Ein Gastbeitrag von Daniela Keller
Das Feld der quantitativen Forschung ist sehr weit und schreckt vielleicht aufgrund der Nähe zur Mathematik und Informatik viele Studierende ab.
Wie kann man Einsteigern trotzdem einen möglichst einfachen Zugang zu diesem Gebiet geben?
Was muss eine Anfängerin oder ein Anfänger wissen, um mit einem ersten quantitativen Projekt beginnen zu können?
Diese Fragen beantworte ich hier anhand von sechs Punkten:
1. Klare Fragestellung und präzise Hypothesen
Die Forschungsfrage und damit die Fragestellung der Arbeit muss klar formuliert sein. Aus dieser Fragestellung heraus werden anschließend präzise Hypothesen formuliert. Diese Hypothesen dürfen jeweils nur eine Idee enthalten und müssen messbar sein. Messbar heißt: alle für die Beantwortung der Hypothesen benötigten Informationen müssen als Daten vorliegen oder müssen erhoben werden können.
Nur mit einer so klaren Fragestellung und den daraus sich ergebenden präzisen Hypothesen können die Studierenden die nächsten Schritte gehen und verlieren sich nicht in unnötigen oder unmöglichen Datenanalysen.
2. Grundlegendes Verständnis eines Signifikanztests
Die Studierenden müssen verstehen, wie ein Signifikanztest funktioniert. Es muss ihnen klar sein, was eine Nullhypothese und was eine Alternativhypothese ist und wie das Ergebnis des Signifikanztests sich auf diese Hypothesen auswirkt. Sie müssen die Bedeutung der statistischen Signifikanz verstehen und wissen, was das Signifikanzniveau und was die Teststärke sind und wie diese Elemente gemeinsam mit der Fallzahl und der Stärke des Effekts in Wechselwirkung stehen:
- Um einen kleinen Effekt als signifikant nachzuweisen, benötigt man eine große Fallzahl.
- Einen großen Effekt kann man auch mit kleiner Fallzahl als signifikant nachweisen.
Dadurch wird es ihnen möglich, das Ergebnis eines Signifikanztests richtig zu interpretieren und richtig in ihr Forschungsergebnis einzuordnen.
3. Bedeutung der Datenerhebung für die Datenqualität
Außerdem sollten die Anwender wissen, woher die Daten kommen und wie sie erhoben wurden. Zudem brauchen sie ein Bewusstsein dafür, wie die Art der Datenerhebung die Datenqualität und damit das Ergebnis der Forschung beeinflusst.
Hier sollten Themen angesprochen werden wie:
- Grundgesamtheit und Stichprobe,
- Art der Stichprobenziehung (zufällig, geschichtet, Cluster…),
- Validität und Reliabilität des Erhebungsinstruments und
- Erstellung eigener Erhebungsinstrumente (z.B. Fragebogen).
Mit dem Bewusstsein für die Wichtigkeit dieser Themen werden die Forschenden mehr Sorgfalt bei der Wahl sowohl der Stichprobe als auch der Erhebungsinstrumente walten lassen. Und selbst wenn keine optimalen Bedingungen (keine Repräsentativität, keine validierten Fragebögen) bestehen, werden sie ihre Ergebnisse vor diesem Hintergrund richtig einordnen und diskutieren können.
4. Variablentypen kennen und Unabhängigkeit verstehen
Ganz einfach und greifbar lässt sich vermitteln, dass es verschiedene Variablentypen gibt und dass die Kenntnis des Variablentyps wichtig für die Auswahl der passenden statistischen Verfahren ist. Meist reicht es, wenn man zwischen den Messniveaus metrisch, ordinal und nominal unterscheidet. Es sollte zudem noch angesprochen werden, dass es Grenzfälle gibt wie Likert-Items oder Besonderheiten wie Überlebenszeiten.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der häufig unter den Tisch fällt, ist die von den meisten statistischen Methoden vorausgesetzte Unabhängigkeit der Messungen. Es wird in den meisten Analysemethoden davon ausgegangen, dass die einzelnen untersuchten Fälle (z.B. Probanden) voneinander unabhängig sind. Diese Annahme kann nicht bestehen, wenn es sich um hierarchische Daten handelt, z.B. Messungen an Schülern sowohl aus der gleichen Klasse als auch aus unterschiedlichen Klassen. Dann sind sich die Schüler aus der gleichen Klasse ähnlicher als die aus verschiedenen Klassen und dies führt zu teilweise verbundenen Daten. Solche Daten benötigen besondere Analysemethoden wie z.B. lineare gemischte Modelle.
Komplett verbundene Datensätze, wie z.B. eine Messwiederholung über die Zeit, ist auch mit klassischen Analysemethoden gut umsetzbar und stellt kein Problem dar. Hier muss nur darauf geachtet werden, dass die passende Methode für verbundene Daten ausgewählt wird.
5. Auf Voraussetzungen achten
Natürlich braucht kein Anwender alle statistischen Methoden mit allen zugehörigen Voraussetzungen komplett zu kennen. Ein Einsteiger sollte aber wissen, dass die meisten Signifikanztests und statistischen Modelle bestimmte Voraussetzungen an die Daten stellen und dass diese vom Anwender geprüft werden müssen.
Zum Einstieg kann man dafür zum Beispiel auf die Normalverteilung und deren Überprüfung eingehen, da diese bei zahlreichen statistischen Methoden zu untersuchen ist.
Ziel ist, dass die Anwender dafür sensibilisiert werden bei der Durchführung der Statistik auf die Prüfung und Einhaltung der jeweiligen Voraussetzungen zu achten.
6. Statistiksoftware kennen
Um die Analyse selbst rechnen zu können, müssen die Studierenden eine Statistiksoftware benutzen. Es gibt verschiedene Software mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Kosten, Zugänglichkeit und Funktionen.
Wichtig ist, dass den Studierenden klar ist, dass sie eine Statistiksoftware benötigen. Um Zeit während der eigentlichen Auswertung zu sparen und Fehler zu vermeiden, lohnt es sich, sich schon vorab mit der Software in den Grundzügen vertraut zu machen.
Fazit
Wenn Sie es schaffen, Ihren Studierenden diese sechs Punkte zu vermitteln, bereiten Sie sie gut auf den Einstieg in das quantitative Forschen vor. Das erste quantitative Projekt Ihrer Studierenden wird ihnen leichtfallen und sie werden dieses Wissen für alle weiteren Projekte nutzen, dort erweitern und vertiefen.
Wenn Sie selbst oder Ihre Studierenden Ihr Statistikwissen vertiefen wollen und sich eine große Portion Motivation und Fokus für Ihr Projekt holen möchten, dann machen Sie mit bei der gratis, online Statistik-Challenge von 11. bis 13. Mai 2020. Anmeldung hier möglich: https://statistik-und-beratung.de/statistik-challenge/
Daniela Keller, Statistikexpertin
Einen früheren Gastbeitrag von Daniela Keller finden Sie hier: Statistische Irrtümer vermeiden