Inhaltsanalyse schön ver-„packt“

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

In den zahlreichen Kursen, die ich im Fach Wissenschaftliches Arbeiten unterrichtet habe, war ich oft zu Beginn mit Skepsis bis Ablehnung der Studierenden gegenüber dem Fach konfrontiert. Bei Wissenschaft erwarten dabei viele trockenen Stoff. Wissenschaftliches Arbeiten erscheint dann erst recht als langweilig. In Gesprächen und Evaluationen bekomme ich immer wieder mit, dass besonders die Zugänglichkeit zu Methoden für viele Studierende ein sehr großes Hindernis darstellt. Sehr häufig kommen dann Rückfragen wie „Was kann ich denn damit anfangen?“ oder „Brauche ich das später in meinem Job?“

Dabei fasse ich mich auch immer ein Stück weit selbst an die berühmte eigene Nase und mache mir intensiv Gedanken, wie ich sehr abstrakten Stoff gerade im Hinblick auf Methoden möglichst praxis- und alltagsnah sowie aktuell vermitteln kann.

Unverhoffte Unterstützung durch die Fußball-EM

Bei manchen Methoden fällt mir das sehr leicht. Dazu gehört zweifelsfrei die Befragung. Das ist immer ein dankbares Thema, denn die meisten Studierenden können damit konkret etwas anfangen, haben schon selbst welche erstellt oder zumindest daran teilgenommen.

Ganz anders sieht es aber beispielsweise mit Gruppendiskussionen aus, und noch viel schwieriger wird es bei unbekannteren Methoden der Sozialwissenschaften wie etwa der Inhaltsanalyse.

Als ich Mitte Juni die Berichterstattung zur Fußball-EM in Frankreich verfolgte, stieß ich auf ein Beispiel, wie ich die eine Woche später anstehende Inhaltsanalyse gut rüberbringen könnte.

Eines vorneweg: Es hat geklappt!

Torschüsse, gewonnene Zweikämpfe, … und vieles mehr

Bislang hatte ich mit den Studierenden im Rahmen dieser Methodik immer mit Texten oder Werbespots gearbeitet. So sollten die Studierenden etwa inhaltsanalytisch untersuchen, wie sich Werbespots im Zeitverlauf verändert haben.

Da der aktuelle Kurs überwiegend männlich besetzt ist, dachte ich, dass Fußball eine gute Einstiegsmöglichkeit sein könnte. Zumal auch zahlreiche Teilnehmer regelmäßig mit Trikots diverser EM-Teilnehmer erschienen. Im Rahmen eines Fußballspiels wird sehr häufig inhaltsanalytisch gearbeitet. Dies lässt sich besonders daran feststellen, dass oft die Diskussion von Spielstatistiken einen wichtigen Teil der Sportberichterstattung einnimmt. Neben den Toren werden Aspekte wie Torschüsse, gewonnene Zweikämpfe, gelaufene Kilometer, Passquote etc. erfasst und beleuchtet.

Doch trotz aller Statistiken können diese Kennzahlen nicht immer das Ergebnis erklären. So kann es beispielsweise passieren, dass es einen klaren Sieger gibt, jedoch die unterlegene Mannschaft deutlich mehr Torschüsse und Spielanteile hatte, das Siegerteam allerdings seine Chancen – wie es Fußball-Experten beschreiben – „kaltschnäuziger“ ausnutzte. Ich war gespannt, wie die Studierenden damit umgingen.

In der ersten Sitzung zur Inhaltsanalyse habe ich den Studierenden einige Spielszenen auf Video gezeigt und sie anschließend darum gebeten ein klassisches Codebuch zu erstellen.

Die Teilnehmer wirkten zunächst kurzzeitig irritiert, dann aber schnell begeistert. Sie diskutierten intensiv über die gezeigten Spielszenen und hatten als Thema beispielsweise, welcher Schuss als Torschuss gewertet wird und welcher nicht. Es kamen Fragen auf wie „Ist jeder Ball Richtung Torwart schon ein Torschuss oder muss es richtig in die Bande krachen?“. Auch mit der Messung der Kaltschnäuzigkeit haben sich die Teilnehmer intensiv beschäftigt. Und zu Beginn hatten viele die Hypothese, dass rund ein Viertel der Übertragungszeit mit emotional aufgeladenen Bildern gefüllt sei: Lächelnde Ballkinder, jubelnde Spieler und Fans etc.. Erste Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich deutlich weniger ist. 12,3 Prozent der analysierten rund 41 Stunden TV-Übertragung zeigten ganz oder teilweise emotionale Aufnahmen.

Dieses Projekt erstreckt sich bis zum heutigen Tag. Bislang konnte ich keine Codierungsmüdigkeit feststellen. Ganz im Gegenteil: Bei hitzigen Debatten spezieller Szenen konnte ich die Intercoderreliabilität mühelos erfahrbar machen.

Unverhofft kam uns dann sogar noch die ARD-Berichterstattung zu Hilfe. Dabei wird auf einen neuen Indikator, das sogenannte Packing, gesetzt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob ein Pass den Mitspieler erfolgreich erreicht, sondern zusätzlich darum, wie viele Gegenspieler dabei überspielt wurden.

Anlass für die Entwicklung dieses neuen Indikators war das Halbfinale zwischen Deutschland und Brasilien bei der letzten Weltmeisterschaft 2014. Bei den traditionellen Kenngrößen lag mit Ausnahme der Tore Brasilien vor Deutschland. Das Spiel endete jedoch mehr als deutlich mit 7 zu 1 für Deutschland. Die Packing-Rate zeigt dagegen erhebliche Unterschiede. Die deutsche Mannschaft überspielte mit Pässen 402 Spieler des Gegners, Brasilien nur 341 Spieler.

Anhand dieses praxisnahen Beispiels wollte ich Ihnen zeigen, wie sich komplexe wissenschaftliche Begriffe wie Indikator oder Intercoderreliabilität in den Unterricht, praxis- und alltagsnah sowie aktuell einbringen lassen.

Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht und Beispiele kennen gelernt? Welche Beispiele nutzen Sie?

 

StefanDoblerStefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“ – Individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Fortsetzung und Vertiefung des Artikels „Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Prinzipiell bin ich kein großer Freund von Zitaten zu Beginn von eigenen Ausführungen. Obwohl dies für einen Dozenten des wissenschaftlichen Arbeitens fast schon paradox klingt. Ich tue es hier trotzdem.

In der Didaktik des wissenschaftlichen Arbeitens ist es letztlich genauso wie in der großen Politik. In einer außenpolitischen Grundsatzrede an der Militärakademie in West Point formulierte Barack Obama im Jahr 2014 den Satz:

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“

Unter dem „besten Hammer“ verstand er hierbei die militärischen Möglichkeiten seines Landes und stellte sogleich klar, dass diese keine generelle Lösung darstellen dürfen. Was nun in der großen Weltpolitik gilt, gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten. Und dies in zweierlei Hinsicht.

  • Einerseits sollten wir Lehrenden den Studierenden mehrere Werkzeuge mit auf den akademischen Weg geben und ihnen die sinnvolle Anwendung zeigen und vorleben. Doch dies wäre ein Thema für einen anderen Beitrag.
  • Andererseits gilt dies auch für uns Lehrende. Nur weil eine Methode sich in unserer Didaktik bislang bewährt hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie immer anwendbar ist. Dies mag banal klingen, doch wir sollten uns dem immer bewusst sein. Bleiben wir bei diesem Thema. Es lohnt sich.

In diesem Blogbeitrag steht ganz lapidar: „Es ist wichtig, dass das Fach Wissenschaftliches Arbeiten gut gelehrt wird.“ Dem kann ich nur zustimmen. Doch was heißt dies nun didaktisch ganz konkret, wenn eine wissenschaftliche Arbeit nicht nur geschrieben, sondern als Projekt verstanden und gemanagt wird?

Wir haben alle eine fundierte methodische Ausbildung und würden gerne unsere Erfahrungen didaktisch angemessen weitergeben. Für mich ist hier der didaktische Aspekt im Hinblick auf das Projektmanagement wichtig.

Wie kann dieser Spirit des Projektmanagements individuell angepasst vermittelt werden?

Bereits zu Beginn dieser Betrachtung kann ich Ihnen sagen: Nicht immer mit dem Hammer! Warum? Weil wir es bei Studierenden natürlich mit unterschiedlichsten Charakteren und Kompetenzen zu tun haben. In den letzten knapp zehn Jahren meiner Lehrtätigkeit sind mir mehrere Typen von Studierenden begegnet, welche ich für mich nach drei Dimensionen bewerte:

  1. Inhaltliche Dimension: Unter dieser Dimension verstehe ich beispielsweise, welche Themen die Studierenden gewählt haben und wie sie für diese recherchiert haben. Darüber hinaus ist mir auch wichtig, wie etwa die Gliederung aufgebaut oder die Aussagen fundiert und problematisiert werden.
  2. Methodische Dimension: Hier ist mir wichtig, welche wissenschaftliche Werkzeuge Studierende für die jeweilige Fragestellung anwenden, wie sicher sie darin sind und wie sie die Umsetzung gestalten.
  3. Formale Dimension: Dieser Aspekt bezieht sich auf die äußere Form, die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie die Einhaltung von Terminabsprachen.

Es gibt nun Studierende, die in allen Bereichen (schon) hohe Kompetenzen aufweisen. Bei diesen sollten die Lehrenden versuchen mit Fingerspitzengefühl die Arbeit zu betreuen. Als Werkzeug wende ich hier gerne eine Vereinbarung von weiteren Entwicklungsmöglichkeiten an. Dabei stellt sich die Frage, was die Studierenden sonst noch erreichen möchten? Im Rahmen des Projektmanagements sollte hierbei vor allem darauf geachtet werden, dass die Studierenden nicht zu viel wollen und sich im schlimmsten Fall insbesondere zeitlich „verzetteln“. Darunter leidet natürlich dann auch immer die Qualität der Arbeit.

Am entgegengesetzten Pol finden sich Studierende, die in allen drei Bereichen (bislang) nur geringe Kompetenzen aufweisen. Hier sind wir als Lehrende besonders im Projektcontrolling gefordert. Dort sollten wir immer wieder Zwischenergebnisse einfordern und terminliche Vereinbarungen thematisieren, um sowohl den formalen als auch den inhaltlichen und methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Studierende sind in dieser Situation oft überfordert. Neben der Fokussierung auf formale Kriterien sollten wir hier auch menschlich begleiten. Problematisch wird eine derartige Situation in höheren Semestern. Denn dann ist vor allem das eigenständige und nicht das begleitete oder angeleitete wissenschaftliche Arbeiten erforderlich.

Wie schon beim Korrigieren sind die „Dazwischenstehenden“ besonders problematisch. Welche Studierenden-Typen sind damit gemeint? Nun, es gibt theoretisch mehrere Möglichkeiten:

  • Hohe inhaltliche, jedoch geringe methodische und formale Kompetenz:

Dieser Studierendentyp neigt oft zu deskriptiven Arbeiten, in denen Bücher einfach nur zusammengefasst werden.

  • Hohe methodische, jedoch geringe inhaltliche und formale Kompetenz:

Studierende testen hier oft eine „aufgeschnappte“ Methode aus, ohne diese zu reflektieren.

  • Hohe formale, jedoch geringe inhaltliche und methodische Kompetenz:

Hier überzeugen Studierende oft mit tollen Graphiken, aber wenig Inhalt.

  • Hohe inhaltliche und methodische, jedoch geringe formale Kompetenz:

Hierunter finden sich manchmal verborgene Genies, die spannende Themen innovativ bearbeiten, aber das Einhalten von Seitenbegrenzungen oder Abgabefristen als lästige Sekundärtugenden empfinden.

  • Hohe inhaltliche und formale, jedoch geringe methodische Kompetenz:

Dies betrifft wieder die korrekten „Zusammenfasser“, die sich auch an Formalia halten, aber das Wissenschaftliche noch nicht umfassend verinnerlicht haben.

  • Hohe methodische und formale, jedoch geringe inhaltliche Kompetenz:

Hier neigen Studierende zur Einbringung spannender methodischer Ansätze, die auch formal korrekt eingebettet sind, jedoch beispielsweise jede theoretische Fundierung vermissen lassen.

Bei diesen Dazwischenstehenden ist stets mindestens eine Kompetenz schwächer ausgeprägt.

Der Umgang mit den Schwächen

Schwächen im Bereich der inhaltlichen Kompetenz können im Projektmanagement dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders im Bereich der Gliederung betreut werden. Hier sollten Dozierende darauf achten, dass das Thema zumindest in seiner Breite abgedeckt wird. Eine intensive Begleitung ist hier besonders zu Beginn der Arbeit wichtig.

Schwächen im Bereich der methodischen Kompetenz können dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders vor und während der möglichen Feldphase betreut werden. Hier sollten Studierende mit deren eigenen Erwartungen und Befürchtungen aktiv konfrontiert werden. Dabei lasse ich Studierende dabei oft ein Best-Case- oder Worst-Case-Szenario formulieren. Dies kann etwa bedeuten, dass die Studierenden sich dazu Gedanken machen, was zu tun ist, wenn zu wenig Probanden teilnehmen, der Betriebsrat der Befragung nicht zustimmt etc.

Schwächen im Bereich der formalen Kompetenz können wiederum durch Projektcontrolling gelöst werden. Hier darf man Studierende auch in die Pflicht nehmen, feste Termine einzuhalten und dies auch zu dokumentieren. Gerade dieser Bereich sollte von aktivem Fördern und Fordern geprägt sein.

Doch egal mit welchem Studierendentyp man konfrontiert wird: Um eine Haltung zu vermitteln, ist Geduld immer wichtig. Das ist eine Grundkonstante.

Erkennen Sie den einen oder anderen beschriebenen Typ wieder?

 StefanDobler

Stefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

„Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Studierende sind im Laufe Ihres Studiums mit zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten konfrontiert. Diese „schimpfen“ sich mal Haus- oder Seminararbeit, man findet jedoch auch Praxis-, Projekt- Assistentenarbeiten, Praktikums- und Belegarbeiten sowie zum Ende des Studiums Bachelor- oder Masterarbeiten.

Derartige wissenschaftliche Arbeiten stellen Studierende oft vor eine neue, gewaltige Herausforderung: Häufig müssen sie erstmals in ihrem Leben sich über einen längeren Zeitraum und in einem größeren Kontext mit einer Thematik wissenschaftlich auseinandersetzen, zumindest um eine passable Note zu erzielen.

Da reicht es nicht, sich einfach den Stoff in der Nacht vorher für die anstehende Klausur „reinzuziehen“ oder mal schnell eine Präsentation aus dem Internet zu laden, rasch ein paar Folien zu ändern und dies als eigenständige Präsentation zu „verkaufen“.

Die zahlreichen Hochschul-Veranstaltungen unter dem Titel „Die lange Nacht der (aufgeschobenen) Hausarbeiten“ zeugen oft von Hürden des wissenschaftlichen Arbeitens. Gerne wird die Recherche, Analyse, empirische Erhebung oder das bloße Textschreiben verschoben mit dem Verweis: „Ich hab ja noch drei Monate Zeit, das reicht locker.“ … oder so ähnlich.

In der psychologischen Forschung und Praxis wird das Aufschieben als Prokrastination bezeichnet. Erste Studien stammen dazu aus den 70er-Jahren. Was weiß man über dieses Phänomen? Es gilt als kulturunabhängig, ist in allen Milieus und Schichten zu finden, betrifft Weiblein wie Männlein und kann pathologisch – sprich krankhaft – werden.

Was können Lehrende tun?

Aus Sicht der Studierenden gibt es sicher einige Möglichkeiten. Doch möchte ich hier vor allem die Perspektive der Lehrenden einnehmen.

Eine wissenschaftliche Arbeit kann neben ihrem eigentlichen Zweck noch eine weitere Schlüsselkompetenz vermitteln: das Projektmanagement.

Wissenschaftliche Arbeiten haben die gleichen Bedingungen wie andere Aufgaben auch, die meist mit Projekten gelöst werden. Es handelt sich in der Regel um ein neuartiges Thema, welches in einer vorgegebenen Zeit mit einer gewissen Qualität erfolgreich abgeschlossen werden sollte. Und die Ressourcen dafür, wie der Ökonom formulieren würde, sind knapp.

Eine wissenschaftliche Arbeit als Projekt zu begreifen, welches es zu managen gilt, ist Methode und Haltung zugleich. Methode, weil die Studierenden ein Handwerkszeug mitbekommen, um effizient umfangreiche Aufgaben zu lösen. Haltung, weil auch das systematische wie auch planerische Denken jedes Einzelnen geschult werden kann. Damit kann es gelingen die Komplexität einer wissenschaftlichen Fragestellung durch Systematisierung erheblich zu vereinfachen.

Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen: Ursachen für das Scheitern liegen oft in der Startphase. Das zeigen Großprojekte wie der Flughafen Berlin Brandenburg, aber auch viele kleine wissenschaftliche Projekte: Viel zu knappe zeitliche Pläne, Unterschätzung einzelner Aufgaben, Ignorieren möglicher Risiken von Beginn an etc..

Wie kann nun das Projektmanagement-Gen eingeimpft werden?

Natürlich fällt die Kompetenz eines effizienten Projektmanagements bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht vom Himmel. Aber sie kann vermittelt werden. Dazu ist zunächst eine umfassende gemeinsame Projektplanung notwendig. Dabei sind wir als Lehrende besonders gefragt. Mit unserer Erfahrung können wir Studierende auf die vielen Fallstricke hinweisen. Dazu gehören beispielsweise unwissenschaftliche Fragestellungen, viel zu enge Zeitpläne, einen Plan B bei mangelnden empirischen Daten etc..

Danach sollten gemeinsam Arbeitspakete geschnürt werden. Darin wird festgelegt, was ist bis wann mit welchen Mitteln zu erledigen? Sie meinen, dies klingt sehr formal? Stimmt. Aber Probleme wie „Jetzt habe ich vergessen die Bücher zu bestellen und kann nicht an meinem Theorie-Teil weiter schreiben“ oder „Ich wusste gar nicht, dass ich für die Befragung erst den Betriebsrat fragen muss“ gehören dann hoffentlich der Vergangenheit an.

Diese kleinen Meilensteine motivieren, wenn sie geschafft sind, und bieten einen guten Überblick über bisher Geleistetes und die Aufgaben, die noch vor einem liegen.

Projektcontrolling

Wie jedes Projekt sollte es auch ein Projektcontrolling bei wissenschaftlichen Arbeiten geben. Dieses sollte ehrlich sein, sprich etwa eine zeitliche Abweichung sollte auch als solche erkannt werden und dementsprechend nachgesteuert werden. Beispielsweise sollten Kapazitäten realistisch eingeschätzt und geplant werden. Zu einer Überforderung kann es kommen, wenn etwa Klausuren im Bearbeitungszeitraum anstehen oder private Verpflichtungen den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit unterbrechen. Dabei kommt der Einzelne verständlicherweise an seine Kapazitätsgrenze.

Im Rahmen des Projektcontrollings sollten auch Risiken bewusst gemacht werden und realistisch eingeschätzt werden. Gerade unvorhergesehene Entwicklung können viele Studierende völlig aus dem Konzept bringen. Ein immer wiederkehrendes Beispiel ist bei empirischen Erhebungen eine viel zu geringe Fallzahl oder ein Mangel an Repräsentativität. Wer sich zu Beginn des Projekts damit schon einmal gedanklich auseinandergesetzt hat, empfindet es nicht als (zu) schlimm und kann rasch gegensteuern.

Wie verpflichtend sollten denn die Planungen sein?

Natürlich sollte jede Planung verpflichtend sein und auch das Papier wert sein, auf dem sie steht. Aber sie darf auch „atmen“, sprich sie sollte Abweichungen zulassen. Schließlich gelten Studierende meist als eher unerfahren in einer derartigen Arbeitsmethode. Eine gute Wirkung erzielen meiner Erfahrung nach „Verträge“ zwischen Studierenden und Lehrenden. Dabei können zu Beginn ihrer Arbeit die Studierenden nicht nur ihre Gliederung, sondern auch ihre Projektplanung mit dem Lehrenden absprechen. Beides sollte schriftlich fixiert werden und eventuell von beiden unterzeichnet sein. Feste Meilensteine des Projekts „wissenschaftliche Arbeit“ sollten vorher festgehalten und als gemeinsame Termine vereinbart werden. Die Studierenden sollten die Gesprächsinhalte wie die Bewertung der bisherigen Arbeit und die Planung zukünftiger Aufgaben dokumentieren. Mit der Unterschrift beider Parteien, der Studierenden wie auch der Lehrenden, bekommt das Ganze einen verbindlichen Charakter. Das schützt auch vor späteren unangenehmen Missverständnissen.

Das angesprochene Projektmanagement-Gen kann also vermittelt werden: In Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, in Kolloquien, aber auch in persönlichen Gesprächen während der Projektphase.

Welche Erfahrungen haben Sie denn im Bezug auf Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten gemacht?

 

Über den Autor

StefanDoblerStefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

 

 

 

 

Update 01.05.2016: In der Fortsetzung des Beitrags geht es um die individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte.