Die drei wichtigsten Aha-Erlebnisse, die ich den Studierenden wünsche

Überlegen Sie einmal: Was sind Ihre Hauptanliegen, wenn Sie „Wissenschaftliches Arbeiten“ lehren? Sicher, im Curriculum steht, was inhaltlich abgedeckt werden muss: Literaturrecherche, Gliederungsarten, Zitierrichtlinien und all die anderen Grundlagen.

Aber welche übergeordneten Erkenntnisse sollen bei den Studierenden ankommen?

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie ihnen?

Meine ganz subjektive Top 3-Liste habe ich hier für Sie zusammengefasst:

Aha-Erlebnisse

Im Detail:

Eine Fragestellung erleichtert vieles, weil sie dem Thema eine Richtung und ein Ziel gibt.

Ich bete es in der Lehrveranstaltung rauf und runter: „Das Thema ist noch nicht die Fragestellung.“ Aber: Meine Erfolgsquote liegt leider immer noch nicht bei 100 Prozent. Es reichen also immer noch Studierende Arbeiten ein, in denen keine Fragestellung explizit formuliert und verfolgt wird.

Wissenschaftliches Arbeiten macht (mehr) Spaß, wenn es gelingt, eine persönliche Motivation für das Thema aufzubauen. Das lässt sich mit einer Fragestellung erreichen, die einen ernsthaft interessiert. Viele Studierende sind überrascht, wie vielfältig dabei die Möglichkeiten auch bei vorgegebenen und scheinbar langweiligen Themen sind. (Netter Nebeneffekt: Die Lehrenden freuen sich auch, wenn sie etwas zu lesen bekommen, das abseits der schon hundert Mal begangenen Wege liegt.)

Ich wünsche den Studierenden dieses erste Aha-Erlebnis möglichst früh in ihrem Studium.

Der wissenschaftliche Arbeitsprozess hält sich nicht an Schema X.

Die individuellen Herangehensweisen an wissenschaftliche Arbeitsaufgaben unterscheiden sich stark. Das fängt bei der ersten Zeitplanung an und hört beim Schreiben und Überarbeiten auf. Was bei dem einen Studierenden funktioniert, führt beim nächsten ins Chaos. Standardrezepte kann es demnach nicht geben.

Traditionelle Modelle des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses postulieren einen linearen und damit gut planbaren Ablauf. Das wird dem „echten Leben“ nicht gerecht. Wer die angeblichen Schritte nicht in der empfohlenen Reihenfolge abarbeitet, kommt oft trotzdem oder gerade deswegen zu einem sehr guten Ergebnis.

Ich wünsche den Studierenden hier vor allem Lehrende, die nicht Standardrezepte verbreiten, sondern die vielen möglichen Wege aufzeigen.

Wer früh anfängt, kann Verzögerungen und Störungen besser abfedern.

Mit dieser Ansicht stehe ich bei den Erstsemestern oft allein da. Denn früh anfangen ist etwas für Streber. Für ein frühes Anfangen haben viele Studierende schlicht und ergreifend keine Zeit! Erst einmal kommen die Klausuren und andere dringende Angelegenheiten, danach passt das schon noch.

Früh anfangen bedeutet nicht, dass man in der Summe mehr Aufwand in eine Arbeit stecken muss. Es heißt erst einmal nur, dass mehrere Sachen parallel laufen. Und wenn man dann beispielsweise drei Monate vor dem Abgabetermin bei der Recherche erfährt, dass eine wichtige Quelle erst in vier Wochen zur Verfügung steht, kann man das noch mit einem entspannten Lächeln abwarten. Bei einem späten Start bekommt man diese Mitteilung möglicherweise drei Wochen vor der Deadline – dann ist es vorbei mit der Entspannung.

Ich wünsche den Studierenden, dass sie möglichst bald den für ihre wissenschaftlichen Schreibaufgaben optimalen Startzeitpunkt herausfinden.

Bla, bla, bla

Manche Studierende müssen diese Dinge selbst erleben und auch erst einmal scheitern, um das alles wirklich zu begreifen. Lehrende können da viel erzählen – was ankommt, ist „Bla, bla, bla“. Dennoch baue ich diese drei Weisheiten wieder und wieder in meine Vorlesung ein. Bei einigen Studierenden kommen meine Worte nämlich doch an. Außerdem kann ich dann milde lächeln, wenn ich bei einem Glas Sekt anlässlich der Bachelorfeier erzählt bekomme: „Sie hatten ja so recht damals.“

 

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie Ihren Studierenden?