasse ich den Begriff des Schreibens weit und verstehe darunter auch vor- und nachgelagerte Tätigkeiten wie Literaturrecherche oder Überarbeiten. (Nicht dass hier ein ungewollter Eindruck entsteht: Damit meine ich nicht, dass die Literaturrecherche zeitlich immer komplett vor und das Überarbeiten immer nach dem Schreiben liegen sollte. Vielmehr greifen die Schritte oft ineinander.)

Vor einer angestrebten Umgestaltung des eigenen Schreibens sollte vor allem die folgende Frage geklärt sein:

Wie schreibe ich überhaupt?

Das bedeutet im Einzelnen z.B.:

  • Welche Raum nehmen die verschiedenen Tätigkeiten ein?
  • Was gelingt mir leicht, wobei tue ich mir schwer?
  • Welche Schreibstrategien setze ich, bewusst oder unbewusst, ein?

Solange das nicht geklärt ist, kann eine Lösung nicht greifen.

Bemühen wir mal zwei (zugegebenermaßen etwas schräge) Bilder:

Nummer 1: Wenn ich einen Fleck auf dem Sofa entdecke, renne ich besser auch nicht los in den Drogeriemarkt und kaufe wahllos fünf verschiedene Fleckenentferner. Erst schaue ich mir an, was den Fleck verursacht haben könnte und dann sehe ich noch nach, welche Mittelchen ich schon vorrätig habe.

Nummer 2: Wenn meine Ärztin mir sagt, ich solle gesünder leben, würde ich nicht gleichzeitig mit Intervallfasten, drei Sportarten und zehn Supplementen anfangen, sondern mich erst einmal fragen, wo genau das Problem liegt. Passt die Ernährung vielleicht schon? Ist mein Sportmix vielleicht schon ausgewogen? Dann sollte ich daran nicht drehen.

Was ich damit meine: Eine voreilige „Lösung“ verursacht oft neue Probleme (und wenn es nur bedeutet, dass ich ohne echten Gegenwert viel Geld ausgegeben habe). Diese voreilige Lösung ist eine Verschlimmbesserung.

Ok, wie geht es besser?

Schritt 1: Verschaffen Sie sich einen groben Überblick über die verschiedenartigen KI-Tools. Damit meine ich nicht, dass Sie alle Tools auf Herz und Nieren prüfen sollen. Nein, schauen Sie erst einmal, an welcher Stelle im Schreibprozess die Tools überhaupt ansetzen. Das reine Generieren von Text ist nur ein Bruchteil dessen, was möglich ist.

Schritt 2: Testen Sie gezielt, was Sie vermutlich (!) am weitesten bringt. Lesen Sie z.B. langsam, testen Sie ein Lese-Tool. Gefallen Ihnen Ihre Formulierungen oft nicht, testen Sie einmal, wie Sie den Überarbeitungsprozess mit einem KI-Tool gestalten können etc.

Schritt 3: Immer weiter im PDCA-Zyklus. „Plan – do – check – act“, das bedeutet einfach, dass Sie ausprobieren, was funktioniert, und ab da in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einsteigen.

Eine steile These zum Abschluss

Es wird keinen durchoptimierten Workflow mit KI-Tools für das wissenschaftliche Arbeiten geben, genauso wenig wie es einen generell gültigen Workflow für das wissenschaftliche Arbeiten gibt.

Wir werden nicht 100 Texte in Tool 1 stecken, das Ergebnis in Tool 2 weiterverarbeiten und dann in Tool 3 aufs Knöpfchen drücken und den publikationsreifen Text vor uns sehen.

Tool-Gurus: Prove me wrong!

Aber selbst wenn: Würden wir das wirklich wollen?

P.S. Ganz genau so können Sie in der Folge auch mit Ihren Studierenden an die Sache herangehen. Wenn die Studierenden Sie fragen, welche Tools sie am besten für ihre Arbeiten einsetzen sollen, fragen Sie zurück: „Wie schreiben Sie überhaupt?“

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Mautner und Ross: Ehrlich enthusiastisch

Mautner, Gerlinde & Ross, Christopher J. (2023): English Academic Writing. A Guide for the Humanities and Social Sciences. Tübingen: UVK.

27,90 Euro

238 Seiten

Cover des Buchs English Academic Writing mit Text auf rotem Hintergrund und einer Tastatur in der unteren Bildhälfte auf der eine Taste blau gefärbt ist und ein Buch Symbol zeigt

Inhaltsübersicht:

Introduction: Seven pillars of academic writing

1. Creativity and constraints: Planning research texts

2. One step at a time: Designing paragraphs

3. Focus and flow: Constructing sentences

4. Breath marks: Punctuation

5. Only connect: Cohesion

6. Your words, not mine: Citations

7. Follow me: Guiding and persuading the reader

Mautner und Ross: Ehrlich enthusiastisch

„The measure of our success as writers will be whether we manage to impress upon you our own enthusiasm for academic writing; for the exciting challenge of sharing one’s research with others; and for the power of the English language to tell a good story.”

Mautner/Ross, 2023, S. 15

Um es vorwegzunehmen: Den so formulierten Anspruch an sich selbst erfüllen die Autor:innen meiner Meinung nach sehr gut. Ihr Enthusiasmus für das wissenschaftliche Schreiben war für mich beim Lesen durchweg spürbar. Glücklicherweise hat er nichts, aber auch gar nichts, von dem weit verbreiteten Tschakka-Enthusiasmus. Im Gegenteil, es ist ein ehrlicher Enthusiasmus, in dem sich die Liebe zur englischen Sprache zeigt und der sich niemals aufdrängt. Daher wirken die Tipps auch nicht bevormundend.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Die sieben Kapitel des Buches orientieren sich an den „seven pillars of academic writing“, die in der Einleitung erläutert werden. Laut Mautner und Ross sind diese Pfeiler:

  • well-planned, structured texts
  • well-designed paragraphs
  • well-constructed sentences
  • pro-active punctuation
  • helpful cohesion
  • appropriate citation
  • guidance and persuasion of the readers

Entsprechend widmet sich das erste Kapitel der Planung und Strukturierung der Arbeit, während sich die folgenden drei Kapitel mit der Textgestaltung und -formulierung auf den verschiedenen Ebenen auseinandersetzen: Absatz- und Satzebene sowie Zeichensetzung. Im fünften Kapitel geht es um die Verknüpfung der einzelnen Textteile zu einem großen, zusammenhängenden Gesamttext, während im sechsten Kapitel der richtige Umgang mit Zitaten behandelt wird. Im letzten Kapitel schließlich erfahrene Studierende, wie sie ihren Text für Lesende attraktiver und überzeugender gestalten können.

In den drei Anhängen gibt es neben einer Phrasebank Informationen dazu, wie man wissenschaftliche Präsentationen (sprachlich) gestaltet und sie hält, sowie Hinweise zum Verfassen von Forschungsanträgen.

Innerhalb der Kapitel finden sich etliche strukturierende Elemente, die das Lesen und später auch das Nachschlagen erheblich vereinfachen. Da gibt es ein „What’s coming up?“ zu Beginn eines Kapitels, verschiedene Kästen (die „In Brief“-Zusammenfassungen und die „Toolboxes“ mit Sprachtipps) und außerdem „Takeaways“ mit den wichtigsten Punkten am Kapitelende. Besonders hilfreich finde ich die vielen „Makeovers“, also Vorher-/Nachher-Beispiele von Formulierungen. Damit habe ich mich beispielsweise auch immer ein wenig selbst getestet, indem ich zunächst nur die linke Spalte mit den nicht so gut gelungenen Textstellen gelesen habe und dann versucht habe, diese für mich umzugestalten.

Mein Gesamteindruck

Vor ungefähr 500 Jahren habe ich ja einmal Anglistik studiert. Daher hatte es das Buch von vornherein leicht bei mir, weil das grundsätzliche Interesse an den Inhalten vorhanden war. Von der ersten Seite an stellte sich bei mir ein großes Lesevergnügen ein. Da wurden zunächst einmal Dinge, die ich mir damals selbst erschlossen hatte, schwarz auf weiß niedergeschrieben und somit in der Retrospektive besser verständlich. Da wurden meinem Wissensbestand andere Dinge hinzugefügt, die ich noch nicht wusste (und gern früher gewusst hätte) und von denen ich mir sicher bin, dass sie mir beim Verfassen des nächsten englischsprachigen Texts wunderbar weiterhelfen werden. Die Autor:innen nehmen Sprache auseinander und setzen sie wieder zusammen, dass es eine Freude ist.

Leider, und das ist mein einziger Kritikpunkt, kam das Ende sehr abrupt. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich endlos hätte weiterlesen wollen.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Das Buch ist für Studierende empfehlenswert, die eine wissenschaftliche Arbeit in englischer Sprache schreiben möchten. Jedoch ist das Buch nicht für Studierende mit eher rudimentären Englischkenntnissen geeignet, da es auf Englisch verfasst ist. Auch jene, die in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten noch ganz am Anfang stehen, gehören nicht zur Zielgruppe. Denn ohne Grundlagenwissen zum wissenschaftlichen Arbeiten wird es schwierig, die Hinweise auf Konventionen des englischsprachigen Raums richtig einzuordnen.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Für die Lehre ist das Buch nicht konzipiert und es enthält auch keine Übungen, die sich gemeinsam mit Studierenden bearbeiten lassen. Jedoch können Sie das Buch selbst als Ressource verwenden, wenn Sie sich mit wissenschaftlichem Arbeiten in Englisch vertraut machen möchten oder Inspiration für Formulierungsmöglichkeiten benötigen.

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

„Forschen heißt für mich …“ – mit Bildern die verschiedenen Vorstellungen zeigen

Zum Semesterbeginn nutze ich als Einstieg in eine Lehrveranstaltung zum wissenschaftlichen Arbeiten gern Bilder. Ich frage die Studierenden, was Forschen eigentlich für sie bedeutet und mit welchem Bild oder Symbol sich das am besten ausdrücken lässt.

Wie geht’s?

Der Ablauf ist denkbar simpel und genauso einfach wie im Eingangssatz beschrieben.

Schritt 1: Passende Bilder zum Thema „Forschung“ finden

Ich starte mit einer kurzen Einführung und gebe den Studierenden dann ein paar Minuten Zeit, um sich Gedanken zu machen und Bilder, die sie mit dem Thema „Forschung“ verbinden, zu suchen oder aber auch selbst zu erstellen. Zehn Minuten reichen erfahrungsgemäß aus.

In Präsenzveranstaltungen bringe ich meist meinen Kartensatz mit. Dabei handelt es sich um einen Kartensatz, der sonst im Coaching eingesetzt wird und der verschiedenartige Bilder enthält. So etwas meine ich:

Sechs Karten, auf denen verschiedene Fotomotive dargestellt werden, die zum Thema Forschen passen

Solche Kartensätze findet man unter den Stichwörtern „Kartenset“, „Coachingkarten“ oder „Bildkarten“ oder kann sie bei Bedarf individuell aus eigenen Fotos herstellen, wenn man genügend symbolträchtige Szenen aufgenommen hat.

Handelt es sich um eine Online-Veranstaltung suchen die Studierenden im Internet oder ihrer privaten Fotosammlung und posten ihr Bild z.B. auf einem Padlet.

Mischformen sind ebenfalls denkbar. So könnten Sie in einer Präsenzveranstaltung beide Herangehensweisen kombinieren, indem Sie den Kartensatz auslegen, aber dennoch die Ergebnisse auf einem Padlet festhalten lassen. Dann müssten Studierende, die eine physische Karte wählen, diese fotografieren und online einbinden, was schnell zu erledigen ist.

Ergebnisse einer Fotosammlung auf Padlet

Für dieses Beispiel habe ich einen Auszug gewählt, in dem nur Bilder zu sehen sind. Üblicherweise schreiben die Studierenden noch ein paar Wörter zum ausgewählten Bild und kommentieren die Beiträge der anderen.

Selbstverständlich können Sie es, egal welcher Variante genutzt wird, den Studierenden auch freistellen, selbsterstellte Skizzen einzubringen. Das geht sowohl online als auch offline.

Schritt 2: Gemeinsames Betrachten und Würdigen der Beiträge

Wenn alle „ihr“ Bild gefunden und bereitgestellt haben, lassen wir die Galerie einen Moment auf uns wirken und kommen anhand der Bilder ins Gespräch über Wissenschaft und Forschung.

Gesamteindruck:

  • Welche Motive treten gehäuft auf?
  • Welche stechen heraus?
  • Möchte jemand noch eine verbale Erläuterung zum eigenen Beitrag ergänzen?

Einzelne Motive:

  • Was sagt ein bestimmtes Motiv aus?
  • Welche Vorstellungen von Wissenschaft und vom Forschungsprozess stecken dahinter, und wozu führt das?
  • Was ist das Gute daran, was wirkt eher hinderlich?

Auch bei den vermeintlich selbsterklärenden Bildern wie dem eines steinigen Wegs, einer Treppe oder eines Schlüssels lohnen sich ein genauerer Blick und das Nachfragen. Vielleicht war ja etwas Anderes gemeint? Bei Bildern, deren Bedeutung nicht auf der Hand liegt, wird es dann spannend: Was hat ein sichtlich mitgenommener Fußballer mit Forschen zu tun? Drückt das Teamgeist aus? Oder Siegeswillen? Oder Zähigkeit? Oder war der Umgang mit Sieg und Niederlage gemeint? Von allem ein bisschen was?

Manchmal ergeben sich auch inhaltliche Bezüge, so dass man auf die folgenden Lehrveranstaltungen im Semesterverlauf verweisen kann. Etwa könnte sich herausstellen, dass jemand mit dem Bild speziell den Umgang mit Literatur oder das Zitieren gemeint hat und gar nicht das Forschen insgesamt. Dann ließe sich auf die entsprechenden Termine verweisen.

Wenn Sie mögen, können Sie auch noch Ihre persönliche Sicht auf Wissenschaft und Forschung in Form eines ausgewählten Bildes einbringen. Achten Sie in dem Fall ganz besonders darauf, dass dies nicht als Musterlösung missverstanden wird. Gerade sehr junge Studierende kommen oft mit dem Gedanken an die Hochschule, dass es immer „die eine richtige Lösung“ für eine Frage geben muss. Betonen Sie an der Stelle noch einmal, wie positiv es ist, dass eine Vielfalt an Bilder zusammengetragen wurde und dass Forschungsprozesse unterschiedlich verlaufen und wahrgenommen werden können.

Schritt 3: Dokumentation

Ich halte das Ergebnis in Form eines Fotos oder Screenshots fest und binde es in meine Upload-Materialien ein, die die Studierenden im Nachgang von mir erhalten.

Meine Erfahrungen mit dieser Übung

In drei Punkten möchte ich meine Erfahrungen zusammenfassen.

Bereitschaft der Studierenden

Bisher haben alle Gruppen, in der ich diese Übung durchführen wollte, mitgemacht – und soweit ich das einschätzen kann, auch gern. Das Suchen der Bilder macht Spaß; irgendwas Gutes, Treffendes und manchmal sogar Lustiges findet man immer. Auch das Betrachten der fremden Bilder macht Spaß, denn es gibt einen persönlichen Eindruck von den Mitstudierenden (wobei man natürlich sehr gut steuern kann, wie viel man preisgibt).

Der Wortlaut der Frage

Warum frage ich eigentlich nach „Forschen“ und nicht nach „wissenschaftlich arbeiten“?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei der Frage nach dem wissenschaftlichen Arbeiten die Antworten (gerade bei Studienanfänger:innen) tendenziell auf Zitieren und formale Aspekte hinauslaufen und die Erkenntnisgewinnung als solche keine Rolle spielt. Um dem entgegenzuwirken und den Blick zu weiten, frage ich nach dem Forschen. Interessanterweise tauchen überproportional Bilder von Laborkitteln auf, und zwar auch in Nicht-Labor-Studiengängen. Dass „echtes Forschen“ nicht bedeuten muss, Experimente in Laboren durchzuführen, kann man bei dieser Gelegenheit gut ansprechen.

Verwendete Bilder

Eine Anmerkung noch zur Frage „Kartensatz vs. freie Bildersuche“: Eine vorgefertigte Auswahl beschränkt die Studierenden natürlich und Aspekte des Forschens, die „außerhalb des Kartensatzes“ liegen, haben es schwer. Im anschließenden Gespräch lassen sich aber auch diese integrieren, z.B. durch die Nachfrage „Was hätten Sie gern gewählt, wenn es die entsprechende Karte gegeben hätte?“

Bei der Bildersuche im Internet begnügen sich manche mit den ersten Treffern, die sie mit dem Suchbegriff „Forschung“ erhalten. Das führt dann zu einer eher langweiligen und unpersönlichen Bildwand. Auch das lässt sich im Gespräch gut abfangen. Manchmal erzähle ich dann beispielsweise von früheren Gruppen und deren Bildauswahl und frage, was diese Studierenden wohl bewogen haben mag, gerade diese Bilder zu wählen.

Alternative Einsatzmöglichkeiten für die Übung

Die Methode lässt sich nicht nur zu Beginn des Semesters, sondern auch zu anderen Zeitpunkten einsetzen. Sie eignet sich hervorragend, um sich über die verschiedenen Vorstellungen von Wissenschaft und Forschung auszutauschen. Das kann nicht nur zu Beginn des Bachelor-Studiums, sondern auch später – eigentlich immer – sinnvoll sein, um Fehlannahmen aufzudecken und über unterschiedliche Vorstellungen besser ins Gespräch zu kommen. Gerade wenn, wie z.B. im Fall von Promovierenden, die Teilnehmenden auch schon selbst in der Lehre tätig sind, ist das hilfreich, um zielführendere Vorstellungen aufzubauen oder zumindest neben die negative Sicht zu stellen.

Beispiel: Ein Doktorand hat das Bild vom Boxkampf gewählt (Assoziationen: sich eine blutige Nase holen, sich durchschlagen, das Gegenüber bezwingen). Ist das sein einziges Bild vom wissenschaftlichen Arbeiten, wird er die Studierenden kaum zu Kooperation inspirieren. Dies wäre beispielsweise eine Voraussetzung für Peer-Feedback. Hier würde ich also zum einen fragen, ob und wenn ja welche positiven Aspekte das Boxen mit sich bringt. Vielleicht finden sich ja dabei auch Anknüpfungspunkte in Richtung „Kooperation“. Zum anderen würde ich versuchen herauszubekommen, welche positiven Erfahrungen der Doktorand selbst mit Kooperation in der Forschung gemacht hat und in welchem Bild er diese fassen kann.

Fazit

Auch mir als Dozentin gefällt diese Übung sehr gut. Sie ist abwechslungsreich und so etwas wie eine kleine Wundertüte. Denn ich weiß nie, welche Bilder gewählt werden und welche Assoziationen die Studierenden dazu haben. Die Übung fordert mich, weil ich im Gespräch alle zur Geltung kommen lassen und gleichzeitig ungünstigen Denkmustern sanft entgegenwirken möchte.

Ein weiteres Plus: Im Semesterverlauf kann ich zum passenden Zeitpunkt – also wenn wir uns mit den jeweiligen Aspekten des Forschungsprozesses beschäftigen – wieder an die Bilder erinnern und darauf Bezug nehmen. Die Übung ist im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich und daher einprägsam für alle Beteiligten.

Vom Suchen und Finden: Wie die Studierenden den Umgang mit Literatur lernen

Ostern ist gerade vorbei. Daher haben Sie vielleicht beim ersten Lesen der Überschrift zunächst einmal an Osternester und die Eiersuche gedacht und nicht an wissenschaftliche Literatur.

Bei der österlichen Suchaktion ist es vergleichsweise einfach: Den Dingen, die man da findet, kann man direkt ansehen, ob es sich um Geschenke handelt oder nicht. Bei der Literatursuche hingegen ist das so eine Sache: Nur weil man etwas gefunden hat, das auf den ersten Blick gut aussieht, ist es noch lange nicht inhaltlich passend oder genügt wissenschaftlichen Ansprüchen.

Bei der Suche nach Ostereiern gibt es außerdem im besten Fall eine Person, die einem mitteilt, wann man die Suche einstellen kann. Bei der Suche nach wissenschaftlicher Literatur wäre das eine feine Sache. Stellen Sie sich einmal vor, da gäbe es eine Person, die sagt „So, jetzt ist es genug, jetzt haben wir alles Wichtige zu dieser Fragestellung zusammen! Ende der Suche!“

Was Sie über die Jahre in dieser Hinsicht an Know-how und vielleicht auch an Gelassenheit aufgebaut haben, fehlt den allermeisten Studierenden natürlich noch. Grund genug, diesen Beitrag der Lehre der Literaturrecherche zu widmen.

Lassen Sie uns

  • zum Einstieg auf die Grundlagen der Literaturrecherche schauen,
  • dann überlegen, was die Studierenden darüber hinaus noch benötigen und
  • schließlich zusammenstellen, wie Sie die Studierenden damit versorgen können.

Ein Blick zurück: Grundlagen der Literaturrecherche

Es ist eine Weile her, dass ich über Literaturrecherche geschrieben habe.

In zwei frühen Artikeln, kurz nach der Entstehung des Blogs, veröffentlichte ich im November 2015 den Beitrag „Meine persönliche Hassfrage beim wissenschaftlichen Arbeiten“ – Sie ahnen, um welche Frage es sich da handeln könnte….

Im Januar 2016 erschien der Beitrag „Achtung Literatur“ mit dem Untertitel „Warum in der Lehre der Umgang mit Literatur ein undankbares Thema ist“. Darin ist eine Art Checkliste enthalten, die jene Punkte umfasst, die es in Bezug auf Literaturrecherche und -auswahl abzudecken gilt. (Falls Sie ein gutes Wort für Scrabble brauchen . ich habe das damals spaßeshalber „Literaturrecherchenvermittlungscheckliste“ genannt.). Prinzipiell ist diese Liste immer noch gültig, auch wenn sie ein wenig in die Jahre gekommen ist. Es fehlen die vielen digitalen Helferlein und verständlicherweise auch die KI-Tools für die Recherche und Weiterverarbeitung von Literatur wie beispielsweise Research Rabbit, SciSpace und ähnliche Angebote. Diese würde ich heutzutage auf jeden Fall als Must auf der Checkliste ergänzen.

Was die Studierenden noch benötigen

Aber die Studierenden benötigen noch etwas Anderes. Außer handfesten Informationen zu Suchtechniken und Auswahlverfahren gibt es noch einen wichtigen Punkt:

Sicherheit.

Die Studierenden brauchen mehr Sicherheit und müssen dazu eine Art „Bauchgefühl“ in Sachen wissenschaftlicher Literatur aufbauen dürfen.

Wie können Sie den Studierenden zu mehr Sicherheit verhelfen?

Idee 1: Eine inhaltliche Einordnung Ihrer Literaturliste für das Seminar vornehmen

Ein erster kleiner Schritt kann es sein, im Seminar anhand Ihrer Literaturliste eine inhaltliche Einordnung vorzunehmen. Gerade in den frühen Semestern wirkt eine Literaturliste für das Seminar auf die Studierenden oftmals erschlagend. Sie wissen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass sie nicht alle Quellen, die darauf vermerkt sind, lesen müssen bzw. dass sie diese nicht alle mit der gleichen Gründlichkeit durcharbeiten sollten. Geben Sie den Studierenden ein paar Anhaltspunkte, indem Sie sie darauf hinweisen,

  • welche Quellen gut für den Einstieg geeignet sind (Überblicksdarstellungen, ggf. Auszüge aus Lehrbüchern, Meta-Analysen)
  • welche Quellenarten in Ihrer Disziplin welchen Stellenwert haben (Monographien und Sammelbände vs. Zeitschriftenartikel)
  • welche Quellen in Ihrer Liste Mainstream-Positionen abdecken und welche eher „exotisch“ oder besonders kritisch oder innovativ sind
  • wieso Sie ggf. auch unwissenschaftliche Quellen aufgenommen haben und
  • zu guter Letzt welche Quellen Sie gut lesbar fanden und welche eine Zumutung.

So lassen Sie die Studierenden nicht nur von Ihrer Expertise profitieren, sondern bestätigen sie auch darin, dass manche Texte zugänglicher sind als andere und dass Schwierigkeiten beim Lesen nicht unbedingt immer auf die lesende Person zurückzuführen sind. Diese Einordnungen, die für Sie selbstverständlich ist, sind es für die Studierenden (noch) nicht.

Idee 2: Beispiel für Arbeiten mit wenigen und vielen Quellen

Der zweite Ansatzpunkt bezieht sich vordergründig auf die Anzahl der Quellen. Sie werden die Frage nach der Mindestzahl der zu verwendenden Quellen ja kennen. Wenn Sie ein wenig Zeit investieren möchten, suchen Sie doch einmal zwei, drei verschiedene Beispiele aus älteren studentischen Arbeiten heraus: je ein Literaturverzeichnis mit vielen und mit wenigen Quellen und vielleicht noch eines mit einer durchschnittlichen Anzahl.

Dies können Sie nun auf verschiedene Arten nutzen. Sie könnten beispielsweise den Studierenden den Titel und die Fragestellung der dazugehörigen Arbeit nennen und gemeinsam überlegen, ob die Anzahl der Quellen der Art der Arbeit prinzipiell angemessen ist. Es würde mich nicht wundern, wenn am Ende herauskäme, dass man das so gar nicht sagen kann 😉 Das hielte ich für einen wichtigen Lerneffekt.

Abschließend könnten Sie dann nachsehen, ob und welche Lücken es eventuell in den Literaturverzeichnissen gibt (je nach Ausgangslage könnte z.B. Literatur zur theoretischen Fundierung fehlen oder Methodenliteratur oder aktuelle Studien, oder, oder, oder).

Sicher, sicher!

Die beiden genannten Ideen haben gemeinsam, dass Sie als Lehrperson es den Studierenden damit ermöglichen, sicherer in ihrer Einschätzung der Literatur zu werden.

Was fehlt nun noch? Die angestrebte Sicherheit stellt sich bei den Studierenden bestimmt nicht gleich ein, nachdem Sie die beiden Ideen umgesetzt haben. Das braucht Zeit. Sie können dennoch etwas tun, um den Studierenden zu helfen.

Reden Sie mit den Studierenden über die vermeintliche Vollständigkeit der Literaturliste. Die Annahme, dass man „alles“ finden sollte, ist weit verbreitet. Haben Ihre Studierenden schon aus Ihrem Mund gehört, dass das gar nicht geht? Abgesehen von Systematic Literature Reviews, in denen die vollständige Abdeckung eines bestimmten Ausschnitts angestrebt wird, ist das Kriterium der Vollständigkeit kaum sinnvoll zu erfüllen. Ihre Studierenden brauchen also eher Hilfe dabei, die wichtigsten Positionen in einem Diskurs zu identifizieren. Erläutern Sie ihnen doch einmal, wie Menschen in Ihrer Disziplin das tun. Oder überlegen Sie, wie Sie sich selbst schnell in einer fremden Disziplin orientieren würden.

Welche Herangehensweisen nutzen Sie, um die Studierenden beim Suchen und Finden zu unterstützen? Wie geben Sie ihnen Sicherheit?

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Kolip, Petra und Bettina Schmidt (2023): Schreiben in Sozialarbeits- und Gesundheitswissenschaften. Erfolgreich in interdisziplinären Studiengängen. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich.

12,90 Euro

108 Seiten

Inhaltsübersicht:

1 Einleitung

2 Wissenschaftliches Arbeiten in Studium und Praxis

3 Themensuche, Formulierung einer Fragestellung und Erarbeitung einer Gliederung

4 Literatur recherchieren und lesen

5 Schreiben

6 Arbeitsplan und Zeitmanagement

7 Über die Autorinnen: Wer wir sind und wie wir schreiben

Kolip und Schmidt: Wissenschaftlich arbeiten in Multidisziplinen

Einen ersten Hinweis auf die Besonderheit dieses Buches liefert der Untertitel, laut dem es um wissenschaftliches Arbeiten in interdisziplinären Studiengängen gehen wird. Oder aber richtiger, wie es sowohl im Buch als auch auf der Buchrückseite steht, um das wissenschaftliche Arbeiten in multidisziplinären Studiengängen. Da ich in die Diskussion um diese Begriffe hier nicht einsteigen möchte, belassen wir es einfach dabei: Studierende der Sozialarbeits- oder Gesundheitswissenschaften stehen vor der Herausforderung, dass sie in ihren Fächern ein Phänomen aus möglichst vielen Perspektiven betrachten können müssen (S. 15). Das erklärt auch die auf den ersten Blick ungewöhnliche Zusammenstellung von Sozialer Arbeit und Gesundheitswissenschaften im Titel. Dies spiegelt auch die fachlichen Schwerpunkte der Autorinnen wider: Petra Kolip (Universität Bielefeld) ist Professorin für Prävention und Gesundheitsförderung und Bettina Schmidt (Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe) Professorin für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Das Buch ist in sieben Kapitel aufgeteilt, wobei das Kapitel zu Literaturrecherche und Lesen (Kap. 4) und das Kapitel zum Schreiben (Kap. 5) allein schon vom Umfang her den Kern bilden. Zusammen ergeben sie mehr als die Hälfte des Buches.

Die Einleitung ist eine Kombination aus einleitenden Worten und Vorwort.

Grundlegend für das wissenschaftliche Arbeiten in multidisziplinären Studiengängen sind die Inhalte in Kapitel 2, die auf die wissenschaftliche Haltung generell und die Unterschiede zum wissenschaftlichen Arbeiten in Monodisziplinen abzielen. Bei all dem wird bereits deutlich, wie wichtig den Autorinnen der Praxisanspruch ist: Die Kompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens sollen dabei helfen, den späteren Beruf professionell auszuüben.

In Kapitel 3 ist es gelungen, auf nur 17 Seiten anschaulich zu erläutern, wie man von der ersten Idee für eine wissenschaftliche Arbeit zum Exposé kommt. Sogar Infoboxen, Checklisten und aussagekräftige Beispiele sind hierin noch enthalten.

Kapitel 4, eines der beiden Kernkapitel, behandelt die Literaturrecherche und das Lesen und beginnt bei der Unterscheidung von wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Literatur, zeigt dann die verschiedenen Recherchemöglichkeiten für eine systematische Suche auf (u.a. auch für Daten – ein gern vergessenes Feld in der Ratgeberliteratur) und schließt mit einem kurzen Passus zum professionellen Lesen. Gerade dieser Teil ist sicher für viele Studierende hilfreich und hätte daher durchaus länger ausfallen dürfen.

Im zweiten Kernkapitel, Kapitel 5 zum Schreiben, geht es nach meinem Dafürhalten ein wenig drunter und drüber – nicht inhaltlich, sondern in Bezug auf die Reihenfolge der Unterkapitel. Es beginnt mit dem wissenschaftlichen Schreibstil, befasst sich dann mit dem Schreibprozess und kurz auch mit dem Produkt, und schwenkt danach zum Zitieren, um wieder zum Schreibprozess zurückzukehren.

In Kapitel 6 werden die Themen Arbeitsplan und Zeitmanagement angerissen, aber auch Hinweise zum Umgang mit Schreibblockaden gibt es (ich bezweifle jedoch, dass das wirklich veritable Blockaden meint).

Das Buch endet in Kapitel 7 mit einem „Über die Autorinnen“, das allerdings die üblichen Angaben zur Vita um drei Interviewfragen erweitert: „Wie kommen Sie zu Ihren Themen und Fragestellungen?“, „Wie organisieren Sie Ihren Schreibprozess“ und „wie gehen Sie mit Feedback um?“. Dies erlaubt es, die Autorinnen ein wenig näher kennenzulernen und aus ihren Ausführungen zum Schreiben Schlüsse für das eigene Schreiben zu ziehen.

Was mich anspricht

An erster Stelle ist die durchweg wohlwollende Haltung gegenüber den Studierenden zu nennen, die das Buch trägt. Ich finde, man merkt deutlich, dass den Autorinnen etwas an deren Lernfortschritt und späterem Vorankommen im Beruf liegt.

Wer das Buch liest, erhält gute generelle Tipps für das Lesen und Schreiben, wie das von einem Schreibratgeber auch erwartet werden darf. Darüber hinaus gibt etliche fachspezifische Beispiele und natürlich Hinweise auf einschlägige Verlage und Datenbanken für die Recherche. Auch das darf man eigentlich erwarten, wenn sich ein Buch an eine bestimmte Leserschaft richtet. Allerdings wird es nicht in allen Ratgebern wirklich stringent umgesetzt. Daher ist es mir hier eine Erwähnung wert.

Die vielen Infoboxen und Checklisten helfen den Studierenden sicherlich beim Durcharbeiten des Buches und beim Verstehen der Inhalte.

Was mir nicht gefällt

In einen so knappen Ratgeber kann man natürlich nicht „alles“ aufnehmen. Gerade bei den besprochenen Disziplinen hätte ich jedoch die Unterscheidung zwischen Theorie- und Praxisquellen als gewinnbringend empfunden. Es wird immer wieder vorkommen, dass Studierende mit Quellen aus der beruflichen Praxis umgehen müssen, und dies wirft dann sowohl bei der Auswahl als auch beim Zitieren viele Fragen auf (hilfreich hierzu Thomas Trägers „Zitieren 2.0“).

An dem Buch irritiert mich die Verwendung des Begriffs „Zitierfähigkeit“. Er wird vermengt mit der Zitierwürdigkeit. Mit dieser sprachlichen Ungenauigkeit sind die Autorinnen jedoch nicht allein, ich lese und höre das allenthalben. Korrekt ist: Ein Werk ist zitierfähig, wenn es prinzipiell auffindbar und damit nachvollziehbar ist. Bei der Zitierwürdigkeit handelt es sich hingegen um eine Aussage über die Qualität der Quelle: Ist sie „wissenschaftlich genug“, um des Zitierens würdig zu sein?

Das war es dann aber auch schon an negativer Kritik, denn ansonsten finde ich das Buch, wie oben ausführlich beschrieben, durch die Zusammenstellung der Inhalte und die zugrundeliegende Haltung der Autorinnen sehr hilfreich.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Im Titel sind die Hauptzielgruppen des Buches benannt: Studierende der Sozialen Arbeit und der Gesundheitswissenschaften. Da die Inhalte überwiegend grundlegend sind, richtet sich das Buch eher an Studierende in Bachelor- als in Master-Studiengängen (oder laut Aussage der Autorinnen an Studierende, die ihre erste Hausarbeit schreiben, S. 8). Da ich mittlerweile in Bezug auf die Kenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten schon recht unterschiedliche Niveaus erleben durfte, und zwar unabhängig vom formalen Abschluss und mitunter auch unabhängig von der Zahl der bereits verfassten Arbeiten, sollte ich vermutlich besser formulieren: „richtet sich das Buch an Studierende der Sozialen Arbeit und der Gesundheitswissenschaften, die sich über das wissenschaftliche Arbeiten in diesen Studiengängen informieren möchten“.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Für Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten ist das Buch nicht konzipiert. Einen Aspekt möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch gern herausheben: Die oben erwähnten Interviews im Kapitel „Über die Autorinnen“ geben einen Einblick in die Schreibpraktiken. Eine solche Offenheit wünsche ich mir von Lehrenden des wissenschaftlichen Arbeitens, damit die Studierenden erfahren, welche Arbeitsweisen zum Ziel führen und wie unterschiedlich diese sein können. Es geht dabei also nicht darum, die eigene Schreibpraxis zum Nonplusultra zu erheben. Vielmehr erlaubt das den Studierenden, ihre eigenen Annahmen über das Schreiben zu hinterfragen (sehr beliebt an dieser Stelle: „Professor:innen schreiben direkt druckreif.“ und „Ich muss das alleine schaffen.“).

Weiterführender Link

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Ein paar Gedanken zum Schreiben im Studium mit und ohne KI-Tools

letzte Aktualisierung: 26. Juli 2023

Offensichtlich gibt es nur noch ein Thema in der Hochschullandschaft: künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen. Wie verändert das Schreiben mit KI-Tools das Studium und die Lehre?

Aus aktuellem Anlass: meine Fragen zu Schreiben im Studium

In den vergangenen Wochen und Monaten, genauer gesagt seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022, habe ich mir die folgenden Fragen gestellt:

  • Wozu dienen klassische Haus-, Seminar- oder Abschlussarbeit und ähnliche Texte noch in Zeiten von KI-Tools? Wie müssen Lehrende diese Arbeiten ggf. umgestalten?
  • Wie verändern sich in der aktuellen Situation die Rollen und Aufgaben aller Beteiligten?
  • Wie funktioniert in Bezug auf Hausarbeiten eine sinnvolle Integration von Entwicklungsorientierung und KI?

Meine Grundhaltung zum Schreiben mit KI-Tools und zur Hochschullehre

Meine grundsätzliche Haltung zum Schreiben mit und ohne KI-Tools einerseits und zur Hochschullehre andererseits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das Schreiben von wissenschaftlichen Texten im Studium ist ein Lern- und Entwicklungsinstrument. Studierende wollen lernen und sich entwickeln. Das voreilige Abschaffen von Hausarbeiten u. ä. schadet mehr als es nutzt.
  • KI-Tools müssen sinnvoll in den Schreibprozess integriert werden. Das Prüfungsformat „Haus- und Abschlussarbeit“ imitierte schon immer das Schreiben „echter“ wissenschaftlicher Arbeiten, also müssen Studierende alle zur Verfügung stehenden Tools nutzen dürfen, die Wissenschaftler:innen auch nutzen.
  • Paradoxerweise bewirken die technischen Entwicklungen voraussichtlich, dass die Menschen an den Hochschulen wieder wichtiger werden. Lehrende, die sich nur über ihren Expert:innenstatus definieren, sind für die Studierenden als Vorbild dabei zunehmend uninteressant. Lehrende, die Studierende bei ihrer Entwicklung unterstützen, prägen die Hochschule der Zukunft.

Schlussfolgerungen und weiterführenden Gedanken

Führt man diese Gedanken zusammen, ist der Weg klar:

Wir müssen mit den Studierenden gemeinsam KI-Tools testen, und wir alle sollten sie beim Schreiben an passenden Stellen gewinnbringend einsetzen.

Im Detail führe ich das in meinem Gastbeitrag „Die Hausarbeit ist tot, es lebe die Hausarbeit!“ – Entwicklungsorientierung, wissenschaftliches Arbeiten und KI gemeinsam denken“ auf dem Blog  des Hochschulforums Digitalisierung aus, der in den Dossiers „Gute Lehre“ und „Generative KI“ zu finden ist. In dem Beitrag sind auch Vorschläge für die konkrete Umsetzung in der Lehre enthalten.

Cover HFD-Gastbeitrag Dr. Andrea Klein Wissenschaftliches Arbeiten/Schreiben im Studium mit KI-Tools, Entwicklungsorientierung 
17. Februar 2023

Buchtipp „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben“ (3. Auflage)

Cover Andrea Klein 2023 Wissenschaftliche Arbeiten schreiben

Zum Weiterlesen: Blogartikel „Man nehme drei KI-Tools“

Zitier-Indizes als Thema in der Lehre, oder „Wer viel misst, misst Mist…“

Immer wieder einmal ploppt in den Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten die Frage nach dem Sinn und Nutzen von Zitier-Indizes auf.

In diesem Blogartikel hole ich erst ein wenig aus, um ein paar Informationen über Zitier-Indizes darzulegen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!), und ziehe dann am Ende meine Schlussfolgerungen für die Lehre.

Lassen wir zunächst einmal einen der Pioniere auf dem Gebiet der Zitier-Indizes, Eugene Garfield, zu Wort kommen.

„Citation frequency is a measure of research activity, or of communication about research activity. The measure is a sociometric device. In itself, the number of citations of a man’s work is no measure of significance. Like one scale on a nomogram, it must be used along with other scales to obtain anything useful or meaningful, particularly if the object of the evaluation is in any way qualitative.”

(Garfield, 1973, eigene Hervorhebung)

Trotzdem werden die Indizes als das Non-plus-Ultra angesehen, um wissenschaftliche Bedeutung und Qualität zu bewerten. Gleichzeitig werden sie jedoch auch kritisch hinterfragt. Nur hat dies bisher noch nicht zur Entwicklung eines wirklich guten Index geführt – vermutlich weil es den gar nicht geben kann.

Ein bisschen Hintergrund zu Zitier-Indizes

Der erste Zitier-Index (für Zeitschriftenartikel) war der von Garfield entwickelte Scientific Citation Index (SCI), der seit 1964 genutzt wird. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl solcher Indizes; durchgesetzt haben sich der Journal Impact Factor (JIF) für die Bewertung von Journals und der Hirsch-Index (h-Index) für die Bewertung der Leistung einzelner Wissenschaftler:innen. Beide funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Der Index misst die Anzahl der Zitationen im Verhältnis zur Anzahl der publizierten Artikel in einem Zeitraum von zwei Jahren bzw. zur Anzahl der (gesamten) eigenen Veröffentlichungen.

Die Indizes haben sich etabliert, da sie bis dato die einfachste Möglichkeit darstellen, wissenschaftlichen Output zu ranken. Allerdings ist Quantität ja nicht gleich Qualität, außerdem haben wir es nur mit einem vermeintlich objektiven Maßstab zu tun.

Moment mal – „vermeintlich objektiv“?

Leider ja. Schon die Auswahl der Journals, die überhaupt in den JIF aufgenommen werden, erfolgt willkürlich und ist hauptsächlich auf englischsprachige Zeitschriften beschränkt. Es kommt zu geografischen und thematischen Verzerrungen.

Zudem unterstützen die Indizes die systematische Benachteiligung von Frauen bzw. weiblich gelesenen Personen. Artikel, die von Wissenschaftlerinnen eingereicht werden, werden seltener angenommen als die von Wissenschaftlern. Hinzu kommt, dass ihre Artikel seltener zitiert werden – vor allem eben von Wissenschaftlern. (Nebenbei gesagt: Werden Zitierstile verwendet, die den Vornamen zu Initialen abkürzen, ändert sich das. Dann werden Artikel von Wissenschaftlerinnen zitiert als wären es Artikel von Wissenschaftlern.) Dies alles sorgt dafür, dass Männer in den Indizes wesentlich besser abschneiden als Frauen. 2021 waren so beispielsweise nur 11 Frauen unter den TOP 100 und sogar nur eine Frau unter den TOP 10 der meist zitierten Wissenschaftler:innen (https://recognition.webofscience.com/awards/highly-cited/2021/).

Erschwerend kommen weitere Faktoren hinzu: So bekommt etwa nur der/die jeweilige Hauptautor:in eines Artikels Credits für den Index und bei der Auswahl werden etablierte Journals/Autor:innen bevorzugt, so dass Wissenschaftler:innen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, und innovative oder unkonventionelle Ideen wenig Chancen haben, sich überhaupt zu etablieren. Auch lässt sich der Index einfach manipulieren, z. B. durch Selbstzitierung.

Das Kernproblem der Zitier-Indizes

Das alles weist auch auf das Kernproblem des JIF und anderer Indizes hin: Die Häufigkeit, mit der eine Quelle zitiert wird, lässt keinen Rückschluss auf die Qualität zu. Zudem ist es stark von der Fachcommunity abhängig, wie häufig ein Artikel zitiert wird – ein sehr guter Artikel zu einem Nischenthema in einem kleinen Fachbereich wird deutlich seltener zitiert als ein schlechter Artikel zu einem populären Thema in einer der großen Disziplinen. Auch werden Artikel nicht immer zitiert, weil sie gut sind – bekanntlich dient manches Zitat auch dazu, um die Inhalte einer Quelle zu kritisieren oder zu widerlegen.

All diese Kritikpunkte führten unter anderem dazu, dass der JIF von Forschenden nicht mehr bei ERC-Anträgen angegeben werden darf. Trotzdem zählt er in Deutschland als der scientometrische Indikator: Dozierende raten ihren Studierenden, sich bei der Literaturauswahl für die eigenen Arbeiten daran zu orientieren, und Universitäten suchen spezifisch nach vielzitierten Wissenschaftler:innen, um ihr Ranking zu verbessern.

Aber warum eigentlich?

Ein simpler Grund ist, dass es aktuell keinen Indikator gibt, der wirklich besser ist. Der Eigenfactor, der SCImago Journal Rank (SJR) und der Source Normalized Impact per Paper (SNIP) beheben jeweils ein paar der genannten Schwachstellen, funktionieren aber immer noch nach dem gleichen Prinzip. Altmetrics (eine Wortschöpfung aus den beiden Wörtern „alternative“ und „metric“) verfolgen einen komplett anderen Ansatz, indem sie versuchen, den Impact einer Veröffentlichung zu erheben und dabei auch die Resonanz auf Social Media einzubeziehen.

Auch wird es eine echte Lösung im Sinn einer „Qualitätsprüfung“ nicht geben können. Die Vielzahl an Veröffentlichungen tatsächlich auf ihre Qualität hin zu prüfen, wäre nicht nur zeitaufwendig und kostenintensiv. Es wäre grundlegend fraglich, wer diese Qualität überhaupt bewerten sollte und anhand welcher Kriterien.

Messen
Foto von Miguel A Amutio

Zitier-Indizes als Thema in der Lehre

Für die Lehre heißt das für mich Folgendes: Je nach Vorkenntnissen der Studierenden diskutiere ich die Funktionsweise und die Aussagekraft von Zitier-Indizes auf unterschiedliche Arte.

  • Bei Studierenden, die gerade das Bachelor-Studium aufgenommen haben und an ihren ersten Arbeiten sitzen, ist dies erfahrungsgemäß kaum ein Thema. Sie sind noch zu sehr mit den Basics beschäftigt und ich weise auch nicht aktiv auf Zitier-Indizes hin.
  • Bei erfahreneren (Bachelor-)Studierenden in späteren Semestern kommt das Thema „Zitier-Indizes“ manchmal auf, weil jemand es bei befreundeten Studierenden aus anderen Studiengängen aufgeschnappt hat oder weil Lehrende es aufgebracht haben (Letzteres leider meist auf die unkritische Art im Sinne von „Zitieren Sie vorzugsweise aus hochgerankten Quellen.“). Dann erlaube ich mir, ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten und die Studierenden mit Argumenten auszustatten.
  • Bei fortgeschrittenen Studierenden in Master-Studiengängen und darüber hinaus setze ich das Thema selbst auf die Agenda und diskutiere es mit den Studierenden. Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass man dabei sehr gut aufpassen muss, wann das Ende dieser Diskussion erreicht ist. Allzu leicht machen sich sonst Resignation und eine gewisse „Wissenschaftsfeindlichkeit“ breit. Damit meine ich in diesem Kontext eine Haltung, die es der Wissenschaft zum Vorwurf macht, noch keine Lösung für diese komplexe Problem gefunden zu haben, und daraufhin die Wissenschaft generell in Frage stellt.

Was ist mir wichtiger als Zitier-Indizes?

Es dürfte klar geworden sein, dass ich Zitier-Indizes insgesamt nicht für einen guten Maßstab und schon gar nicht für das Maß aller Dinge für die Literaturauswahl der Studierenden erachte. Für wesentlich wichtiger halte ich es, gemeinsam mit den Studierenden kritisch zu diskutieren, wie neues Wissen entsteht und verbreitet wird oder eben auch nicht.

Derweil träume ich weiter von einer Wissenschaftspraxis,

  • in der nur wirklich veröffentlichungswerte Erkenntnisse veröffentlicht werden und in der nicht aus Karrieregründen mal wieder eine „Least publishable unit“ – sorry – „rausgehauen werden muss“,
  • in der auch innovative und unkonventionelle Ideen eine Chance haben, weil sie zu Ende gedacht und dann auch noch veröffentlicht und rezipiert werden können
  • in der Transparenz ein wichtiger Wert bei der Entstehung und Kommunikation von Wissen ist (hallo Open Science!) und in der nicht durch das unreflektierte Verwenden von Zitier-Indizes Verzerrungen reproduziert werden.

Wie thematisieren Sie Zitier-Indizes in der Lehre?

Selbstcoaching im Doppeldecker. Oder: Warum eigentlich nicht bei sich selbst anfangen?

In meinem Buch „Mit Freude lehren“ sind zehn sogenannte Doppeldecker-Thesen enthalten. Für den aktuellen Beitrag möchte ich ein wenig tiefer in das Thema Selbstcoaching und die dazugehörige These einsteigen. Sie lautet:

„Wenn ich mir selbst ein Coach bin, kann ich auch anderen gegenüber eine coachende Haltung an den Tag legen.”

Klein, A. (2022): Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt. Verlag Barbara Budrich, S. 79.

Was bedeutet Selbstcoaching eigentlich?

Unter „Selbstcoaching“ versteht man eine Herangehensweise, mit der man sich selbst bei seiner Zielerreichung unterstützt. Dabei muss es sich nicht unbedingt um ein sachliches und inhaltlich konkretes Ziel handeln („Wie kann ich bis zum Monatsende diesen Stapel an Hausarbeiten begutachten?“), oft dreht es sich auch um übergreifende und persönliche Ziele („Wie schaffe ich die Balance zwischen Forschung und Lehre?“).

Das „Selbst“ am Wortanfang besagt, dass man sich ohne fremde Unterstützung, auf den Weg macht. Es braucht demnach Methoden, die Distanz zum sonstigen Gedanken-Wirrwarr bringen. So wird es möglichen, sich zu sortieren und den nächsten Schritt zu gehen.

Welche Voraussetzungen müssen für das Gelingen gegeben sein?

Wer damit starten möchte, muss unbedingt zur Selbststeuerung in der Lage sein. Das bedeutet, dass psychische Erkrankungen oder Suchterkrankungen hinderlich sind.

Das Vorhaben an sich sollte natürlich auch einigermaßen realistisch durch Selbstcoaching zu erreichen sein. Mit der Weltherrschaft wird es auf diesem Weg wahrscheinlich nichts 😉

Wofür brauche ich Selbstcoaching überhaupt?

Selbstcoaching hilft bei der persönlichen Weiterentwicklung. An bestimmten Stellen haben Sie vielleicht den Eindruck, dass die Dinge nicht so bleiben sollen, wie sie sind.

Was kann Selbstcoaching bewirken – für mich persönlich und für meine Lehre?

Wie wäre das, wenn Sie die Veränderungen erreichen, die Sie sich erhoffen? Was würde das bewirken? Träumen Sie ruhig ein wenig!

Für die Lehre sind vor allem Ihre Erfahrungen mit dem Selbstcoaching bedeutsam. Denn vom Doppeldecker her gedacht, können Sie am besten Vorbild sein, wenn Sie erlebt haben, dass es funktionieren kann.

Wann soll ich mit dem Selbstcoaching aufhören?

Im besten Fall haben Sie natürlich Ihr Ziel erreicht und beenden das Selbstcoaching bzw. setzen sich voller Elan das nächste Ziel.

Manchmal gibt es allerdings Situationen, in denen man sich alleine im Kreis dreht. Dann kann es ratsam sein, eine dritte Person hinzunehmen, die kluge Fragen stellt und beim Ordnen hilft. Manchmal hilft eine vertraute Person, die einen bereits gut kennt. Wichtig ist in diesem Fall, dass die Person nicht versucht, Ihnen die eigene Sichtweise „aufzudrücken“. Denn Tipps und Herangehensweisen, die für eine Person funktionieren, müssen bei der nächsten nicht zum Erfolg führen. Wenn Sie also in dieser Hinsicht Bedenken haben, wenden Sie sich besser an einen ausgebildeten Coach, der oder die nicht-direktiv arbeitet. Solche Coaches nehmen sich zurück und versuchen nicht, Sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Ist Selbstcoaching auch für Studierende geeignet? In welchen Bereichen?

Ja, auf jeden Fall, solange die Fähigkeit zur Selbststeuerung gegeben ist.

Selbstcoaching ist in vielen Lebensbereichen anwendbar. Auf das Studium bezogen ist das „Dauerbrenner“-Thema Disziplin und Motivation beim Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten.

Wie kann ich den Studierenden Selbstcoaching näherbringen?

Das sind wir bei der Trias aus Zeit, Raum und Ruhe, die ich in „Mit Freude lehren“ an mehreren Stellen erwähne. Wenn Sie entschlossen sind, Selbstcoaching einzubauen und sich Zeit, Raum und Ruhe zu nehmen, bietet es sich an, zunächst einmal mit 10 bis 15 Minuten in der Lehrveranstaltung zu starten. Vielleicht möchten Sie mit einer persönlichen Geschichte starten und die Studierenden daran teilhaben lassen, wie Sie ein Problem durch Selbstcoaching gelöst haben. Fragen Sie die Studierenden auch nach ihren Erfahrungen und finden Sie heraus, ob sie den Wunsch haben, mehr über Selbstcoaching zu erfahren. An der Stelle wird es dann spannend! Lassen Sie es auf sich zukommen.

Wo kann ich mich informieren?

Als Grundlage empfehle ich Ihnen zunächst dieses Büchlein:

  • Fischer-Epe, M. und Epe, C. (2016). Selbstcoaching : Hintergrundwissen, Anregungen und Übungen zur persönlichen Entwicklung. (5. Aufl.) Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Aufbauend können Sie das Thema hier vertiefen:

  • Günther, K. (2020). Selbstcoaching in der Wissenschaft : wie das Schreiben gelingt. Vrlag Barbara Budrich

Dieses Buch bezieht sich, wie der Untertitel schon verrät, auf das eigene wissenschaftliche Schreiben. Ich habe es hier rezensiert: http://www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de/gunther-gutes-schreiben-gutes-leben/