Brain on a stick

phd012609s_brainonstickQuelle: http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=1126

 

Bei diesem Comic kann einem das Lachen schon ein wenig im Hals stecken bleiben. Gerade weil er aus der Perspektive der Studierenden geschrieben ist, hält er uns Lehrenden den Spiegel vor. Denn wie schnell ist es passiert, dass man die Studierenden auf das Fachliche reduziert?

Natürlich können wir nicht jedem Studierenden als Person gerecht werden. Den kompletten Menschen mit all seinen Gedanken und Träumen lernen wir sowieso nie kennen. Aber zum „Brain on a stick“ sollten wir ihn auch nicht machen.

Vorbeugende Maßnahmen

In den folgenden drei Artikeln habe ich schon einmal etwas dazu geschrieben, wie sich das Problem zumindest teilweise vermeiden lässt:

Der BTDT-Effekt in der Lehre, und wie Sie gleich zu Semesterbeginn entgegensteuern – Hier geht es darum, wie Sie sich mit einer Vor-Abfrage zu Veranstaltungsbeginn besser auf Ihren neuen Kurs einstellen können.

Kann ein Leitfaden die Lehrveranstaltung ersetzen? Ich denke nicht. Meine Argumente für den persönlichen Austausch finden Sie in diesem Beitrag: 3 Gründe, wieso der Unterricht mehr bringt als jeder Leitfaden

Nicht Sie sind das Problem, sondern Ihre Kollegen – In diesem Beitrag lesen Sie die Grundprinzipien einer wertschätzenden Haltung bei der Beratung von Studierenden.

Ein genauerer Blick auf die „Brains on a stick“

„Die Studierenden“ als homogene Gruppe gibt es nicht. Deswegen habe ich eine Matrix entworfen, die vier Typen unterscheidet. Hier geht es zur Typologie.

Weiterführende Gedanken dazu können Sie in dem Beitrag nachlesen: Was Eisenhower mit den Studierendentypen zu tun hat Meine Ideen zu „typgerechten“ Lehrformaten finden Sie ebenfalls dort.

Gerade wenn mich ein bestimmter Studierendentyp mal wieder mit seiner Arbeitshaltung nervt, rufe ich mir das „Brain on a stick“-Bild in Erinnerung. Die Lehre soll die Studierenden schließlich erreichen.

 

 

Multiprojektmanagement: Die parallele Betreuung studentischer Arbeiten

Ein großes Wort. Multiprojektmanagement.

Meine Liste der im kommenden Semester zu betreuenden Arbeiten hat tatsächlich etwas von einer Projektlandschaft: eine Vielfalt an Themen, die von verschiedenen Personen bearbeitet werden, die dabei ihre eigene Mikroplanung betreiben und sich mit mir abstimmen.

Als Lehrende sind wir natürlich keine echten Projektmanager. Wir haben es ein bisschen leichter. Denn wir übernehmen keine direkte Verantwortung für das Gelingen der studentischen Arbeiten. Wir verantworten „nur“ die Betreuung der Projekte, die Umsetzung liegt in den Händen der Studierenden.

Der Blick geht in diesem Beitrag weg von den Studierenden mit ihren einzelnen Projekten und hin zu den Lehrenden, die gleichzeitig mehrere Projekte betreuen. (Die andere Sicht können Sie in diesem Gastbeitrag nachlesen.) Schließlich möchten wir Lehrende das gern so steuern, dass es sich möglichst geschmeidig in unsere anderen Aufgaben eingliedert. Es soll nicht zu viel von unserer knappsten Ressource, der Zeit, verbrauchen. Gleichzeitig möchten wir allen Studierenden gerecht werden. Das übergeordnete Ziel in der Betreuung sollte immer sein, eine hohe Qualität aufrechtzuerhalten.

Den Workflow optimieren

Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Einblick in mein persönliches „Multiprojektmanagement“ geben. Wie sieht mein Workflow bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten aus?

Drei Ansätze aus dem Zeitmanagement haben dafür die grundlegenden Ideen geliefert:

  • ähnliche Aufgaben bündeln
  • Aufgaben vereinfachen
  • delegieren

Schauen wir uns mal die einzelnen Phasen im Betreuungsprozess an:

Die Arbeiten im Vorfeld

Eine sehr zeitintensive Angelegenheit sind – zumindest bei mir – die Arbeiten im Vorfeld: der Weg zur konkreten Fragestellung und zu einem aussagekräftigen Exposé. Aber hier investierte Mühe lohnt sich immer! Noch nie habe ich es bereut, mir zu Beginn viel Zeit zu nehmen. Erfahrungsgemäß geht dann der Rest der Bearbeitungszeit vergleichsweise reibungslos vonstatten.

Eine echte Gefahr droht bei eher orientierungslosen Studierenden, die noch über keine rechte Vorstellung von ihrem Vorhaben verfügen. Da würde ich dann manchmal gern diese Arbeitsschritte an mich reißen, damit es vorangeht. Aber die Verantwortung sollte bei den Studierenden bleiben.

Meine Maxime: In der Sprechstunde gibt es nur Input. Der Output muss von den Studierenden kommen. Ich erarbeite also nichts „Druckreifes“ gemeinsam in der Sprechstunde, sondern stelle kritische Fragen und gebe Impulse zum selbständigen Weiterarbeiten.

Zu diesem Zweck habe ich Arbeitsblätter angefertigt, die den Dreischritt und das Planungsfünfeck jeweils auf einer Seite darstellen (nachzulesen in den Ratgebern zum Wissenschaftlichen Schreiben, zum Beispiel bei Grieshammer et al.). Diese Blätter kann ich dann bei Bedarf aus dem Ordner ziehen, kurz erläutern und den Studierenden mitgeben. Ich schicke die Studierenden also relativ zügig wieder weg, wenn sie noch nicht so weit sind, und lasse mir ihre Ergebnisse zusenden oder bespreche sie bei einem zweiten Termin. Viele denken sowieso lieber noch einmal in Ruhe über alles nach, durchforsten die Literatur oder tauschen sich mit Kommilitonen aus, anstatt sich an Ort und Stelle direkt festzulegen.

Zeitintensiv wird diese Phase nicht durch die Länge der einzelnen Termine, sondern durch die Bearbeitungsschleifen und erneuten Rücksprachen. Ich bilde mir aber ein, dass es in der Summe die effektivere Arbeitsweise ist.

Während der Bearbeitungszeit

 

1) Dossier führen

Direkt nach Gesprächen mit den Studierenden versuche ich, mir möglichst umfangreiche Notizen zu machen oder die teilweise sehr knappen Notizen aus dem Gesprächsverlauf so zu ergänzen, dass ich auch Wochen später noch etwas damit anfangen kann. Ich halte vor allem fest, was wir vereinbart haben: wegweisende Entscheidungen und die nächsten Schritte.

Ich führe also für jeden Studierenden ein separates Dossier, das ich mir dann vor dem nächsten Termin, oder wenn zwischendurch eine Frage per E-Mail kommt, durchlese. Ohne ein solches Dossier ginge zu viel verloren, gerade bei der parallelen Betreuung von vielen Arbeiten. So möchte ich die Qualität sicherstellen.

2) Beratung als Kolloquium anbieten

Anstatt getrennte Sprechstundentermine mit den einzelnen Studierenden zu vereinbaren, versuche ich, Studierende zu Arbeitspaaren oder -gruppen zusammenzufassen. Das geht bei befreundeten Studierenden oft sehr leicht, weil sie sowieso viel gemeinsam machen und einen offenen Arbeitsstil pflegen. Und es funktioniert bei einander nicht näher bekannten Studierenden vor allem dann, wenn die Arbeiten ähnliche Themen haben und die Betreffenden den Nutzen einer solchen Zusammenarbeit positiv einschätzen.

Mein Ziel dabei: die berühmten Synergien schaffen. Ich muss bestimmte Dinge nicht immer wieder von vorne erklären. Außerdem vervielfacht sich das Wissen. Die Studierenden erhalten Anregungen nicht nur von mir, sondern auch von ihren Mitstudierenden. Sie lernen nicht nur durch Zuhören, sondern auch durch das Sprechen über das fremde Thema. Eigene Fragen lösen sich so mitunter schon in Luft auf, weil den Studierenden beim fremdem Thema alles viel klarer erscheint und sie den Lösungsweg auf ihr Problem übertragen können.

Die Korrektur der Arbeiten

 

1) Aufteilen und bündeln

Das Timing für die Korrektur ist leider in meinem Fall schlecht: Alle Arbeiten kommen gleichzeitig auf meinen Schreibtisch oder maximal um zwei, drei Wochen versetzt. Die Arbeiten sollen auch zum gleichen Zeitpunkt fertig korrigiert sein. (Generelle Gedanken zum Korrigieren finden Sie hier.)

Ich versuche, das Beste daraus zu machen, indem ich die Korrektur bündele: Ich lese die Arbeiten nicht nacheinander, sondern parallel. Dabei trenne ich nach formalen, sprachlichen und inhaltlichen Aspekten (wie es bei der Überarbeitung eigener Arbeiten gern empfohlen wird). Ich korrigiere also erst alle Arbeiten nach formalen Kriterien, dann alle Arbeiten in sprachlicher Hinsicht und danach widme ich mich den Inhalten. Die Reihenfolge ist aufgrund meiner persönlichen Vorlieben entstanden, lässt sich aber natürlich auch umdrehen.

Damit ich den Überblick behalte, gehe ich nach einem Kriterienkatalog vor. Entweder arbeitet man mit einer vorgegebenen Liste oder erstellt sich selbst eine. In einigen einschlägigen Ratgebern gibt es auch entsprechende Vorlagen.

2) Technische Umsetzung

Technisch löse ich die Anforderungen der Korrektur, indem ich meine Notizen direkt in eine Excel-Tabelle schreibe. Jeder der standardisierte Punkte des Kriterienkatalogs ist in einer Zeile aufgeführt. Später landen die Inhalte per Seriendruck im Gutachten. Dem einmaligen Aufwand beim Einrichten der Tabelle und des Gutachten-Dokuments steht über die Semester ein großer Zeitgewinn gegenüber.

Bei akuter Unlust behelfe ich mir manchmal mit einem Medienwechsel, um nicht noch weitere Stunden am Rechner zu verbringen. Anstatt zu schreiben, diktiere ich dann. Dazu spreche den Text in das Mailprogramm meines Smartphones und übernehme ihn dann per Copy & Paste in das Gutachten. Dabei muss ich zwar später nachbessern, aber immerhin steht dann schon einmal etwas da, und ich muss nicht bei Null anfangen. Zur Motivationssteigerung dient die so aufkommende Abwechslung allemal.

3) Konkrete Korrekturanmerkungen

Dieser Punkt erfordert etwas Selbstdisziplin. Ich zwinge mich dazu, meine Korrekturanmerkungen so zu formulieren, dass ich im weiteren Verlauf direkt wieder etwas damit anfangen kann. Da ich das Gutachten nicht immer direkt im Anschluss an die Lektüre erstellen kann, ist das ein wesentlicher Punkt für mich.

Schnell macht man ein Ausrufungszeichen an den Rand, wenn eine Stelle außerordentlich gut geraten ist, oder eben eine Wellenlinie, wenn Inhalte fragwürdig sind. Blättere ich später in der Arbeit, muss ich diesen Teil erst noch einmal überfliegen, um zu wissen, worum es ging. Ich muss mich neu hineindenken und noch einmal überlegen, was ich eigentlich meinte. Besser ist es also, nicht nur grafisch, sondern mit Worten zu arbeiten und da dann auch möglichst konkret. Also nicht „Guter Gedanke!“, sondern „Gut, hier X und Y zu verknüpfen!“. Dann weiß ich auch Tage und Wochen später gleich, worum es ging.

Das Gutachten und seine „Weiterverwendung“

Beim Verfassen des Gutachtens berücksichtige ich ein paar Punkte von vorne herein, damit ich bei der „Weiterverwendung“ weniger Aufwand habe. Darunter fällt alles, was im Nachgang zum Gutachten passieren wird oder passieren könnte: die mündliche Prüfung, Feedback-Gespräche mit den Studierenden und drohende Drittgutachten.

Während ich das Gutachten erstelle (und natürlich auch schon beim Lesen der Arbeit), notiere ich quasi nebenbei mögliche Fragen für die mündliche Prüfung. Das können Rückfragen zu unklaren Inhalten oder zum methodischen Vorgehen sein. Oder mir fallen Ungereimtheiten zu dem auf, was im Vorfeld besprochen wurde. Wenn ich das alles sofort aufschreibe, muss ich mich kurz vor der Prüfung nicht noch einmal neu hineindenken.

Viele Studierende nutzen die Möglichkeit zu einem Feedback-Gespräch. Da dieses erst stattfinden kann, wenn die Note offiziell bekanntgegeben wurde, liegt eine vergleichsweise lange Zeit zwischen der intensiven Lektüre der Arbeit und diesem Gespräch. Ich versuche also den Termin so gut wie es geht, vorauszudenken, so dass ich nicht erst ausführlich in der Arbeit blättern muss, um überhaupt etwas Sinnvolles sagen zu können. In der oben erwähnten Excel-Tabelle kennzeichne ich für diesen Zweck die besonders wichtigen Punkte farblich.

In den unerfreulichen Fällen, in denen es zu einem Drittgutachten kommt, sollte mein Gutachten so formuliert sein, dass möglichst wenige Rückfragen vom Prüfungsausschuss auftauchen. Um mögliche Einwände vorwegzunehmen, mache ich im Gutachten wichtige Absprachen transparent, die ich während der Betreuung mit dem Studierenden getroffen habe. Sollte ein Studierender nicht kooperiert haben (die berühmte „Beratungsresistenz“), schreibe ich auch das in einer diplomatischen Formulierung in das Gutachten.

Zeitmanagement trifft Multiprojektmanagement

Hier noch einmal kurz zusammengefasst meine Lösungen für ein akademisches Multiprojektmanagement:

  • ähnliche Aufgaben bündeln: Kolloquien statt Einzeltermine, Korrekturdurchläufe bündeln
  • vereinfachen: Gutachten per Excel und Serienbrief, Gutachten diktieren, konkrete Korrekturanmerkungen verwenden, vorausschauende Formulierung des Gutachtens
  • delegieren: Arbeitsblätter für Fragestellung und Exposé

Viele der Lösungen lassen sich auch anwenden, wenn man nur wenige Arbeiten zu betreuen hat. Sie entfalten ihre volle Wirkung jedoch erst bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten.

Der BTDT-Effekt in der Lehre, und wie Sie gleich zu Semesterbeginn gegensteuern

Es gab einmal eine Gruppe, in der ich furchtbar auf die Nase gefallen bin. Das liegt schon einige Semester zurück, aber es ist mir lange nachgegangen.

Was war passiert?

Ich hatte eigentlich alles wie immer gemacht. Auf die bewährte Vorgehensweise gesetzt und die erprobten Übungen verwendet. Genau das war das Problem, wie sich später herausstellen sollte.

Im Laufe des Semesters wurde es immer unruhiger im Kurs. Die Zahl der Nebengespräche nahm zu, die Arbeitsaufträge wurden nur unwillig erledigt, auch wurden immer weniger Fragen an mich gerichtet. Kurzum: Es ging nicht mehr vorwärts. Ich erreichte die Studierenden nicht mehr.

Ich ließ es zu einem reinigenden Gewitter kommen. Daran konnte ein klärendes, konstruktives Gespräch mit der Gruppe anschließen, in dem mir eines klar wurde:

Standardrezepte funktionieren in Standardgruppen.

Ich hatte schlichtweg versäumt, dass es sich in diesem speziellen Semester nicht um eine solche handelte. Diese Gruppe war anders als die bisherigen, und das besagte Problem entstand, weil sie einer Art kollektivem Missverständnis erlegen war. Diese Studierenden nahmen an – aus welchen Gründen auch immer – , dass unsere Veranstaltung im ersten Semester eine Verlängerung ihrer Schulzeit war. Sie fühlten sich überfahren von dem Tempo, das ich vorlegte. Sie kamen nicht damit klar, dass jetzt viel mehr Eigeninitiative gefragt war. Sie hatten die Anspruchshaltung, alle Inhalte von A bis Z schön aufbereitet präsentiert zu bekommen, ohne sich auch nur ein kleines Bisschen selbst erarbeiten zu müssen. Modell Trichter.

Hätte ich das gewusst, wäre ich anders an die Sache herangegangen. Dann hätte ich mir am Anfang der Veranstaltung mehr Zeit genommen, um über Selbstverantwortung im Studium zu reden.

Aber: Hätte ich es wissen können? Hätte ich es besser wissen müssen?

Achtung Routine!

Gerade wenn sich nach einigen Semestern die Routine einschleicht und man die Veranstaltung im x-ten Durchlauf gehalten hat, lauert die Gefahr in Form einer Scheinsicherheit:

  • „Ich weiß doch genau, wen ich da vor mir habe.“
  • „Der da hinten tut nur so, als würde er zuhören.“
  • „Ich ahne schon, welche Frage als nächstes kommt.“
  • „Und nächste Woche will sie wieder wissen, ob ihre Gliederung richtig war.“

Ich nenne das den BTDT-Effekt – „Been there, done that“.

Fehlt nur noch „Got the T-shirt“. Alles kommt einem bekannt vor, alles hat man schon einmal – ach was, ein Dutzend Mal – erlebt. Gähn. Kein Wunder, dass man da in einen Trott verfällt.

Als ich diesen Effekt an mir bemerkte, war es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Natürlich habe ich nicht gleich das Gesamtkonzept über den Haufen geworfen. Aber zumindest die nächste Auftaktveranstaltung wollte ich anders gestalten. Das Ziel: mehr über die Studierenden erfahren.

Wie hatte ich bisher den Einstieg gestaltet?

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der ersten Lehrveranstaltung meist durch eine mündliche Abfrage versucht, etwas näher herauszubekommen, wen ich da so vor mir habe. (Mehr zur ersten Lehrveranstaltung finden Sie hier).

Meine Fragen an die Studierenden lauteten dabei:

  1. Welche Erfahrungen haben Sie mit Wissenschaftlichem Arbeit bislang gemacht?
  2. Was erhoffen Sie sich von unserer Lehrveranstaltung?

Das war entweder in die Vorstellungsrunde integriert oder ein separater Punkt danach. Mitunter führte das zu grotesken Situationen, die doch sehr an Sketche über Selbsthilfegruppen erinnerten: „Ich heiße Timo Müller und habe keine Ahnung vom wissenschaftlichen Arbeiten.“ (Gruppe: „Hallo, Timo!“)

Natürlich habe ich auch auf diese Art und Weise viel über die Studierenden erfahren. Sonst hätte ich es ja auch nicht jahrelang so praktiziert.

Außerdem konnten die Studierenden direkt in der ersten Stunde ihre Mitstudierenden kennenlernen. Sie erlebten dabei oft, dass sie selbst nicht die einzige Person im Raum sind, die noch keine Ahnung hat und alles von Grund auf lernen muss. Manche nehmen ja zu Studienbeginn an, dass alle anderen so viel klüger sind als sie selbst.

Wie könnte die Alternative aussehen?

Wir wollen also eine möglichst ehrliche Auskunft von den Studierenden erhalten.

Optimal wäre ein Weg,

  • bei dem genügend Zeit wäre, um über seine Antwort nachzudenken
  • bei dem auch die ruhigen Studierenden ausreichend zu Wort kämen
  • bei dem wir echte eigene Antworten der einzelnen Studierenden bekämen und reines Nachplappern vermeiden könnten.

Eine Methode erfüllt alle genannten Punkte: die schriftliche Abfrage.

Dazu drucken Sie in ausreichender Anzahl Bögen mit den Fragen, die Sie interessieren. Ich habe beispielsweise die folgenden beiden Fragen benutzt:

Wenn Sie jetzt direkt beginnen müssten, Ihre erste wissenschaftliche Arbeit zu verfassen:

  1. Vor welchen Schwierigkeiten würden Sie konkret stehen?
  2. Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen derzeit noch?

Diese Bögen verteilen Sie an die Studierenden und geben ihnen genügend Zeit, um ihre Antwort zu verfassen. Sie selbst wiederum nehmen sich dann auch einen ruhigen Moment, um die Bögen zu lesen und auszuwerten.

Ich habe das anonym ablaufen lassen, um möglichst ungeschönte Antworten zu bekommen.

Zu einem geeigneten Zeitpunkt in der Lehrveranstaltung besprechen Sie mit der Gruppe die (gefilterten) Ergebnisse.

In der eingangs erwähnten Gruppe hätte diese Methode wahrscheinlich das Problem nicht komplett abgefangen. Vermutlich hätte ich aber bessere Anknüpfungspunkte gewonnen.

Bessere Ergebnisse?

Als ich diese Methode das erste Mal nutzte, erhielt ich neben den erwarteten Antworten auch ein paar neue Einblicke.

Wie die üblichen Antworten lauteten, können Sie sich denken:

  • „Wo fange ich denn da überhaupt an?“
  • „Wie erstelle ich eine Gliederung?“
  • „Worauf kommt es inhaltlich an? Wie kann ich herausfinden, was relevant und was irrelevant ist?“
  • „Ich möchte wissen, wie ich die Arbeit formatieren soll.“
  • „Wie soll ich mir meine Zeit einteilen?“

So weit, so gut. Es gab aber auch diese Antwort:

  • „Ist Zitieren erlaubt?“

Natürlich wäre im Verlauf des Semesters ohnehin schnell deutlich geworden, dass Zitieren nicht nur erlaubt, sondern sogar zwingend nötig ist. Ich hätte allerdings gedacht, dass sich das unter Erstsemestern schon herumgesprochen hat. So zeigte mir diese Frage, dass man eben nichts als selbstverständlich voraussetzen sollte. Ein wertvoller Einblick. Und für den Studierenden freut mich, dass er eine solche Frage loswerden konnte, ohne sich zu blamieren.

Dann wiederum las ich auch eher „fortgeschrittene“ Antworten, die ich in einem ersten Semester nicht erwartet hätte:

  • „Ist die wissenschaftliche Arbeit ähnlich wie Textsorten, die ich schon kenne (Analyse, Interpretation, Aufsätze)?“
  • „Wie gestalte ich die Übergänge zwischen den Kapiteln?“
  • „Wie kann ich die Arbeit spannend gestalten, so dass man Lust hat weiterzulesen?“

Es bestätigt sich wieder einmal: Die Studierenden kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen.

Manche von ihnen schweigen in einer mündlichen Abfrage, weil sie in der ersten Lehrveranstaltung nicht aus der Gruppe herausstechen wollen, weder negativ noch positiv. Die anonyme schriftliche Variante liefert andere und, wie ich finde, bessere Ergebnisse.

Fazit: Wer sich mit seiner Lehrveranstaltung im Wissenschaftlichen Arbeiten als Problemlöser versteht, sollte zuerst einmal das Problem verstehen.

Was Eisenhower mit den Studierendentypen zu tun hat

Ich lade Sie zu einem Gedankenspiel ein:

Welchen der vier Studierendentypen würden Sie sich für den Fall wünschen, dass in einem Kurs alle Studierenden gleich wären?

Falls Sie die vier Typen noch nicht kennen, sollten Sie zuerst diesen Beitrag lesen.

Na, was ist Ihre Antwort?

So ein homogener Kurs kommt wahrscheinlich selten vor. Allerdings hätte das zwei Vorteile.

Erstens, als Lehrender könnte man sich viel besser auf die Bedürfnisse der Studierenden einstellen. Bei vier Typen versuchen Sie vier Ziele gleichzeitig zu treffen und müssen vier Handlungsweisen im Repertoire haben.

Zweitens, auch die Zahl der möglichen Konflikte würde innerhalb eines homogenen Kurses minimiert, weil weniger gegensätzliche Interessen aufeinander treffen.

  • Typ 1 würden niemanden mehr vom Lernen abhalten.
  • Typ 2 würde nicht mehr das Tempo für den Rest drosseln.
  • Typ 3 würde nicht mehr die Veranstaltung torpedieren, weil „das sowieso alles überflüssig ist“.
  • Und Typ 4? Spontan wünschen sich viele wohl einen kompletten Kurs voller Typ-4-Studierender.

Das führt mich zu einem weiteren Gedanken: Wie müssten wir eigentlich die Lehre jeweils verändern, wenn wir homogene Kurse vor uns hätten?

Wie würden typgerechte Lehrformate aussehen?

Der Typ 1-Studierende ist „der Schulverweigerer“. Er will nicht, und er kann auch nicht. Eine Lehrveranstaltung ist dementsprechend sinnlos, für beide Seiten. Hier wäre eine Lockerung der Anwesenheitspflicht hilfreich. Typ 1-Studierende würden wohl einfach wegbleiben.

Studierende des Typ 2, „die Nachhilfeschüler“, bräuchten einen Intensivkurs mit zusätzlicher Beratung. Sie fragen viel nach, wollen eindeutige Antworten und benötigen meist etwas länger, bis sie die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens wirklich verinnerlicht haben. Wie ich einmal schrieb, die Bezeichnung dieses Typsmüsste korrekt heißen: „Kann noch nicht, will aber“.

Typ 3 nenne ich mal „den Hinterbänkler“. Diese Studierenden sitzen meist eher abwartend in den hinteren Reihen und sind nicht bereit, die Inhalte aufzunehmen. Der Grund: Sie halten die Lehrveranstaltung oder zumindest die Menge der dafür vorgesehenen Einheiten für überflüssig. Ihnen wäre am besten mit einem fakultativen, spät im Semester angesetzten Schnellkurs geholfen. Zudem wären optionale Beratungsstunden für sie hilfreich, die sie einfach bei Bedarf (im Anschluss an den Schnellkurs oder sogar stattdessen) nutzen könnten.

Typ 4-Studierende weisen die ideale Kombination aus Können und Wollen auf. Bei diesen „Musterschülern“ wäre die Lehre ein Selbstläufer. Vielleicht würden sogar die eher stillen Studierenden des Typ 4 mehr aus sich herauskommen, wenn sie unter ihresgleichen wären. Für diese Gruppe könnte man also die Lehrveranstaltung so lassen, wie sie ist.

Im Überblick sieht das dann so aus:

Studierendentypen

Eisenhower?

So, und was hat das alles nun mit Eisenhower zu tun? Zeit für die Auflösung.

Ich habe meinen Gedanken weiter freien Lauf gelassen und die vier Typen mit Eisenhowers Matrix zum Zeitmanagement kombiniert. Nicht dass, sich das inhaltlich aufdrängen würde – ich kam hauptsächlich wegen der gleichen Form auf die Idee.

Beim Eisenhower-Prinzip geht es, kurz gesagt, darum, welche Aufgaben wann und wie erledigt werden sollten, um Zeit sinnvoll zu nutzen und die höchste Wirksamkeit zu erreichen. Dabei werden die Kriterien „Wichtigkeit“ und „Dringlichkeit“ unterschieden, so dass sich vier Zusammenstellungen (Quadranten) ergeben.

Eisenhowers Dringlichkeit ordne ich bei den Studierendentypen das Können zu, Eisenhowers Wichtigkeit das Wollen. Bitte suchen Sie nicht die inhaltliche Übereinstimmung, diese Zuordnung ist rein formal. Die Nummerierung der Quadranten stimmt nicht ganz mit der der Typen überein: Typ 1 befindet sich in Quadrant 4 und umgekehrt. Schlussendlich ergibt sich die folgende Konstellation:

  • Typ 1: Quadrant der Verschwendung

Bei Typ 1 ist Lehre sinnlos, wie wir oben festgestellt haben, ergo befinden wir uns hier im Quadranten der Verschwendung. Das sind bei Eisenhower die Aufgaben, die im Papierkorb landen, sprich nicht erledigt werden.

  • Typ 2: Quadrant der Qualität

Bei Typ 2 haben wir als Lehrende die Gelegenheit zu zeigen, was wir können. Es handelt sich um den Quadranten der Qualität. Bei diesen Studierenden ist relativ gesehen der größte individuelle Fortschritt zu erwarten. Wir arbeiten vorausschauend. Analog zur Eisenhower-Matrix werden hier die Grundlagen für spätere Erfolge gelegt.

  • Typ 3: Quadrant der Täuschung

Bei Typ 3 denken wir bisher nur, dass wir lehren. Denn eigentlich wollen sich diese Studierenden ja die Herangehensweise des wissenschaftlichen Arbeitens zu gegebener Zeit selbst erschließen. Das ist also der Quadrant der Täuschung. In der Eisenhower-Matrix besteht eine Lösung im Delegieren. Genau das tun wir: Wir übergeben die Verantwortung an die Typ 3-Studierenden.

  • Typ 4: Quadrant der Notwendigkeit, besser: Quadrant der Routine

Bei Typ 4 lehren wir im Quadranten der Notwendigkeit. Wir tun, was getan werden muss. Eigentlich geht es gemäß dem Eisenhower-Prinzip hier um Dinge, die jetzt getan werden müssen, weil sie keinen Aufschub mehr dulden. Treffender für unsere Zwecke könnte man diesen Quadranten umbenennen zum Quadrant der Routine.

In der Zusammenfassung stellt sich das folgendermaßen dar:

Quadranten

Die Lösung für mehr Qualität

Wie wäre es, wenn die Studierenden zwischen verschiedenen Lehrformaten auswählen könnten? Vielleicht wäre Selbstselektion wirklich eine Lösung für viele Probleme? Dort, wo das institutionelle Setting es hergibt, könnten verschiedene Lehrformate angeboten werden, zu denen sich die Studierenden dann selbst zuordnen und anmelden.

So würden wir als Lehrende weniger Zeit in den Quadranten der Verschwendung und Täuschung zubringen und müssten außerdem in der Lehrveranstaltung weniger Konflikte bearbeiten. Die gewonnene Zeit könnten wir dem Quadranten der Qualität widmen.

„Handle with care“: Zum Umgang mit den vier Studierendentypen

Wer würde nicht gern das Standardrezept für eine rundum gelungene und störungsfreie Lehrveranstaltung kennen? Wie Sie sich denken können, kenne ich es auch nicht. Die eine Methode, die immer und überall funktioniert, gibt es wohl leider nicht. Ein bisschen mag es jedoch helfen, sich die Menschen etwas näher anzusehen, die da so vor einem sitzen und etwas von einem lernen wollen (oder auch nicht).

In einem früheren Beitrag hatte ich vier Studierendentypen identifiziert, die meiner Erfahrung nach eigentlich jedes Semester aufs Neue in den Kursen anzutreffen sind. Die Zusammensetzung variiert, was erst einmal nur das Klima in der Lehrveranstaltung ändert, nicht aber Ihre grundsätzlichen Interaktionsmöglichkeiten mit den einzelnen Studierenden.

Ich beginne einmal mit den beiden unproblematischeren Studierendentypen, nämlich denen, die in Ihre Veranstaltung kommen, um das Wissenschaftliche Arbeiten zu erlernen, und die nicht von vorneherein eine Abwehrhaltung an den Tag legen.

Typ 4: Kann und will

Sie erinnern sich: Typ 4-Studierende sind eigentlich – aber auch nur eigentlich – der Traum der Dozierenden. Sie wollen und können das Wissenschaftliche Arbeiten lernen, nur leider sind sie so still, dass man sie richtiggehend aus der Reserve locken muss. Hier haben wir es, wie auch gleich bei Typ 2, nicht mit Störern zu tun. Vielmehr geht es darum, diese Studierenden zu ermuntern und sie auch zu Wort kommen zu lassen, selbst wenn sie sich nicht melden. Die angenehmste Variante von Typ 4 ist auf jeden Fall „Die sichere Bank“ – das sind die Studierenden, die sich immer spätestens dann erbarmen und sich melden, wenn gerade niemand anders etwas beitragen will.

Was aber tun mit all den anderen Typ 4-Studierenden? Ab und an vereinbare ich vorab mit den stillen Studierenden, dass sie in der nächsten Runde ihre Ergebnisse dem Plenum vorstellen. So haben sie Zeit, sich innerlich darauf einzustellen, und werden nicht überrumpelt.

Typ 2: Kann nicht, will aber

Typ 2-Studierende sind die „stets Bemühten“, die divergentes Denken nicht so leicht akzeptieren können und die alles ganz genau und vor allem eindeutig wissen wollen.

Einen nennenswerten Konflikt gibt es hier nicht. Das häufige Nachfragen ist ja erst einmal nichts Verwerfliches und keine echte Störung. Also hole ich etwas weiter aus als sonst üblich und erkläre erneut, wie Wissenschaft funktioniert. Zusätzlich sehe ich bei manchen Arbeitsaufträgen die Lösungen dieser Studierenden gesondert und intensiver durch und bespreche sie auch mal nach der Lehrveranstaltung mit ihnen. Ich versuche deutlich zu machen, dass jede plausible und stringente Lösung gilt und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ihre Lösung etwas taugt.

Ja, das bedeutet viel Aufwand. Aber es ist einfach zu schön, wenn der Groschen fällt. Ich habe schon mehr als ein Wunder erlebt, und aus dem unsicheren Erstsemester, der sich jede Lösung „absegnen“ lassen wollte, wurde ein eigenständig denkender Bachelor-Kandidat, der seine Ergebnisse sehr gut zu verteidigen wusste.

Konsequenterweise müsste ich diesen Studierendtypen umbenennen in „Kann noch nicht, will aber“.

Konflikte klug managen

Bleiben uns noch die beiden anderen Studierendentypen. Das sind diejenigen, die nicht wollen und die in der Lehrveranstaltung oftmals stören. Deshalb geht es hier im Wesentlichen um Konfliktmanagement. Ich hole dazu etwas weiter aus.

Destruktives Konfliktverhalten wie Drohen, Beleidigen und das Nutzen von Killerphrasen bringt keinen weiter. Es scheint zwar für den Moment so, als habe der Lehrende „gewonnen“ und könne fortan ruhig weiterunterrichten. Auf lange Sicht hat er aber meistens verloren, und zwar die Kooperation des „Verlierers“.

Betrachten wir Konflikte lieber als etwas Normales, mit dem man konstruktiv umgehen kann. Sie laufen meist in mehreren Störungsstufen ab, auf denen der Lehrende unterschiedlich reagieren sollte. Diese Stufen habe ich dem sehr nützlichen Büchlein „Schwierige Situationen in der Lehre“ von Eva-Maria Schumacher entnommen (2011, UTB, S. 94 ff.).

  1. Ignorieren

Tritt eine Störung erstmalig auf oder ist sie nicht gravierend, kann man sie getrost übergehen.

  1. Nonverbales Ansprechen

In vielen Fällen reicht es aus, die Störer intensiv anzusehen oder ein paar Schritte auf sie zuzumachen, damit diese ihr Verhalten ändern und wieder aufmerksam sind. Alternativ können Sie eine kurze Sprechpause einlegen, die Lautstärke ändern oder mittels Mimik Ihr Missfallen ausdrücken.

  1. Ansprechen

Bei diesem Schritt lässt man den Störern noch die Chance, ihr Gesicht zu wahren, indem man konstruktiv in die Runde fragt, ob noch jemand etwas zum Thema beitragen möchten oder ob noch Inhalte unklar geblieben sind.

  1. Unterbrechen

Sollte die Störung dennoch anhalten, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um Klartext zu reden und die Störung direkt bei ihren Auslösern offen anzusprechen. Falls Sie nicht nur bei zwei Personen, sondern in Ihrem gesamten Kurs nachlassende Aufmerksamkeit feststellen, können Sie zusätzlich eine kurze Pause einlegen oder, wenn möglich, die Methode wechseln.

  1. Thematisieren

Eskalation! Mittlerweile ist wohl allen Anwesenden klar geworden, dass ein Konflikt im Raum steht und es so nicht weitergehen wird. Jetzt ist Metakommunikation nötig: Der Lehrende spricht über die Wirkung der Störungen auf ihn und fordert den Kurs auf, Stellung zu beziehen. (Achtung, dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen! Zum Beispiel wenn sich die Gruppe solidarisiert und den Lärmpegel für ganz normal befindet.) Im besten Fall erhält man als Dozent jedoch hilfreiche Hinweise darüber, was gerade nicht so gut läuft, und kann entsprechend reagieren.

  1. Konflikt bearbeiten

In diesem Schritt bringt ein Vier-/Sechs-Augen-Gespräch mit den Störern am ehesten eine Lösung. Im Falle der insgesamt unruhigen Gruppe würde ich mir hierfür die auffälligsten Studierenden herausnehmen.

Der geschilderte Ablauf weist große Ähnlichkeiten mit dem Dahms-Modell auf, wobei die Schritte 1 bis 3 für ihn in den so genannten Normalbereich fallen. Die restlichen Schritte bezeichnet er treffenderweise als „Kampfzone“. Seine Schritte 6 und 7 lauten allerdings „Lassen Sie den Störer entfernen“ und „Gehen Sie selbst“, was im äußersten Fall auch nötig werden kann.

Konflikte mit Typ 1 und 3

Versuchen wir nun, das einmal auf die beiden verbleibenden Studierendentypen anzuwenden:

Typ 1: Kann nicht und will nicht

Hier sprechen wir von denen, die von Anfang an keine rechte Lust haben und schnell ihr Studium abbrechen. Die Trefferquote beim Identifizieren dieses Studierendentyps ist übrigens erstaunlich hoch, wie ich im Gespräch mit Kollegen feststellen durfte – und nein, ich glaube nicht, dass wir da selbsterfüllende Prophezeiungen fabrizieren.

Meistens tun diese Studierenden nichts, was den Unterrichtsverlauf direkt stört, sondern verhalten sich einfach nur sehr, sehr passiv. Entweder surfen sie die ganze Zeit, oder sie hängen permanent und demonstrativ ihren Tagträumen nach. Am liebsten würde ich sie ignorieren oder ihnen gleich anbieten, die Lehrveranstaltung ohne Konsequenzen verlassen zu dürfen. Es ahnen ja beide Seiten, dass ihre Anwesenheit nichts bringt. Ich denke oft insgeheim: „Solange sie die anderen Studierenden nicht stören, lasse ich sie am besten einfach ihr Ding machen…“.

Aber das kann ich natürlich nicht tun. Wenn ich ein solches Verhalten zuließe, wäre das kein gutes Zeichen für die restlichen Studierenden. Sie müssten ja daraus folgern, dass das akzeptabel ist. (Im ersten Semester akzeptiere ich keine Smartphones während der Veranstaltung.)

Was tue ich also? Ich ermahne diese Studierenden und erinnere sie an unsere zu Beginn vereinbarten Regeln. Oft genügt auch nonverbales Ansprechen. Das wäre also eine Mischung aus Stufe 4 und 6 (Unterbrechen bzw. Vier-Augen-Gespräch) sowie Stufe 2.

Typ 3: Kann zwar, will aber nicht

Studierende des Typ 3 halten die komplette Lehrveranstaltung für Zeitverschwendung, weil man sich das Wissen doch bei Bedarf (=kurz vor Abgabeschluss) sowieso leicht anlesen kann. Diese Einstellung führt im Unterricht entweder zu Passivität oder zu Meckern. Gern wird dann alles in Frage gestellt.

Störungen entstehen hier durch den Verteilungskonflikt über die Ressource „Studentische Zeit“, oder besser über die Ressource „Menge der eingesetzten studentischen Zeit“. Dies gilt natürlich nur, wenn es eine Anwesenheitspflicht gibt. Solche Störungen behandele ich nach dem oben vorgestellten Stufenmodell. Sollte ein Vier-Augen-Gespräch nötig sein, argumentiere ich mit der Nützlichkeit der Lehrveranstaltung („3 Gründe, warum der Unterricht mehr bringt…“)

Manchmal handelt es sich auch um einen Wertekonflikt über „Früh anfangen vs. Just in time“. Da treffen unvereinbare Gegensätze aufeinander. Das sollte man als Dozierende auch einfach mal verkraften können. Solange den Studierenden keine Nachteile erwachsen (z.B. durch verspätete Abgabe ihrer Arbeit), dürfen sie schließlich für sich ihre Entscheidung treffen. Allerdings sollten sie dann im Unterricht auch nicht stören oder ihm gleich fernbleiben. Ansonsten: Stufen-Modell.

„Handle with care“

Ich hoffe, Sie können aus meinen Beschreibungen die eine oder andere Anregung mitnehmen. Mir hat es bisher geholfen, nicht alle Studierenden über einen Kamm zu scheren.

Wie schaffen Sie es, allen Studierenden gerecht zu werden?

 

Meine persönliche Hassfrage beim wissenschaftlichen Arbeiten

Da ist sie wieder. Oh ja, sie kommt garantiert. In jedem Semester, in jeder einzelnen Gruppe. Meine Lieblingsfrage, die Frage aller Fragen, bekannt auch als die Frage, auf die es keine Antwort gibt: „Wie viele Bücher muss ich denn zitieren?“ Übersetzt heißt sie so viel wie:

  • „Wie kann ich mit möglichst wenig Aufwand bestehen?“ (Oder wenn ich nicht von Faulheit, sondern von Risikominimierung ausgehe: „Ab wie vielen zitierten Büchern bin ich auf der sicheren Seite?“)
  • „Wie viele Bücher und Kopien soll ich denn, um Himmels Willen, aus der Bibliothek nach Hause schleppen?“
  • „Muss ich die dann etwa auch noch lesen?“
  • „In den meisten Büchern steht doch sowieso das Gleiche drin…“ (Wahlweise: „Und wenn sich die Autoren der einzelnen Bücher widersprechen?“)
  • „Je mehr Quellen ich vorliegen habe, desto anstrengender wird das Zitieren. Ich verliere den Überblick.“

Wir sind uns hoffentlich einig, dass es keine allgemeingültige Antwort auf diese immer wieder gestellte Frage gibt. Es hängt vom Thema und der konkreten Fragestellung ab, und es hängt von der Arbeit der zu schreibenden Arbeit ab. Für eine praxisorientierte oder empirische Arbeit benötigt man voraussichtlich etwas weniger Quellen als für eine reine Literaturarbeit (ach…), bei einer Hausarbeit im ersten Semester werden in der Regel weniger Quellen erwartet als bei einer Bachelorarbeit. So weit, so gut. Diese Antwort reicht den Studierenden aber oft nicht aus. Sie wollen einen Anhaltspunkt, einen Richtwert, eine Orientierungsgröße. Damit sie etwas haben, woran sie sich festhalten können.

„Können Sie nicht trotzdem eine Zahl…?“

Kann ich natürlich. Ich nenne dann die alte Daumenregel unbekannten Ursprungs, dass pro Textseite eine Quelle verwendet werden sollte. (Das ist übrigens nicht das Gleiche wie „eine Quellenangabe pro Textseite“ – eines von vielen Missverständnissen). Richtig glücklich bin ich dann nicht, denn die reine Zahl der Quellen sagt ja noch nichts über deren Qualität, geschweige denn über die Qualität der Arbeit aus. Sind die recherchierten Quellen veraltet oder einseitig, brauche ich davon nicht auch noch viele. Stimmt die grundsätzliche Anlage der Arbeit nicht, hilft auch ein ausschweifendes Literaturverzeichnis herzlich wenig. Und es geht ja noch weiter: Je nach Problemlage, reicht es aus, ein einziges Buch zu übersehen.

Wieso ärgert mich die Frage so?

Das Problem liegt wahrscheinlich tiefer. Mir widerstrebt dieser Ansatz, sich so schnell zufriedengeben zu wollen. Es kommt mir wahrscheinlich entgegen, dass ich mittlerweile sehr schnell Texte lesen und beurteilen kann. Das macht es mir leicht, eine große Menge an Literatur zu sichten. (Wenn Sie mehr über meine ersten Schritte im Wissenschaftlichen Arbeiten wissen wollen, lesen Sie hier weiter.) Würde ich mir damit schwer tun, käme ich vielleicht auf ähnliche Gedanken („Wie viele muss ich denn noch?“). Und dennoch: Wenn ich ein Fach studiere, will ich doch die Inhalte kennenlernen und den Dingen auf den Grund gehen. Dazu muss ich lesen oder andere kreative Wege finden, mir einen Überblick über die benötigte Literatur zu verschaffen.

Wahrscheinlich wundere ich mich zusätzlich darüber, dass mir diese Frage direkt gestellt wird und die Studierenden ihre Unlust damit so offen zugeben.

Mein guter Vorsatz

Eines nehme ich mir fest vor: Beim nächsten Auftauchen meiner Hassfrage bleibe ich ganz ruhig. Ganz ruhig. Und erkläre ganz gelassen und zum x-ten Mal, wieso es auf diese Frage keine zufriedenstellende Antwort gibt.

Insgeheim träume ich weiter von solchen Sprechstunden-Erlebnissen: Da fragt mich eine Studierende mich ernsthaft und etwas bedrückt, ob das ok so sei mit ihrem Literaturverzeichnis. Immerhin sei es fünf Seiten lang. Als ich gerade zu einer Antwort ansetzen will, ergänzte sie, dass sie das eben ungewöhnlich finde. Bei ihrer Freundin und Mitstudierenden würde das immer nur eine oder maximal zwei Seiten umfassen. Seufz.

3 Gründe, wieso der Unterricht mehr bringt als jeder Leitfaden

Manchmal lese ich in den Evaluationen am Semesterende, dass es den Studierenden vollkommen genügt hätte, den Leitfaden zum Wissenschaftlichen Arbeiten oder mein Skript zur Lehrveranstaltung zu lesen. Manchmal spreche ich die offensichtlich desinteressierten Studierenden auch während des Unterrichts an und erhalte eine ähnliche Aussage: Wieso das alles so ausführlich behandelt werden müsse, das erkläre sich doch eh irgendwie von selbst, in der Zeit (= zehn Doppelstunden) hätte man ja quasi die Arbeit schon fertigstellen können. Ah ja.

Interessanterweise stammen diese Einwände meist von denjenigen Studierenden, die dann später, ähm, optimierungsbedürftige Arbeiten abgeben (mehr zu den Studierendentypen hier). Es scheint, die Lehrveranstaltung bietet doch einen gewissen Mehrwert. Dieser wird leider von vielen erst im Nachhinein erkannt, im Extremfall sogar erst nach Abschluss des Studiums!

Im Hinblick auf den Lernerfolg sehe ich drei Hauptgründe, wieso der Unterricht mehr bringt als die Leitfadenlektüre: das Aufdecken von Missverständnissen, die Möglichkeit zum Austausch und das Besprechen von Übungsaufgaben..

Grund 1: Missverständnisse aufdecken

Sie lauern dort, wo keiner sie vermutet: Missverständnisse, falsche Vorannahmen, ewig geglaubte Wahrheiten. Nach manch einer Frage von Studierenden sieht man mir meine Ratlosigkeit wahrscheinlich deutlich an. Ich weiß einfach nicht, wie ich diese bestimmte Frage verstehen soll. Ich frage also nach. Wir drehen uns im Kreis. Die Kommilitonen schütteln den Kopf und wundern sich ebenfalls. Bis irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem ich das Missverständnis erkennen und benennen kann.

Zum Beispiel redeten wir einmal über das Zitieren der verwendeten Literatur und kamen nicht voran, weil der Begriff „Sammelband“ Rätsel aufwarf, und damit auch der Unterschied zwischen „Herausgeber“ und „Autor“ für den Fragenden nicht nachvollziehbar war. In einem anderen Semester sprachen wir eine Weile über das Inhaltsverzeichnis und im Zuge dessen über die Seitenzahlen – römisch oder arabisch. Gegen Ende des Themas stellte sich heraus, dass einige Studierende „Nummerierung“ und „Paginierung“ verwechselt hatten. Ihre Übungs-Inhaltsverzeichnisse sahen seltsam aus.

Hätte ich mir bloß alle diese Missverständnisse sofort notiert! Es würde mir sehr helfen, mein Skript noch verständlicher zu formulieren.

Grund 2: Austausch und gegenseitige Tipps

In meiner Lehrveranstaltung ist immer auch Zeit für kleinere Diskussionsrunden zu problematischen Themen. Die Studierenden können sich austauschen und sich gegenseitig Tipps geben. So etwas kann kein Leitfaden der Welt leisten. Oft geht es da um Motivation und Zeitmanagement, aber auch zur Literaturrecherche oder zu nervenraubenden technischen Problemen gab es schon viele verblüffend unkomplizierte Lösungen.

Und es soll mir jetzt keiner weismachen, dass die Studierenden eben in ihrer Freizeit über Wissenschaftliches Arbeiten reden würden, wenn wir den Rahmen nicht in der Lehrveranstaltung schaffen würden.

Grund 3: Feedback durch Übungsaufgaben

Übungsaufgaben sind ein fester Bestandteil meiner Lehrveranstaltungen. Ich nutze eigentlich in jedem Semester welche für die Themeneingrenzung, für das Erstellen von Gliederungen sowie für die Literaturrecherche und das Zitieren. Und immer, wirklich immer, denke ich mir danach: „Wie gut, dass wir diese Übung durchgeführt haben!“ Es ist anderenfalls so leicht, die Inhalte gedanklich „abzunicken“, die der Dozent da gerade präsentiert hat. Diejenigen, die nicht hundertprozentig aufmerksam waren, geben es sowieso nicht zu. Den anderen scheint erst einmal alles eingängig und plausibel, also tauchen keine Fragen auf, und wir würden normalerweise zum nächsten Kapitel übergehen.

Die problematischen Punkte zeigen sich erst, wenn die Studierenden selbst etwas tun müssen, zum Beispiel aus einem Thema eine Fragestellung entwickeln oder für eine Forschungsfrage eine beispielhafte Grobgliederung erstellen. Die vielen verschiedenen Vorschläge erhalten dann hauptsächlich von mir, aber auch von den Mitstudierenden ausführliches Feedback. Das stelle ich mir schwierig oder sogar unmöglich vor, wenn die Inhalte des Wissenschaftlichen Arbeitens nur schriftlich vermittelt würden.

Natürlich könnte ich Übungen mit Lösungen in mein Skript integrieren. Aber siehe Grund 1: Erst durch das Besprechen können wir herausfinden, ob die studentische Lösung korrekt ist und den Anforderungen genügen würde. Mehr als einmal wurde ich überrascht mit Lösungsvorschlägen, die ich so nicht vorhergesehen hatte. Ergo wären diese in meinem Skript nicht als richtig aufgetaucht. Außerdem üben wir uns im Wissenschaftlichen Arbeiten ja bekanntermaßen im divergenten Denken. Es gibt schlichtweg nicht die eine richtige Lösung. Ein Punkt übrigens, der die Studierenden ins Schwitzen geraten lässt, die immer gern gesagt bekämen, ob sie denn alles richtig machen .

Aus studentischer Sicht spricht also vieles dafür, dass sich der Unterricht lohnt. Wie ist es mit den Dozenten?

Der Sinn: In Kontakt bleiben

Durch die Diskussion und den Austausch habe ich schon viel über die Studierenden gelernt. In den drei vorhergehenden Abschnitten habe ich beschrieben, welche Erkenntnisse die Studierenden aus der Lehrveranstaltung ziehen können. Das gilt aber im gleichen Maße für mich!

Durch neu aufgedeckte Missverständnisse, Grund 1, bin ich gezwungen, noch verständlicher und noch eindeutiger zu formulieren. Ich merke, welche Begriffe ich bei meinen Ausführungen nicht einfach voraussetzen kann. Mein Gefühl für das passende Niveau verbessert sich.

Bei den studentischen Tipps, Grund 2, höre ich aufmerksam zu, ob ich nicht noch etwas Neues lernen kann. Öfter merke ich allerdings, dass einige grundlegende Arbeitstechniken (beispielsweise bestimmte Funktionen der Textverarbeitungsprogramme) nicht bekannt sind und sich viele Studierenden unnötigerweise das Leben schwer machen.

Grund 3, die Übungsaufgaben, wiegt für mich am schwersten. Mit keiner anderen Methode kann ich leichter erkennen, ob die Inhalte angekommen sind. Mein Vorgehen im Laufe des Semesters ist jedes Mal ein bisschen anders, und die Übungsaufgaben zeigen mir, wie ich die Inhalte gewichten sollte.

Ich lerne bei den Übungsaufgaben außerdem viel über das Vorwissen der Studierenden, ihren Anspruch an sich selbst und die vielen kleinen Unsicherheiten, die die erste wissenschaftliche Arbeit mit sich bringt. Bei der Besprechung der Lösungen sehe ich, wo es hakt.

Wie ist das bei Ihnen? Welchen Mehrwert bringt Ihnen der Unterricht? Oder empfinden Sie ihn doch eher als Zeitverschwendung?

Soviel Text entsteht beim Schreiben einer Hausarbeit…

Auf der UTB-Seite habe ich etwas Treffendes gefunden:

Soviel Text entsteht... utb-KarteCopyright: utb/treibsand

Wenn ich den Studierenden das im 1. Semester so sage, ernte ich von einem Großteil amüsiertes Gelächter. Viele nehmen sich in diesem Moment vielleicht vor, es selbst besser zu machen und früh mit der Arbeit zu beginnen.

Wenn wir 2. Semester den Entstehungsprozess der ersten Arbeit reflektieren, wirkt das Lachen beim Anblick des Bildes auf mich etwas gequälter. Da denkt wohl manch einer an diese eine Nacht zurück, in der er die besagten 69 Prozent des Textes verfasst hat. Nicht umsonst haben einige Hochschulen eine „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeit“ ins Leben gerufen.

Aber Zeitmanagement (und wie man das unterrichten kann) ist ein großes Thema für spätere Blogartikel.

„Die Studierenden heutzutage…“

Haben wir uns nicht alle schon über die Studierenden geärgert? Vielleicht sogar in der Mittagspause mit den Kollegen über sie gesprochen, und das nicht immer wohlwollend?

Aber wer soll das eigentlich sein, „die Studierenden“? Ich weigere mich, alle Studierenden gedanklich in einen Topf zu werfen. Sie kommen mit einer großen Bandbreite von Vorerfahrungen (von Null bis hin zu einem abgeschlossenen Studium) und den unterschiedlichsten Einstellungen (dazu gleich mehr). Sie wollen nicht alle das gleiche in meiner Lehrveranstaltung. Und so verhalten sie sich auch.

Ich unterteile je nach Können und Wollen in vier Kategorien. Sprich: Hat der- oder diejenige die Fähigkeit, der Lehrveranstaltung zu folgen, und möchte er oder sie das aktuell auch tatsächlich tun?

Typ 1: Kann nicht und will nicht

Die Studierenden des Typ 1 wollen nicht wissen, was ich zu sagen habe. Selbst wenn sie zuhören würden, würden sie nicht viel verstehen. Hier handelt es sich meistens um die Verlegenheitsstudenten in der letzten Reihe, die dauernd mit dem Smartphone beschäftigt sind. Höchstwahrscheinlich sieht man sie spätestens im Folgesemester nicht mehr. Denn dann treten sie ihre Ausbildung an („Was Solides!“). Wissenschaftliches Arbeiten? Überflüssig.

Typ 2: Kann nicht, will aber

Im Arbeitszeugnis von Typ 2 würde stehen: „Er war stets bemüht.“ Diese Studierenden sind überwältigt von der Flut an Informationen und Alternativen. Sie bekämen gern den einen richtigen Weg gezeigt, und alles würde gut. Für sie ist es schwierig zu verstehen, dass es für eine wissenschaftliche Fragestellung mehrere gleichwertige Lösungen gibt. Für die Lehrenden sind diese Studierenden daher harte Nüsse. Immerhin wollen sie das Wissenschaftliche Arbeiten erlernen. Es lohnt sich also, Geduld mit ihnen zu haben.

Typ 3: Kann zwar, will aber nicht

Studierende des Typ 3 halten die komplette Lehrveranstaltung für überflüssig. Die Inhalte kann man doch überall nachlesen, wieso also noch lange darüber sprechen? Zeitverschwendung. Mit diesen Studierenden hat man also in der Lehrveranstaltung wenig Spaß. Selbst wenn sie noch nichts wissen, möchten sie jetzt auch nichts über Wissenschaftliches Arbeiten erfahren. Denn sie lesen sich das Wissen ja genau dann an, wenn sie es benötigen. Sprich: drei Tage vor Abgabeschluss der Arbeit. Diese Logik ist mir fremd, ich gebe es offen zu.

Typ 4: Kann und will – ein Traum!

Typ 4-Studierende wollen und können das Wissenschaftliche Arbeiten erlernen. Leider sind das, zumindest in meinen Lehrveranstaltungen, zu 99 Prozent die stillen, eher schüchternen Studierenden. Sie melden sich nicht von sich aus, sondern warten mit ihren Fragen an mich bis nach der Lehrveranstaltung. Sie müssen aus der Reserve gelockt werden. Das ist bisweilen etwas mühsam, aber es lohnt sich.

Die Zusammensetzung der Studierendenschaft ist in jedem Kurs anders. Jedes Semester finde ich es wieder spannend herauszufinden, wer da vor mir sitzt. Tipps und Gedanken zum Umgang mit den verschiedenen Studierendentypen habe ich hier niedergeschrieben.

Aber jetzt erst einmal die Frage: Wie verhält es sich bei Ihren Studierenden? Haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht?

Aller Anfang ist… sonnenklar?

Bevor ich das erste Mal „Wissenschaftliches Arbeiten“ unterrichten sollte, schien mir alles sonnenklar: Erst einmal ausführlich erklären, wie man Literatur sucht und auswählt. Danach zeigen, wie das Zitieren funktioniert, und abschließend noch besprechen, wie die richtigen Formulierungen eine wissenschaftliche Arbeit aufwerten können. So. Eigentlich alles recht übersichtlich.

Minimalprinzip trifft Maximalprinzip

Viele Studierende gestalteten das Wissenschaftliche Arbeiten für sich auf eine andere Art sehr übersichtlich. Ihre Fragen zielten darauf, den Aufwand zu minimieren. Für sie ging es darum, wie viele Bücher sie nutzen „müssen“ und wie viele Zitate sie pro Textseite verwenden „müssen“. Und überhaupt: Es stehe doch sowieso zu jedem Thema genug im Internet, wozu müsse man da heutzutage noch in eine Bibliothek? Diese Herangehensweise schockierte mich damals. Ich war einfach davon ausgegangen, dass die Studierenden sich (wie ich) (mittlerweile) gern in ein Thema vertiefen, gern viel darüber lesen und dann gern eigene Ideen entwickeln. Wie naiv!

Und nun?

Nach dieser Erkenntnis kam mir die Situation aussichtslos und ja, frustrierend, vor. Wie sollte ich unter solchen Voraussetzungen „Wissenschaftliches Arbeiten“ lehren? Mittlerweile ist mir aber sonnenklar, dass es für mich nur eine Lösung für dieses Problem gibt. Ich erzähle weiterhin in der Lehre aus meiner idealen Welt. Denn verbiegen will ich mich nicht. Und wer weiß, vielleicht ist ja doch der eine oder andere dabei, der ähnlich denkt wie ich. Gleichzeitig ist mir mittlerweile bewusst, dass es in der Welt vieler Studierender anders gelagerte Prioritäten oder auch Sachzwänge gibt. Da geht viel Zeit für den Nebenjob drauf, oder eine Klausur in einem anderen Fach ist wichtiger als die Hausarbeit. Diese Studierenden sind dankbar für jeden Tipp, der ihnen das Leben erleichtert. Also versuche ich, das auch zu berücksichtigen, indem ich erkläre, wo die Minimalanforderungen liegen. Luft nach oben ist schließlich immer.