Beyerbach – Recht gut

Beyerbach, Hannes (2019): Die juristische Doktorarbeit. Ein Ratgeber für das gesamte Promotionsverfahren, 3. Aufl., München: Vahlen.

21,90 Euro

Inhaltsübersicht:

§ 1 Einleitendes zur Dissertation

§ 2 Die verschiedenen Phasen des „Projekts Dissertation“

§ 3 Von der Idee zur Gliederung

§ 4 Wissenschaftliches Schreiben

§ 5 Richtiges Zitieren

§ 6 Abschluss des Verfahrens: Endredaktion, mündliche Prüfung und Publikation der Arbeit

§ 7 Das Betreuungsverhältnis

 

Recht gut

Bereits in der 3. Auflage ist Beyerbachs „Die juristische Doktorarbeit“ in diesem Jahr erschienen. Das ist ja zunächst einmal ein gutes Zeichen, vor allem da es kein Massenthema behandelt. Der Autor scheint also einiges richtig gemacht zu haben. Bei der Lektüre wird schnell klar, wieso das Buch mehr als recht gut ankommt: Es ergründet den Erstellungsprozess einer rechtwissenschaftlichen Doktorarbeit mit großer Fach- und Sachkenntnis bis ins letzte Detail. Dabei gelingt dem Autor eine ansprechende Mischung aus allgemeingültigen Tipps und persönlichen Empfehlungen.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Mit fast 300 Seiten handelt es sich um einen sehr ausführlichen „Ratgeber für das gesamte Promotionsverfahren“ (Untertitel). Es geht also nicht nur um das reine Verfassen der Arbeit, sondern auch um die vor- und nachgelagerten Schritte wie Themenfindung einerseits und die abschließenden Schritte wie Präsentation und Publikation der Arbeit andererseits.

Das Buch ist aus Sicht einer nicht juristisch vorgebildeten Person „anders“: Das Literaturverzeichnis steht vor dem Text, die Kapitel sind nicht nummeriert, sondern mit Paragraphen versehen und der Text als solcher trägt eine Referenznummer an jedem Abschnitt. Letzteres hat nicht nur einen gewissen Charme, sondern ist auch noch nützlich, wenn man sich bei Querverweisen schnell orientieren möchte. Auch die Sprache ist doch deutlich juristisch geprägt, was sich an einigen lateinischen Wendungen und Fremdwörtern wie zum Beispiel „konzedieren“ zeigt, das zumindest in meinem persönlichen Umfeld niemand im aktiven Gebrauch hat. Lesefreundliche Strukturierungselemente wie Abbildungen sucht man leider vergeblich, ab und an sind jedoch farblich abgehobene Übersichtskästen und Beispiele zu finden, die den Text auflockern.

Das Schlusskapitel (§ 7) über das Betreuungsverhältnis wirkt wie ein Fremdkörper, wie Beyerbach selbst feststellt, da es erst in der 2. Auflage hinzugefügt wurde. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, auch wenn es sich schlecht in die Gliederung einpassen lässt, deren Kapitel 1 bis 6 eben den Weg zur abgeschlossenen Promotion abbilden.

Der lange Schreibprozess beim Promovieren

Beyerbachs Arbeitsweise stellt seine eigene Arbeitsweise ausführlich dar und gewährt somit einen interessanten Blick „hinter die Kulissen“. Er arbeitet ziemlich traditionell: ein klassischer, streng linear vorgehender Planer, der die zu verarbeitende Literatur ausdruckt und in Ordnern abheftet. Eine Literaturverwaltungssoftware kommt nicht zum Einsatz. Ein solches Vorgehen ist natürlich umsetzbar, aber es stellt sich die Frage, ob es noch zeitgemäß ist. Doktoranden, die nicht so viel Disziplin an den Tag legen wie der Autor, könnten mit dieser Arbeitsweise in Schwierigkeiten geraten.

Ein ausführliches Kapitel zum Zitieren in juristischen Arbeiten ist Teil des Ratgebers, weil dieses Thema nach Beyerbachs Erfahrung immer wieder Fragen aufwirft und weil Vorwissen, insbesondere über die vielen Spezialfälle, nicht einfach vorausgesetzt werden kann.

Free your mind – or rather not?

Höchst erfreulich finde ich, dass Beyerbach sich mit „Schreibliteratur“ auseinandergesetzt hat, was wohl eher wenige Fachlehrend bisher getan haben. Hier tauchen im Literaturverzeichnis u.a. Werke von Peter Elbow, Otto Kruse und Lutz von Werder auf.

Mit dem Freewriting hadert der Autor ein wenig. Er empfiehlt es zwar als Fingerübung. Es scheint ihm jedoch suspekt zu sein, wenn sich jemand all zu frei seinem Thema oder seiner täglichen Schreibetappe annähert. Ebenso ist es ihm fremd, einen Text in mehreren Überarbeitungsgängen zu verbessern.

Mein Fazit

Beyerbachs „Die juristische Doktorarbeit“ habe ich vor allem aus zwei Gründen sehr gern gelesen. Erstens habe ich vieles über die Welt der Rechtswissenschaft erfahren. Zweitens scheint im geschriebenen Wort die Person des Autors immer wieder durch. Das unterscheidet das Buch von all den trockenen Abhandlungen zum wissenschaftlichen Arbeiten.

Der wenig enthusiastische Titel der Rezension, „Recht gut“, ist nur meiner Vorliebe für flache Wortspiele geschuldet.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Das Buch richtet sich sowohl an Studierende der Rechtswissenschaft mit einem festen Promotionsvorhaben als auch an jene, die noch mit der Entscheidungsfindung befasst sind. Sollte den Doktoranden in spe jedoch das planende Schreiben wirklich nicht liegen, ist ihnen die parallele Lektüre eines Schreibratgebers anzuraten, in dem alternative Wege zum fertigen Text vorgestellt werden.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Für den Einsatz in der Lehre ist das Buch nicht gedacht. Ich könnte mir vorstellen, dass es vielmehr in der Beratung für all jene hilfreich ist, die mit einem anderen fachlichen Hintergrund Doktoranden der Rechtswissenschaft begleiten. Sie können nach der Lektüre besser nachvollziehen, was in juristischen Doktorarbeiten verlangt wird und auf welche Stolpersteine die Ratsuchenden stoßen könnten.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

 

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„Traumhafter Höhepunkt des Studiums statt traumatischer Höhepunkt“: Interview mit Silvio Gerlach, Teil 2

Dieser Beitrag ist der 2. Teil des Interviews mit Silvio Gerlach. Falls Sie Teil 1 noch nicht gelesen haben, geht es hier entlang.

 

Sie bieten auch eine Art Themenbörse. Das ist natürlich eine gute Sache. Woher kommen denn die Themen? Nehmen wir einfach einmal das Thema Forschendes Lernen als Beispiel. Ich kann mir das gerade in der Praxis noch gar nicht vorstellen.

Die Themen kommen von unseren Themen-Kuratoren. Das sind Experten in einem Fach. Wir arbeiten dabei mit Themenmustern. Die Muster sehen in der Anwendung z.B. so aus:
„Erfahrungen mit dem Konzept Forschendes Lernen in deutschen Hochschulen – eine empirische Analyse von Fallbeispielen“ oder „Barrieren der Einführung des Konzepts Forschendes Lernen in Hochschulen – eine systematische Analyse“.
Es gibt recht viele solcher Muster, über 30, die stimmig sind und sich methodisch sehr gut greifen lassen. Das ist wichtig für die Klarheit über das Vorgehen. Und damit für die Motivation der Forscher bzw. Schreiber. Denn jedes Thema wird begleitet von einem Online-Guide, je nach Art der Arbeit und Art der Analyse.

Mit unserer Themenbörse können wir vielen Thesis-Schreibern einen echten Auftrag geben und damit ganz unbürokratisch Forschungsprojekte anstoßen. Peer-Themen sind natürlich auch sinnvoll.

Klar ist ein Themen-Template ein Frame. Aber irgendwo müssen wir anfangen. Sonst schaffen wir es nie, dass die Thesis endlich ein traumhafter Höhepunkt des Studiums statt ein traumatischer Höhepunkt wird.

Wie geht es dann weiter?

Ich habe die obigen Themen in unsere Themenbörse eingestellt: https://aristolo.com/search/topic?q=hochschule. Die Suchfunktion wird noch weiter verbessert. Und natürlich werden wir weiter viele schöne Themen eintragen.

Sie haben schon sehr viele Personen bei deren Arbeiten begleitet. Wie kann ich mir das praktisch vorstellen?

Praktisch ist das ein ausgedehnter Workshop. Es gibt einen Gesamtplan, und wir besprechen immer nur konkrete Probleme wie ein bestimmtes Modell oder die Methoden für die Datenerhebung oder den Umgang mit bestimmten Modellen aus Quellen. Das ist sehr unterschiedlich, je nach Coachee. Auffällig ist aber, dass die Probleme zu 80% methodischer Natur sind und nicht inhaltlicher Natur. Das WIE ist wichtiger als das WAS. Wie das schon im Faust Teil 2 heißt: „Das Was bedenke, mehr bedenke WIE“. Das unterstreicht auch, dass die Coachees ihre Diss selbst erstellen. Schließlich dringen sie auch tiefer in ein Gebiet ein als irgend jemand sonst auf der Welt.

Bilden Sie auch Experten aus, die nach Ihrer Methode arbeiten?

Andere in Dissertation Coaching auszubilden ist sehr schwierig. Aber ich denke, dass wir das auf der Basis unseres Online Guides angehen können. Im Moment arbeiten wir daran, den Guide mit Algorithmen smart zu machen. Man kann damit die Kongruenz von Thema, Leitfrage, Ziel und Gliederung automatisch prüfen lassen. Das ist die Zukunft.

Ist das wirklich Coaching, so wie Sie es nennen? Sind Sie ausgebildeter Coach, oder muss man das gar nicht sein?

Ich bin ein Fach- und Methoden-Coach und sehe mich vor allem als Sparringspartner. Wie schon gesagt, meine Coachees sind selbst Experten in ihrem Fach, viel mehr als ich das je sein werde.

Sehr gerne leite ich meine Coachees mit einfachen Fragen auf den richtigen Weg. Dazu gehört am Anfang übrigens immer die Frage: Was ist eigentlich XY? Und XY ist der Hauptbegriff. Da kommt manchmal zu wenig Griffiges. Dann arbeiten wir daran. Ich bin ein großer Fan von Definitionen. Sie helfen, das Projekt in den Griff zu kriegen.

Eine Ausbildung zum Coach habe ich nicht. Aber schon in der 5. Klasse habe ich Nachhilfe gegeben, in Mathe und Geschichte und Deutsch. Dann war ich im gesamten Studium Nachhilfe-Lehrer und Tutor und Repetitor. Das hat mich geschult. Wenn Menschen Geld für eine Leistung bezahlen, die sie gleich nebenan in der Uni oder Schule kostenlos bekommen können, dann muss man sich was einfallen lassen und was anbieten… Der Sprech-Coach aus „The Kings Speech“, Lionel, der jungen traumatisierten Soldaten half, wieder normal sprechen zu können, ist ein gutes Beispiel dafür, dass dieser Weg funktioniert. Aber natürlich habe ich sehr viel über meine Arbeit reflektiert. Ich bekomme ja auch immer unmittelbar Feedback von meinen Coachees.

Wie sind die Preise gestaltet? Wie kann sich ein Studierender oder Doktorand das leisten?

Mein Coaching ist nicht günstig. Aber die gesparte Zeit ist weit kostbarer, was Lebensqualität angeht, aber auch real, ganz praktisch gesehen als Verdienstausfall. Die Kosten sind natürlich abhängig vom Aufwand und vom Ziel. Das ist immer individuell und lässt sich nicht pauschal sagen.

Wie nahe bewegen Sie sich am Rande der Illegalität? Inwiefern greifen Sie in die Arbeiten Ihrer Kunden ein?

Ich bin mit Leib und Seele Diss Coach und Thesis-Coach. Eine Stunde Coaching zieht zwischen 20 und 40 Stunden Arbeit für den Coachee nach sich. Damit ist zweifelsfrei klar, wessen Arbeit das am Ende ist, oder?

Was sind Ihre nächsten Ziele mit dem Buch und Ihrem Online-Service Aristolo?

Wir wollen wissenschaftliches Arbeiten von seinem schlechten Image befreien. Wissenschaftliches Arbeiten ist für alle, nicht nur für Wissenschaftler. Und es kann Spaß machen, wenn es klappt und man neue Erkenntnisse gewinnt. Deshalb ist auch unser Motto: Enjoy Research!

Am liebsten würde ich das sperrige Wort wissenschaftliches Arbeiten durch Analysieren ersetzen. Denn das ist der Kern des wissenschaftlichen Arbeitens, Analysieren. Das ist die wesentliche Technik, die wir ja auch im richtigen Leben brauchen und jeden Tag viele Male anwenden.

Unser großes Ziel ist, die vielen Millionen Stunden des Thesis-Schreibens für gute Zwecke zu nutzen, nämlich relevante Themen zu bearbeiten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Was relevant ist, entscheidet natürlich das Leben, kein einzelner. Am Ende stehen dann Tausende neue Bücher und Ebooks, die für alle zugänglich sind und die Welt besser machen.

Herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!

Silvio Gerlach, Diplom-Volkswirt. Studierte Außenpolitik in Potsdam und Moskau und VWL in Marburg und Córdoba/Argentinien. Gründer und Leiter des Studeo Verlages (seit 2002), der Studeo Repetitorien (von 1995 bis 2002) und des Studeo Coachings für Thesis und Dissertation (seit 2003). Er will jedem Studierenden einen Monat bei seiner Thesis sparen und jedem Promovierenden ein ganzes Jahr.

Studeo Group, Berlin
Thesis Coaching www.studeo.de
Thesis Guide www.aristolo.com

„Traumhafter Höhepunkt des Studiums statt traumatischer Höhepunkt“: Interview mit Silvio Gerlach, Teil 1

 Ein Interview mit Silvio Gerlach

Das Interview mit Silvio Gerlach, dem Autor des Diss Guide und des Thesis Guide, lesen Sie aufgrund der Länge auf zwei Seiten.

Teil 1: Diss Guide, Promotion
Teil 2: Themenbörse, Coaching

Herr Gerlach, Sie haben ein Buch veröffentlicht namens „In 200 Tagen zur Diss“, das ich auch rezensiert habe. Nun bin ich kein Fan von Patentrezepten und des „Quick ’n dirty“-Ansatzes. Der Titel hat mich, offen gesagt, erst einmal in eine ziemlich falsche Richtung denken lassen.

Danke, dass Sie das so offen ansprechen. Sie wissen natürlich, dass ein knackiger Titel wichtig ist. Interessant ist aber, dass am Ende auch in fünf Jahren kaum mehr als 2.000 Stunden effektives Arbeiten an der Diss zusammenkommen. Ein Tag pro Woche im Durchschnitt. Das können viele interne Doktoranden bestätigen. In manchen Monaten kommen sie gar nicht zum Schreiben. Oder sie schieben es vor sich her, weil eine Diss eben nicht trivial ist.

Zur Qualität: Wenn das Ziel der Diss, nämlich die gewünschten neuen Erkenntnisse, auf Basis eines gründlichen Reviews frühzeitig klar formuliert und operationalisiert sind und auch methodisch erreichbar sind, dann ist doch egal, wie lange jemand dafür braucht. Solange das Ergebnis den formulierten Anforderungen genügt, ist der Zeitrahmen sekundär. Von dieser Maxime gehe ich keinen Millimeter ab! Was nützt ein schnell gebautes Haus, wenn es darin zugig ist und die Heizung im oberen Stockwerk nicht wärmt.

Unsere 60 Sprints sind nichts für Kandidaten, die an der Oberfläche bleiben wollen. Das ist viel zu viel Arbeit!

Auf dem Markt gibt es jede Menge Ratgeber, die eine Diss in wenigen Wochen versprechen. Aber natürlich machen die sich nicht die Mühe einer konkreten Aufstellung der Schritte wie sie unser Diss Guide enthält.

Sie haben selbst noch nicht promoviert. Wie entstand das Buch?

Ich bin dabei, kumulativ zu promovieren, über Barrieren für wissenschaftliches Arbeiten. Nur gibt es da so viele Baustellen und folglich Themen. Ich verbinde das Promovieren mit dem Bau unseres Online Guides.

Das Buch ist die große Schwester des Thesis-ABC „In 31 Tagen zum Text“. Seit vielen Jahren bin ich Coach für wissenschaftliches Arbeiten. Mit der Zeit kamen immer mehr Doktoranden, und ich merkte, dass ich ihnen helfen kann, obwohl ich selbst noch nicht den Titel hatte.

Ich bin Volkswirt und habe auch einige Semester Außenpolitik studiert, mit Schwerpunkt Geschichte der internationalen Beziehungen. Mein Spezialfach an der Uni Marburg war „Wissenschaftstheorie und Dogmengeschichte“ bei Professor Wilhelm Meyer. Auf das Fach hatten nur wenige Lust. Wir waren eine kleine Gruppe in der Vorlesung, also war das recht intensiv. Eher ein Bootcamp als eine Vorlesung. Wir nudelten ein Modell nach dem anderen durch, von allen möglichen Nobelpreisträgern in Wirtschaft. Das war hart, aber eine gute Schule im Denken. Nach meiner Erfahrung ist ein Modell der Anfang und das Ende von wissenschaftlichem Arbeiten. Das wird aber viel zu wenig an den Hochschulen trainiert, vermutlich weil das wirklich nicht im Vorbeigehen zu schaffen ist. Da muss man tief einsteigen. Ich liebe so was.
Aristoteles, der Vater der Wissenschaft, war einer meiner Helden. Deshalb heißt mein Online Guide übrigens auch Aristolo.com. Wir wollen Aristoteles stolz machen.

Die Inhalte im Diss Guide kommen direkt aus meinem Erfahrungsschatz mit vielen Thesis-Schreibern und Doktoranden. Das sind Antworten, die ich schon viele Male gegeben habe und die praktisch zum Ziel geführt haben. Ich würde meinen Ansatz als eine Art Technologie bezeichnen. Das erklärt auch die zeitliche Komponente. Schließlich hilft uns Technologie überall im Leben, Zeit zu sparen.

Heißt das im Umkehrschluss, die konventionelle Betreuung von Doktoranden durch deren Professoren und Professorinnen hat versagt?

Nein, es gibt jede Menge gute Betreuung. Und auch inspirierende Umgebungen. Aber mit der Betreuung ist es wie beim Arzt, es ist nie genug Fürsorge, nie genug Anteilnahme. Immer wünscht man sich mehr davon. Aber es ist ein Geben und Nehmen. Die Betreuenden müssen auch besser „behandelt“ werden. Die Vorbereitungen von Konsultationen müssen viel besser werden. Man muss vorgearbeitet haben, dann wird die Betreuung auch besser. In vielen unserer Sprints wird explizit auf die Konsultationen Bezug genommen. Übrigens ist die Nachbereitung noch wichtiger. Warum soll ein Betreuender sich beim nächsten Gespräch ins Zeug legen, wenn vom letzten Mal gar kein Feedback kam? Meine Coachees schreiben immer ein Protokoll von Gesprächen mit konkreten To Dos. Das macht einen guten Eindruck und bringt das Projekt voran.

Mein Ziel mit dem Diss Guide ist, eine erprobte Vorgehensweise anzubieten und viele unnötige Fragen und Diskussionen mit Betreuern abzukürzen oder sogar zu vermeiden. Promovierende können sich mit dem Buch viele technische und organisatorische Fragen selbst beantworten. Zum Beispiel wird ein Literature Review in der Masterarbeit oft noch nicht verlangt. Also macht man ihn während der Diss zum ersten Mal. Im Buch steht alles Wichtige dazu.

Das Arbeiten mit Modellen ist sehr zeitaufwändig. Da müssen die Betreuenden eine gute Vorbereitung erwarten, damit in der Sprechstunde was rauskommt. Auch das behandelt der Guide ausführlich.

Was ist mit strukturierten Promotionsprogrammen? Da müsste es doch eigentlich besser laufen. Oder fehlt dort auch etwas?

Nun, ich habe schon einige Promovierende aus solchen Programmen betreut. Das läuft schon strukturierter ab. Aber wenn es um die Tiefe geht, dann fehlen auch dort die Werkzeuge. Unser Diss Guide hilft dabei, sich gut auf die tiefer gehenden Etappen vorzubereiten.

 

Hier geht es weiter zu  Teil 2.

Gerlach: Gnadenloser Pragmatismus

Silvio Gerlach (2017): In 200 Tagen zur Diss. Der Diss Guide. Berlin: Studeo Verlag.

Preis: 39,95 Euro

Inhaltsverzeichnis

Meilenstein 1: Ziel und Motiv sind klar!

Meilenstein2: Thema und Frage sind gefunden!

Meilenstein 3: Design und Exposé sind fertig!

Meilenstein 4: Kapitel Theorie, Forschungsstand und Modell sind fertig!

Meilenstein 5: Forschungsplan ist fertig!

Meilenstein 6: Daten sind gesammelt und analysiert!

Meilenstein 7: Kapitel Ergebnisse ist fertig!

Meilenstein 8: Dein Text ist fertig und gedruckt!

Meilenstein 9: Verteidigung ist geschafft!

Meilenstein 10: Publiziert! Du bist Frau Dr./Herr Dr.!

 

Gerlach: Gnadenloser Pragmatismus

Oha, Silvio Gerlachs Ratgeber will laut Klappentext „jedem Diss-Schreiber 1 Jahr sparen“.

Mit einer ordentlichen Portion Skepsis beginne ich die Lektüre. Was steckt hinter einem solchen Spruch? Will hier jemand einfach sein Buch gut verkaufen? Auch der Titel lenkt ja in eine ähnliche Richtung: „In 200 Tagen zur Diss“ – da beginne ich hochzurechnen… Ein Arbeitsjahr hat etwa 250 Arbeitstage, das wäre ja dann sehr schnell. Allerdings haben Doktoranden üblicherweise noch andere Verpflichtungen. Nehmen wir das mit ins Kalkül, bleibt die Berechnung dennoch weit, sehr weit unter der durchschnittlichen Bearbeitungszeit für eine Dissertation.

Techie

Der Autor treibt den Leitspruch „Schreiben ist Handwerk“ auf die Spitze: Mit der richtigen Technologie kommen alle ans Ziel. Seine baut auf Meilensteine und Sprints sowie die Mikrofragentechnik beim Schreiben auf. Die sehr stark vereinfachende Vorgehensweise vermittelt nun vielleicht den Eindruck, es gehe streng nach Schema F. Aber es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Schleifen im Prozess durchaus möglich und manchmal sogar nötig sind.

Sprachlich kommt der Text locker, direkt und motivierend daher. Der verstärkte Einsatz von Ausrufungszeichen ist sicher nicht jedermanns Geschmack, und die doch überdurchschnittlich vielen Flüchtigkeitsfehler haben meine Lesefreude zudem sehr getrübt. Gerlach wechselt häufig zwischen kurzen Fließtextpassagen, Aufzählungen und Überblickstabellen, was das schnelle Erfassen des Inhalts fördert. Bei manchen dieser verknappt dargestellten Informationen fehlen jedoch zum besseren Nachvollziehen die Begründungen, was mit mehr Fließtext wahrscheinlich nicht passiert wäre.

Da der Ratgeber allgemeingültig sein soll, bleibt er in Bezug auf die Inhalte und Beispiele auf einer eher oberflächlichen und daher gut verständlichen Ebene. So können Promovierende die Übertragung auf ihre eigenen Inhalte individuell vornehmen. Hinsichtlich der Methoden (Fragebogen-Erstellung und Datenauswertung in Sprint 34 und 39) hätte ich mir dann mehr Tiefgang gewünscht, was wohl allerdings den Rahmen des Buches sprengen würde. In der derzeitigen Ausgestaltung erfüllt es jedoch keinen echten Zweck. Denn a) sollte vieles davon der Zielgruppe schon bekannt sein und b) sollte sie in ihren eigenen Arbeiten über dieses Niveau hinausgehen. Vermutlich erzeugt die Lektüre dieser Kapitel bei den Promovierenden ein gutes Gefühl von „Ich weiß das schon!“ bzw. „ich weiß das viel besser!“, womit ihnen ja auch geholfen wäre.

Ich könnte noch etliche Punkte ausführen, die mir nicht zu 100 Prozent zusagen. So finde ich beispielsweise einige der Schreibtipps fragwürdig, ebenso die Mustergliederung. Negativ fällt mir auch der bis auf eine Ausnahme fehlende Bezug auf Quellen und andere Ratgeber auf.

Aber stopp. Ich führe das eben nicht weiter aus. Denn jetzt kommt es: Meine große Skepsis vom Anfang ist mittlerweile einem Anflug von Begeisterung gewichen. Warum? Ich mag es, wenn jemand das Bewährte herausfordert und dabei mit Mythen und vermeintlichen Weisheiten aufräumt. Das tut Gerlach. Das Buch hat mir gedanklich einen großen, kräftigen Tritt in den Allerwertesten gegeben. Darüber freue ich mich sehr.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Zwei Personengruppen kann ich mir als potentielle Leserschaft vorstellen: alle, die mit dem Gedanken an eine Promotion spielen, und alle, die am Anfang des Promotionsprozesses stehen.

Sicher gibt es bestimmte Schreibertypen, denen die von Gerlach vorgeschlagene Herangehensweise gut gefällt. Ich weiß nicht genau wieso, aber ich habe hier witzigerweise sehr selbstsichere Männer vom Typ „Macher“ vor dem inneren Auge. Jemand, der schnell Ergebnisse sehen will, und nicht lange alle möglichen Alternativen prüft und abwägt und noch einmal intensiv nachdenkt, bevor er eventuell…

Wahrscheinlich tut das Buch aber auch jenen gut, die zum Grübeln und Zaudern neigen. Sie erhalten eine klare Richtlinie. Von der weichen sie beim Anfertigen ihrer Dissertation eventuell etwas ab. Das halte ich immer noch für besser, als gar keine Orientierung zu haben. Gerade Doktoranden sehen ja oft den Wald vor lauter Bäumen nicht, weil sie sehr viel Detailwissen anhäufen und gleichzeitig den Anforderungen aus dem Umfeld gerecht werden wollen. Mit dem vorliegenden Buch nehmen sie das Heft selbst in die Hand.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Manche Lehrenden könnten sich davon inspirieren lassen und damit für ihre Doktoranden das Leben leichter machen, anstatt es zu verkomplizieren.

Vielleicht möchten Sie ja Ihre bisherige Herangehensweise in Frage stellen? Dann wäre dieses Buch eine hervorragende Einstiegslektüre.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!