Wissenschaftliches Arbeiten ist wie Krafttraining

Nutzen Sie manchmal Vergleiche, um Ihren Studierenden in der Lehrveranstaltung die Inhalte zu veranschaulichen? Meine Vergleiche haben meistens etwas mit Sport (und noch viel öfter etwas mit Essen) zu tun. Heute möchte ich drei Gedanken zum Thema „Wissenschaftliches Arbeiten ist wie Krafttraining“ mit Ihnen teilen.

Festige die Technik, bevor Du Dich an die schweren Gewichte wagst.

Der Bewegungsablauf einer Übung sollte exakt sitzen, bevor man sich die Hantel volllädt. Anderenfalls riskiert man Überlastungen oder Verletzungen. Beim wissenschaftlichen Arbeiten sollten die grundlegenden Techniken des Recherchierens, Lesens und Schreibens gefestigt sein, ehe man sich mit größeren Arbeiten befasst. Beim Krafttraining steigert man sich über Wochen und Monate; beim wissenschaftlichen Arbeiten wird man hoffentlich über die Semester hinweg entsprechend angeleitet und erhält im besten Fall Aufgaben mit dem jeweils angemessenen Schwierigkeitsgrad.

Pack‘ nur so viel auf die Hantel, wie realistisch ist.

Jeder sollte sich nur so viel zumuten, wie er auch gut zu Ende bringen kann. Das gilt am Squat Rack gleichermaßen wie beim wissenschaftlichen Arbeiten. Wer das Gewicht der Hantel unterschätzt, bringt die letzte Wiederholung nicht sauber zu Ende ­­­­– was  unschön aussieht und bei Umstehenden für Erheiterung, Mitleid oder Kopfschütteln sorgt. Wer sich beim wissenschaftlichen Arbeiten zu viel vornimmt und dann nicht fertig wird, erntet das Kopfschütteln der Betreuungsperson. Diese hat wie ein guter Trainer hoffentlich im Vorfeld gewarnt. Ich denke hier vor allem an zu große Fragestellungen in studentischen Arbeiten, die im Beratungsgespräch identifiziert und gemeinsam handhabbar gemacht werden sollten.

Trainiere ausgeglichen alle Partien.

Wer ausschließlich die Arme trainiert und dann „keine Zeit“ (hüstel) mehr für die Beinübungen hat, sieht nach einiger Zeit ziemlich unproportioniert aus. Wie ein Discopumper eben, der durch seinen Bizeps Eindruck schinden möchte ­– was übrigens nur selten gelingt. Der Wissenschafts-Discopumper ist für mich jemand, der inhaltlich einseitig arbeitet und nur solche Quellen heranzieht, die seine vorgefertigte Meinung stützen. Er setzt sich nicht oder zumindest nicht ernsthaft mit anderen Argumenten auseinander und baut auf diese Art niemals eine echte Position auf. Daher wird er von jenen, die ernsthaft arbeiten, genauso belächelt wie ein Discopumper.

Für uns als Trainerinnen und Trainer bedeutet das aus meiner Sicht:

  • Die grundlegenden Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens sollten im Lauf des Studiums ordentlich vermittelt werden, bevor es an die Abschlussarbeit geht.
  • Unsere Studierenden benötigen unsere Anleitung, um den passenden Schwierigkeitsgrad für Ihre Arbeiten auszuwählen.
  • Wir sollten unseren Studierenden zeigen, wie sie eine ausgewogene Arbeit anfertigen, mit der sie in der Community ernstgenommen werden.

 

Einen ähnlichen Artikel finden Sie hier: Was mich Yoga über wissenschaftliches Arbeiten lehrt

Rot, rot, rot sind alle meine Stifte?

Quelle: phdcomics

Kennen Sie diese Situation? Sie lesen eine frühe Version einer studentischen Arbeit und fangen „trotzdem“ an zu korrigieren?

Dabei ertappe ich mich manchmal. Ich gerate ins Korrigieren, auch wenn ich weiß, dass das in dem Moment nicht der Sinn meines Lesens sein soll und weder erwünscht noch angebracht ist.

Das Zeigen früher Textversionen erfordert Vertrauen und kostet Überwindung. Denn sie geben einen ungeschönten Einblick in die Gedankenwelt und offenbaren Unverstandenes. Als Leserin bekomme ich Einblicke in die Textproduktion, in all die Unsicherheiten und noch nicht getroffenen Entscheidungen. Das macht die Schreibenden zunächst einmal verletzlich. Umso besser eigentlich, wenn sie schon selbst wissen, worin die Unzulänglichkeiten der vorgelegten Textversion bestehen. Und doch kann ich manchmal nicht an mich halten und gerate ins Korrigieren. Soll heißen: Ich streiche Formfehler an und bessere Rechtschreibfehler aus. Klarer Fall von nicht hilfreicher Berufskrankheit.

Feedback geben: Bleistift

Anders als der Professor in dem Comic verlange ich selten aktiv von mir aus Textentwürfe von den Studierenden. Im Normalfall verläuft es genau andersherum. Es gibt derzeit hauptsächlich zwei Settings, in denen die Studierenden mich um Text-Feedback bitten.

Im ersten Setting kommen vereinzelte Anfragen gegen Ende der Betreuung von Abschluss- oder Seminararbeiten. Die Besprechungstermine umfassen bis dahin vorrangig die Themenfindung und -eingrenzung, methodische Aspekte und die Annäherung an die zukünftige Struktur der Inhalte (vulgo Gliederung). In einigen wenigen Fällen treten Studierende dann an mich heran und fragen, ob ich eine Vorversion der Arbeit lesen würde – was ich verneine. Ich weigere mich, Vorversionen „abzusegnen“ und sehe keinen Mehrwert darin, eine komplette Arbeit doppelt zu lesen. Im Gegenteil: Es würde mich bei der finalen Korrektur und Notenfindung beeinflussen. Maximal lese ich einen ausgewählten Auszug aus dem Text, anhand dessen ich exemplarisch Verbesserungswürdiges identifiziere.

Das zweite Setting, in dem Studierende um Feedback bitten, ist eine Lehrveranstaltung namens „Praxistransfer“, die es an Berufsakademien gibt. Übersetzt in universitäre Begriffe handelt es sich um eine Mischung aus Sprechstunde und Tutorium. Die Studierenden werden in der Gruppe beim Verfassen ihrer Semesterarbeiten angeleitet und beraten. Im Laufe des Semesters besprechen wir dann auch Auszüge aus frühen Textversionen – wenn es dazu kommt. Denn oft liegen noch gar keine „zeigbaren“ Texte vor, je nach dem wann die Lehrveranstaltung im Stundenplan angesetzt wurde. Außerdem legen die Studierenden eine gewisse Schüchternheit an den Tag, wenn sie ihre Texte in der Gruppe besprechen sollen. Daher feedbacke ich dann eher im Einzelgespräch. Im Gegensatz zu von mir betreuten Arbeiten bin ich in dieser Lehrveranstaltung später nicht zwangsläufig in der Rolle der Bewertenden.

Arbeiten bewerten. roter Kugelschreiber?

Das bringt mich zum nächsten Punkt, der Bewertung. Jetzt ist ein Rollenwechsel angesagt, nun wird die Hierarchie „Lehrender – Studierender“ deutlich. Ich distanzierte mich innerlich und bemühe mich, den Text vorurteilsfrei zu bewerten, obwohl ich seine Entstehungsgeschichte kenne. Gleichzeitig versuche ich, wohlwollend zu lesen.

Abhängig davon, was ich bewerten soll, wird es auf eine eher summative Rückmeldung hinauslaufen oder, trotz der Bewertung, viele Elemente formativer Rückmeldung enthalten. Bei Abschlussarbeiten geht es vor allem um die Note, das Interesse an inhaltlicher Rückmeldung reduziert sich nach meiner Erfahrung fast auf null und kann auch nicht mehr eingefordert werden, wenn bereits die Sektkorken bei der Abschlussfeier geknallt haben.

Bei allen Arbeiten vor der Abschlussarbeit spielt die formative Rückmeldung eine große Rolle. Die studentischen Texte dienen dem Lernfortschritt, und dieses Ziel muss auch beim Bewerten immer präsent sein. Die Kommentare am Text sollen konstruktiv und ermutigend sein. Sie sollen hilfreich wirken bei der Weiterentwicklung des Schreibens.

Ich rede daher mittlerweile nicht mehr von „Korrektur“, das klingt in meinen Ohren zu sehr nach Vokabeltest: ein falsch geschriebenes Wort finden und anstreichen. Wer wollte einen wissenschaftlichen Text wirklich im Ganzen „korrigieren“, als ob es eine einzige gültige Wahrheit gäbe? Das Wort „bewerten“ enthält immerhin das ausführliche Prüfen und Feststellen des Wertes.

Den roten Stift nutze ich schon lange nicht mehr für studentische Texte.

Mehr Literatur und Links zum Thema

Buff Keller, Eva und Stefan Jörissen (2015) Abschlussarbeiten im Studium anleiten, betreuen und bewerten. Verlag Barbara Budrich: Opladen und Toronto.

Wie Sie korrigieren und trotzdem glücklich bleiben

Falls Sie Studierende hatten, die sich nicht so eng betreuen ließen

Und Sie so? Bleistift oder roter Kugelschreiber?

Mal ehrlich, war das wirklich nötig?

Das 501. Buch zum wissenschaftlichen Arbeiten kommt in den Handel. Mein Buch. Wieso um Himmels willen noch ein Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten?

Zwei Gründe waren für mich ausschlaggebend, als ich im Januar 2016 mit dem Schreiben begonnen habe.

Grund Nummer 1: Ermutigen und anleiten

Ausgehend von dem, was ich im Manifest niedergeschrieben habe, wollte ich einen Ratgeber verfassen, der sich nicht nur mit der Form der Arbeit und/oder mit dem Schreibprozess beschäftigt. Vielmehr sollten die Studierenden „vorbereitet“ und durch den Prozess geleitet werden. Daher beginnt das Buch mit dem persönlichen Nutzen, der Motivation und Zeitplanung. Nebenbei räume ich auch ein klein wenig mit den Mythen auf, die das wissenschaftliche Schreiben umranken. (Es war ganz wunderbar, dass Christian Wymanns hilfreiches Buch dann mitten im Schreibzeitraum erschien und meine Gedanken bestätigte.)

So weit, so gut. Solche Ratgeber existieren schon. Mir fehlte aber NOCH etwas Wichtiges. Nämlich:

Grund Nummer 2: die Software

Software ist heutzutage beim wissenschaftlichen Arbeiten nicht mehr wegzudenken. Manche Studierende motiviert das sehr. Andere schreckt Software ab, oder der Auswahlprozess überfordert sie, oder aber der Nutzen ist ihnen nicht vollumfänglich klar. (Mehr zu diesem Thema habe ich hier geschrieben.)

Die bisherigen Ratgeber streifen den Aspekt der Software nur am Rande, wenn überhaupt. Niemand hat sich bisher die Mühe gemacht, systematisch für Studierende die Software aufzubereiten, die für das wissenschaftliche Arbeiten hilfreich sein kann. Ich weiß mittlerweile auch, warum: Es war verdammt viel Arbeit. Für jedes Programm, das  im Buch aufgeführt ist, gibt es mindestens eines, das ich verworfen habe. Hier zeige ich Ihnen, wo ich recherchiert habe.

Meine besten Informationsquellen bei der Software-Recherche

https://101innovations.wordpress.com/ von der Universität Utrecht

https://blogs.fu-berlin.de/ideenbar/tools/ von der FU Berlin

https://edshelf.com (mit Einschränkungen, da hier auch viel für schulische Zwecke gelistet ist)

Alternative to: http://alternativeto.net/

DIRT (Digital Research Tools): http://dirtdirectory.org/

Ihnen als Lehrenden gibt Ihnen mein Buch einen guten Überblick, damit Sie Ihre Studierenden besser mit Tipps versorgen können, ohne sich selbst durch all diese Listen und Datenbanken zu wühlen.

Bitte anschnallen

Wenn Sie möchten, kommen Sie doch mit nach drüben auf www.effizient-schreiben.de. Dort erfahren Sie alles Weitere.

 

 

Gotcha – wie ich mich selbst eines Plagiats überführte

Haben Sie schon einmal so richtig absichtlich plagiiert? – Ok, Sie waren bestimmt jung und brauchten den Schein (= die Leistungspunkte).

Und haben Sie schon einmal unabsichtlich plagiiert? Wissen Sie nicht? Mir ist es passiert, und ich wusste es natürlich auch erst einmal nicht.

Die deutsche Sprache hält für solche Situationen ein schönes Wort bereit: Tja. Es ist kein schönes Gefühl, ein Plagiat zu entdecken. Wenn es sich dann noch um ein eigenes handelt: Tja. Ein geknicktes Tja. Ein „Tja, und nun?!?“-Tja.

Die ganze Angelegenheit hatte aber auch etwas Gutes, und zwar für die Lehre.

Nähern wir uns der Sache doch einmal chronologisch an.

Und das geschah so…

  • Anfang 2016:
    Auf der Suche nach Impulsen für die Lehre lese ich Passagen aus „Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf“ von Andrea Frank, Stefanie Haacke und Swantje Lahm (2013, 2. Aufl., Stuttgart: Metzler). Eine richtig intensive Lektüre ist das zu der Zeit nicht, dazu stehen zu viele andere Themen auf meinem Plan.
  • Mitte März 2016:
    In einer E-Mail an eine der Autorinnen schreibe ich:
    „Ihr Buch ‚Schlüsselkompetenzen‘ habe ich übrigens, wie der Zufall es will, gerade hier liegen und konnte schon viel Nützliches für meine Arbeit mit den Studierenden herausziehen.“
  • Ende Mai 2016:
    Ein Gastbeitrag von mir erscheint auf dem Blog von Daniela Keller (http://www.statistik-und-beratung.de/2016/07/ueberarbeiten-vom-aufraeumen-zum-dekorieren/). Darin nutze ich das Bild des Aufräumens, um zu verdeutlichen, wie Studierende beim Überarbeiten ihrer Texte sinnvollerweise vorgehen sollten.
  • Ende August 2016:
    Als ich an einem ruhigen Home Office-Tag so vor mich hinarbeite, nehme ich das Buch „Schlüsselkompetenzen“ erneut zur Hand. Mir fährt der Schreck in die Glieder. Da lese ich etwas von „Überarbeiten als Aufräumen“ (S. 67). Genau so habe ich meinen Gastbeitrag genannt und dabei sogar noch „von grob zu fein“ zum Motto erhoben! Genau so, wie es Frank, Haacke und Lahm es formuliert haben.

Hilfe! Wie peinlich!

Mein Herz rast. Ich schaue noch mal genau in das Buch. Das steht da wirklich. Ich schaue meinen Gastartikel an. Auch da steht das. Wirklich. Meine Gedanken überschlagen sich.
Was tun? Und überhaupt: Wie konnte das passieren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Stelle im Buch noch nicht gelesen hatte, als ich den Gastartikel verfasst habe.

Oder? Bin ich mir da wirklich sicher? Bei meiner Lesemenge ist es gut möglich, dass ich es nur überflogen, aber gar nicht richtig wahrgenommen habe und dann später als vermeintlich eigene Idee verfolgt habe. Zumal ich in dem Moment ja nicht im „Wissenschafts-Modus“ war. Dann gehe ich sorgfältiger vor und mache mir parallel zum Lesen Notizen oder fertige gleich ein ordentliches Exzerpt für meinen Zettelkasten an.

Wenn ich hingegen auf der Suche nach Ideen für die Lehrveranstaltungen bin, ist es wahrscheinlicher, dass ich beim scannenden Lesen auch Inhalte streife, die ich in dem Moment gar nicht suche, und denen ich daher keine große Beachtung schenke.

Später setzt ein anderer Gedanke ein: Könnte es nicht sein, dass ich selbst und eigenständig die gleiche Idee wie die drei Autorinnen hatte? Vielleicht handelt es auch einfach eine naheliegende Metapher. Kolleginnen und Kollegen bestätigen mir das: Aufräumen und Überarbeiten haben tatsächlich viel gemeinsam, die Übertragung bietet sich nun einmal an. Wie dem auch sei, im Lichte meiner E-Mail von Mitte März 2016 („und konnte schon viel Nützliches für meine Arbeit mit den Studierenden herausziehen“) musste auch eine solche Erklärung unglaubwürdig klingen.

Letztlich kann ich nicht mehr zu 100 Prozent nachvollziehen, wie das alles zustande kam.

Was tun?

Ich trete die Flucht nach vorne an, denn ich will die Sache aus der Welt schaffen. Auf meine ziemlich zerknirschte E-Mail, wiederum an die eine der Autorinnen, mit der ich schon in Kontakt stand, folgt eine schnelle Antwort. Ein Auszug:

„Ich sage auch immer Studierenden: wir bemühen uns um Redlichkeit, aber im Rahmen dessen, was möglich ist. Und das, was Sie beschrieben haben (hab ich’s selbst erdacht oder woanders her) kennt sicherlich jede/r.“

Erleichterung und Entspannung setzen ein. Puh.

Eine Lehre für die Lehre

Neue Fragen tauchen auf.

Muss ich als Lehrende nicht mit gutem Beispiel vorangehen? Gerade wenn ich „Wissenschaftliches Arbeiten“ unterrichte? Und dann steht da ein Gastartikel mit einem solchen No-Go auf einer gut besuchten Website für die ganze (deutschsprachige) Welt sichtbar.

Würden nicht über kurz oder lang Studierende an mich herantreten und sagen „Sie, Frau Klein, das haben Sie aber schön abgeschrieben! Hätten Sie da nicht die Quelle angeben müssen? Hätten Sie nicht wissen müssen, dass das eine fremde Idee war? Hätten Sie das nicht prüfen müssen?“

Meine Gegenfrage wäre gewesen: „Ja, wie denn? Wie soll ich denn so etwas prüfen?“

Da sind wir genau an dem Punkt, an dem ich umgekehrt mit den Studierenden in der Lehrveranstaltung stehe. Manchmal fragen sie mich: „Woher soll ich denn wissen, ob die Inhalte, die ich in meinem Text niederschreibe, nicht schon mal jemand anders irgendwann geschrieben hat?“ Das ist, so meine Standardantwort, zunächst eine Frage der Belesenheit: Wie gut kenne ich mich in meinem Gebiet aus? Je mehr ich lese, desto besser kann ich wissen, welche Gedanken schon gedacht und vor allem schriftlich festgehalten wurden. Erstsemester sind hier im Nachteil gegenüber Studierenden, die bereits an der Abschlussarbeit sitzen. Sie bauen diese Belesenheit erst auf.

Ein weiterer Aspekt ist die Arbeitsweise mit der Literatur. Der Arbeitsprozess selbst kann auch „plagiatsgefährdet“ sein, wie Ulmi et al. schreiben (2014, Textdiagnose und Schreibberatung, Opladen & Toronto: Budrich, S. 216): „Die Autorin liest viel, schreibt vielleicht auch ein Journal, schreibt eigene Gedanken zum Gelesenen auf und entdeckt neue Zusammenhänge. Diese aber sind möglicherweise ganz ähnlich wie jene, die in einem früheren Text schon gestanden haben, nur hat die Autorin sie aufgrund ihres damaligen Wissensstandes noch nicht aufnehmen können – und jetzt kommen ihr die damaligen Erklärungen gewissermaßen als eigene Einsichten daher.“ Hier liegt es also an uns Lehrenden, wie wir lesen lehren.

Für die Lehre war mir die Angelegenheit eine Lehre. Denn es mag sein, dass ich vor diesem Vorfall auf einem hohen Ross saß, was die Quellenangaben anging. Ich dachte: Natürlich weiß man, was man woher hat, und gibt dann einfach die Quelle an. Mittlerweile bin ich deutlich offener für die Schwierigkeiten der Studierenden.

Die Aufmerksamkeit steigt beträchtlich, wenn ich diese Geschichte in der Vorlesung erzähle. Nun kann ich Ihnen jedoch schlecht raten, selbst ein Plagiat zu fabrizieren, um dieses dann zu Lehrzwecken zu verwenden. Sie dürfen daher gern meine Geschichte verwenden, wenn es der Sache dient.

Zum guten Schluss noch ein Hinweis: Die Überschrift dieses Blogartikels bezieht sich auf den sehr lesenswerten Artikel von Margaret Price (2002): „Beyond ‚Gotcha‘: Situating Plagiarism in Policy and Pedagogy“ in College Composition and Communication, Vol. 54, No.1. Ein wichtiger Punkt darin ist, dass die saubere Verarbeitung von Literatur den Studierenden nicht qua Leitfaden vermittelt werden kann, sondern nur in einem längeren Prozess des gemeinsamen Lernens und Schreibens.

Mein Blog langweilt Sie? Hier sind die Alternativen!

In diesem Artikel zeige ich Ihnen einschlägige Blogs, die Sie kennen sollten. Seien Sie nur bitte so gut und kommen wieder zu mir zurück, wenn Sie mit dem Lesen fertig sind.

In alphabetischer Reihenfolge:

Natascha Miljkovics Zitier-Weise-Blog: http://www.plagiatpruefung.at/zitier-weise-blog/

Der Zitierweise-Blog von Natascha Miljkovic richtet sich nicht nur an Lehrende, sondern auch an Studierende und eigentlich an alle, die im Wissenschaftssystem tätig sind. Natürlich dreht es sich darin überwiegend um Plagiatprävention, aber auch verwandte Themen werden angesprochen. Ab und an gibt es auch besondere Aktionen, wie etwa eine Buchverlosung oder eine Blogparade. Seit Herbst 2016 erscheint wieder regelmäßig jeden Mittwoch ein neuer Artikel.

Mit Natascha Miljkovic arbeite ich übrigens schon seit einiger Zeit zusammen, was sich bisher in folgenden Beiträgen niedergeschlagen hat:

Gastbeitrag „Unredlichkeiten und Plagiate aktiv angehen“

Interview „Plagiatprävention“

Mein Beitrag zur Blogparade 2016: Manifest für Lehrende

Nils Müller: http://nilsmueller.info/blog/

Auf seinem Blog veröffentlicht Nils Müller, Schreibberater an der FH Bielefeld, sporadisch Artikel zu seinen Erfahrungen in der Beratung der Studierenden und zu allgemeineren Aspekten des wissenschaftlichen Arbeitens, wie etwa zum Einsatz des Literaturverwaltungsprogramms Citavi. Die Inhalte der Tagung „Wissenschaftliche Textkompetenz fördern“ im Dezember 2016 in Bochum, an der ich ebenfalls teilgenommen habe, hat Nils Müller hier zusammengefasst und mir damit viele interessante Aspekte noch einmal vor Augen geführt.

Nils Müller hat übrigens auch an der oben erwähnten Blogparade 2016 teilgenommen: Wissenschaftliches Schreiben als Handwerk.

Schreibaschram: http://schreibaschram.de/de/category/allgemein/

Dieser Blog liefert kleine Einblicke in den Ablauf des Schreibaschrams, eines besonderen Trainings für konzentriertes Schreiben. Das Angebot richtet sich an fortgeschrittene Schreibende in der Wissenschaft. Nach welchen didaktischen Prinzipien Ingrid Scherübl und Katja Günther in ihrem Schreibaschram arbeiten, lesen Sie im Gastbeitrag „Writing by doing“. Zu meiner Rezension des sehr hilfreichen Schreibimpulsfächers der beiden Autorinnen geht es hier.

Natalie Struve: http://www.nataliestruve.de/blog/

Der Blog von Text-Coach Natalie Struve ist teilweise auf Deutsch, teilweise auf Englisch verfasst und richtet sich primär an potentielle Kunden. Dennoch sind einige Beiträge auch für Lehrende anregend, wie beispielweise dieser über Hindernisse im Schreibprozess. Im Herbst 2016 wurden mehrere Beiträge in Folge veröffentlicht. Derzeit ist es wieder etwas ruhiger.

Natalie Struve ist die Begründerin der Xing-Gruppe „Leichter, schneller, besser! Wissenschaft(lich) schreiben“  – sehr empfehlenswert für den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Johanna Vedral: https://schreibstudioblog.wordpress.com/beitrage/

Johanna Vedral, Psychologin sowie Trainerin für wissenschaftliches und kreatives Schreiben, veröffentlicht auf ihrem Blog nicht nur Artikel zu ihren Erfahrungen als Lehrende, sondern auch zu Schreibthemen der kreativeren Art, wie beispielsweise zu Collage Dream Writing. Sie gibt offene Einblicke in ihr eigenes Schreiben. Das Blogarchiv ist prall gefüllt, in loser Folge erscheinen neue Beiträge.

Ein Interview mit mir aus dem Sommer 2016 ist in verschiedene Beiträge eingeflossen:

Einstieg in die Hochschuldidaktik

Studierende zum kritschen Denken anleiten

Wie wird man Lektorin für wissenschaftliches Schreiben

Christian Wymanns „Mind your writing“-Blog: http://www.myw.schreibcoach.ch/

Der Untertitel dieses Blog lautet treffenderweise „Exploring (academic) writing“. Auf Englisch veröffentlicht Christian Wymann Beiträge zu seinen Erfahrungen in Lehre und Beratung und betrachtet die unterschiedlichsten Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens. In seinem jüngsten Artikel befasst er sich zum Beispiel mit dem Feedback-Geben.

Gerade kürzlich habe ich Christian Wymanns aktuelles Buch, „Schreibmythen“, rezensiert.

 

Diese Liste darf gern wachsen! Ich freue mich über Kommentare mit Ihren Empfehlungen.

 

Was mich Yoga über wissenschaftliches Arbeiten lehrt

Neulich habe ich nach einer längeren Pause wieder mit Yoga angefangen. Das war auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Sogar für den Blog hat es sich als aufschlussreich erwiesen.

Sie werden den Beitrag übrigens auch gut verstehen können, wenn Sie mit Yoga überhaupt nichts am Hut haben.

Bildquelle:Pixabay

Lesen Sie im Folgenden die fünf Dinge, die mich Yoga über das wissenschaftliche Arbeiten lehrt. Oder besser gesagt: über die Lehre im Fach Wissenschaftliches Arbeiten.

1) Es ist in Ordnung, dass verschiedene Menschen verschiedene Ziele anstreben.

Im Yoga geht jeder nur so weit, wie er kann. Wo der eine den Schulterstand gut beherrscht, übt der andere vielleicht den halben oder unterstützten Schulterstand. Jeder tut das, was für ihn in dem Moment richtig ist.
Auch beim wissenschaftlichen Arbeiten bestimmt jeder selbst den Anspruch, den er an sich hat. Hier prägen dann vor allem die Wahl der Fragestellung und der Methode das Niveau der Arbeit. Wir als Lehrende greifen in der Beratung ein, wenn die Studierenden nicht erkennen, dass die Latte zu hoch oder zu niedrig liegt, oder bewerten eine abgegebene Arbeit entsprechend als „nicht bestanden“. Um im Yoga-Bild zu bleiben: Wenn der Studierende flach auf dem Rücken liegen bleibt, wo ein Art von Schulterstand gefragt ist, ist es dann eben keine ausreichende Studienleistung – individuelle Ziele hin oder her. Im Yoga gibt es eine solche Beurteilung natürlich nicht. Wenn ich jedoch in einer angeleiteten Einheit von vorneherein die ganze Zeit flach auf der Matte liegen bleiben möchte, darf der Sinn hinterfragt werden.

2) Was für mich leicht ist, kann für andere schwierig sein, und umgekehrt.

Jeder bringt individuelle körperliche Voraussetzungen mit. So kommt es, dass die verschiedenen Übungen als unterschiedlich schwierig empfunden werden.

Ähnlich ist es mit den Elementen des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses: Einer liest schnell und verarbeitet einen Berg an Informationen ohne erkennbare Mühe, bringt seine Ideen aber nur langsam aufs Papier. Ein anderer wiederum schreibt vielleicht schnell, hat jedoch Schwierigkeiten mit dem Überarbeiten und Fertigstellen der Arbeit.
Sowohl im Yoga als auch in der Lehre sollten wir nicht von uns auf andere schließen. Es gilt zu reflektieren und sich in der Lehre auf die verschiedenen Vorkenntnisse und Vorlieben einzustellen. Und sie vor allem nicht zu werten.

3) Mache Dinge, die ein bisschen weh tun, aber nicht sehr.

Eine wichtige Regel im Yoga: Um sein Ziel zu erreichen, sollte man an seine Grenzen gehen, aber eben nicht darüber. Denn wer sich gar nicht erst an seine Grenzen annähert, wird keine Veränderung bewirken. Wer hingegen seine Grenzen überschreitet, schädigt sich mit großer Wahrscheinlichkeit und wird lange brauchen, um sich davon zu erholen.

Daher ist es wichtig herauszubekommen, was man den Studierenden zumuten kann. Welche Aufgabe können sie erfüllen, wenn sie sich ein bisschen strecken? Wie viel Unbequemlichkeit können sie aushalten, ohne zu resignieren und entmutigt oder überfordert zu sein? Und umgekehrt: Worauf sind sie stolz, wenn sie es letztlich geschafft haben? Weil es eben keine zu leichte Aufgabe war, sondern eine, die genau den richtigen Grad an Anstrengungerfordert.

4) Halte durch, auch in schwierigen Fällen.

Im Yoga wollen manche Haltungen einfach nicht gelingen, monatelang. Und schwupp, irgendwann unverhofft, findet man sich in eben jener Position wieder, an der man lange verzweifelt ist – und kann sein Glück kaum fassen. (Hallo „Krähe“!)

Manche Studierenden scheinen einfach nicht zu wollen. Sie zeigen sich in der Vorlesung desinteressiert, stellen nie eine Frage, arbeiten nicht mit. Auch daran könnte man als Lehrende verzweifeln. Irgendwann macht es jedoch manchmal „klick“, und am Ende haben die Betreffenden dann doch etwas gelernt oder sogar ein wahres Interesse am Fach entwickelt. Das heißt nun nicht , dass man es in solchen Fällen einfach immer laufen lassen und nur darauf hoffen soll, dass sich alles von alleine regelt. Es bedeutet vielmehr, dass unter der Oberfläche mehr passiert, als wir denken, und dass sich der Fortschritt manchmal eben nicht erzwingen lässt.

5) Gib den Übungen einen spannenden Namen.

„Wir drehen jetzt unseren linken Fuß, bis er parallel zur kurzen Mattenkante steht. Der rechte Arm zeigt waagerecht nach vorne, der linke…“ Oder auch einfach: „Krieger 2“. Sofern alle Bescheid wissen und einigermaßen geübt sind, übermittelt man mit einer kurzen Ansage schneller alle Informationen als mit detaillierten Erklärungen. Anstatt also umständlich zu sagen, „Wir nehmen uns ein Blatt Papier, und jeder schreibt jetzt fünf Minuten lang…“, sage ich ein Freewriting an. Fertig.

Abgesehen davon, dass man nicht immer wieder neu erklären muss, macht es auch einfach mehr Spaß, eine Übung mit einem ansprechenden Namen durchzuführen.

In diesem Sinne: Namaste!

Blogpause

Liebe Leserinnen und Leser,

der Blog geht in die Weihnachtspause. Ab dem 8. Januar 2017 können Sie hier wieder neue Beträge lesen.

Bis dahin wünsche ich Ihnen geruhsame Tage und einen guten Start in das neue Jahr!

Andrea Klein

Studierende, verzettelt Euch!

Wie viele Ihrer Studierenden lesen eigentlich so viel wissenschaftliche Literatur, dass sie Gefahr laufen, dabei den Überblick zu verlieren?

Sollten Sie angesichts dieser Frage gerade vor lauter Lachen vom Stuhl gefallen sein, tut es mir leid. Das wollte ich nicht!

Oder kennen Sie vielleicht doch eher Studierende, die gern etwas mehr Quellen verarbeiten dürften?

Ich schätze, dass die Antwort recht eindeutig ausfällt.

Einer (!) der Gründe für die „Leseunlust“ mag darin liegen, dass die Studierenden gar nicht wissen, wie sie ihr neu angelesenes Wissen organisieren sollten. Ein Gefühl der Überforderung macht sich breit, allein schon bei der Vorstellung von Bücherstapeln und riesigen Dateiordnern mit ungezählten PDFs. Exzerpieren ist ja schön und gut, aber wohin dann mit all den Exzerpten? Eine „Lösung“ sehen viele Studierende in der Reduktion der Quellenarbeit auf das Nötigste. Damit sind sie, was die Belastung und Arbeitstechniken angeht, auf der sicheren Seite, denn einige wenige Quellen lassen sich auch ohne besondere Hilfsmittel überschauen. Ein einfaches Durcharbeiten der Texte mit Markierungen und Randnotizen funktioniert noch gut, und das Problem der Exzerpte und deren Verwaltung taucht erst gar nicht auf.

Schade!

Mit einer solchen Vermeidungshaltung nehmen sich diese Studierenden viel. Zum Beispiel die Chance, neues Wissen aufzunehmen und sich fachlich weiterzuentwickeln. Was war noch gleich der Sinn eines Studiums?

Als Lehrende sollten wir aufzeigen, wie der Umgang mit Wissen gelingen kann, so dass es eben nicht so schnell zu überfordernden und abschreckenden Situationen kommen kann. Dazu bedarf es der richtigen Methoden und Techniken, und ja, auch der richtigen Tools. Diese müssen wir den Studierenden zugänglich machen.

Selbstverständlich lassen sich Exzerpte auch handschriftlich anfertigen und anschließend in Ordnern oder Karteikästen ablegen. Wer auf diese Weise gut zurecht kommt, muss sich nicht unbedingt umstellen. Ungezählte wissenschaftliche Publikationen sind auf der Basis solcher Vorarbeiten entstanden. Luhmanns Zettelkasten ist wohl das prominenteste Beispiel für einen nicht-digitalen Wissensspeicher.

Problematisch wird es bei der Arbeit ohne Software meist nicht beim Erstellen der Exzerpte, sondern beim Wiederfinden der Inhalte („Wo stand das noch mal? Ich habe das kürzlich doch irgendwo gelesen.“). Ohne ein ausgeklügeltes System und ein jederzeit zuverlässig funktionierendes Gedächtnis sieht man da manchmal alt aus.

Zettel, überall Zettel

Was ist die Lösung? Ein digitales Notizprogramm.

Das Angebot an Notizprogrammen wächst stetig. Allerdings ist die allgemeine Software wie OneNote, Evernote usw. für das wissenschaftliche Arbeiten nur mäßig geeignet, denn ihr fehlt eine Schnittstelle zur Literaturverwaltung.

Das Programm meiner Wahl ist daher der Zettelkasten ZKN von Daniel Lüdecke, die digitale Version des guten alten Zettelkastens. Den empfehle ich auch sehr gern meinen Studierenden weiter. Von Vorteil ist, dass er kostenlos erhältlich und plattformunabhängig zu nutzen ist. Einen Nachteil hat das Programm leider auch, nämlich dass es nicht ganz so modern daherkommt: Die Nutzeroberfläche wirkt ziemlich sachlich und nicht gerade einladend, es gibt keine ergänzende App, und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit anderen besteht auch nicht. (All diese Nachteile weist das herkömmliche Karteikartensystem, so nebenbei gesagt, übrigens auch auf.)

Der Zettelkasten kommt Luhmanns Arbeitsweise sehr nahe. Kurz gesagt: Mit dem Zettelkasten können Sie auf „Zetteln“ Informationen erfassen und sie mit Schlagworten sowie Verweisen und Literaturangaben versehen. Wenn Sie später mit den Zetteln weiterarbeiten wollen, lassen sich diese komfortabel suchen, nach Wunsch auf einem so genannten Schreibtisch anordnen und zu einem exportierbaren Rohtext zusammenstellen. Wer neugierig geworden ist, kann nähere Informationen auf Daniel Lüdeckes Blog und seinem YouTube-Kanal finden. (Update: Auch in meinem Buch erhalten Sie eine erste Einführung in die Nutzung des Zettelkastens. )

In einer Hinsicht ist bei der Arbeit mit dem Zettelkasten allerdings umdenken angesagt. Anstatt Ordner und Kategorien anzulegen und seine Zettel hinein zu sortieren, vergibt man für jeden Eintrag passende Schlagworte (tags). Diese Technik ist den meisten Studierenden wiederum gar nicht so fremd, weil sie sie von den sozialen Medien kennen (mehr dazu im Artikel #zitieren). Bei der Suche nach Inhalten helfen die Schlagworte und dabei ganz besonders eine bestimmte Funktion. Sie können Ihrem Zettelkasten nämlich beibringen, welche Schlagworte Sie als Synonyme verstanden haben wollen. So müssen Sie sich bei deren Vergabe nicht vorab festlegen oder gar erinnern, welche Schlagworte Sie bereits nutzen oder vor Jahren einmal verwendet haben.

Zettel zeigen

In der Vorlesung habe ich derzeit noch ein Problem. Ich will meine eigene Zettelkasten-Datenbank nicht zeigen. Das wäre mir dann doch zu persönlich, wenn alle sehen könnten, womit ich mich gerade beschäftige, wie ich formuliere und welche Schlagworte ich vergebe. Der nächste logische Schritt ist also das Anlegen einer aussagekräftigen Demo-Datenbank. Denn je weniger in so einem Zettelkasten erfasst ist, desto weniger spannend ist er leider auch. Je mehr Einträge vorhanden sind, desto besser entfaltet er seine Wirkung. Die Studierenden müssen derzeit also noch viel Vorstellungskraft mitbringen. Dennoch weiß ich von einigen, die in der Zeit zwischen zwei Vorlesungen zur Tat geschritten sind und den Zettelkasten einfach ausprobiert haben.

Wie halten Sie es mit den Zetteln? Was empfehlen Sie Ihren Studierenden?

Wie das persönliche Engagement Studierender mit integrierten Schreibübungen gefördert werden kann

Ein Gastbeitrag von Dr. Friederike Kunath

 

Schreiben in Lehrveranstaltungen zu integrieren, bringt schnelle Konzentration der Studierenden, Tiefe in der Beschäftigung mit Methoden und Sachfragen und eine Aufwertung der Studierenden als Beitragende von Erkenntnis mit sich.

Diese Aspekte haben sich mir in den letzten Monaten meiner Tätigkeit als schreibinteressierter wissenschaftlicher Mitarbeiterin und Schreibberaterin gezeigt. In diesem Beitrag möchte ich einen Einblick in meine Erfahrungen mit den ersten Schritten zu einer fakultär integrierten Schreibförderung an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich geben. Dabei werden die Erfahrungen mit in Seminare integrierten Schreibübungen im Fokus stehen. Es gab daneben auch eine nicht ins Curriculum integrierte Schreibwerkstatt. Diese hat natürlich ihre eigenen Vorteile, aber auch den klaren Nachteil, dass sie nur begrenzt die Anforderungen der einzelnen theologischen Teilfächer berücksichtigen kann. Dies ist in der Form schreibintensiver Seminare oder auch nur einmalig integrierter Schreibübungen sehr viel besser möglich.

Bereits vor meiner Ausbildung zur Schreibberaterin habe ich anspruchsvolle Schreibaufgaben („Essays“) in meine Lehrveranstaltung im Fach Neues Testament (ev. Theologie) integriert. Diese waren stark an der finalen Schreibaufgabe, der Proseminararbeit, orientiert und mussten von den Studierenden in Heimarbeit angefertigt werden. Jeder Studierende musste einen Essay im Laufe des Semesters verfassen. Diese Schreibaufgaben wurden als extrem hilfreich wahrgenommen, viele Rückmeldungen besagten, dass die Studierenden bei dem Thema am meisten gelernt hätten, wo sie einen Text produzieren mussten.

Mehr Verbindlichkeit und höhere Textqualität

Diese Essays habe ich inzwischen um studentische, schriftliche Feedbacks erweitert, die zusammen mit dem Essay kurz im Rahmen der Seminarsitzungen besprochen werden. Das heisst, bei dieser Aufgabe schreiben die Studierenden ihren Essay mithilfe von spezifischen Anleitungen selbständig zuhause, basierend auf den Inhalten der Sitzungen, laden ihn auf der Online-Lernplattform hoch und geben dort einander schriftliches Feedback. Da bei dieser Lehrveranstaltung pro Sitzung ein eigenständiger exegetischer Methodenschritt behandelt und abgeschlossen wird, kann unmittelbar im Anschluss der jeweilige Essay verfasst werden. Auf diese Weise entsteht sukzessive eine Sammlung an schriftlichen Ausarbeitungen aller Methodenschritte, die den Inhalt des Proseminars und zugleich die Aufgabe für die Proseminararbeit darstellen. Schon das Schreiben ist offensichtlich sehr hilfreich für die Studierenden. Seit es dazu Feedbacks und eine kurze Besprechung in den Sitzungen gibt, haben sich die Verbindlichkeit und die Qualität der Texte spürbar verbessert.

Diese Form der in die Lehrveranstaltung integrierten Schreibaufgabe hat den Vorteil, dass sie sehr nah an der Proseminararbeit orientiert ist und darauf hinführt. Die Motivation der Teilnehmer ist entsprechend hoch. Der zeitliche Mehraufwand macht sich für sie schnell bezahlt, wobei sie diesen Nutzen meist erst im Zuge des Schreibens feststellen. Zugleich sehe ich jedoch in dieser Form auch eine Begrenzung, die in der starken Orientierung an einer Norm liegt.

Einstieg in produktive Gespräche

Eine andere Form von integrierten Schreibübungen habe ich in einem mir fachfremden theologischen Seminar gewählt, in das ich als Schreibberaterin eingeladen wurde. In diesem homiletischen Seminar lernen Studierende Theorien des Predigens kennen und üben dies auch praktisch bis hin zu Gottesdiensten, die sie selbst gestalten. Die Rolle des Schreibens liegt auf der Hand, denn Predigten werden schriftlich entwickelt, wenn auch mit Blick auf die mündliche Performance. Der Seminarleiter und ich hatten uns darüber verständigt, dass Methoden kreativen Schreibens eine Rolle spielen sollten. Dies ergab sich aus der spezifischen Anforderung an Predigten, einen ansprechenden, auch emotionalen, jedenfalls nicht allein rationalen Charakter zu haben. Studierende müssen hier bewusst einen anderen Stil als den wissenschaftlichen erlernen.

Die Person des Schreibenden, ihre Einstellungen, Überzeugungen und Erfahrungen spielen hier eine wichtige Rolle. Erzählen und gut beschreiben zu können, sind essentielle Eigenschaften bewegender Predigten, die nicht mit einem Überzeugungsduktus daherkommen. Um diese Haltung aufzurufen bzw. in sie hineinzufinden, wählte ich als erstes eine Schreibübung aus, bei der es um das genaue Beschreiben eines Gegenstandes, Menschen oder Momentes ging („Nahaufnahme“ aus der Musenkussmischmaschine von Bettina Mosler und Gerd Herholz). Ich gab als Oberthema „Weihnachten“ und einige Vorschläge vor, erklärte aber sonst nur wenig zu dieser Übung. Innerhalb weniger Momente waren die Teilnehmer eifrig und sehr konzentriert am Schreiben. Der nachfolgende Austausch führte sehr schnell in ein produktives Gespräch über die unterschiedlichen Sprachstile, den Wert einfachen Beschreibens und genauen Hinschauens für das Predigen. Die Teilnehmer waren sichtlich erstaunt über die Wirksamkeit dieser kaum 10-minütigen Schreibübung.

Mehr Qualität durch Tiefe

Die zweite Übung war herausfordernder. In Anlehnung an „Was schlimm ist“ (ebenfalls Musenkussmischmaschine) erstellten die Studierenden Gedichte darüber, was an Weihnachten schlimm, besonders schlimm und am schlimmsten ist. Die existentielle Tiefe, die diese Übung aufbricht, war für alle Beteiligten spürbar und konnte produktiv erlebt werden. Ich war beeindruckt von der Professionalität im Umgang mit herausfordernden, auch existentiellen Themen, die diese angehenden Pfarrpersonen bereits mitbringen. Diese Übung ist sicher nicht für alle Seminare geeignet und muss gut begleitet und moderiert werden, kann dann aber eine ungeheure Qualität in ein Seminar bringen, wo sich alle Beteiligten auf einem vielleicht eher ungewohnt tiefen Level mit Inhalten beschäftigen sollen.

Diese Schreibübungen, die in die Sitzung integriert waren und den Auftakt zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Seminarthema bildeten, und auch die flankierenden Essays in meinem Methodenseminar zeigen, wie leicht und schnell durch das Schreiben die Beschäftigung der Studierenden mit methodischen und sachlichen Aspekten fokussiert und beschleunigt werden kann, ohne in zeitlichen Druck zu geraten.

Das Potential gerade der kreativen Schreibübungen für die qualitative Vertiefung von Lehrveranstaltungen nicht nur im Theologiestudium, sondern in jedem Studiengang, das auf eine persönliche, tiefgehende Auseinandersetzung mit Lerninhalten zielt, kann nicht genug hervorgehoben werden. Wie mir in Interviews mit den Professor_innen der Theologie und Religionswissenschaft mehrfach deutlich geworden ist, wird gerade das persönliche Moment häufig vermisst, also die erkennbare Involviertheit der Person des Studierenden, ihr Engagement.

Raum geben

Mein Eindruck ist: Nicht das Engagement der Studierenden fehlt, sondern ein Raum diesem Ausdruck zu geben. Wir müssen sie vielleicht mehr als früher dazu auffordern. Ein hervorragendes Mittel dafür ist das Schreiben und zwar in einer Weise, die das intrinsische Wissen und Interesse der Studierenden sichtbar macht und ernst nimmt. Studierende als Schreibende anzusprechen, wertet sie als Beitragende, Gebende, Aktive im gemeinsamen Lernprozess auf. Voraussetzung für das Gelingen ist natürlich eine neugierige, annehmende Haltung von mir als Dozentin. Interessiert uns als Lehrende das eigene, individuelle Denken unserer Studierenden, dann sind integrierte Schreibübungen ein hervorragendes Mittel, dies erlebbar zu machen.

 

kunathDr. Friederike Kunath, Studium der Germanistik und ev. Theologie, nach Stationen in Leipzig und Berlin nun wissenschaftliche Assistentin im Fach Neues Testament an der Theologien Fakultät der Universität Zürich. Seit 2016 ist sie ausserdem zertifizierte Schreibberaterin für den Hochschulkontext (CAS an der ZHAW Winterthur). Neben dem wissenschaftlichen Schreiben schätzt sie das freie, kreative Schreiben, das sie auf ihrem Blog www.schreibstimme.ch/blog pflegt. Dieser ist Teil einer freien Tätigkeit als Schreibcoach, die sie gemeinsam mit dem Theologen und Vortragstrainer PD Dr. Franz Tóth unter www.schreibstimme.ch anbietet.

 

10 untrügliche Zeichen, dass Ihr Unterricht ankommt *yes*

In Anlehnung an und als Kontrapunkt zu diesem Beitrag: 10 untrügliche Zeichen, dass Ihr Unterricht nicht ankommt

In Ihrer Vorlesung

  1. Immer mehr Studierende kommen mit großem Vorwissen zu den einzelnen Vorlesungen, weil sie vorab das Skript durcharbeiten.
  2. Studierende fragen, wann sie ihre Hausarbeiten eigentlich frühestens abgeben können.

In Ihrer Sprechstunde

  1. Alle kommen in die Sprechstunde – und haben auch noch eine vorbereitete Frageliste dabei. Sie haben Ihre Studierenden auf der Dunning-Kruger-Kurve erfolgreich nach rechts geführt.
  2. Niemand kommt in die Sprechstunde .Die Studierenden wissen sich selbst zu helfen und unterstützen sich außerdem gegenseitig. Sie als Lehrende werden gar nicht mehr so dringend gebraucht.

In Ihrem E-Mail-Postfach

  1. Sie erhalten keine E-Mails mit vagen Themenideen mehr („Ich würde gern in der Bachelorarbeit irgendwas mit Social Media machen.“), sondern mit gut durchdachten Themenvorschlägen inklusive Fragestellung.
  2. Die Steigerung zu Punkt Nr. 3: Die Studierenden schicken vorab schon mal die Frageliste für die Sprechstunde am nächsten Tag – damit die Zeit in der Sprechstunde möglichst sinnvoll genutzt werden kann.
  3. Die Studierenden fragen, ob sie zu viele Quellen verwendet haben.

Während der Korrektur

  1. Ihnen gehen die positiven Formulierungen für die Korrekturanmerkungen aus.
  2. Sie haben so viele Best Practice-Beispiele gesehen, dass die Auswahl schwerfällt. (Musterarbeit)
  3. Sie kommen sich beim Lesen der Arbeiten vor, als würden Sie einem Kollegen Feedback zu einem Artikelentwurf geben.