10 untrügliche Anzeichen, dass Ihr Unterricht nicht ankommt

In Ihrer Vorlesung

1. Die Fragen der Studierenden drehen sich ausnahmslos um Dinge, von denen Sie meinten, sie beim vergangenen Termin bereits ausführlich besprochen zu haben.

2. Ihnen passiert, was ich hier beschrieben habe: Der BTDT-Effekt. Sie lösen Probleme, die für Ihre Studierenden gar keine Probleme sind.

3. Es wird plötzlich ganz still, und Sie sehen nur noch Scheitel. Dabei haben Sie lediglich gefragt, wer mit seiner wissenschaftlichen Arbeit schon begonnen hat: Abgabefristen und Zeitmanagement

In Ihrer Sprechstunde

4. Alle kommen in die Sprechstunde. Und alle stellen sehr grundsätzliche Fragen. Wirklich grundsätzliche Fragen.

5. Niemand kommt in die Sprechstunde. (Oder das hier ist der Grund dafür: „Warum ist er denn nie in die Sprechstunde gekommen?“)

In Ihrem E-Mail-Postfach

6. Studierende fragen, wie viele Quellen sie angeben müssen: Meine persönliche Hassfrage

7. Studierende fragen, ob sie die Quelle auch angeben müssen, wenn sie „nur“ paraphrasieren.

Während der Korrektur

8. Sie können an den Texten das komplette Bietschhorn-Modell abarbeiten: Ulmi et al.: Wer hat’s gefunden?

9. Ihre geheime Stilblüten-Sammlung wächst und wächst und wächst. Da hat wohl jemand nicht genügend Zeit zum Überarbeiten eingeplant: Überarbeiten – Vom Aufräumen zum Dekorieren, Gastbeitrag bei „Statistik und Beratung“.

10. Ihre Bürokollegin sucht das Weite: Wie Sie Hausarbeiten korrigieren und trotzdem glücklich bleiben?

 

Sie dürfen die Liste in den Kommentaren gern fortführen.

11. ?

 

„Warum ist er denn nie in die Sprechstunde gekommen?“

Warum der Studierende mit der miserablen Hausarbeit nie eine Beratung in Anspruch genommen hat? Deshalb:

 

DunningKrugerClub

Quelle: „AScienceEnthusiast“

 

Die Mitgliedschaft im Dunnung-Kruger-Club ist einer von vielen möglichen Gründen, warum Studierende nicht über Schreibschwierigkeiten sprechen. Sie erkennen schlicht und einfach nicht, dass sie welche haben.

„If you’re incompetent, you can’t know you’re incompetent. […] the skills you need to produce a right answer are exactly the skills you need to recognize what a right answer is.“

Aus einem Interview mit David Dunning am 20. Juni 2010

Die betreffenden Studierenden denken, dass ihre Herangehensweise an das wissenschaftliche Schreibprojekt richtig ist und zu einem guten Text führen wird. Deswegen sehen sie keine Notwendigkeit, die Sprechstunde oder Schreibberatung aufzusuchen.

Zum Weiterlesen: Kruger, Justin und David Dunning: „Unskilled and Unaware of It: How Difficulties of Recognizing One’s Own Incompetence Lead to Inflated Self-assessments,” Journal of Personality and Social Psychology 1999, Vol. 77, No. 6, pp. 121-1134.

 

 

Planung und Durchführung einer statistischen Auswertung – diese Irrtümer können Sie vermeiden

Ein Gastbeitrag von Daniela Keller

Wenn Sie oder Ihre Studenten vor der Durchführung einer quantitativen Studie stehen, können Sie die hier im Beitrag beschriebenen Irrtümer leicht umgehen, wenn Sie ein gewisses Grundverständnis davon zu haben, was mit der statistischen Analyse möglich ist und was notwendig ist, um eine gute statistische Auswertung durchführen zu können. Davon schreibe ich in diesem Beitrag. Außerdem gebe ich ein paar Tipps, die den Einstieg in die statistische Analyse erleichtern.

Irrtum 1: „Wir brauchen mindestens 600 Fragebögen.“

Meist werden für eine quantitative Studie Daten einer Stichprobe erhoben und statistisch analysiert. Ausgehend von diesen Ergebnissen, soll auf eine verallgemeinerte Aussage für die Grundgesamtheit geschlossen werden. Voraussetzung dafür, dass diese aus den Daten erhaltene Erkenntnis auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden darf ist, dass die Stichprobe repräsentativ ist, also die Grundgesamtheit widerspiegelt.

Dabei lässt sich die Repräsentativität meist nur ansatzweise untersuchen. Das wichtigste Mittel dafür ist, die Stichprobe zu beschreiben: Wie viele Männer, wie viele Frauen sind enthalten? Wie ist die Altersstruktur usw. Diese Ergebnisse werden dann mit der Grundgesamtheit verglichen, falls diese Werte von der Grundgesamtheit bekannt sind. Der Nachweis von Repräsentativität ist also schwierig. Dafür ist es praktikabel, bereits bei der Ziehung der Stichprobe die besten Voraussetzungen zu schaffen, dass die Stichprobe repräsentativ sein wird. Dazu wird die Stichprobe möglichst zufällig gezogen, das heißt, jedes Objekt der Grundgesamtheit soll die gleiche Chance haben, in der Stichprobe zu landen. Manchmal werden auch etwas abweichende Verfahren zur Stichprobenziehung verwendet, die teils die Repräsentativität noch besser gewährleisten sollen, oder auch den praktischen Umständen geschuldet sind, z.B. Clusterstichprobe, geschichtete Stichprobe oder auch Quotenstichproben (ADM, Stichproben-Verfahren in der Umfrageforschung).

Oft wird die Repräsentativität mit der Stichprobengröße verwechselt bzw. in Zusammenhang gebracht. Dabei sind das zwei unterschiedliche Paar Schuhe: Repräsentativität bedeutet, dass die Stichprobe die Grundgesamtheit repräsentiert – unabhängig davon, wie groß die Stichprobe und wie groß die Grundgesamtheit sind. Dagegen hängt die Stichprobengröße von anderen Faktoren ab. Erstmal ist die Größe der Stichprobe meist durch praktikable Gesichtspunkte nach oben hin beschränkt: Wie viele Probanden können in zeitlich und finanziell vertretbarem Rahmen akquiriert werden? Nach unten beschränkt ist die Stichprobengröße von der Art der später geplanten Analyse. Wird z.B. die Analyse komplexer Modelle (z.B. Strukturgleichungsmodelle oder multiple lineare Regressionen) geplant, so ist es allein dafür schon notwendig, mit einer hinreichend großen Stichprobe zu starten. Was hinreichend groß ist, ist hier schwierig zu beantworten. Grundsätzlich gilt: je größer, desto besser. Es wird mindestens gefordert, dass die Anzahl der Beobachtungen doppelt so groß sein muss wie die Anzahl der Variablen z.B. in einer Regressionsgleichung (Backhaus et al., 2011).

Sind einfachere Analysen geplant, z.B. eine einfache Korrelation oder ein Lageunterschied, so kann vorab eine Fallzahlplanung (auch Power-Analyse genannt) durchgeführt werden, mit der die Fallzahl basierend auf Annahmen über die erwarteten Ergebnisse berechnet werden kann. Hier wird also der Frage nachgegangen: Wie groß muss meine Stichprobe mindestens sein, um den Zusammenhang x als signifikant nachzuweisen? Dazu müssen Vorannahmen über die Größe des Zusammenhangs (Effektstärke, s.u.) getroffen werden. Als einfache und kostenlose Software dafür steht z.B. G*Power der Universität Düsseldorf zur Verfügung (http://www.gpower.hhu.de/).

Irrtum 2: „Hauptsache, das Ergebnis ist signifikant.“

In dem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass die statistischen Methoden grundsätzlich in der Lage sind, jeden noch so kleinen Zusammenhang oder Unterschied als signifikant nachzuweisen, wenn nur die Stichprobe groß genug ist. Umgekehrt kann es sein, dass ein zwar inhaltlich bedeutender Zusammenhang oder Unterschied nicht als statistisch signifikant nachgewiesen werden kann, da die Stichprobe zu klein dafür ist. Deshalb macht es immer Sinn, nicht nur auf p-Werte (signifikant oder nicht signifikant) zu schauen, sondern auch immer die Größe des Unterschieds oder Zusammenhangs (Effektstärkemaße) zu berichten und zu interpretieren.

Irrtum 3: „Die Daten sind da und ich rechne einfach mal los.“

Ein weiterer wichtiger Punkt für das statistische Grundverständnis ist die Kenntnis von den verschiedenen Variablentypen. Erst wenn das Messniveau für die Variablen klar ist, kann die passende Methode für die Analyse ausgewählt werden.

Die wichtigsten drei Typen sind

  • nominale Variablen,
  • ordinale Variablen und
  • metrische Variablen (auch intervall- oder ratioskaliert).

Nominale Variablen sind Werte, die Kategorien abbilden, ohne dass diese Kategorien einer natürlichen Ordnung folgen. Zum Beispiel sind Geschlecht oder Nationalität nominale Merkmale. Ordinale Variablen bilden auch Kategorien ab. Hier folgen die Kategorien aber einer natürlichen Rangfolge oder Ordnung. Man kann sie also sinnvoll sortieren. Das ist z.B. bei Dienstgraden der Fall, bei Tumorstadien oder auch bei Schulnoten. Metrische Variablen sind dann alle Merkmale, die auf einer (gleichabständigen) Skala gemessen werden, also z.B. Temperatur, Unternehmenszugehörigkeit in Jahren oder BMI.

Die Zuordnung zu diesen drei Skalenniveaus ist nicht immer eindeutig und muss es auch für die statistische Analyse nicht immer sein. Zudem gibt es eine Besonderheit, die Likert-Variablen betrifft. Likert-Variablen sind Daten aus Fragebögen, in der auf einer k-stufigen Skala (z.B. 5-stufig von „Trifft voll zu“ bis „Trifft überhaupt nicht zu“) erhoben werden. Likert-Variablen sind streng genommen ordinal, werden aber meist wie metrische Variablen verwendet.

Irrtum 4: „Ich kann sowieso nicht alle Methoden kennen.“

Es ist hilfreich, schon vor Beginn der Untersuchung einen Überblick über die verschiedenen Arten von statistischen Analysen zu haben. Wie eingangs erwähnt ist es dafür aber nicht notwendig, alle Methoden im Detail zu kennen. Wichtig ist es aber zu wissen, welche Möglichkeiten in der statistischen Analyse stecken. Es ist demnach relevant:

  • Was ist mit welcher Methode möglich?
  • Welche Daten (Variablentyp, Verteilung) können mit welcher Methode untersucht werden?
  • Welche Aussagen sind mit den Ergebnissen dann möglich? usw.

Zunächst unterscheidet man zwischen deskriptiven und schließenden Methoden. Deskriptive Methoden beschreiben die Daten und deren mögliche Unterschiede oder Zusammenhänge. Es werden hier Maßzahlen berechnet wie z.B. Häufigkeiten, Lagemaße und Streumaße. Damit wird zum einen die Stichprobe insgesamt beschrieben. Es werden aber auch die bereits für die Forschungsfrage interessierenden Zusammenhänge untersucht, z.B. indem die Lage eines Parameters in zwei verschiedenen Gruppen berechnet und beschreibend verglichen wird. Gleichzeitig ist die deskriptive Analyse ein Datencheck, da hier Unstimmigkeiten in den Daten wie Ausreißer, Tippfehler oder fehlende Werte auffallen.

Die Art der Maßzahlen, die in der deskriptiven Analyse berechnet werden, hängt vom Datentyp (s.o.) der Variablen ab. So werden für kategoriale (nominale, ordinale) Variablen z.B. Häufigkeiten berechnet, für metrische Variablen die Lage- und Streumaße.

Zu den deskriptiven Methoden passen gut die Abbildungen. Sie visualisieren die deskriptiven Maßzahlen, z.B. indem aus den Häufigkeiten Balkendiagramme erstellt werden, oder als Boxplot, der den Median und die Quartile darstellt.

In der schließenden Statistik werden danach die vorab deskriptiv untersuchten Zusammenhänge bzw. Unterschiede auf statistische Signifikanz geprüft. Hier geht es also nicht mehr um die Beschreibung der Daten, sondern es werden Signifikanztests gerechnet, mit deren Ergebnis eine Verallgemeinerung der Aussage für die Grundgesamtheit gezogen werden soll. Beispiele sind hier z.B. die Varianzanalyse, die Korrelation oder die Regression.

Dafür ist es notwendig, dass Hypothesen aufgestellt werden. Die Nullhypothese wird dabei so formuliert, dass Sie aussagt, dass es keinen Zusammenhang bzw. keinen Unterschied gibt. Die Alternativhypothese ist das Gegenteil der Nullhypothese: „Es gibt einen Zusammenhang/Unterschied.“. Der Signifikanztest prüft, ob die Nullhypothese abgelehnt werden kann. Je nach Variablentyp, Verteilung der Daten und Studiendesign wird der passende Signifikanztest ausgewählt und berechnet. Liefert er einen signifikanten p-Wert (meist p < 0,05), so wird die Nullhypothese abgelehnt und damit ist ein statistisch signifikanter Unterschied bzw. Zusammenhang gezeigt.

Ist der p-Wert nicht signifikant (p ≥ 0,05), so wird formuliert „Es kann kein signifikanter Zusammenhang/Unterschied nachgewiesen werden“. Das bedeutet nicht, dass es keinen gibt. Die Signfifikanztests, die auf Unterschied bzw. Zusammenhang prüfen, können keine Gleichheit bzw. keinen Zusammenhang nachweisen.

Diese hier beschriebenen Signifikanztests prüfen Zusammenhangs- oder Unterschiedshypothesen. Das heißt, hier hat der Forscher basierend auf seiner Forschungsfrage eine Hypothese formuliert, die er direkt testen will. Diese Verfahren nennt man auch strukturprüfende Verfahren.

Daneben gibt es auch strukturentdeckende Verfahren, die das Ziel haben, Strukturen in den Daten aufzudecken. Hier gibt es keine Hypothesen, die geprüft werden. Oftmals kommen sie in einer Analyse vor den strukturprüfenden Verfahren zum Einsatz. Zu den strukturentdeckenden Verfahren zählt z.B. die Clusteranalyse, die versucht, die Objekte anhand der erhobenen Parameter mit sich ähnelnden Objekten gemeinsam in Gruppen (Cluster) zusammenzufassen und so sich unterscheidende Gruppen zu finden. Ein anderes strukturentdeckendes Verfahren arbeitet nicht auf der Objektebene, sondern auf der Parameterebene: die Faktorenanalyse (und auch die Hauptkomponentenanalyse) versucht, aus vielen Variablen weniger Faktoren zu bilden, indem sie passende Variablen zu einem Faktor zusammen fasst.

Tipps zum Einstieg

Nun möchte ich noch zum Abschluss ein paar praktische Tipps geben. Wenn Sie und Ihre Studenten die vorab beherzigen, wird der Einstieg in die statistische Auswertung leichter fallen und die Qualität der Ergebnisse wird verbessert:

Fragebogenerstellung

Wenn Sie selbst einen Fragebogen für die Studie erstellen, dann sollten Sie hier viel Zeit und Sorgfalt aufwenden.

Für die Qualität der späteren Ergebnisse ist es sehr wichtig, dass die Fragen gut formuliert sind, damit sie für den Teilnehmer verständlich sind:

  • Alter, Bildungsniveau usw. der Teilnehmer beachten,
  • keine mehrdeutigen Begriffe verwenden,
  • immer nur EINE Frage stellen,
  • keinen Deutungsspielraum lassen.

Außerdem dürfen die Fragen nicht suggestiv sein und keine Unterstellungen beinhalten (das beeinflusst die Antworten).

Aus statistischer Sicht noch interessant ist das Messniveau der Antworten, also ob die Fragen kategoriales/dichotomes Antwortformat haben (z.B. Geschlecht m/w), oder metrisch (z.B. Alter in Jahren) oder ordinal (z.B. Alter in Altersklassen) oder als Likert-Skala abgefragt werden (z.B.7-stufige Skala von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll zu“). Vom Antwortformat hängt ab, mit welchen Methoden die Daten später statistisch ausgewertet werden können.

In jedem Fall ist bei einem selbst erstellten Fragebogen ein Pretest an wenigen Test-Teilnehmern sinnvoll. Damit kann geprüft werden, ob die Fragen verständlich sind und das Antwortformat angenommen wird.

Dateneingabe

Die anschließende Dateneingabe kann direkt in einer Tabelle (z.B. Excel) vorgenommen werden. Diese Tabelle kann dann in jede gängige Statistiksoftware importiert und dort ausgewertet werden. Bei der Dateneingabe sind ein paar Dinge zu beachten:

  • Jede Beobachtung (Fall, Objekt, Teilnehmer) bekommt eine Zeile, jede Variable (erhobener Parameter) eine Spalte.
  • In der ersten Zeile (und nur in der ersten) stehen die Variablennamen, in der ersten Spalte eine ID (z.B. Teilnehmernummer).
  • In den Zellen werden die Werte eingegeben:
    • Zahlenwerte einfach als Zahlen (ohne Einheit).
    • Kategorien können als Text oder als Zahl kodiert eingegeben werden (z.B. 1 für männlich und 2 für weiblich). Werden sie als Zahl kodiert eingegeben, muss die Kodierungsvorschrift separat gespeichert werden. Wird sie als Text eingegeben, muss gut darauf geachtet werden, dass es keine Tippfehler gibt und wirklich immer genau die Kategorienbezeichnungen verwendet werden.
  • Mehrfachmessungen (Messwiederholungen, z.B. mehrere Zeitpunkte) werden meist als eigene Spalten eingegeben (das nennt man auch Wide-Format). Alternativ könnte man auch pro Messwiederholung eine eigene Zeile für jeden Fall (Teilnehmer) anlegen (Long-Format), was aber meist umständlicher ist. In der Statistiksoftware lässt sich der Datensatz meist problemlos vom Wide- zum Long-Format und umgekehrt ändern.
  • Eine Spalte für Kommentare hat sich bewährt. Die lässt sich später nicht statistisch auswerten, hilft aber dabei, während der Analyse z.B. Spezialfälle ausfindig zu machen.
  • Die Datei darf keine Leerspalten oder Leerzeilen enthalten.

Mit der Software anfreunden

Zu guter Letzt empfehle ich noch allen Anwendern, sich frühzeitig mit der ausgewählten Statistiksoftware anzufreunden. Wenn fest steht, mit welcher Software später ausgewertet werden soll, kann man sich bereits in Ruhe mit den technischen Grundfunktionen (z.B. Daten importieren, Einstellungen vornehmen, Menüstruktur, Ausgabe betrachten…) auseinander setzen. Dafür kann man sich zum Beispiel einen Testdatensatz erstellen und sich mit Hilfe eines Buches oder mit Video-Tutorials etwas einarbeiten. Dann fällt der Start mit den „richtigen“ Daten leichter, geht schneller und die erste Hürde ist schon zuvor genommen.

Referenzen und Literaturtipps:

  • ADM Arbeitskreis Deutscher Markt. und Sozialforschungsinstitute e.V., Stichproben-Verfahren in der Umfrageforschung, 2. Auflage, Springer VS 2014.
  • Klaus Backhaus et al., Multivariate Analysemethoden, Springer 2011.
  • Andy Field, Discovering Statistics using SPSS, SAGE 2013.
  • Andy Field, Discovering Statistics using R, SAGE 2014.

 

Über die Autorin:

DanielaKellerDaniela Keller berät als Statistik-Expertin Unternehmen, Forschungsgruppen, Doktoranden und Studenten zu allen Statistikthemen – von der Planung der Studie über die Auswertung mit geeigneter Software bis zur Darstellung und Präsentation der Ergebnisse. Zudem gibt sie Statistikworkshops und betreibt ein Blog zu Statistikfragen.

Es ist ihr wichtig, ihre Kunden unkompliziert und bedarfsgerecht zu beraten und somit zum Gelingen des Projekts beizutragen. Dabei fällt es ihr leicht, komplizierte Zusammenhänge mit einfachen Worten klar und verständlich zu formulieren, so dass die Statistik trotz komplexer Themen nachvollziehbar wird.

www.statistik-und-beratung.de

www.statistik-und-beratung.de/blog

 

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Über das Schreiben wissenschaftlicher Texte als soziale Praxis

Ein Gastbeitrag von Dr. Inken Tegtmeyer

 

Wenn wir Studierenden die Kunst vermitteln, wissenschaftliche Texte zu schreiben, stehen wir vor vielen sehr unterschiedlichen Problemen. In diesem Beitrag werde ich ausgewählte Aspekte der komplexen sozialen Beziehungen  thematisieren, die in der Wissenschaft und insbesondere bei der wissenschaftlichen Textproduktion eine Rolle spielen.

Soziale Signale bei der formalen Gestaltung von Zitaten

Fangen wir mit den scheinbar „ganz einfachen“ Fragen an, die zu Beginn eines Studiums um Formalia kreisen:

Wie muss ich zitieren, wie sind Literaturnachweise zu gestalten?

Man kann diese Frage mit einem Handout beantworten, auf dem die jeweilige Institutsrichtlinie verkündet wird; man kann auf verschiedene Ratgeber und unterschiedliche Möglichkeiten verweisen; und man kann auch versuchen, den Studierenden mit Hilfe dieser Fragen einen Einblick in die soziale Dimension wissenschaftlichen Arbeitens zu geben.

Zitierkonventionen sind von Verlag zu Verlag und von Zeitschrift zu Zeitschrift, in Bezug auf Fachdisziplinen und von Land zu Land unterschiedlich. Manche Konventionen haben eine größere Verbreitung gefunden als andere, in manchen Disziplinen gibt es „die eine“ Richtlinie, an die sich alle weltweit halten müssen, wenn sie ernstgenommen werden wollen, in anderen Fächern gibt es diesbezüglich große Vielfalt und Variationsmöglichkeiten.

Je größer diese Freiräume sind, desto relevanter ist die Entscheidung für die eine oder die andere Konvention, weil sie soziale Signale vermittelt, zu welcher Gruppe man sich zugehörig fühlt, weil man genau deren Konvention zur „eigenen“ gemacht hat.

Jede Konvention ist vom „Wissenschaftlichkeitsgrad“ vollkommen gleichberechtigt, die Wahl ist daher kaum sachlich begründbar. Sie lässt sich aber sehr wohl sozial, über habituelle Vorlieben und den Wunsch nach Anerkennung in den relevanten Bezugsgruppen rechtfertigen.

Auswahl der Zitate als Machtspiel

Noch gravierender als bei formalen Fragen sind die sozialen Implikationen bei der inhaltlichen Wahl der Zitate:

Wen oder was kann/sollte/darf ich (nicht) zitieren?

Die wissenschaftssoziologischen Untersuchungen zu Zitationsindizes und Zitierkartellen haben die Relevanz dieser Fragen herausgearbeitet. Aber was erzählen wir unseren Studierenden darüber (wenn wir nicht gerade Wissenschaftssoziologie als Seminarthema haben)? Wie gehen wir zum Beispiel damit um, dass die Seminarlektüre, die wir ausgewählt haben, von uns ausgewählt wurde? Machen wir den Teilnehmenden unserer Veranstaltungen deutlich, nach welchen Kriterien wir sie ausgewählt haben und welche sozialen und inhaltlichen Implikationen damit verbunden sind, wen wir warum ausgeschlossen haben? Vergleichen wir beispielsweise unsere mit den Literaturlisten ähnlicher Veranstaltungen anderer Universitäten und diskutieren die Unterschiede mit unseren Teilnehmer_innen? – Üblicherweise ist für solche Fragen in der engen Semestertaktung kaum Zeit. Soziale Konventionen betreffen nicht nur die Syntax von Literaturangaben, sondern auch Vorstellungen davon, was ein Klassiker ist, was zum Kanon gehört, welche Texte man zu welchem Thema gelesen haben muss, welche Methoden gerade „in“ sind und damit akzeptabel und erwartbar. Diese Konventionen sind historisch kontingent, variieren zwischen wissenschaftlichen Gruppen und Strömungen. Gerade Einführungsveranstaltungen sind daher nicht nur eine Einführung in ein wissenschaftliches Themengebiet, sondern immer auch implizit in die sozialen Strukturen, die die Fragen beantworten: Was gilt als relevantes Thema, wer gilt als relevanter Autor, welche Texte sind relevant, welche Methoden anerkannt? Diese Strukturen sind machterhaltend angelegt und befestigen, wie schon vielfach untersucht wurde, die vornehmliche Sichtbarkeit von den immer selben Texten und Autoren zu Ungunsten anderer „diskriminierter“ Gruppen (z.B. Frauen, Nicht-Europäer, Nicht-Amerikaner u.a.m.).

Dass Zitation nicht nur Teil wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern auch ein Machtspiel ist, wird in Veranstaltungen mit Studierenden selten thematisiert. Der Fokus liegt in Einführungen eher auf der (ebenfalls wichtigen) technischen Umsetzung korrekten Zitierens, kaum auf den sozialen Folgen der Zitationspraxis. Wenn ich „die richtigen“ Texte und Autoren zitiere, gilt mein Text als „guter Text“. Zugleich gewinnen die zitierten Texte und Autoren, die vermutlich ohnehin schon viel Reputation genießen, weiter an Aufmerksamkeit und verbessern ihre Zitierindizes, während ich von der Reputation der Zitierten profitiere.

Geben und Nehmen in der Wissenschaft

Dass das Schreiben wissenschaftlicher Texte immer auch eine soziale Praxis ist, die soziale Kontexte und Auswirkungen hat, ist nicht zu verhindern – und es besteht auch gar keine Veranlassung dazu. Hilfreich für die Orientierung im sozialen Raum der Wissenschaft wäre es jedoch, diese Zusammenhänge für Studierende transparenter zu machen und auch in der eigenen wissenschaftlichen Praxis beständig zu reflektieren, warum man sich für die eine oder andere Konvention, das eine oder andere Zitat entschieden hat, welchen Traditionen man damit jeweils folgt und welche anderen Traditionen man ablehnt oder ignoriert.

Das Schreiben wissenschaftlicher Texte kann verstanden werden als ein sozialer Kampf um Aufmerksamkeit und Anerkennung, der sich in der Wahl unserer Referenztexte, Zitate und Konventionen zeigt. Unsere wissenschaftlichen Interaktionen können aber auch ganz anders, als ein wechselseitiges Geben und Nehmen, Schenken und Beschenktwerden gedeutet werden, als eine Form der Gabenzirkulation, bei der es uns nicht darum geht, den eigenen Nutzen und Gewinn zu maximieren, sondern unseren Leser_innen etwas zu ermöglichen, was ihnen ohne unseren Text verwehrt bliebe – eine neue Weltsicht, eine neue Erkenntnis. Es lohnt sich, die auch für das eigene Selbstverständnis als Wissenschaftler_in zentrale Frage zu stellen:

Wie wollen wir die soziale Dimension unserer wissenschaftlichen Praxis interpretieren?

In Einführungsveranstaltungen werden Studierende in ihr jeweiliges Fach „sozialisiert“. Das betrifft nicht nur die Inhalte des Seminars, die im Veranstaltungsplan stehen, sondern auch und insbesondere die Einführung in den jeweiligen Habitus des Faches, die Art, wie wir miteinander diskutieren, wie wir über Texte und Gedanken, Methoden und Modelle anderer sprechen und schreiben, Projekte organisieren, Aufgaben aufteilen. Studierende lernen vom ersten Semester an, was im Kontext des universitären Alltags als Normalität gilt und wie man sich anderen gegenüber zu verhalten hat. Wir prägen dadurch das Wissenschaftsverständnis, aber auch das akademische Lebensgefühl und die sozialen Strukturen einer neuen Generation von Wissenschaftler_innen. Es lohnt sich daher, darüber nachzudenken, mit welchem Vorbild wir hier selbst vorangehen wollen, welche Verhaltensmuster wir für gut und richtig halten und welche Entwicklungen uns problematisch erscheinen. – Sprechen wir z.B. über Zeitmanagement, Effizienz und Leistungsorientierung, affirmieren wir den aktuellen Trend zur Ökonomisierung und Managementisierung der Wissenschaften? Betonen wir die „alten Ideale“ der „Einsamkeit und Freiheit“? Oder versuchen wir, neue oder andere Modelle des sozialen Miteinanders zu denken? Wissenschaftliche Praxis hat soziale Dimensionen, die wir nicht nur reflektieren, sondern auch gestalten können und sollten.

 

Kurzprofil

Dr. Inken Tegtmeyer leitet zur Zeit (2016/17) das von der VolkswagenStiftung geförderte Forschungsprojekt „Wissenschaft als Gabentausch? Gabentheoretische Interpretationen wissenschaftlicher Praxis“ an der Universität Hildesheim.

Nach einem Studium der Philosophie, Pädagogik und Mathematik/Informationstechnologie war sie über sechs Jahre Dozentin für wissenschaftliche Propädeutik am Institut für Philosophie der Universität Hildesheim. Die Kurse zur Einführung in das Lesen und Schreiben wissenschaftlicher Texte bildeten die Grundlage für ihre Dissertation „Wozu in der Philosophie wissenschaftliche Texte geschrieben werden. Eine hermeneutische Erkundung“. (Hier geht es zur Rezension.)

Sie ist Mitbegründerin der wissenschaftlichen Dienstleistungsagentur Akademische Kulturtechniken, das u.a. Lektorate, Expertisen und Evaluationen insbesondere im Bereich der Kulturellen Bildung anbietet.

Unterrichten wir zu viel Wissenschaftliches Arbeiten?

Hand aufs Herz, haben Sie in einer schwachen Stunde nicht auch schon einmal gedacht, dass wir eigentlich ganz schön viel Aufwand betreiben, um den Studierenden die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens nahezubringen? Wir halten Vorlesungen oder veranstalten Workshops, wir beraten die Studierenden und geben Textfeedback. Muss das sein? Muss das wirklich sein?

Oft werden Stimmen laut, die genau diese Frage auch stellen. Vielfältige Argumente werden für eine Kürzung oder Streichung der Veranstaltung „Wissenschaftliches Arbeiten“ vorgebracht oder sorgen dafür, dass sie gar nicht erst angeboten wird.

Ich habe hier einmal die fünf Aussagen zusammengestellt, die mir bisher am häufigsten begegnet sind.

1) „Unser Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten ist doch aussagekräftig genug.“

Die dahinterliegenden Gedanken lauten: In dem Leitfaden unserer Hochschule (wahlweise: unserer Fakultät, des Lehrstuhls usw.) steht doch nun wirklich alles haarklein drin. Die Studierenden müssen es einfach lesen und umsetzen. Wer das nicht schafft, hat sich nur nicht genug angestrengt. Und bitte, das wird man ja von angehenden Akademikern wohl verlangen dürfen!

Problematisch wird das durch die beiden folgenden, eng zusammenhängenden Punkte.

Erstens, allzu oft liegt der Fokus in solchen Leitfäden auf den formalen Aspekten der Gestaltung einer wissenschaftlichen Arbeit. (Gab es dazu nicht einmal eine Inhaltsanalyse? Irgendwo – aber wo? – habe ich davon gelesen.) Schriftgrößen, Zeilenabstand, Seitenränder, Zitierregeln. Dafür müssen wir wirklich nicht unbedingt einen Workshop durchführen.

Zweitens, mit der Überbetonung der Formalia in den Leitfäden geht die Vernachlässigung der inhaltlichen Seite des wissenschaftlichen Arbeitens einher. Was macht Wissenschaft aus, wie kommt sie zu ihren Ergebnissen? Wieso muss ich aus dem Thema eine Fragestellung entwickeln? Wie baue ich meine Arbeit logisch auf? Wie stelle ich meine Aussagen in den Kontext meines Faches? Gerade Studienanfängern fällt es sehr schwer, die genannten Punkte zu verstehen und vor allem, sie umzusetzen. DAS sind also die Fragen, über die wir mit den Studierenden reden müssen! Ja, reden, im Sinne eines Austauschs. (Wieso der Unterricht mehr bringt als ein Leitfaden)

Einen dritten Punkt, den Prozess des Schreibens, haben wir jetzt noch komplett außen vor gelassen. Der wird in den klassischen Leitfäden nämlich sowieso nicht abgedeckt.

2) „Früher gab es diese Veranstaltung auch nicht, und wir haben trotzdem unsere wissenschaftlichen Arbeiten geschrieben.“

Waren unsere schriftlichen Ausarbeitungen wirklich alle so brillant, dass wir nicht von einer Veranstaltungen zum Wissenschaftlichen Arbeiten profitiert hätten? Hatten wir nie Probleme mit dem Schreiben? Lief bei uns immer alles gut? (Zu den beiden Dimensionen Ergebnis und Prozess komme ich im nächsten Punkt ausführlicher.)

Der Vergleich mit früheren Zeiten ist außerdem auch aus einem anderen Grund ein bisschen unfair. Es hat sich im Hochschulsystem ja doch einiges geändert, seit die meisten von uns Lehrenden selbst studieren haben. Früher, damit meine ich die Zeit vor den Bologna-Reformen, waren die Studienpläne nicht so eng getaktet. Wir hatten (zumindest gefühlt) mehr Zeit: Zeit zum Lesen, Zeit zum Schreiben, Zeit zum Ausprobieren.

3) „Wenn die Studierenden heute so viel Hilfe haben, müssen ja tolle Arbeiten herauskommen!“

Hierbei handelt es sich um eine Variante des zuvor beschriebenen Arguments: Wenn sich die Studierenden das wissenschaftliche Arbeiten noch nicht einmal mehr selbst beibringen müssen und wir ihnen so viel Hilfe geben, müssten sie ja eigentlich ganz besonders hervorragende Arbeiten schreiben. Das Argument behauptet also indirekt, dass die Lehrveranstaltung nichts bringt, weil die Qualität der Arbeiten nicht gestiegen oder sogar „trotzdem“ gesunken ist.

Vorsicht! Hier werden Arbeiten von früher (ohne gesonderte Lehrveranstaltung zum Wissenschaftlichen Arbeiten) mit Arbeiten von heute (mit angeblich zu viel Lehre zum Wissenschaftlichen Arbeiten) verglichen. Dass auch andere Rahmenbedingungen sich geändert haben, wird dabei genauso außer Acht gelassen wie der Umstand, dass die Studierenden andere Voraussetzungen mitbringen (oh je, ein weites Feld!)

Die interessante und richtigere Frage wäre natürlich: Wie würden die heutigen studentischen Arbeiten ohne Lehrveranstaltung „Wissenschaftliches Arbeiten“ aussehen? Das kann niemand wissen.

Das Ergebnis ist außerdem nicht alles. Der einseitige Blick (der Lehrenden) auf das Produkt des Schreibens verstellt den Blick auf die Phase der Texterstellung. Neben dem Ergebnis spielt bekanntermaßen auch der Schreibprozess eine wichtige Rolle, zumindest aus der Sicht der Studierenden. Die einschlägigen Erkenntnisse aus der Schreibprozessforschung haben sich – zumindest unter den Fachlehrenden – noch nicht überall herumgesprochen. Entschuldigung, jetzt musste ich laut lachen, als ich „noch nicht überall“ geschrieben habe. Richtiger wäre wohl „sie haben sich noch fast gar nicht herumgesprochen“.

Dürfen wir den Studierenden nicht die Arbeit erleichtern und sie entlasten, indem wir diese Erkenntnisse teilen und mit ein paar Mythen aufräumen, die das Schreiben umranken?

4) „Das lernen die Studierenden alles schon in der Schule.“

Richtig, erste Kenntnisse im Wissenschaftlichen Arbeiten bringen viele Studierende schon aus der Schule mit.

In Deutschland müssen bzw. dürfen Schülerinnen und Schüler eine längere schriftliche Ausarbeitung abgeben, die so genannte Facharbeit (je nach Bundesland ist das anders geregelt, hier geht es zum Überblick). In Österreich sind die VWAs, die Vorwissenschaftlichen Arbeiten, mittlerweile ein verpflichtender Teil der Matura, gleiches gilt für die Maturaarbeiten in der Schweiz.

Was in den Schulen zum Wissenschaftlichen Arbeiten gelehrt wird, kann nur allgemein und niemals fachspezifisch sein. Demnach vermittelt es nicht die Besonderheiten der später studierten Disziplin und ist auch nicht erkenntnistheoretisch eingebettet. Die Anleitung in der Schule hängt zudem stark von dem fachlichen Hintergrund und den Vorlieben des betreuenden Lehrers ab. Manches wird auch schlichtweg falsch vermittelt oder zumindest falsch verstanden. Ich bekomme das als Lehrende mit, wenn ich im ersten Semester die Dinge wieder geraderücken muss.

5) „Es gehört zu einem Studium einfach dazu, sich das Wissenschaftliche Arbeiten selbst beizubringen.“

Keine Frage, die Studienanfänger müssen sich beim Wechsel von der Schule an die Hochschule umstellen. Mehr Eigenständigkeit und Eigeninitiative sind jetzt gefordert. Das Wissen wird nicht mehr in leicht konsumierbaren Einheiten serviert. Völlig einverstanden!

Gehen wir einmal anders herum dran: Sagt man zu Auszubildenden im Bäckerberuf eigentlich auch „Wir zeigen Euch jetzt mal, wo die ganzen Zutaten stehen. Wie man daraus ein leckeres Brot herstellt, werdet Ihr Euch dann ja wohl noch selbst erschließen können?“

Ein Bäcker und ein Akademiker bewegen sich zwar auf unterschiedlichem Level und müssen recht unterschiedliche Dinge leisten. Aber sagt das „Selbst-Erarbeiten“-Argument nicht doch etwas ziemlich Ähnliches? – „Bringe Dir selbst bei, was den Kern Deiner Tätigkeit ausmacht.“

Nehmen wir ein zweites Beispiel. Welche Gründe spielen eine Rolle, wenn ein Unternehmen für eine bestimmte Stelle einen BWLer mit Hochschulabschluss dem Kaufmann mit IHK-Abschluss vorzieht? Die grundlegenden fachlichen Inhalte, die beide Personen mitbringen, sollten relativ ähnlich sein (auch wenn man das nicht überall laut sagen darf). Die wesentlichen Unterschiede liegen in der erwarteten Fähigkeit zum kritischen Reflektieren dieser Inhalte und im Umgang mit neuen, komplett unbekannten Anforderungen. Von einem Akademiker wird erwartet, dass er diese mit Hilfe seiner Methodenkenntnisse besser meistern kann.

Ist es nicht paradox, dass man sich im wissenschaftlichen System gerade „Wissenschaft“ selbst beibringen soll? Wo sonst soll man es denn lernen? Ich könnte gelten lassen, dass man einem Autodidakten keinen Kurs in Autodidaktischem Lernen angedeihen lassen will. Aber ernsthaft, Wissenschaftliches Arbeiten in einem wissenschaftlichen Studium? Das sollte doch drin sein. (Hier geht’s zum Manifest.)

Fazit

Diejenigen, die gegen eine Lehrveranstaltung „Wissenschaftliches Arbeiten“ argumentieren, haben oft ein schräges Bild von den Inhalten. Sie richten außerdem ihren Blick hauptsächlich auf die Qualität des Ergebnisses, also die Qualität der studentischen Arbeiten, und vernachlässigen die vielen Möglichkeiten der Unterstützung im Schreibprozess.

Noch wichtiger: Wenn die Integration der Studierenden in das Wissenschaftssystem reibungsloser gelingt, profitieren letztlich alle. Dazu ist es nötig, sich mit den Studierenden darüber auszutauschen, was Wissenschaft ausmacht und wie sie zu neuen Erkenntnissen gelangt.

Welche Argumente gegen die Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens kommen Ihnen zu Ohren? Schreiben Sie jetzt einen Kommentar.

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“ – Individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Fortsetzung und Vertiefung des Artikels „Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Prinzipiell bin ich kein großer Freund von Zitaten zu Beginn von eigenen Ausführungen. Obwohl dies für einen Dozenten des wissenschaftlichen Arbeitens fast schon paradox klingt. Ich tue es hier trotzdem.

In der Didaktik des wissenschaftlichen Arbeitens ist es letztlich genauso wie in der großen Politik. In einer außenpolitischen Grundsatzrede an der Militärakademie in West Point formulierte Barack Obama im Jahr 2014 den Satz:

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“

Unter dem „besten Hammer“ verstand er hierbei die militärischen Möglichkeiten seines Landes und stellte sogleich klar, dass diese keine generelle Lösung darstellen dürfen. Was nun in der großen Weltpolitik gilt, gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten. Und dies in zweierlei Hinsicht.

  • Einerseits sollten wir Lehrenden den Studierenden mehrere Werkzeuge mit auf den akademischen Weg geben und ihnen die sinnvolle Anwendung zeigen und vorleben. Doch dies wäre ein Thema für einen anderen Beitrag.
  • Andererseits gilt dies auch für uns Lehrende. Nur weil eine Methode sich in unserer Didaktik bislang bewährt hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie immer anwendbar ist. Dies mag banal klingen, doch wir sollten uns dem immer bewusst sein. Bleiben wir bei diesem Thema. Es lohnt sich.

In diesem Blogbeitrag steht ganz lapidar: „Es ist wichtig, dass das Fach Wissenschaftliches Arbeiten gut gelehrt wird.“ Dem kann ich nur zustimmen. Doch was heißt dies nun didaktisch ganz konkret, wenn eine wissenschaftliche Arbeit nicht nur geschrieben, sondern als Projekt verstanden und gemanagt wird?

Wir haben alle eine fundierte methodische Ausbildung und würden gerne unsere Erfahrungen didaktisch angemessen weitergeben. Für mich ist hier der didaktische Aspekt im Hinblick auf das Projektmanagement wichtig.

Wie kann dieser Spirit des Projektmanagements individuell angepasst vermittelt werden?

Bereits zu Beginn dieser Betrachtung kann ich Ihnen sagen: Nicht immer mit dem Hammer! Warum? Weil wir es bei Studierenden natürlich mit unterschiedlichsten Charakteren und Kompetenzen zu tun haben. In den letzten knapp zehn Jahren meiner Lehrtätigkeit sind mir mehrere Typen von Studierenden begegnet, welche ich für mich nach drei Dimensionen bewerte:

  1. Inhaltliche Dimension: Unter dieser Dimension verstehe ich beispielsweise, welche Themen die Studierenden gewählt haben und wie sie für diese recherchiert haben. Darüber hinaus ist mir auch wichtig, wie etwa die Gliederung aufgebaut oder die Aussagen fundiert und problematisiert werden.
  2. Methodische Dimension: Hier ist mir wichtig, welche wissenschaftliche Werkzeuge Studierende für die jeweilige Fragestellung anwenden, wie sicher sie darin sind und wie sie die Umsetzung gestalten.
  3. Formale Dimension: Dieser Aspekt bezieht sich auf die äußere Form, die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie die Einhaltung von Terminabsprachen.

Es gibt nun Studierende, die in allen Bereichen (schon) hohe Kompetenzen aufweisen. Bei diesen sollten die Lehrenden versuchen mit Fingerspitzengefühl die Arbeit zu betreuen. Als Werkzeug wende ich hier gerne eine Vereinbarung von weiteren Entwicklungsmöglichkeiten an. Dabei stellt sich die Frage, was die Studierenden sonst noch erreichen möchten? Im Rahmen des Projektmanagements sollte hierbei vor allem darauf geachtet werden, dass die Studierenden nicht zu viel wollen und sich im schlimmsten Fall insbesondere zeitlich „verzetteln“. Darunter leidet natürlich dann auch immer die Qualität der Arbeit.

Am entgegengesetzten Pol finden sich Studierende, die in allen drei Bereichen (bislang) nur geringe Kompetenzen aufweisen. Hier sind wir als Lehrende besonders im Projektcontrolling gefordert. Dort sollten wir immer wieder Zwischenergebnisse einfordern und terminliche Vereinbarungen thematisieren, um sowohl den formalen als auch den inhaltlichen und methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Studierende sind in dieser Situation oft überfordert. Neben der Fokussierung auf formale Kriterien sollten wir hier auch menschlich begleiten. Problematisch wird eine derartige Situation in höheren Semestern. Denn dann ist vor allem das eigenständige und nicht das begleitete oder angeleitete wissenschaftliche Arbeiten erforderlich.

Wie schon beim Korrigieren sind die „Dazwischenstehenden“ besonders problematisch. Welche Studierenden-Typen sind damit gemeint? Nun, es gibt theoretisch mehrere Möglichkeiten:

  • Hohe inhaltliche, jedoch geringe methodische und formale Kompetenz:

Dieser Studierendentyp neigt oft zu deskriptiven Arbeiten, in denen Bücher einfach nur zusammengefasst werden.

  • Hohe methodische, jedoch geringe inhaltliche und formale Kompetenz:

Studierende testen hier oft eine „aufgeschnappte“ Methode aus, ohne diese zu reflektieren.

  • Hohe formale, jedoch geringe inhaltliche und methodische Kompetenz:

Hier überzeugen Studierende oft mit tollen Graphiken, aber wenig Inhalt.

  • Hohe inhaltliche und methodische, jedoch geringe formale Kompetenz:

Hierunter finden sich manchmal verborgene Genies, die spannende Themen innovativ bearbeiten, aber das Einhalten von Seitenbegrenzungen oder Abgabefristen als lästige Sekundärtugenden empfinden.

  • Hohe inhaltliche und formale, jedoch geringe methodische Kompetenz:

Dies betrifft wieder die korrekten „Zusammenfasser“, die sich auch an Formalia halten, aber das Wissenschaftliche noch nicht umfassend verinnerlicht haben.

  • Hohe methodische und formale, jedoch geringe inhaltliche Kompetenz:

Hier neigen Studierende zur Einbringung spannender methodischer Ansätze, die auch formal korrekt eingebettet sind, jedoch beispielsweise jede theoretische Fundierung vermissen lassen.

Bei diesen Dazwischenstehenden ist stets mindestens eine Kompetenz schwächer ausgeprägt.

Der Umgang mit den Schwächen

Schwächen im Bereich der inhaltlichen Kompetenz können im Projektmanagement dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders im Bereich der Gliederung betreut werden. Hier sollten Dozierende darauf achten, dass das Thema zumindest in seiner Breite abgedeckt wird. Eine intensive Begleitung ist hier besonders zu Beginn der Arbeit wichtig.

Schwächen im Bereich der methodischen Kompetenz können dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders vor und während der möglichen Feldphase betreut werden. Hier sollten Studierende mit deren eigenen Erwartungen und Befürchtungen aktiv konfrontiert werden. Dabei lasse ich Studierende dabei oft ein Best-Case- oder Worst-Case-Szenario formulieren. Dies kann etwa bedeuten, dass die Studierenden sich dazu Gedanken machen, was zu tun ist, wenn zu wenig Probanden teilnehmen, der Betriebsrat der Befragung nicht zustimmt etc.

Schwächen im Bereich der formalen Kompetenz können wiederum durch Projektcontrolling gelöst werden. Hier darf man Studierende auch in die Pflicht nehmen, feste Termine einzuhalten und dies auch zu dokumentieren. Gerade dieser Bereich sollte von aktivem Fördern und Fordern geprägt sein.

Doch egal mit welchem Studierendentyp man konfrontiert wird: Um eine Haltung zu vermitteln, ist Geduld immer wichtig. Das ist eine Grundkonstante.

Erkennen Sie den einen oder anderen beschriebenen Typ wieder?

 StefanDobler

Stefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

Brain on a stick

phd012609s_brainonstickQuelle: http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=1126

 

Bei diesem Comic kann einem das Lachen schon ein wenig im Hals stecken bleiben. Gerade weil er aus der Perspektive der Studierenden geschrieben ist, hält er uns Lehrenden den Spiegel vor. Denn wie schnell ist es passiert, dass man die Studierenden auf das Fachliche reduziert?

Natürlich können wir nicht jedem Studierenden als Person gerecht werden. Den kompletten Menschen mit all seinen Gedanken und Träumen lernen wir sowieso nie kennen. Aber zum „Brain on a stick“ sollten wir ihn auch nicht machen.

Vorbeugende Maßnahmen

In den folgenden drei Artikeln habe ich schon einmal etwas dazu geschrieben, wie sich das Problem zumindest teilweise vermeiden lässt:

Der BTDT-Effekt in der Lehre, und wie Sie gleich zu Semesterbeginn entgegensteuern – Hier geht es darum, wie Sie sich mit einer Vor-Abfrage zu Veranstaltungsbeginn besser auf Ihren neuen Kurs einstellen können.

Kann ein Leitfaden die Lehrveranstaltung ersetzen? Ich denke nicht. Meine Argumente für den persönlichen Austausch finden Sie in diesem Beitrag: 3 Gründe, wieso der Unterricht mehr bringt als jeder Leitfaden

Nicht Sie sind das Problem, sondern Ihre Kollegen – In diesem Beitrag lesen Sie die Grundprinzipien einer wertschätzenden Haltung bei der Beratung von Studierenden.

Ein genauerer Blick auf die „Brains on a stick“

„Die Studierenden“ als homogene Gruppe gibt es nicht. Deswegen habe ich eine Matrix entworfen, die vier Typen unterscheidet. Hier geht es zur Typologie.

Weiterführende Gedanken dazu können Sie in dem Beitrag nachlesen: Was Eisenhower mit den Studierendentypen zu tun hat Meine Ideen zu „typgerechten“ Lehrformaten finden Sie ebenfalls dort.

Gerade wenn mich ein bestimmter Studierendentyp mal wieder mit seiner Arbeitshaltung nervt, rufe ich mir das „Brain on a stick“-Bild in Erinnerung. Die Lehre soll die Studierenden schließlich erreichen.

 

 

Manifest für Lehrende

Ein Beitrag zur Blogparade „Die Zukunft des Wissenschaftlichen Arbeitens“

Wie auch immer die Zukunft der Wissenschaft konkret aussehen mag: Die Methoden des Wissenschaftlichen Arbeitens bleiben der Schlüssel zur Gewinnung neuer Erkenntnisse. Dennoch existiert für deren Vermittlung keine Fachdidaktik. Sie muss dringend entwickelt werden.

Es ist wichtig, dass das Fach „Wissenschaftliches Arbeiten“ gut gelehrt wird. Studierende finden dann reibungsloser in das Wissenschaftssystem hinein und produzieren früher bessere Ergebnisse. Das hilft nicht nur ihnen selbst, sondern ist auch im Sinne der Lehrenden und der Wissenschaft.

Losgelöst von eigenen Lehrveranstaltungen zum Wissenschaftlichen Arbeiten sprechen Lehrende aller Disziplinen anlässlich fachlicher Fragestellungen über Wege der Erkenntnisgewinnung. Es ist wichtig, dass Lehrende ihre Haltung reflektieren, denn sie prägen damit die Studierenden.

Das Manifest enthält die Grundlagen meiner Lehr- und Betreuungstätigkeit. Es spiegelt meinen Alltag wider und ist die Essenz dessen, was sich für mich über die Jahre als didaktisch sinnvoll herausgestellt hat. Die Aussagen erscheinen möglicherweise vielen Lehrenden banal. Das wäre ein Grund zur Freude.

Manifest für Lehrende

Grundhaltung

  • Ich ermutige die Studierenden zum Wissenschaftlichen Arbeiten.

Die Studierenden sollen Lust auf Wissenschaftliches Arbeiten bekommen. Belehrungen, Abschreckungen und demotivierende Aussagen vermeide ich, so gut wie es geht.

  • Ich vermittle, dass der Prozess des Wissenschaftlichen Arbeitens nicht linear verläuft.

Die Studierenden erfahren, dass die Wiederholung von Arbeitsschritten nicht nur normal ist, sondern sogar ein Zeichen von Fortschritt im Lern- und Forschungsprozess darstellt. Ich lehre also kein vermeintlich allgemeingültiges Phasenschema des Wissenschaftlichen Arbeitens.

  • Ich verhalte mich den Studierenden gegenüber wertschätzend.

Jedes Anliegen ist zunächst einmal berechtigt. Auch und gerade wenn mir manche Ideen und Fragen der Studierenden seltsam vorkommen, bemühe ich mich um eine hilfreiche Antwort. Diese muss nicht unmittelbar die Problemlösung liefern, sondern kann auch aus Hilfe zur Selbsthilfe bestehen.

  • Ich achte die Individualität im Prozess des Wissenschaftlichen Arbeitens.

Alle Studierenden pflegen – wie andere Schreibende auch – einen eigenen Arbeitsstil, den sie im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Dabei helfe ich ihnen, indem ich verschiedene Arbeitstechniken und (Schreib-)Methoden vermittle, die sie flexibel einsetzen können, um mit ihren Arbeiten besser voranzukommen.

In der Lehre

  • Ich erkläre den Sinn und Unsinn von Konventionen in der Wissenschaft.

Die Studierenden sollen verstehen, dass Konventionen in der Wissenschaft keine Schikane sind, sondern dazu dienen, Texte zugänglicher und verständlicher zu machen. Gleichzeitig halte ich die Studierenden an, solche Konventionen kritisch zu reflektieren, die nicht mehr zeitgemäß sind.

  • Ich thematisiere ab und zu meine eigenen Schreibprojekte.

Ausgehend von meine eigenen Erfahrungen rede ich über den Schreibprozess und mache deutlich, dass Texte „nicht einfach so entstehen“. So zeige ich, dass selbst fortgeschrittene Schreibende mit Problemen kämpfen und wie sie diese lösen. Dabei erhebe ich meine Schreibpraxis nicht zum allgemeingültigen Ideal.

In der Beratung

  • Ich bin transparent, was die Möglichkeiten und Grenzen der Beratung angeht.

Mein Feedback ist nur so direktiv wie unbedingt nötig. Wenn Entscheidungen zu treffen sind, lege ich aus meiner Sicht die Optionen dar. Die Entscheidungshoheit und die Verantwortung für den Text bleiben beim Verfasser.

  • Ich bin mir der Doppelrolle bewusst, die durch das Aufeinanderfolgen von Beraten und Bewerten entsteht.

Bei der Benotung konzentriere ich mich auf den vorliegenden Text und blende so gut wie möglich aus, was ich über dessen Entstehungsgeschichte weiß.

Multiprojektmanagement: Die parallele Betreuung studentischer Arbeiten

Ein großes Wort. Multiprojektmanagement.

Meine Liste der im kommenden Semester zu betreuenden Arbeiten hat tatsächlich etwas von einer Projektlandschaft: eine Vielfalt an Themen, die von verschiedenen Personen bearbeitet werden, die dabei ihre eigene Mikroplanung betreiben und sich mit mir abstimmen.

Als Lehrende sind wir natürlich keine echten Projektmanager. Wir haben es ein bisschen leichter. Denn wir übernehmen keine direkte Verantwortung für das Gelingen der studentischen Arbeiten. Wir verantworten „nur“ die Betreuung der Projekte, die Umsetzung liegt in den Händen der Studierenden.

Der Blick geht in diesem Beitrag weg von den Studierenden mit ihren einzelnen Projekten und hin zu den Lehrenden, die gleichzeitig mehrere Projekte betreuen. (Die andere Sicht können Sie in diesem Gastbeitrag nachlesen.) Schließlich möchten wir Lehrende das gern so steuern, dass es sich möglichst geschmeidig in unsere anderen Aufgaben eingliedert. Es soll nicht zu viel von unserer knappsten Ressource, der Zeit, verbrauchen. Gleichzeitig möchten wir allen Studierenden gerecht werden. Das übergeordnete Ziel in der Betreuung sollte immer sein, eine hohe Qualität aufrechtzuerhalten.

Den Workflow optimieren

Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Einblick in mein persönliches „Multiprojektmanagement“ geben. Wie sieht mein Workflow bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten aus?

Drei Ansätze aus dem Zeitmanagement haben dafür die grundlegenden Ideen geliefert:

  • ähnliche Aufgaben bündeln
  • Aufgaben vereinfachen
  • delegieren

Schauen wir uns mal die einzelnen Phasen im Betreuungsprozess an:

Die Arbeiten im Vorfeld

Eine sehr zeitintensive Angelegenheit sind – zumindest bei mir – die Arbeiten im Vorfeld: der Weg zur konkreten Fragestellung und zu einem aussagekräftigen Exposé. Aber hier investierte Mühe lohnt sich immer! Noch nie habe ich es bereut, mir zu Beginn viel Zeit zu nehmen. Erfahrungsgemäß geht dann der Rest der Bearbeitungszeit vergleichsweise reibungslos vonstatten.

Eine echte Gefahr droht bei eher orientierungslosen Studierenden, die noch über keine rechte Vorstellung von ihrem Vorhaben verfügen. Da würde ich dann manchmal gern diese Arbeitsschritte an mich reißen, damit es vorangeht. Aber die Verantwortung sollte bei den Studierenden bleiben.

Meine Maxime: In der Sprechstunde gibt es nur Input. Der Output muss von den Studierenden kommen. Ich erarbeite also nichts „Druckreifes“ gemeinsam in der Sprechstunde, sondern stelle kritische Fragen und gebe Impulse zum selbständigen Weiterarbeiten.

Zu diesem Zweck habe ich Arbeitsblätter angefertigt, die den Dreischritt und das Planungsfünfeck jeweils auf einer Seite darstellen (nachzulesen in den Ratgebern zum Wissenschaftlichen Schreiben, zum Beispiel bei Grieshammer et al.). Diese Blätter kann ich dann bei Bedarf aus dem Ordner ziehen, kurz erläutern und den Studierenden mitgeben. Ich schicke die Studierenden also relativ zügig wieder weg, wenn sie noch nicht so weit sind, und lasse mir ihre Ergebnisse zusenden oder bespreche sie bei einem zweiten Termin. Viele denken sowieso lieber noch einmal in Ruhe über alles nach, durchforsten die Literatur oder tauschen sich mit Kommilitonen aus, anstatt sich an Ort und Stelle direkt festzulegen.

Zeitintensiv wird diese Phase nicht durch die Länge der einzelnen Termine, sondern durch die Bearbeitungsschleifen und erneuten Rücksprachen. Ich bilde mir aber ein, dass es in der Summe die effektivere Arbeitsweise ist.

Während der Bearbeitungszeit

 

1) Dossier führen

Direkt nach Gesprächen mit den Studierenden versuche ich, mir möglichst umfangreiche Notizen zu machen oder die teilweise sehr knappen Notizen aus dem Gesprächsverlauf so zu ergänzen, dass ich auch Wochen später noch etwas damit anfangen kann. Ich halte vor allem fest, was wir vereinbart haben: wegweisende Entscheidungen und die nächsten Schritte.

Ich führe also für jeden Studierenden ein separates Dossier, das ich mir dann vor dem nächsten Termin, oder wenn zwischendurch eine Frage per E-Mail kommt, durchlese. Ohne ein solches Dossier ginge zu viel verloren, gerade bei der parallelen Betreuung von vielen Arbeiten. So möchte ich die Qualität sicherstellen.

2) Beratung als Kolloquium anbieten

Anstatt getrennte Sprechstundentermine mit den einzelnen Studierenden zu vereinbaren, versuche ich, Studierende zu Arbeitspaaren oder -gruppen zusammenzufassen. Das geht bei befreundeten Studierenden oft sehr leicht, weil sie sowieso viel gemeinsam machen und einen offenen Arbeitsstil pflegen. Und es funktioniert bei einander nicht näher bekannten Studierenden vor allem dann, wenn die Arbeiten ähnliche Themen haben und die Betreffenden den Nutzen einer solchen Zusammenarbeit positiv einschätzen.

Mein Ziel dabei: die berühmten Synergien schaffen. Ich muss bestimmte Dinge nicht immer wieder von vorne erklären. Außerdem vervielfacht sich das Wissen. Die Studierenden erhalten Anregungen nicht nur von mir, sondern auch von ihren Mitstudierenden. Sie lernen nicht nur durch Zuhören, sondern auch durch das Sprechen über das fremde Thema. Eigene Fragen lösen sich so mitunter schon in Luft auf, weil den Studierenden beim fremdem Thema alles viel klarer erscheint und sie den Lösungsweg auf ihr Problem übertragen können.

Die Korrektur der Arbeiten

 

1) Aufteilen und bündeln

Das Timing für die Korrektur ist leider in meinem Fall schlecht: Alle Arbeiten kommen gleichzeitig auf meinen Schreibtisch oder maximal um zwei, drei Wochen versetzt. Die Arbeiten sollen auch zum gleichen Zeitpunkt fertig korrigiert sein. (Generelle Gedanken zum Korrigieren finden Sie hier.)

Ich versuche, das Beste daraus zu machen, indem ich die Korrektur bündele: Ich lese die Arbeiten nicht nacheinander, sondern parallel. Dabei trenne ich nach formalen, sprachlichen und inhaltlichen Aspekten (wie es bei der Überarbeitung eigener Arbeiten gern empfohlen wird). Ich korrigiere also erst alle Arbeiten nach formalen Kriterien, dann alle Arbeiten in sprachlicher Hinsicht und danach widme ich mich den Inhalten. Die Reihenfolge ist aufgrund meiner persönlichen Vorlieben entstanden, lässt sich aber natürlich auch umdrehen.

Damit ich den Überblick behalte, gehe ich nach einem Kriterienkatalog vor. Entweder arbeitet man mit einer vorgegebenen Liste oder erstellt sich selbst eine. In einigen einschlägigen Ratgebern gibt es auch entsprechende Vorlagen.

2) Technische Umsetzung

Technisch löse ich die Anforderungen der Korrektur, indem ich meine Notizen direkt in eine Excel-Tabelle schreibe. Jeder der standardisierte Punkte des Kriterienkatalogs ist in einer Zeile aufgeführt. Später landen die Inhalte per Seriendruck im Gutachten. Dem einmaligen Aufwand beim Einrichten der Tabelle und des Gutachten-Dokuments steht über die Semester ein großer Zeitgewinn gegenüber.

Bei akuter Unlust behelfe ich mir manchmal mit einem Medienwechsel, um nicht noch weitere Stunden am Rechner zu verbringen. Anstatt zu schreiben, diktiere ich dann. Dazu spreche den Text in das Mailprogramm meines Smartphones und übernehme ihn dann per Copy & Paste in das Gutachten. Dabei muss ich zwar später nachbessern, aber immerhin steht dann schon einmal etwas da, und ich muss nicht bei Null anfangen. Zur Motivationssteigerung dient die so aufkommende Abwechslung allemal.

3) Konkrete Korrekturanmerkungen

Dieser Punkt erfordert etwas Selbstdisziplin. Ich zwinge mich dazu, meine Korrekturanmerkungen so zu formulieren, dass ich im weiteren Verlauf direkt wieder etwas damit anfangen kann. Da ich das Gutachten nicht immer direkt im Anschluss an die Lektüre erstellen kann, ist das ein wesentlicher Punkt für mich.

Schnell macht man ein Ausrufungszeichen an den Rand, wenn eine Stelle außerordentlich gut geraten ist, oder eben eine Wellenlinie, wenn Inhalte fragwürdig sind. Blättere ich später in der Arbeit, muss ich diesen Teil erst noch einmal überfliegen, um zu wissen, worum es ging. Ich muss mich neu hineindenken und noch einmal überlegen, was ich eigentlich meinte. Besser ist es also, nicht nur grafisch, sondern mit Worten zu arbeiten und da dann auch möglichst konkret. Also nicht „Guter Gedanke!“, sondern „Gut, hier X und Y zu verknüpfen!“. Dann weiß ich auch Tage und Wochen später gleich, worum es ging.

Das Gutachten und seine „Weiterverwendung“

Beim Verfassen des Gutachtens berücksichtige ich ein paar Punkte von vorne herein, damit ich bei der „Weiterverwendung“ weniger Aufwand habe. Darunter fällt alles, was im Nachgang zum Gutachten passieren wird oder passieren könnte: die mündliche Prüfung, Feedback-Gespräche mit den Studierenden und drohende Drittgutachten.

Während ich das Gutachten erstelle (und natürlich auch schon beim Lesen der Arbeit), notiere ich quasi nebenbei mögliche Fragen für die mündliche Prüfung. Das können Rückfragen zu unklaren Inhalten oder zum methodischen Vorgehen sein. Oder mir fallen Ungereimtheiten zu dem auf, was im Vorfeld besprochen wurde. Wenn ich das alles sofort aufschreibe, muss ich mich kurz vor der Prüfung nicht noch einmal neu hineindenken.

Viele Studierende nutzen die Möglichkeit zu einem Feedback-Gespräch. Da dieses erst stattfinden kann, wenn die Note offiziell bekanntgegeben wurde, liegt eine vergleichsweise lange Zeit zwischen der intensiven Lektüre der Arbeit und diesem Gespräch. Ich versuche also den Termin so gut wie es geht, vorauszudenken, so dass ich nicht erst ausführlich in der Arbeit blättern muss, um überhaupt etwas Sinnvolles sagen zu können. In der oben erwähnten Excel-Tabelle kennzeichne ich für diesen Zweck die besonders wichtigen Punkte farblich.

In den unerfreulichen Fällen, in denen es zu einem Drittgutachten kommt, sollte mein Gutachten so formuliert sein, dass möglichst wenige Rückfragen vom Prüfungsausschuss auftauchen. Um mögliche Einwände vorwegzunehmen, mache ich im Gutachten wichtige Absprachen transparent, die ich während der Betreuung mit dem Studierenden getroffen habe. Sollte ein Studierender nicht kooperiert haben (die berühmte „Beratungsresistenz“), schreibe ich auch das in einer diplomatischen Formulierung in das Gutachten.

Zeitmanagement trifft Multiprojektmanagement

Hier noch einmal kurz zusammengefasst meine Lösungen für ein akademisches Multiprojektmanagement:

  • ähnliche Aufgaben bündeln: Kolloquien statt Einzeltermine, Korrekturdurchläufe bündeln
  • vereinfachen: Gutachten per Excel und Serienbrief, Gutachten diktieren, konkrete Korrekturanmerkungen verwenden, vorausschauende Formulierung des Gutachtens
  • delegieren: Arbeitsblätter für Fragestellung und Exposé

Viele der Lösungen lassen sich auch anwenden, wenn man nur wenige Arbeiten zu betreuen hat. Sie entfalten ihre volle Wirkung jedoch erst bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten.

Die drei wichtigsten Aha-Erlebnisse, die ich den Studierenden wünsche

Überlegen Sie einmal: Was sind Ihre Hauptanliegen, wenn Sie „Wissenschaftliches Arbeiten“ lehren? Sicher, im Curriculum steht, was inhaltlich abgedeckt werden muss: Literaturrecherche, Gliederungsarten, Zitierrichtlinien und all die anderen Grundlagen.

Aber welche übergeordneten Erkenntnisse sollen bei den Studierenden ankommen?

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie ihnen?

Meine ganz subjektive Top 3-Liste habe ich hier für Sie zusammengefasst:

Aha-Erlebnisse

Im Detail:

Eine Fragestellung erleichtert vieles, weil sie dem Thema eine Richtung und ein Ziel gibt.

Ich bete es in der Lehrveranstaltung rauf und runter: „Das Thema ist noch nicht die Fragestellung.“ Aber: Meine Erfolgsquote liegt leider immer noch nicht bei 100 Prozent. Es reichen also immer noch Studierende Arbeiten ein, in denen keine Fragestellung explizit formuliert und verfolgt wird.

Wissenschaftliches Arbeiten macht (mehr) Spaß, wenn es gelingt, eine persönliche Motivation für das Thema aufzubauen. Das lässt sich mit einer Fragestellung erreichen, die einen ernsthaft interessiert. Viele Studierende sind überrascht, wie vielfältig dabei die Möglichkeiten auch bei vorgegebenen und scheinbar langweiligen Themen sind. (Netter Nebeneffekt: Die Lehrenden freuen sich auch, wenn sie etwas zu lesen bekommen, das abseits der schon hundert Mal begangenen Wege liegt.)

Ich wünsche den Studierenden dieses erste Aha-Erlebnis möglichst früh in ihrem Studium.

Der wissenschaftliche Arbeitsprozess hält sich nicht an Schema X.

Die individuellen Herangehensweisen an wissenschaftliche Arbeitsaufgaben unterscheiden sich stark. Das fängt bei der ersten Zeitplanung an und hört beim Schreiben und Überarbeiten auf. Was bei dem einen Studierenden funktioniert, führt beim nächsten ins Chaos. Standardrezepte kann es demnach nicht geben.

Traditionelle Modelle des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses postulieren einen linearen und damit gut planbaren Ablauf. Das wird dem „echten Leben“ nicht gerecht. Wer die angeblichen Schritte nicht in der empfohlenen Reihenfolge abarbeitet, kommt oft trotzdem oder gerade deswegen zu einem sehr guten Ergebnis.

Ich wünsche den Studierenden hier vor allem Lehrende, die nicht Standardrezepte verbreiten, sondern die vielen möglichen Wege aufzeigen.

Wer früh anfängt, kann Verzögerungen und Störungen besser abfedern.

Mit dieser Ansicht stehe ich bei den Erstsemestern oft allein da. Denn früh anfangen ist etwas für Streber. Für ein frühes Anfangen haben viele Studierende schlicht und ergreifend keine Zeit! Erst einmal kommen die Klausuren und andere dringende Angelegenheiten, danach passt das schon noch.

Früh anfangen bedeutet nicht, dass man in der Summe mehr Aufwand in eine Arbeit stecken muss. Es heißt erst einmal nur, dass mehrere Sachen parallel laufen. Und wenn man dann beispielsweise drei Monate vor dem Abgabetermin bei der Recherche erfährt, dass eine wichtige Quelle erst in vier Wochen zur Verfügung steht, kann man das noch mit einem entspannten Lächeln abwarten. Bei einem späten Start bekommt man diese Mitteilung möglicherweise drei Wochen vor der Deadline – dann ist es vorbei mit der Entspannung.

Ich wünsche den Studierenden, dass sie möglichst bald den für ihre wissenschaftlichen Schreibaufgaben optimalen Startzeitpunkt herausfinden.

Bla, bla, bla

Manche Studierende müssen diese Dinge selbst erleben und auch erst einmal scheitern, um das alles wirklich zu begreifen. Lehrende können da viel erzählen – was ankommt, ist „Bla, bla, bla“. Dennoch baue ich diese drei Weisheiten wieder und wieder in meine Vorlesung ein. Bei einigen Studierenden kommen meine Worte nämlich doch an. Außerdem kann ich dann milde lächeln, wenn ich bei einem Glas Sekt anlässlich der Bachelorfeier erzählt bekomme: „Sie hatten ja so recht damals.“

 

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie Ihren Studierenden?