Haben wir uns nicht alle schon über die Studierenden geärgert? Vielleicht sogar in der Mittagspause mit den Kollegen über sie gesprochen, und das nicht immer wohlwollend?
Aber wer soll das eigentlich sein, „die Studierenden“? Ich weigere mich, alle Studierenden gedanklich in einen Topf zu werfen. Sie kommen mit einer großen Bandbreite von Vorerfahrungen (von Null bis hin zu einem abgeschlossenen Studium) und den unterschiedlichsten Einstellungen (dazu gleich mehr). Sie wollen nicht alle das gleiche in meiner Lehrveranstaltung. Und so verhalten sie sich auch.
Ich unterteile je nach Können und Wollen in vier Kategorien. Sprich: Hat der- oder diejenige die Fähigkeit, der Lehrveranstaltung zu folgen, und möchte er oder sie das aktuell auch tatsächlich tun?
Typ 1: Kann nicht und will nicht
Die Studierenden des Typ 1 wollen nicht wissen, was ich zu sagen habe. Selbst wenn sie zuhören würden, würden sie nicht viel verstehen. Hier handelt es sich meistens um die Verlegenheitsstudenten in der letzten Reihe, die dauernd mit dem Smartphone beschäftigt sind. Höchstwahrscheinlich sieht man sie spätestens im Folgesemester nicht mehr. Denn dann treten sie ihre Ausbildung an („Was Solides!“). Wissenschaftliches Arbeiten? Überflüssig.
Typ 2: Kann nicht, will aber
Im Arbeitszeugnis von Typ 2 würde stehen: „Er war stets bemüht.“ Diese Studierenden sind überwältigt von der Flut an Informationen und Alternativen. Sie bekämen gern den einen richtigen Weg gezeigt, und alles würde gut. Für sie ist es schwierig zu verstehen, dass es für eine wissenschaftliche Fragestellung mehrere gleichwertige Lösungen gibt. Für die Lehrenden sind diese Studierenden daher harte Nüsse. Immerhin wollen sie das Wissenschaftliche Arbeiten erlernen. Es lohnt sich also, Geduld mit ihnen zu haben.
Typ 3: Kann zwar, will aber nicht
Studierende des Typ 3 halten die komplette Lehrveranstaltung für überflüssig. Die Inhalte kann man doch überall nachlesen, wieso also noch lange darüber sprechen? Zeitverschwendung. Mit diesen Studierenden hat man also in der Lehrveranstaltung wenig Spaß. Selbst wenn sie noch nichts wissen, möchten sie jetzt auch nichts über Wissenschaftliches Arbeiten erfahren. Denn sie lesen sich das Wissen ja genau dann an, wenn sie es benötigen. Sprich: drei Tage vor Abgabeschluss der Arbeit. Diese Logik ist mir fremd, ich gebe es offen zu.
Typ 4: Kann und will – ein Traum!
Typ 4-Studierende wollen und können das Wissenschaftliche Arbeiten erlernen. Leider sind das, zumindest in meinen Lehrveranstaltungen, zu 99 Prozent die stillen, eher schüchternen Studierenden. Sie melden sich nicht von sich aus, sondern warten mit ihren Fragen an mich bis nach der Lehrveranstaltung. Sie müssen aus der Reserve gelockt werden. Das ist bisweilen etwas mühsam, aber es lohnt sich.
Die Zusammensetzung der Studierendenschaft ist in jedem Kurs anders. Jedes Semester finde ich es wieder spannend herauszufinden, wer da vor mir sitzt. Tipps und Gedanken zum Umgang mit den verschiedenen Studierendentypen habe ich hier niedergeschrieben.
Aber jetzt erst einmal die Frage: Wie verhält es sich bei Ihren Studierenden? Haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht?