KI-FOMO

In schwachem Licht sieht man einen Bahnsteig, auf dem eine Person mit Rollkoffer steht und einem fortfahrenden Zug hinterherblickt.
generiert mit ChatGPT-4 am 01.02.2024, und ja, der Zug fährt neben dem Gleis 😊

Geht es Ihnen auch so, wenn Sie an KI denken?

Der Bahnsteig ist leer, der Zug ist abgefahren, alle anderen sind weg. Nur Sie stehen noch da und sind – wahrscheinlich – der einzige Mensch auf Erden, der noch nie mit KI-Tools gearbeitet hat. Na ja, oder zumindest haben Sie das nicht systematisch getan. Nur hier und da mal ein bisschen, und dann eher auch für private Zwecke. Vielleicht haben Sie auch wieder damit aufgehört, weil Sie mit den Ergebnissen nichts anfangen konnten, und Sie haben sich gefragt, ob das schon alles war. Wieso dann der ganze Hype? Oder, Moment mal, haben Sie vielleicht etwas falsch gemacht?

Sicher nutzen alle anderen die Tools schon systematisch und noch dazu sehr versiert. Haben schon herausgefunden, wie das funktioniert und wie sie sich zurechtfinden, in diesem Wust an Informationen über immer neue Möglichkeiten. Wie man richtig promptet und der KI Inhalte entlockt, mit denen sich wirklich etwas anfangen lässt.

KI-FOMO? Ja, das ist sie: die Angst, etwas zu verpassen. Nicht ausreichend Bescheid zu wissen. Was, wenn alle anderen plötzlich besser, toller, produktiver sind, weil sie eben verstanden haben, wie es geht?

Alle anderen?

Ganz sicher nicht.

Lassen Sie sich gesagt sein: Da draußen gibt es noch sehr viele Menschen, die sich nicht eingehend mit KI-Tools befasst haben. Oder genauer: Da draußen gibt es noch sehr viele Lehrende, die sich nicht eingehend – oder gar nicht – mit der Nutzung von KI-Tools für den Einsatz in Lehre und Forschung befasst haben.

Die reden nur nicht über ihre Nicht-Nutzung. Es ist en vogue, über KI Bescheid zu wissen, und diejenigen, die nicht mithalten können, reden eben nicht. Sie sitzen dabei und sind stumm. Denn über ein Jahr, nachdem die breite Verfügbarkeit von ChatGPT den Hype ausgelöst hat, erscheint es seltsam, sich noch überhaupt nicht mit diesem Thema beschäftigt zu haben.

Ist es zu spät für den Einstieg?

Ganz sicher nicht.

Das Feld ändert sich kontinuierlich und, wie viele es empfinden, beängstigend schnell. Das ist eine gute Nachricht, so paradox es klingt. Die Halbwertszeit des Wissens hier ist gering, weil die technologische Entwicklung so rasant ist. Wenn Sie jetzt einsteigen und aufholen möchten, müssen Sie also nicht alles „nachlernen“, bis Sie auf dem aktuellen Stand sind. Sie überspringen einfach das, was jetzt schon nicht mehr gilt. Damit haben sich die Früheinsteiger wochen- und monatelang befasst, jetzt ist es nicht mehr nötig. Ich finde das ein wenig vergleichbar mit anderen technischen Skills: Einer Person, die nie in der Zeit an einem PC gearbeitet hat, in der Dateinamen noch maximal acht Zeichen lang sein durften, fehlt dieses Wissen später nicht. Sie musste kein ausgeklügeltes System entwerfen, mit dem sie ihre Dateien benennen und vor allem wiederfinden kann. Genauso wenig muss eine Person, die heute in die Welt der KI einsteigt, wissen, mit welchen (viel spezifischeren) Prompts sie vor einem Jahr zum gewünschten Output gelangt wäre, wenn heute schon sehr viel durch Conversational Prompting erreicht werden kann. Ebenso ist das Wissen über bestimmte Workflows irrelevant, die noch vor kurzer Zeit üblich waren: Heute muss ich nicht mehr wissen, dass ich mir in ChatGPT einen Prompt formulieren lassen kann, um ihn in einem Bildgenerierungs-Tool zu verwenden. Denn das inzwischen multimodale ChatGPT erzeugt das Bild einfach selbst (lassen wir für dieses Beispiel außen vor, dass es natürlich Unterschiede zwischen den Tools gibt).

Die Grundlagen hingegen sind immer noch die gleichen wie vor Monaten. DIE müssen Sie kennen. Und die sind schnell erklärt. In meinen Workshops verwenden wir im ersten Angang meist nicht wesentlich mehr als eine viertel Stunde darauf. Natürlich kommen wir im Verlauf immer wieder darauf zu sprechen, aber für den Einstieg genügt es, sich kurz über die Basics zu verständigen.

Die absoluten Basics über textgenerierende KI

Bringen wir es auf den Punkt:

  • Ein textgenerierende KI-Tool ist kein Lexikon.
  • Ein textgenerierende KI-Tool ist keine Suchmaschine.
  • Ein textgenerierende KI-Tool ist kein Mensch.

Dazu noch ein paar Worte zu Datenschutz und Sicherheit. That’s it.

Wenn diese Grundlagen klar sind, können wir in den Tool-Test starten und einfach MACHEN.

KI-Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten

In meinen Workshops sitzen vor allem zwei Zielgruppen. Ich führe zum einen KI-Schreibwerkstätten mit Studierenden durch, zum anderen erarbeite ich mit Lehrenden, wie sie – jetzt, da KI-Tools nun einmal existieren und auch nicht mehr verschwinden werden – wissenschaftliches Arbeiten lehren können. Die Inhalte dieser Workshops lassen sich nachvollziehbarerweise nicht von den Eigeninteressen der Lehrenden lösen. Sie wollen wissen, wie sie ihre eigenen Schreibaktivitäten durch den Einsatz von KI „optimieren“.

Es ist natürlich ein berechtigtes Anliegen, das eigene Schreiben entwickeln zu wollen. Mich wundert nur die Vehemenz, mit der es manchmal vorgetragen wird. Da entsteht bei mir schnell der Eindruck, als sollen die KI-Tools jetzt richten, was schon seit Jahren im Argen liegt. Schreibprozesse, die als nicht angenehm und als zu wenig produktiv empfunden werden, sollen nun mit Hilfe der KI-Tools beschleunigt werden.

Hier kommt auch wieder KI-FOMO ins Spiel. Was, wenn alle anderen besser, toller und schneller Texte produzieren? Wenn sie mehr publizieren und dadurch ihre akademische Karriere beschleunigen? Da hätten jene das Nachsehen, die keine KI-Tools nutzen.

Auch diesen Druck verstehe ich. Dennoch halte ich die Frage nach dem optimalen KI-Tool-Workflow für zu kurz gedacht. Damit meine ich die Frage, die mir in meinen Workshops regelmäßig gestellt wird: Wie bilde ich meinen Schreibworkflow möglichst lückenlos durch KI-Tools ab?

Analyse vor Lösung, ob mit oder ohne KI

Schreibprozesse sind individuell und damit sehr unterschiedlich. Wie immer fasse ich den Begriff des Schreibens weit und verstehe darunter auch vor- und nachgelagerte Tätigkeiten wie Literaturrecherche oder Überarbeiten. (Nicht dass hier ein ungewollter Eindruck entsteht: Damit meine ich nicht, dass die Literaturrecherche zeitlich immer komplett vor und das Überarbeiten immer nach dem Schreiben liegen sollte. Vielmehr greifen die Schritte oft ineinander.)

Vor einer angestrebten Umgestaltung des eigenen Schreibens sollte vor allem die folgende Frage geklärt sein:

Wie schreibe ich überhaupt?

Das bedeutet im Einzelnen z.B.:

  • Welche Raum nehmen die verschiedenen Tätigkeiten ein?
  • Was gelingt mir leicht, wobei tue ich mir schwer?
  • Welche Schreibstrategien setze ich, bewusst oder unbewusst, ein?

Solange das nicht geklärt ist, kann eine Lösung nicht greifen.

Bemühen wir mal zwei (zugegebenermaßen etwas schräge) Bilder:

Nummer 1: Wenn ich einen Fleck auf dem Sofa entdecke, renne ich besser auch nicht los in den Drogeriemarkt und kaufe wahllos fünf verschiedene Fleckenentferner. Erst schaue ich mir an, was den Fleck verursacht haben könnte und dann sehe ich noch nach, welche Mittelchen ich schon vorrätig habe.

Nummer 2: Wenn meine Ärztin mir sagt, ich solle gesünder leben, würde ich nicht gleichzeitig mit Intervallfasten, drei Sportarten und zehn Supplementen anfangen, sondern mich erst einmal fragen, wo genau das Problem liegt. Passt die Ernährung vielleicht schon? Ist mein Sportmix vielleicht schon ausgewogen? Dann sollte ich daran nicht drehen.

Was ich damit meine: Eine voreilige „Lösung“ verursacht oft neue Probleme (und wenn es nur bedeutet, dass ich ohne echten Gegenwert viel Geld ausgegeben habe). Diese voreilige Lösung ist eine Verschlimmbesserung.

Ok, wie geht es besser?

Schritt 1: Verschaffen Sie sich einen groben Überblick über die verschiedenartigen KI-Tools. Damit meine ich nicht, dass Sie alle Tools auf Herz und Nieren prüfen sollen. Nein, schauen Sie erst einmal, an welcher Stelle im Schreibprozess die Tools überhaupt ansetzen. Das reine Generieren von Text ist nur ein Bruchteil dessen, was möglich ist.

Schritt 2: Testen Sie gezielt, was Sie vermutlich (!) am weitesten bringt. Lesen Sie z.B. langsam, testen Sie ein Lese-Tool. Gefallen Ihnen Ihre Formulierungen oft nicht, testen Sie einmal, wie Sie den Überarbeitungsprozess mit einem KI-Tool gestalten können etc.

Schritt 3: Immer weiter im PDCA-Zyklus. „Plan – do – check – act“, das bedeutet einfach, dass Sie ausprobieren, was funktioniert, und ab da in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einsteigen.

Eine steile These zum Abschluss

Es wird keinen durchoptimierten Workflow mit KI-Tools für das wissenschaftliche Arbeiten geben, genauso wenig wie es einen generell gültigen Workflow für das wissenschaftliche Arbeiten gibt.

Wir werden nicht 100 Texte in Tool 1 stecken, das Ergebnis in Tool 2 weiterverarbeiten und dann in Tool 3 aufs Knöpfchen drücken und den publikationsreifen Text vor uns sehen.

Tool-Gurus: Prove me wrong!

Aber selbst wenn: Würden wir das wirklich wollen?

P.S. Ganz genau so können Sie in der Folge auch mit Ihren Studierenden an die Sache herangehen. Wenn die Studierenden Sie fragen, welche Tools sie am besten für ihre Arbeiten einsetzen sollen, fragen Sie zurück: „Wie schreiben Sie überhaupt?“

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Ein paar Gedanken zum Schreiben im Studium mit und ohne KI-Tools

letzte Aktualisierung: 26. Juli 2023

Offensichtlich gibt es nur noch ein Thema in der Hochschullandschaft: künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen. Wie verändert das Schreiben mit KI-Tools das Studium und die Lehre?

Aus aktuellem Anlass: meine Fragen zu Schreiben im Studium

In den vergangenen Wochen und Monaten, genauer gesagt seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022, habe ich mir die folgenden Fragen gestellt:

  • Wozu dienen klassische Haus-, Seminar- oder Abschlussarbeit und ähnliche Texte noch in Zeiten von KI-Tools? Wie müssen Lehrende diese Arbeiten ggf. umgestalten?
  • Wie verändern sich in der aktuellen Situation die Rollen und Aufgaben aller Beteiligten?
  • Wie funktioniert in Bezug auf Hausarbeiten eine sinnvolle Integration von Entwicklungsorientierung und KI?

Meine Grundhaltung zum Schreiben mit KI-Tools und zur Hochschullehre

Meine grundsätzliche Haltung zum Schreiben mit und ohne KI-Tools einerseits und zur Hochschullehre andererseits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das Schreiben von wissenschaftlichen Texten im Studium ist ein Lern- und Entwicklungsinstrument. Studierende wollen lernen und sich entwickeln. Das voreilige Abschaffen von Hausarbeiten u. ä. schadet mehr als es nutzt.
  • KI-Tools müssen sinnvoll in den Schreibprozess integriert werden. Das Prüfungsformat „Haus- und Abschlussarbeit“ imitierte schon immer das Schreiben „echter“ wissenschaftlicher Arbeiten, also müssen Studierende alle zur Verfügung stehenden Tools nutzen dürfen, die Wissenschaftler:innen auch nutzen.
  • Paradoxerweise bewirken die technischen Entwicklungen voraussichtlich, dass die Menschen an den Hochschulen wieder wichtiger werden. Lehrende, die sich nur über ihren Expert:innenstatus definieren, sind für die Studierenden als Vorbild dabei zunehmend uninteressant. Lehrende, die Studierende bei ihrer Entwicklung unterstützen, prägen die Hochschule der Zukunft.

Schlussfolgerungen und weiterführenden Gedanken

Führt man diese Gedanken zusammen, ist der Weg klar:

Wir müssen mit den Studierenden gemeinsam KI-Tools testen, und wir alle sollten sie beim Schreiben an passenden Stellen gewinnbringend einsetzen.

Im Detail führe ich das in meinem Gastbeitrag „Die Hausarbeit ist tot, es lebe die Hausarbeit!“ – Entwicklungsorientierung, wissenschaftliches Arbeiten und KI gemeinsam denken“ auf dem Blog  des Hochschulforums Digitalisierung aus, der in den Dossiers „Gute Lehre“ und „Generative KI“ zu finden ist. In dem Beitrag sind auch Vorschläge für die konkrete Umsetzung in der Lehre enthalten.

Cover HFD-Gastbeitrag Dr. Andrea Klein Wissenschaftliches Arbeiten/Schreiben im Studium mit KI-Tools, Entwicklungsorientierung 
17. Februar 2023

Buchtipp „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben“ (3. Auflage)

Cover Andrea Klein 2023 Wissenschaftliche Arbeiten schreiben

Zum Weiterlesen: Blogartikel „Man nehme drei KI-Tools“

Sag mir quando, sag mir wann…

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Photo by Jon Tyson on Unsplash

…ich wissenschaftliches Arbeiten lehren kann.

Viele von uns, insbesondere Lehrbeauftragte, lehren wissenschaftliches Arbeiten eben dann, wenn es im Curriculum vorgesehen ist. Eine Einführungsveranstaltung im ersten Semester soll es sein? Dann wird es eine Einführungsveranstaltung im ersten Semester! Eine Vorbereitung auf die Abschlussarbeit ist gewünscht? Dann wird es eine Veranstaltung zur Vorbereitung auf die Abschlussarbeit.

Diejenigen unter uns, die Einfluss auf das Curriculum nehmen können, weil sie beispielsweise einen Studiengang leiten, haben sich oft an den Status quo gewöhnt und lehren das wissenschaftliche Arbeiten eben in den Semestern, für die sie es ursprünglich einmal vorgesehen haben. Denn – wohin schieben, wenn man nicht das komplexe Gesamtgefüge ins Wanken bringen will?

So richtig zufrieden macht einen das oft nicht.

Erstes Semester?

Ja, eine Einführungsveranstaltung im ersten Semester ist sinnvoll. Die Studierenden profitieren davon, gleich einmal einen wesentlichen Unterschied zur Schule nahegebracht zu bekommen. Allerdings sind die ersten wissenschaftlichen Arbeiten oft – zumindest gedanklich – noch weit weg. (Überlegen Sie sich mal, ob Sie damals mit 18 Jahren im Oktober schon viele Gedanken an eine Aufgabe verschwendet haben, die im April fällig war…) In manchen Studiengängen ist es tatsächlich auch so, dass auf die Einführung im ersten Semester erst einmal gar keine Arbeit folgt, die zu schreiben wäre. Die wird dann etwa im dritten Semester in einem bestimmten Seminar verlangt, also sozusagen ein Jahrhundert nach der Veranstaltung zu Studienbeginn.

Letztes Semester?

Ja, auch eine gezielte Vorbereitung auf die Abschlussarbeit ist sicher sinnvoll. Wenn das allerdings der erste echte Berührungspunkt mit wissenschaftlichem Arbeiten ist, wird es ruckelig. Dann halte ich die Frage, die Studierende dann oft stellen, schon für sehr berechtigt: Wieso kommt das jetzt erst so kurz vor knapp? Wieso und vor allem wie sollen wir das jetzt plötzlich können?

Wenn es ungünstig läuft, haben die Studierenden im Laufe des Studiums auch schon richtig schön Angst aufgebaut vor dem wissenschaftlichen Arbeiten. Sei es, weil nie jemand zielführend mit ihnen darüber gesprochen hat, sei es, weil sie mit Trial and Error bei kleineren Studienarbeiten nicht besonders weit kamen und den ganzen Prozess furchtbar fanden.

Ja, was denn nun?

Auch wenn viele von uns gar nicht in der Position sind, die Modulpläne zu verändern, schauen wir heute einmal auf die vielen verschiedenen Modelle für die zeitliche Einbindung des wissenschaftlichen Arbeitens in den Studienverlauf. Denn wer weiß, eines schönen Tages fragt Sie vielleicht doch mal jemand nach Ihrer Meinung 😉, wenn in „Ihrem“ Studiengang der Modul-Komplett-Umbau gewagt wird.

Prinzipiell sind verschiedene Herangehensweisen für die Einbindung des wissenschaftlichen Arbeitens in das Curriculum denkbar – verzeihen Sie mir die provokanten Überschriften:

  • Nie („Schaut, wie Ihr klarkommt“)
  • Immer wieder einmal („Wir hatten da noch eine Lücke im Plan.“)
  • Dauernd („Übung macht den Meister.“)

Es geht nun also nicht mehr darum, wo im Studium das wissenschaftliche Arbeiten verankert wird, sondern wie oft die entsprechenden Angebote stattfinden.

Sehen wir uns die Ansätze einmal genauer an:

Nie („Schaut, wie Ihr klarkommt!“)

Ernsthaft?! Ich dachte, über diesen Ansatz seien wir hinweg.

Er beruht auf dem Gedanken, dass die Studierenden sich wissenschaftliches Arbeiten schon irgendwie selbst beibringen werden. Das werden sie auch tun – manche mehr, manche weniger. Es muss noch nicht einmal sein, dass die eingereichten Arbeiten schlechter sind. Aber der Schmerz, den die Studierenden haben, wird größer sein. Davon bekommen Sie als Lehrperson nicht unbedingt immer etwas mit. Vielleicht ist es Ihnen auch egal. (Im zweiten Fall bin ich übrigens nicht traurig, wenn Sie meine Artikel nicht mehr lesen.)

Immer wieder einmal („Wir hatten da eine Lücke im Plan.“)

Positiv formuliert könnte dieser Ansatz wie folgt beschrieben werden: Wissenschaftliches Arbeiten wird zu Beginn des Studiums eingeführt und dann an den passenden Stellen aufgefrischt und vertieft. Meist findet im ersten Semester oder zumindest im ersten Studienjahr eine Auftaktveranstaltung statt, später noch ein Methodenkurs o.ä. und in Vorbereitung auf den Abschluss noch ein weiterer Kurs.

Das kann gut funktionieren, wenn diese Veranstaltungen gut miteinander und mit der Fachlehre verzahnt sind. Im Optimalfall sind auch noch die Prüfungsleistungen so angelegt, dass die Studierenden davon profitieren. Oft allerdings werden die Veranstaltungen dort platziert, wo sie gerade noch in den Plan passten. Das führt meist zu unmotivierten Studierenden und zu halbherziger Beteiligung. Denn: „Das kann ich mir immer noch richtig aneignen, wenn ich es brauche!“ (was ja irgendwie auch stimmt, aber eben das Potenzial der Veranstaltung nicht ausschöpft).

Dauernd („Übung macht den Meister!“)

Bei diesem Ansatz hat das wissenschaftliche Arbeiten einen festen Platz in jedem Semester. Das kann verschiedene Formen annehmen. Es kann zum Beispiel

  • in jedem Semester als separate Lehrveranstaltung integriert sein,
  • als „Schreiben in der Lehre“ in die Fachlehre Eingang finden,
  • als „Forschendes Lernen“ seinen Platz im Curriculum finden oder aber
  • als kluge Kombination von alledem stattfinden.

Wenn die Studierenden im Dauer-Modell schon nichts mehr vom wissenschaftlichen Arbeiten wissen wollen, weil sie eben dauernd damit befasst sind, sollten wohl noch einmal ein paar grundsätzlichere Überlegungen gemeinsam angestellt werden: Was bedeutet studieren eigentlich? Was hilft es mir, wenn ich wissenschaftlich arbeiten kann, selbst wenn ich später gar nicht in der Wissenschaft bleiben will?

Was ich für sinnvoll halte

Nach allem, was ich weiß und erfahren habe, gelingt wissenschaftliches Arbeiten am besten, wenn es ein ganz selbstverständlicher Teil des Studiums ist, was am ehesten im Dauer-Modell gegeben ist.

Mit „gelingen“ meine ich nicht nur die Ergebnisse, sondern auch den Prozess. Es kommen bei einem kontinuierlichen Angebot wahrscheinlich qualitativ bessere Arbeiten heraus („wahrscheinlich“, weil man gar nicht so genau weiß, was die Studierenden wirklich lernen und mitnehmen). Es ist aber anzunehmen, dass die Studierenden besser zurechtkommen. Sie dürfen ihre Kompetenz stufenweise aufbauen, indem sie sowohl Lehr-Input als auch Feedback der Lehrenden und Peers auf ihre Texte erhalten. Ein Raum für Entwicklung und Reflexion entsteht.

Ein wichtiger Schritt

Ein wichtiger erster Schritt ist der Austausch der Lehrenden untereinander und das Finden eines kleinsten gemeinsamen Nenners. Das wäre in etwa die Frage: Worauf können Sie sich einigen, was allen beteiligten Lehrenden beim wissenschaftlichen Arbeiten und den studentischen Texten wichtig ist? Dazu braucht es keine Änderung des Modulkatalogs. Wenn Sie Hilfe bei diesen Überlegungen brauchen, melden Sie sich gern bei mir.

Für den Fall, dass Sie in absehbarer Zeit den Modulkatalog sowieso neu gestalten wollen, dürfen Sie natürlich grundsätzlicher nachdenken. Unter Umständen lassen Sie dann keinen Stein, äh kein Modul auf dem anderen. Auch dann stehe ich Ihnen für ein gedankliches Sparring gern zur Seite.

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Waaah, Panik! Die erste Hausarbeit!

„Raus aus der Komfortzone!“

Wer wachsen will, muss sich bewegen – und zwar raus aus seiner Komfortzone. Runter vom Sofa, raus aus der Jogginghose und rein ins Abenteuer. (Vielleicht wird er sogar die Kontrolle über sein Leben zurückgewinnen, wenn er sich ordentlich anzieht.)

So lautet jedenfalls der Rat in den gängigen Motivationsbüchern, -blogs und -videos. In der so genannten Komfortzone ist alles vertraut und auch ein bisschen gewöhnlich. Man kennt die Menschen und die Abläufe, man fühlt sich wohl. Besonders anstrengend ist es üblicherweise in der Komfortzone auch nicht.

Angenehm oder sterbenslangweilig?

Je nachdem, wie Sie gerade so drauf sind, finden Sie die Komfortzone entweder ziemlich angenehm oder aber sterbenslangweilig.

Jenseits der Grenze der Komfortzone wartet die Wachstumszone. Dort fehlt die gewohnte Sicherheit, denn es handelt sich um neues Terrain. Neue Anforderungen wollen bewältigt, neue Erfahrungen verarbeitet werden. Das ist anstrengend, das kostet Energie auf allen Ebenen: kognitiv, emotional, zuweilen auch körperlich. Das führt mitunter dazu, dass nicht alles glatt läuft und dass Fehler passieren.

Die Belohnung für die Mühen: Wachsen und Weiterentwicklung. Die ursprüngliche Komfortzone vergrößert sich. Wer persönlich gewachsen ist, kann mehr Aufgaben oder größere, komplexere Aufgaben bewältigen. Was früher schwerfiel, ist jetzt vielleicht schon Routine.

Ein Wachstums-Schubs nach dem anderen

Schön ist es ja, wenn man sich selbst aussuchen kann, wann und wozu man seine Komfortzone verlässt.

Unsere Studierenden haben diese Entscheidungsfreiheit nicht immer. Wir schubsen sie aus ihrer Komfortzone, indem wir sie Referate halten, Klausuren schreiben und Hausarbeiten verfassen lassen. Das sind nun mal die Spielregeln des Studiums. Das Studium als ein auf mehrere Semester angelegter Entwicklungsprozess. Unkomfortabel. Aber wenn jemand ein Studium aufnimmt, ist ja das genau seine Absicht. Die Person verlangt nach Veränderung. Ein Wachstums-Schubs nach dem anderen.

Das Problem beginnt dort, wo die Wachstumszone aufhört. Dort beginnt nämlich die Panikzone. Aus der Unsicherheit erwächst großes Unbehagen, Stress setzt ein, der Gedanke an die bevorstehende Aufgabe löst mehr als nur ein mulmiges Gefühl aus. Das Ziel erscheint unendlich weit weg, kaum erreichbar. Überforderung! Das Scheitern ist vorprogrammiert, wenn man keinen guten Umgang mit der Aufgabe findet.

Die Negativliste geht leider noch weiter. Wer einmal gescheitert ist, büßt unter Umständen Selbstvertrauen und Selbstwert ein. Gemeinerweise kann sich die Komfortzone dadurch verkleinern.

Die erste Hausarbeit als Überforderung

Es ist allgemein bekannt, dass die erste Hausarbeit viele Studierende direkt in die Panikzone katapultiert.

Was tun Sie, um Ihren Studierenden den Übergang von der Komfort- in die Wachstumszone zu erleichtern? Und andersrum: Was tun Sie, um Ihre Studierenden aus der Panikzone herauszuholen? Schreiben Sie Ihre Antworten in die Kommentare.

 

P.S. Der heutige Beitrag ist deutlich kürzer als gewohnt und reißt das Thema nur an. Mit der Gründung von Studienfeuer, des ersten Online-Kongresses für Studierende, habe ich mich bewusst in die Wachstumszone begeben und viele neue Herausforderungen angenommen. Das ist zeitintensiv. Daher wünsche ich mir viele Kommentare unter diesem Artikel und verspreche, in einem künftigen Artikel genauer auf das Thema einzugehen.

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