Wissenschaftliches Arbeiten lehren

.

Neuesten Beitrag lesen

Ein Blog für Lehrende

Wie kann ich Ihnen helfen?

Blogartikel

Erfahrungen, Einblicke und ein bisschen Ernüchterung nach einigen Jahren Lehre "Wissenschaftliches Arbeiten"

Materialien

Probieren geht über studieren: Ideen für Übungen, die die Studierenden selbst lösen müssen.

Literatur

Bücher, Links und Apps zum Wissenschaftlichen Arbeiten gibt es viele - für Studierende. Aber welche eigenen sich für die Lehre?

Was alle Lehrenden über Patente wissen sollten

Ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Wolfgang Hahnl

Wissenschaftliches Arbeiten beginnt bekanntlich mit einer Aufgabenstellung und der damit verbundenen Auswertung dokumentierten Wissens. Das Ziel besteht darin, durch neue Ideen zum Erkenntnisgewinn beizutragen. Das gilt für jede Wissenschaftsdisziplin, und damit auch für die technischen Wissenschaften. Die schöpferischen Leistungen der technischen Fachdisziplinen münden früher oder später in neue Produkte, Maschinen, Verfahren und Einrichtungen.

Doch in der Technik liegt dokumentiertes Wissen nicht nur in Büchern oder Fachartikeln vor, sondern vor allem auch in der Patentliteratur. Dieser Literaturzweig ist aufgrund seiner juristischen Beschreibungsweise selbst für Techniker schwer verständlich und wird daher leider zu selten in die wissenschaftliche Auswertung einbezogen.

  1. Bedeutung von Patentdokumenten für die wissenschaftliche Arbeit

 Derjenige, der eine Erfindung beim Deutschen Patent- und Markenamt einreicht, muss sie nach § 34 PatG so deutlich und vollständig darstellen, dass sie ein Fachmann ausführen kann. Wird die Erfindung nicht vollständig offenbart, weist das Patentamt die Anmeldung zurück. Auch der naheliegende Stand der Technik ist nach bestem Wissen vollständig zu beschreiben.

Diese gesetzlichen Anforderungen machen ein Patentdokument so wertvoll für die Gewinnung von Fachinformationen und definiert es als „Lehre zum technischen Handeln“ (BGH GRUR 65, 533, 534).

Die Lösung technischer Aufgabenstellungen wird in Patentdokumenten immer im Zusammenhang von Mittel/Merkmal/Ursache und Wirkung anhand mindestens eines Ausführungsbeispiels klar dargestellt.

Im Stand der Technik werden naheliegende technische Lösungen zitiert.

In manchen Datenbanken werden sogar Verknüpfungen zu den Dokumenten hergestellt, die das gerade betrachtete Dokument zitieren.

Beides kann ein Entwickler aufgreifen, um ergänzende Hintergrundinformationen zu gewinnen.

Erfindungen werden 18 Monate nach ihrer Einreichung vom Patentamt offen gelegt. Von diesem Zeitpunkt an kann jeder die Dokumente einsehen.

Die Veröffentlichung technischer Lösungen erfolgt durch Patentdokumente meist wesentlich eher als durch jeden anderen Fachartikel.

Eine Recherche in den Patentdatenbanken bietet unter anderem die Möglichkeit

  • den Stand der Technik zu erfassen,
  • Informationen über neue Entwicklungstrends zu erhalten oder
  • seinen Wettbewerb zu beobachten.

Zusätzlich können Sie sich regelmäßig über Neuheiten Ihres Fachgebiets informieren lassen.

Patentämter bieten entsprechende Dienste kostenlos an.

  1. Patente als Quellenangabe

Wollen Sie ein Patentdokument in Ihr Quellenverzeichnis aufnehmen, genügt die Angabe der Patentnummer, z. B. DE 10 2009 032 A1.

Am Anfang steht der Ländercode (DE für Deutschland), gefolgt vom länderspezifischen Aktenzeichen und dem Schriftartcode A1 (A1 für Offenlegungsschrift). Damit ist jedes Dokument eindeutig identifizierbar. Jeder kann eine so gekennzeichnete Quelle leicht in der Patentdatenbank des jeweiligen Landes finden.

  1. Patentdatenbanken – komplizierter als die Suche im Web

Jedes Land besitzt ein eigenes Patentamt. Jedes Patentamt archiviert eine große Anzahl von Patentdokumenten. Die weltweiten Archive der Patentämter sind nicht deckungsgleich.

Allein das Deutschen Patent- und Markenamt verfügt über mehr als 80 Mio. Patentdokumente.

Das betrifft 80 Mio. Ideen, technische Lösungen und Handlungsanweisungen.

Eine Recherche in diesen Datenbanken ist komplizierter als die Suche im Web. Die Patentdatenbanken jedes Landes verwenden eigene Suchvariablen und Syntaxen. Mit etwas Grundwissen, den richtigen Werkzeugen und einer angemessenen Suchstrategie findet man die Nadel im Heuhaufen.

  1. Über die Ablagestruktur von Patenten

 Das gesamte Gebiet der Technik ist systematisch strukturiert. Die Struktur wird als Internationale Patentklassifikation (IPC) bezeichnet. Verantwortlich für die Herausgabe und ihre ständige Aktualisierung ist die Weltorganisation für geistiges Eigentum, auf Neudeutsch: World Intellectual Property Organisation (WIPO).

Die IPC enthält 70.000 Unterteilungen. Die darauf aufbauende Deutsche Patentklassifikation (DEKLA) umfasst 110.000 Gliederungspunkte.

Jede Erfindung, die bei einem Patentamt eingereicht wird, wird im Rahmen der Vorprüfung mindestens einer dieser Gliederungspunkte zugeordnet.

Bevor man also eine Recherche nach dem Stand der Technik in den Datenbeständen der Patentämter startet, empfiehlt es sich, mit einer IPC-Recherche zu beginnen. Das ist eine Suche nach dem zutreffenden IPC-Symbol. Warum?

Bei der Beschreibung eines Erfindungsgedankens gehen Erfinder und Patentanwälte sehr ideenreich vor. Sie kreieren mitunter neue Wortschöpfungen, verwenden englische Bezeichnungen oder bevorzugen Oberbegriffe. Hierfür gibt es sowohl fachliche als auch taktische und/oder juristische Gründe. Aus einem Hammer wird sehr schnell ein Impulsgeber, ein Werkzeug für den Schmied, für den Dachdecker zum Einschlagen und Ziehen von Nägeln usw. Das macht die Recherche nur nach Suchbegriffen nahezu unmöglich.

  1. Warum sind Patentdokumente schwer verständlich

Patentdokumente werden meist von Patentanwälten unter juristischen Gesichtspunkten formuliert. Es geht um einen möglichst großen Schutzumfang und im Rechtsstreit meist um sehr viel Geld.

Doch wenn man sich erst einmal mit der Struktur von Patenten vertraut gemacht hat und weiß, dass neben üblichen Fachbegriffen auch Oberbegriffe oder neue Wortschöpfungen zur Anwendung kommen, gelingt durch regelmäßiges Üben wissenschaftliches Arbeiten auch mit dieser Literaturgattung immer besser.

  1. Wie sollte man Patentdokumente lesen, um sie besser zu verstehen

Patente unterliegen einer klaren Gliederung. Die Patentansprüche sind das Wesen eines Patentes. Beschreibung und Abbildungen dienen zur näheren Erklärung der Patentansprüche. Sie stellen das Lexikon für ein Patent dar.

Es empfiehlt sich, mit den Patentansprüchen zu beginnen. Das hilft bei der Entscheidung: Muss ich den kompletten Text (Patentschriften können schon einmal locker 30 Seiten und mehr umfassen) durcharbeiten oder ist das Dokument eher nicht zielführend.

  1. Bedeutung von Patenten für ein Unternehmen

Patente schützen Ideen. Der Schutzumfang ist zeitlich (so lange Patentgebühren bezahlt werden, maximal 20 Jahre) und räumlich (nur für das Land, für das ein Patent erteilt wurde) begrenzt.

Die eigentliche Zündkraft steckt in den §§9 und 10 PatG. Es ist allein dem Patentinhaber erlaubt, seine Erfindung zu nutzen. Er hat das Recht jedem Dritten zu verbieten, Produkte und/oder Verfahren, die durch das Patent geschützt sind, herzustellen.

Der Wert eines Patentes offenbart sich meist bei gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Geht man von einem Patentstreit zwischen Apple und Samsung aus, bei dem Apple für 5 Patentverletzungen durch Samsung 87 Mio. Euro zugesprochen bekam, betrifft das 17,4 Mio. pro Patent. (Zeit online (2014) Samsung muss Apple Schadenersatz zahlen, Zugriff: 31.08.2014)

In Deutschland beziffern sich die Streitwerte nicht ganz so hoch.

Offenlegungsschriften gelten als ungeschützte Patentdokumente und haben den materiellen Wert von 0 €. Achtung: Sobald aber das Patent erteilt wird, ändert sich die Sachlage.

Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BiMoG) erlaubt es Unternehmen, Patente als immaterielle Werte in die Bilanz aufzunehmen.

  1. Erfinder und/oder Eigentümer von Patenten

Jeder Erfinder, der bei einem Unternehmen fest angestellt ist, ist nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz verpflichtet, seinem Arbeitgeber die Erfindung unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Der Arbeitgeber entscheidet dann, ob er die Diensterfindung in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Nimmt er die Erfindung in Anspruch, ist er Eigentümer der Erfindung. Nimmt er sie nicht in Anspruch, steht es jedem Erfinder frei, seine Erfindung   selbst beim Patentamt einzureichen.

  1. Erfindung und Urheberrecht

 Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen, Sprachwerke, Schriftwerke, plastische Darstellungen, Reden und Computerprogramme sind geistige Schöpfungen und zählen gemäß § 2 UrhG zu den geschützten Werken.

Der Begriff der Erfindung ist laut Schulte, dem Standardwerk der Patentanwälte, ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung der Rechtsprechung und der Lehre überlassen werden.

Das einzige brauchbare Abgrenzungskriterium für die Erfindung gegenüber anderen geistigen Leistungen ist der Bezug zur Technik. Damit unterliegt es dem Patentgesetz und nicht mehr dem Urheberrechtsgesetz (UrhG).

  1. Neue Lösungsansätze durch die kombinierte Versuchs-und-Irrtum-Methode

 In der Literatur werden viele Methoden zur Lösung technischer Problemstellungen propagiert.

Ich halte die systematische Herangehensweise als eine Grundvoraussetzung, um auf wissenschaftlichem Weg neue Lösungsansätze, neue Lösungsideen zu erarbeiten.

Meine Methode bezeichne ich als „kombinierte Versuchs-und-Irrtum-Methode“ (kurz: koVIM).

Sie hat mir geholfen, bei verzwickten, widersprüchlichen technischen Problemstellungen Lösungen zu finden und zum Patent anzumelden.

 

Können Sie sich vorstellen, einmal mit Ihren Studierenden einen Ausflug in diese andere Art der Recherche zu wagen?

 

Über den Autor

HahnlWolfgang

Erfindungen und Patente faszinieren Dr.-Ing. Wolfgang Hahnl seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn. Er verfügt über mehr als 35 Jahre Erfahrung als Entwicklungsingenieur und hat 83 Erfindungen in Deutschland und den USA zum Patent angemeldet.

Seine Erfahrung hat Dr. Hahnl sowohl als nebenberuflicher Dozent und Betreuer von Diplomarbeiten weitergegeben als auch für die Projektleitung mehrerer von BMBF geförderter Verbundprojekte genutzt. Auch noch im Ruhestand betreut er seit 2013 ein vom BMWi gefördertes Projekt zur Nutzung von Strahlungswärme in der Stahlindustrie zur direkten Umwandlung in Elektroenergie mittels thermoelektrischer Generatoren.

In Dr. Hahnls Buch „Praktische Methoden des Erfindens – Kreativität und Patentschutz“ (Springer 2015) können Sie neben allen Informationen aus dem Artikel 35 Internetadressen öffentlich zugänglicher elektronischer Patentarchive, mit Beispielen für Syntax und Suchanfragen uvm. ausführlich nachlesen.

Weitere Informationen zum Autor finden Sie auch im XING-Netzwerk.

 

 

Achtung, Literatur: Warum in der Lehre der Umgang mit Literatur ein undankbares Thema ist

Wissenschaftliches Arbeiten ist ohne Literatur kaum denkbar. Für die Lehre bedeutet das: Bei der Vermittlung des entsprechenden Know-hows darf nichts schiefgehen. Nach den entsprechenden Unterrichtseinheiten sollen die Studierenden in der Lage sein, eigenständig Literatur zu recherchieren, aus der Trefferliste eine geeignete Auswahl zu ermitteln und diese Titel so zu erfassen, dass sie die Quellen beim Schreiben reibungslos weiterverarbeiten können.

In diesem Beitrag geht es also darum,

  • welche Punkte beim Thema Literaturrecherche unbedingt erwähnt werden müssen
  • wie die Studierenden lernen können, Literatur zu beurteilen und auszuwerten und
  • was zur Literaturerfassung zu sagen ist.

Während es relativ leicht ist, die Recherchetechniken zu vermitteln, stößt man bei den anderen beiden Punkten öfter mal auf Schwierigkeiten. Warum das so ist? Schauen wir es uns einmal Schritt für Schritt an.

Literaturrecherche: Wieso eine Checkliste?

Ergänzend zu der Auflistung in diesem Artikel  zeige ich hier eine kleinteiligere Liste von Punkten zur Literaturrecherche, die ich in jedem Kurs abdecken will. Die Checkliste hilft dabei, nichts zu vergessen. So einfach ist das. Selbstverständlich stehen die wichtigsten Punkte auf den Folien. Doch manchmal kommt einfach etwas dazwischen.

Ab und an entwickelt das Lehrgespräch eine eigene Dynamik, und es bietet sich an, die Themen spontan in einer anderen als der geplanten Reihenfolge durchzugehen.

Oder mitten im Thema ist die Zeit um (zum Beispiel, wenn Sie das vorgehende Thema schneller abschließen konnten und die restliche Zeit noch nutzen wollten).

Viele lehren auch in mehreren Kursen parallel, manchmal auch mit etwas Zeitversatz. Da sollte man dann schon wissen, was genau wo bereits gesagt wurde.

In all diesen Fällen bin ich froh, wenn ich den Überblick behalten und unkompliziert nachvollziehen kann, welche Punkte noch offen sind. Gerade bei so einem zentralen Thema wie der Literaturrecherche.

Hier ist sie, die Literaturrecherchenvermittlungscheckliste

Ist das nicht ein tolles Wort? Aber kümmern wir uns lieber um die Inhalte. Als Lehrende wissen Sie, was hinter den folgenden Punkten steckt. Ich erkläre deshalb nichts, sondern liste wirklich nur auf:

  • Vor- und Nachteile der pragmatischen Herangehensweise (auch bekannt als Schneeballsystem oder Methode der konzentrischen Kreise)
  • Vor- und Nachteile der systematischen Herangehensweise (Fachlexika, Handwörterbücher, Katalogsuche etc.)
  • Organisatorische Unterschiede Stadtbücherei – Universitätsbibliothek
  • Aufbau einer wissenschaftlichen Bibliothek (Präsenzbestand, Lehrbuchsammlung, Freihandbereich, Magazin, Zeitschriftensammlung etc.)
  • Vorlaufzeiten für die Ausleihe (durch Vorbestellung, durch eine eventuell nötige Vormerkung)
  • Richtige Verwendung von Suchbegriffen und Operatoren
  • Schlagworte, Suche über Schlagworte
  • Verhalten bei zu vielen Treffern
  • Verhalten bei zu wenigen Treffern
  • Arbeitserleichternde Möglichkeiten des OPAC (speichern, Liste verschicken, Daten exportieren)
  • Hinweis auf Schulungsangebot der UB (offline und online)
  • Karlsruher Virtueller Katalog (KVK)
  • Fernleihe
  • Datenbanksuche und Alternativen zur UB

Damit sollte das Wesentliche abgedeckt sein. Haben Sie weitere Punkte auf Ihrer Liste? Schreiben Sie sie gern in die Kommentare.

Literaturauswahl: Undankbare Themen, Teil 1

Sie stehen jetzt also an dem Punkt, an dem Sie Ihrem Kurs bereits erläutert haben, wie man nach allen Regeln der Kunst Literatur recherchiert. Eventuell haben Sie sogar gemeinsam der Bibliothek einen Besuch abgestattet.

Was danach kommt, finde ich schwierig zu vermitteln. Die Auswahl der passenden Literatur ist, gerade für Erstsemester (wo ich es oft unterrichte), ein heikles Thema. Als Anfänger versuchen die Studierenden gerade erst, sich im Wissenschaftsbetrieb zu orientieren, und jetzt müssen sie plötzlich Werke von den Etablierten des Faches auf deren Tauglichkeit prüfen.

  • Zum einen sollen die Studierenden die Nützlichkeit einer Quelle für ihre Fragestellung abschätzen. (Das klappt gerade noch so.)
  • Zum anderen sollen sie die Wissenschaftlichkeit der Quelle beurteilen. (Das geht bei den eindeutigen Fällen gut und ansonsten eher schlecht.) Wie sollen Neulinge ad hoc wissen, ob das vorliegende Werk von einem mittelmäßigen Populärwissenschaftler oder einer echten Koryphäe ihres (ihnen noch ziemlich neuen) Faches stammt?

Als Dozentin fühle ich mich an der Stelle ein klein wenig hilflos. Ich behelfe mir damit, den Studierenden eine, genau genommen zwei, Listen mit Auswahlkriterien an die Hand zu geben. Leider handelt es sich bei den Kriterien nur um bedenkenswerte Aspekte, und nicht um etwas, bei dem wir nach dem „Hop oder top“-Prinzip vorgehen dürften.

Jede Quelle durchläuft zwei Filter

Die Idee der zwei Filter bei der Beurteilung von wissenschaftlicher Literatur habe ich zu Beginn meiner Lehrtätigkeit von Brink (Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, mittlerweile 5. Aufl., 2013, Springer Gabler) übernommen und angepasst. Mit dieser Relevanzprüfung lässt sich die Menge an Treffern bei der OPAC-Recherche auf das Wesentliche reduzieren.

Beim ersten Filter versucht man herauszufinden, ob eine Quelle aus der Trefferliste überhaupt beachtet werden soll. Als Informationen steht alles zur Verfügung, was im Katalog oder auch online herausgefunden werden kann. Die Kriterien des ersten Filters lauten u.a.: Titel und Untertitel, Verfasser und Herausgeber, Erscheinungsjahr und Auflage, Verlag, Reihe und Inhaltsverzeichnis. Hält eine Quelle diesen Kriterien stand, wird sie ausgeliehen.

Beim zweiten Filter geht es dann darum, ob eine Quelle intensiv bearbeitet und in der eigenen Arbeit verwendet werden soll. Die Kriterien des zweiten Filters lauten u.a.: Klappentext und/oder Rückseite, Vorwort, Einleitung und Zusammenfassung, Geleitwort (bei Dissertationen), Literaturverzeichnis, Zitate und Rezensionen. Das ist bereits ein Vorgriff auf das Thema Lesetechniken, insbesondere das Kursivlesen, das vielerorts im Wissenschaftlichen Arbeit auch vermittelt wird.

(Wenn Sie mehr über die zwei Filter lesen wollen, empfehle ich Ihnen den Ratgeber von Brink. Dort ist alles genau geklärt, hier würde es den Rahmen sprengen.)

Für die Studierenden kommt bei diesem Thema ziemlich viel Neues auf einmal. Das macht die Sache nicht gerade leichter.

Literaturerfassung: Undankbare Themen, Teil 2

Das dritte Thema dieses Beitrags, das Erfassen von Literatur, halte ich vor allem bei Erstsemestern für fast genauso undankbar wie das Lehren der Literaturauswahl.

Bei einer Handvoll Quellen erschließt sich den Studierenden oft nicht die Notwendigkeit einer sauberen Erfassung. Der Zeitverlust hält sich in Grenzen, wenn man wirklich mal eine fehlende Angabe nachrecherchieren muss, und auch eine Verschlagwortung ist noch nicht nötig, wenn die Zahl der Quellen im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar bleibt. (Merken Sie, wie ich mich davor drücke, eine konkrete Zahl an Quellen zu nennen?)

Deswegen versuche ich an dieser Stelle einfach nur, bei den Studierenden das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass später einmal der Punkt kommen mag, an dem die Freude über eine lückenlose, saubere Erfassung der ausgewählten Literatur groß ist. Oder andersherum: dass man es anderenfalls verfluchen wird, nicht von Tag 1 der Recherche an alle Angaben zu einer Quelle notiert zu haben. Nämlich zum Beispiel in der Nacht vor dem Einreichen der Bachelorarbeit.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf erläutere ich, welche Angaben zu einer Quellen man sich auf jeden Fall notieren sollte (alle nötigen bibliographischen Informationen), welche man sich zur Arbeitserleichterung zusätzlich notieren könnte (Schlagworte, ggf. Abstract, aber auch Standort und Signatur) und welche technischen Möglichkeiten es dafür gibt. Was die Studierenden aus diesem Wissen machen, bekomme ich selten mit.

Wie lehren Sie den Umgang mit Literatur?

Blogpause bis 10. Januar

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Am 10. Januar geht es wie gewohnt weiter: Einmal wöchentlich finden Sie dann wieder einen neuen Beitrag zu allen Themen rund um die Lehre im Fach Wissenschaftliches Arbeiten.

 

Der BTDT-Effekt in der Lehre, und wie Sie gleich zu Semesterbeginn gegensteuern

Es gab einmal eine Gruppe, in der ich furchtbar auf die Nase gefallen bin. Das liegt schon einige Semester zurück, aber es ist mir lange nachgegangen.

Was war passiert?

Ich hatte eigentlich alles wie immer gemacht. Auf die bewährte Vorgehensweise gesetzt und die erprobten Übungen verwendet. Genau das war das Problem, wie sich später herausstellen sollte.

Im Laufe des Semesters wurde es immer unruhiger im Kurs. Die Zahl der Nebengespräche nahm zu, die Arbeitsaufträge wurden nur unwillig erledigt, auch wurden immer weniger Fragen an mich gerichtet. Kurzum: Es ging nicht mehr vorwärts. Ich erreichte die Studierenden nicht mehr.

Ich ließ es zu einem reinigenden Gewitter kommen. Daran konnte ein klärendes, konstruktives Gespräch mit der Gruppe anschließen, in dem mir eines klar wurde:

Standardrezepte funktionieren in Standardgruppen.

Ich hatte schlichtweg versäumt, dass es sich in diesem speziellen Semester nicht um eine solche handelte. Diese Gruppe war anders als die bisherigen, und das besagte Problem entstand, weil sie einer Art kollektivem Missverständnis erlegen war. Diese Studierenden nahmen an – aus welchen Gründen auch immer – , dass unsere Veranstaltung im ersten Semester eine Verlängerung ihrer Schulzeit war. Sie fühlten sich überfahren von dem Tempo, das ich vorlegte. Sie kamen nicht damit klar, dass jetzt viel mehr Eigeninitiative gefragt war. Sie hatten die Anspruchshaltung, alle Inhalte von A bis Z schön aufbereitet präsentiert zu bekommen, ohne sich auch nur ein kleines Bisschen selbst erarbeiten zu müssen. Modell Trichter.

Hätte ich das gewusst, wäre ich anders an die Sache herangegangen. Dann hätte ich mir am Anfang der Veranstaltung mehr Zeit genommen, um über Selbstverantwortung im Studium zu reden.

Aber: Hätte ich es wissen können? Hätte ich es besser wissen müssen?

Achtung Routine!

Gerade wenn sich nach einigen Semestern die Routine einschleicht und man die Veranstaltung im x-ten Durchlauf gehalten hat, lauert die Gefahr in Form einer Scheinsicherheit:

  • „Ich weiß doch genau, wen ich da vor mir habe.“
  • „Der da hinten tut nur so, als würde er zuhören.“
  • „Ich ahne schon, welche Frage als nächstes kommt.“
  • „Und nächste Woche will sie wieder wissen, ob ihre Gliederung richtig war.“

Ich nenne das den BTDT-Effekt – „Been there, done that“.

Fehlt nur noch „Got the T-shirt“. Alles kommt einem bekannt vor, alles hat man schon einmal – ach was, ein Dutzend Mal – erlebt. Gähn. Kein Wunder, dass man da in einen Trott verfällt.

Als ich diesen Effekt an mir bemerkte, war es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Natürlich habe ich nicht gleich das Gesamtkonzept über den Haufen geworfen. Aber zumindest die nächste Auftaktveranstaltung wollte ich anders gestalten. Das Ziel: mehr über die Studierenden erfahren.

Wie hatte ich bisher den Einstieg gestaltet?

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der ersten Lehrveranstaltung meist durch eine mündliche Abfrage versucht, etwas näher herauszubekommen, wen ich da so vor mir habe. (Mehr zur ersten Lehrveranstaltung finden Sie hier).

Meine Fragen an die Studierenden lauteten dabei:

  1. Welche Erfahrungen haben Sie mit Wissenschaftlichem Arbeit bislang gemacht?
  2. Was erhoffen Sie sich von unserer Lehrveranstaltung?

Das war entweder in die Vorstellungsrunde integriert oder ein separater Punkt danach. Mitunter führte das zu grotesken Situationen, die doch sehr an Sketche über Selbsthilfegruppen erinnerten: „Ich heiße Timo Müller und habe keine Ahnung vom wissenschaftlichen Arbeiten.“ (Gruppe: „Hallo, Timo!“)

Natürlich habe ich auch auf diese Art und Weise viel über die Studierenden erfahren. Sonst hätte ich es ja auch nicht jahrelang so praktiziert.

Außerdem konnten die Studierenden direkt in der ersten Stunde ihre Mitstudierenden kennenlernen. Sie erlebten dabei oft, dass sie selbst nicht die einzige Person im Raum sind, die noch keine Ahnung hat und alles von Grund auf lernen muss. Manche nehmen ja zu Studienbeginn an, dass alle anderen so viel klüger sind als sie selbst.

Wie könnte die Alternative aussehen?

Wir wollen also eine möglichst ehrliche Auskunft von den Studierenden erhalten.

Optimal wäre ein Weg,

  • bei dem genügend Zeit wäre, um über seine Antwort nachzudenken
  • bei dem auch die ruhigen Studierenden ausreichend zu Wort kämen
  • bei dem wir echte eigene Antworten der einzelnen Studierenden bekämen und reines Nachplappern vermeiden könnten.

Eine Methode erfüllt alle genannten Punkte: die schriftliche Abfrage.

Dazu drucken Sie in ausreichender Anzahl Bögen mit den Fragen, die Sie interessieren. Ich habe beispielsweise die folgenden beiden Fragen benutzt:

Wenn Sie jetzt direkt beginnen müssten, Ihre erste wissenschaftliche Arbeit zu verfassen:

  1. Vor welchen Schwierigkeiten würden Sie konkret stehen?
  2. Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen derzeit noch?

Diese Bögen verteilen Sie an die Studierenden und geben ihnen genügend Zeit, um ihre Antwort zu verfassen. Sie selbst wiederum nehmen sich dann auch einen ruhigen Moment, um die Bögen zu lesen und auszuwerten.

Ich habe das anonym ablaufen lassen, um möglichst ungeschönte Antworten zu bekommen.

Zu einem geeigneten Zeitpunkt in der Lehrveranstaltung besprechen Sie mit der Gruppe die (gefilterten) Ergebnisse.

In der eingangs erwähnten Gruppe hätte diese Methode wahrscheinlich das Problem nicht komplett abgefangen. Vermutlich hätte ich aber bessere Anknüpfungspunkte gewonnen.

Bessere Ergebnisse?

Als ich diese Methode das erste Mal nutzte, erhielt ich neben den erwarteten Antworten auch ein paar neue Einblicke.

Wie die üblichen Antworten lauteten, können Sie sich denken:

  • „Wo fange ich denn da überhaupt an?“
  • „Wie erstelle ich eine Gliederung?“
  • „Worauf kommt es inhaltlich an? Wie kann ich herausfinden, was relevant und was irrelevant ist?“
  • „Ich möchte wissen, wie ich die Arbeit formatieren soll.“
  • „Wie soll ich mir meine Zeit einteilen?“

So weit, so gut. Es gab aber auch diese Antwort:

  • „Ist Zitieren erlaubt?“

Natürlich wäre im Verlauf des Semesters ohnehin schnell deutlich geworden, dass Zitieren nicht nur erlaubt, sondern sogar zwingend nötig ist. Ich hätte allerdings gedacht, dass sich das unter Erstsemestern schon herumgesprochen hat. So zeigte mir diese Frage, dass man eben nichts als selbstverständlich voraussetzen sollte. Ein wertvoller Einblick. Und für den Studierenden freut mich, dass er eine solche Frage loswerden konnte, ohne sich zu blamieren.

Dann wiederum las ich auch eher „fortgeschrittene“ Antworten, die ich in einem ersten Semester nicht erwartet hätte:

  • „Ist die wissenschaftliche Arbeit ähnlich wie Textsorten, die ich schon kenne (Analyse, Interpretation, Aufsätze)?“
  • „Wie gestalte ich die Übergänge zwischen den Kapiteln?“
  • „Wie kann ich die Arbeit spannend gestalten, so dass man Lust hat weiterzulesen?“

Es bestätigt sich wieder einmal: Die Studierenden kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen.

Manche von ihnen schweigen in einer mündlichen Abfrage, weil sie in der ersten Lehrveranstaltung nicht aus der Gruppe herausstechen wollen, weder negativ noch positiv. Die anonyme schriftliche Variante liefert andere und, wie ich finde, bessere Ergebnisse.

Fazit: Wer sich mit seiner Lehrveranstaltung im Wissenschaftlichen Arbeiten als Problemlöser versteht, sollte zuerst einmal das Problem verstehen.

Was Eisenhower mit den Studierendentypen zu tun hat

Ich lade Sie zu einem Gedankenspiel ein:

Welchen der vier Studierendentypen würden Sie sich für den Fall wünschen, dass in einem Kurs alle Studierenden gleich wären?

Falls Sie die vier Typen noch nicht kennen, sollten Sie zuerst diesen Beitrag lesen.

Na, was ist Ihre Antwort?

So ein homogener Kurs kommt wahrscheinlich selten vor. Allerdings hätte das zwei Vorteile.

Erstens, als Lehrender könnte man sich viel besser auf die Bedürfnisse der Studierenden einstellen. Bei vier Typen versuchen Sie vier Ziele gleichzeitig zu treffen und müssen vier Handlungsweisen im Repertoire haben.

Zweitens, auch die Zahl der möglichen Konflikte würde innerhalb eines homogenen Kurses minimiert, weil weniger gegensätzliche Interessen aufeinander treffen.

  • Typ 1 würden niemanden mehr vom Lernen abhalten.
  • Typ 2 würde nicht mehr das Tempo für den Rest drosseln.
  • Typ 3 würde nicht mehr die Veranstaltung torpedieren, weil „das sowieso alles überflüssig ist“.
  • Und Typ 4? Spontan wünschen sich viele wohl einen kompletten Kurs voller Typ-4-Studierender.

Das führt mich zu einem weiteren Gedanken: Wie müssten wir eigentlich die Lehre jeweils verändern, wenn wir homogene Kurse vor uns hätten?

Wie würden typgerechte Lehrformate aussehen?

Der Typ 1-Studierende ist „der Schulverweigerer“. Er will nicht, und er kann auch nicht. Eine Lehrveranstaltung ist dementsprechend sinnlos, für beide Seiten. Hier wäre eine Lockerung der Anwesenheitspflicht hilfreich. Typ 1-Studierende würden wohl einfach wegbleiben.

Studierende des Typ 2, „die Nachhilfeschüler“, bräuchten einen Intensivkurs mit zusätzlicher Beratung. Sie fragen viel nach, wollen eindeutige Antworten und benötigen meist etwas länger, bis sie die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens wirklich verinnerlicht haben. Wie ich einmal schrieb, die Bezeichnung dieses Typsmüsste korrekt heißen: „Kann noch nicht, will aber“.

Typ 3 nenne ich mal „den Hinterbänkler“. Diese Studierenden sitzen meist eher abwartend in den hinteren Reihen und sind nicht bereit, die Inhalte aufzunehmen. Der Grund: Sie halten die Lehrveranstaltung oder zumindest die Menge der dafür vorgesehenen Einheiten für überflüssig. Ihnen wäre am besten mit einem fakultativen, spät im Semester angesetzten Schnellkurs geholfen. Zudem wären optionale Beratungsstunden für sie hilfreich, die sie einfach bei Bedarf (im Anschluss an den Schnellkurs oder sogar stattdessen) nutzen könnten.

Typ 4-Studierende weisen die ideale Kombination aus Können und Wollen auf. Bei diesen „Musterschülern“ wäre die Lehre ein Selbstläufer. Vielleicht würden sogar die eher stillen Studierenden des Typ 4 mehr aus sich herauskommen, wenn sie unter ihresgleichen wären. Für diese Gruppe könnte man also die Lehrveranstaltung so lassen, wie sie ist.

Im Überblick sieht das dann so aus:

Studierendentypen

Eisenhower?

So, und was hat das alles nun mit Eisenhower zu tun? Zeit für die Auflösung.

Ich habe meinen Gedanken weiter freien Lauf gelassen und die vier Typen mit Eisenhowers Matrix zum Zeitmanagement kombiniert. Nicht dass, sich das inhaltlich aufdrängen würde – ich kam hauptsächlich wegen der gleichen Form auf die Idee.

Beim Eisenhower-Prinzip geht es, kurz gesagt, darum, welche Aufgaben wann und wie erledigt werden sollten, um Zeit sinnvoll zu nutzen und die höchste Wirksamkeit zu erreichen. Dabei werden die Kriterien „Wichtigkeit“ und „Dringlichkeit“ unterschieden, so dass sich vier Zusammenstellungen (Quadranten) ergeben.

Eisenhowers Dringlichkeit ordne ich bei den Studierendentypen das Können zu, Eisenhowers Wichtigkeit das Wollen. Bitte suchen Sie nicht die inhaltliche Übereinstimmung, diese Zuordnung ist rein formal. Die Nummerierung der Quadranten stimmt nicht ganz mit der der Typen überein: Typ 1 befindet sich in Quadrant 4 und umgekehrt. Schlussendlich ergibt sich die folgende Konstellation:

  • Typ 1: Quadrant der Verschwendung

Bei Typ 1 ist Lehre sinnlos, wie wir oben festgestellt haben, ergo befinden wir uns hier im Quadranten der Verschwendung. Das sind bei Eisenhower die Aufgaben, die im Papierkorb landen, sprich nicht erledigt werden.

  • Typ 2: Quadrant der Qualität

Bei Typ 2 haben wir als Lehrende die Gelegenheit zu zeigen, was wir können. Es handelt sich um den Quadranten der Qualität. Bei diesen Studierenden ist relativ gesehen der größte individuelle Fortschritt zu erwarten. Wir arbeiten vorausschauend. Analog zur Eisenhower-Matrix werden hier die Grundlagen für spätere Erfolge gelegt.

  • Typ 3: Quadrant der Täuschung

Bei Typ 3 denken wir bisher nur, dass wir lehren. Denn eigentlich wollen sich diese Studierenden ja die Herangehensweise des wissenschaftlichen Arbeitens zu gegebener Zeit selbst erschließen. Das ist also der Quadrant der Täuschung. In der Eisenhower-Matrix besteht eine Lösung im Delegieren. Genau das tun wir: Wir übergeben die Verantwortung an die Typ 3-Studierenden.

  • Typ 4: Quadrant der Notwendigkeit, besser: Quadrant der Routine

Bei Typ 4 lehren wir im Quadranten der Notwendigkeit. Wir tun, was getan werden muss. Eigentlich geht es gemäß dem Eisenhower-Prinzip hier um Dinge, die jetzt getan werden müssen, weil sie keinen Aufschub mehr dulden. Treffender für unsere Zwecke könnte man diesen Quadranten umbenennen zum Quadrant der Routine.

In der Zusammenfassung stellt sich das folgendermaßen dar:

Quadranten

Die Lösung für mehr Qualität

Wie wäre es, wenn die Studierenden zwischen verschiedenen Lehrformaten auswählen könnten? Vielleicht wäre Selbstselektion wirklich eine Lösung für viele Probleme? Dort, wo das institutionelle Setting es hergibt, könnten verschiedene Lehrformate angeboten werden, zu denen sich die Studierenden dann selbst zuordnen und anmelden.

So würden wir als Lehrende weniger Zeit in den Quadranten der Verschwendung und Täuschung zubringen und müssten außerdem in der Lehrveranstaltung weniger Konflikte bearbeiten. Die gewonnene Zeit könnten wir dem Quadranten der Qualität widmen.

Checkliste für eine Rallye durch die Bibliothek

Kindergeburtstag? Wie bei einer Schnitzeljagd werden Kleingruppen durch die Gegend geschickt und müssen dabei verschiedene Aufgaben lösen.

Über die Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Bibliotheksbesuchs und die anzustellenden Vorüberlegungen habe ich hier geschrieben. Eine der Schlussfolgerungen in dem Artikel war, dass es sich für größere Gruppen statt einer klassischen Führung eine Rallye durch die Bibliothek anbietet. Übrigens: Damit das Gefühl eines Kindergeburtstags gar nicht erst aufkommt, empfiehlt es sich, zur Einführung kurz mit den Teilnehmern über die Ziele der Rallye und die gewählte Methode zu sprechen.

Mit den folgenden Fragen und Stichworten will ich Ihnen die Vorbereitung Ihrer Rallye erleichtern.

Hopp oder top: Ist eine Rallye überhaupt erlaubt?

Diese Frage gilt es natürlich mit der Bibliothek abzuklären, bevor Sie sich an die konkrete Planung machen. Die beste Anlaufstelle dafür ist die Abteilung „Führungen und Schulungen“, oder wie auch immer sie in Ihrer Heimatbibliothek heißt. Wenn die Möglichkeit einer so genannten „lehrer-“ bzw. „dozentenzentrierten Führung“ besteht, sollte auch eine Rallye kein Problem sein.

Einschränkungen kann es bezüglich des Zeitraums geben. Die Bibliotheken kennen die besucherintensiven Zeiten und gestatten Besuche größerer Gruppen eher dann, wenn es im Haus leerer ist. Mit etwas Glück deckt sich diese Zeit mit der Ihrer Lehrveranstaltung.

Vorbereitung: Wie sollten Sie die Aufgaben der Rallye gestalten?

Einer der Gründe für den gemeinsamen Bibliotheksbesuch besteht im Kennenlernen der räumlichen Gegebenheiten, kurz gesagt: Wo finde ich was? Sinnvoll ist es daher, wenn die Tour die Studierenden durch verschiedene Bereiche der Bibliothek führt:

  • Ausleihe
  • Lesesaal
  • Freihandbereich inklusive Lehrbuchsammlung
  • Zeitschriftensammlung
  • andere interessante Plätze wie etwa Gruppenarbeitsräume, Scanner/Drucker/Kopierer

Achtung, Stolperfallen!

Die Konzeption einer Rallye ist an zwei Stellen fehleranfällig:

Erstens, die Studierenden sollen die gewünschten Orte auch tatsächlich aufsuchen.

Die Aufgaben dürfen sich nur dann lösen lassen, wenn die Studierenden die Orte ablaufen. Dafür haben Sie die Rallye ja überhaupt erst angesetzt.

Vorsicht also, wenn Sie etwas nachschlagen lassen, das sich mit Leichtigkeit auch durch eine Recherche im OPAC findet. Es genügt demnach nicht, Signaturen oder Autoren und Titel abzufragen. Auch die Inhaltsverzeichnisse der Bücher sind oft im Katalog verlinkt. Also sollten Sie entweder ein Buch wählen, bei dem das nicht der Fall ist, oder Fragen stellen wie „Wie lautet das 5. Wort auf Seite 23?“ (statt „Wie lautet die Überschrift des 5. Kapitels?“).

Bei Orten wie Scanner-Stationen, können Sie als Aufgabe zum Beispiel Informationen vom Typenschild ablesen lassen. Was genau die Studierenden tun müssen, ist eigentlich auch irrelevant – Hauptsache, sie haben den Ort nachweisbar gefunden.

Zweitens, die anzusteuernden Bücher müssen in mehreren Exemplaren zur Verfügung stehen.

Wählen Sie auf jeden Fall Werke, die mehrfach vorhanden sind. Damit erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass am Tag der Rallye mindestens ein Exemplar an Ort und Stelle ist und die Aufgabe lösbar bleibt. Also auf zu den Klassikern und Grundlagenwerken! Es wäre doch frustrierend, wenn die Studierenden die den Zielort gefunden haben und die Aufgabe dennoch nicht lösen können.

Lärmprophylaxe

Zusätzlich zu den zwei genannten Fehlerquellen sollten Sie darauf achten, dass die Anlaufstellen weit auseinanderliegen und außerdem die Gruppen die Aufgaben in verschiedenen Reihenfolgen lösen müssen. Damit verhindern Sie größere Ansammlungen von Studierenden. Denn eine große Gruppe von Studierenden ist immer lauter als mehrere kleine, verteilte Gruppen. Und Sie wollen ja Ihre mühsam erarbeitete Rallye im Folgesemester wahrscheinlich noch einmal durchführen…

Am Tag der Rallye: Die Durchführung

 

  • Treffpunkt

Vereinbaren Sie mit Ihren Studierenden einen gut auffindbaren Treffpunkt wie beispielsweise den Informationsschalter oder einen bestimmten Bereich bei den Schließfächern (die benötigen die Studierenden sowieso, bevor es losgeht).

  • Aufgaben

Jede Kleingruppe erhält ein Aufgabenblatt. (Bisher mache ich das in der Papiervariante. Hat jemand Erfahrung damit, die Aufgabenblätter elektronisch zur Verfügung zu stellen?)

Achtung: Smartphones

Bei der Navigation durch die Bibliothek ist es für die Studierenden ziemlich praktisch, mit dem Smartphone von jeder Stelle aus die gerade benötigten Informationen nachschlagen zu können und dafür nicht immer wieder zu einem Computer laufen zu müssen.

Allerdings erlauben die Telefone auch den Kontakt der Gruppen untereinander, so dass Lösungen leicht weitergegeben werden können. Aus Sicht der Studierenden ist das natürlich phantastisch, aus Sicht der Dozierenden weniger. Der Lerneffekt geht dann gegen Null.

Bei meinen Aufgabenblättern ist daher nicht von vorneherein erkenntlich, dass jede Gruppe unterschiedliche Aufgaben lösen muss. Das erschwert zumindest ein bisschen die Weitergabe von Lösungen, auch wenn ich noch nicht so recht glücklich damit bin.

  • Hinweise zum Ablauf

Neben den Fragen sollten auch Hinweise zum Ablauf der Rallye enthalten sein. Leider ist es nicht allen von vorneherein klar, dass sie sich ruhig zu verhalten haben. Es kann also nicht schaden, darauf auch schriftlich noch einmal hinzuweisen. Außerdem sollten die Studierenden auf dem Blatt nachlesen können, was zu tun ist, wenn alle Aufgaben gelöst sind bzw. wenn sie nicht weiterkommen. Spielen Sie den Ablauf für sich einmal gedanklich durch. Dann sollten Sie schnell merken, ob noch Informationen fehlen.

  • Ihr Standort

Sie selbst benötigen einen Aufenthaltsort, an dem Sie bei Bedarf leicht zu finden sind, es einigermaßen komfortabel haben (denn die Gruppen sind ja dann erst einmal eine Weile lang unterwegs) und an dem Sie niemanden stören, wenn die Gruppen zur Besprechung der Lösungen bei Ihnen ankommen. Ein Gruppenarbeitsraum bietet sich an.

Und dann kann es auch schon losgehen! Seien Sie gespannt, wie viel Zeit zwischen der Ankunft der schnellsten und der langsamsten Gruppe liegt!

Die Checkliste

Zum Abschluss habe ich noch einmal alle Punkte in einer Checkliste für Sie zusammengestellt:

1) Mit der Bibliothek abklären, ob und wann eine Rallye erlaubt ist.

2) Vortour machen mit dem Ziel

  • die Aufgaben zu erstellen
  • einen Treffpunkt festzulegen
  • den eigenen Aufenthaltsort für die Dauer der Rallye festzulegen

Praktisch ist es, die Aufgaben und Lösungen direkt in einer Datei zu erfassen. Planen Sie für die Vortour lieber etwas mehr Zeit ein! Die Erstellung der Aufgaben in mehreren Varianten nimmt viel Zeit in Anspruch.

3) Aufgabenblätter fertigstellen und vervielfältigen

Welche „Regieanweisungen“ für die Studierenden sollen auf dem Aufgabenblatt stehen?

  • „Bitte ruhig verhalten!“
  • Was ist zu tun, wenn alle Aufgaben gelöst sind?
  • Was ist zu tun, wenn man nicht weiterkommt?

4) Den Ablauf im Geiste durchspielen

  • Was passiert in welcher Reihenfolge?
  • Müssen Studierende, die falsche Lösungen präsentieren, noch einmal losziehen?
  • Gibt es ein gemeinsames Ende der Veranstaltung? Eine Nachbesprechung?

5) Am Tag der Rallye

  • kurze Einführung am Treffpunkt geben
  • Aufgabenblätter verteilen
  • Lösungen bereithalten

Haben Sie Ergänzungen zu der Checkliste? Was hat sich bei Ihnen bewährt?

Dreyfürst/Sennewald: Gesammeltes Wissen

Dreyfürst, Stephanie und Sennewald, Nadja (Hrsg.) (2014): Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen und Toronto: Verlag Barbara Budrich (UTB).

Preis: 29,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

  1. Schreibprozesse
    Prozessorientierte Schreibdidaktik: Grundlagen, Arbeitsformen, Perspektiven (Gabriela Ruhmann & Otto Kruse); Schreiben als kognitiver Prozess. Eine Theorie (Linda Flower & John R. Hayes); Kognition und Affekt beim Schreiben. Ein neues Konzept (John R. Hayes); Knowledge-telling und Knowledge-transforming (Carl Bereiter & Marlene Scardamalia); Entwicklung im Schreiben. Schreiben als kognitiver Prozess (Carl Bereiter)
  2. Schreibkompetenzen
    Schreibkompetenz im Studium. Komponenten, Modelle und Assessment (Otto Kruse & Madalina Chitez); Schreibkompetenzen schulen. Eine Perspektive der kognitiven Entwicklungspsychologie (Ronald T. Kellogg); Wie Schreibende sich an neue Schreibsituationen anpassen (Anne Beaufort); Schreibstrategien. Ein Überblick (Nadja Sennewald)
  3. Schreibprobleme
    Schreibblockaden. Eine kognitive Perspektive (Mike Rose); Schreibblockaden verstehen (Keith Hjortshoj); Schreibblockaden überwinden (Gisbert Keseling)
  4. Schreibberatung
    Grundprinzipien der Schreibberatung. Eine pragmatische Sicht auf die Schreibprozesstheorie (Gerd Bräuer); Systemische Schreibberatung (Ulrike Lange & Maike Wiethoff); Interkulturelle Kompetenzen in der Schreibberatung (Nadine Stahlberg); Online Schreibberatung. Ein neues Feld für das (Peer) Tutoring (Stephanie Dreyfürst, Sascha Dieter & Dennis Fassing)
  5. Schreibzentren
    Zur Idee eines Schreibzentrums (Stephen M. North); Neue Überlegungen zur Idee eines Schreibzentrums (Stephen M. North); Genre im Schreibzentrum. Eine Neudefinition (Irene L. Clark); Kollaboration und Autonomie. Wie Peer Tutor*innen die Schreibzentrumsarbeit fördern (Katrin Girgensohn)
  6. Peer Tutoring
    Peer Tutoring und das ‚Gespräch der Menschheit’ (Kenneth A. Bruffee); Was sie mitnehmen. Das ‚Peer Writing Tutor Alumni Project’ (Bradley Hughes, Paula Gillespie & Harvey Kail); Peer Tutoring als Lernerfahrung. Ein Bericht (Simone Tschirpke & Lisa Breford); Peer Tutoring. Antworten für Skeptiker (Ella Grieshammer & Nora Peters)

 Cover_DreyfürstSennewald

Dreyfürst/Sennewald: Gesammeltes Wissen

Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich dieses Mal nicht um einen Ratgeber, sondern um einen Sammelband mit Grundlagentexten zur Theorie, Didaktik und Beratung des Schreibens und kollaborativen Lernens. Die Herausgeberinnen Stephanie Dreyfürst und Nadja Sennewald, beide Leiterinnen des Schreibzentrums an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, haben 24 Texte zusammengestellt, zwölf davon wurden aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.

Der Reader bietet einen umfassenden Einblick in die noch vergleichsweise neue Disziplin der angewandten Schreibwissenschaft, will aber nicht als Kanon, sondern eher als Diskussionsgrundlage verstanden werden. Bewusst ausgeklammert wurde das Thema des Wissenschaftliches Schreiben in der Fremd- oder Zweitsprache, da dieses wohl in einem eigenen Sammelband herausgebracht werden soll.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Die einzelnen Artikel sind – wie es von Schreibprofis nicht anders zu erwarten war – gut nachvollziehbar und verständlich geschrieben. Ein Abstract erleichtert jeweils den Einstieg.

Generell ist es einfach bequem und effizient, die wichtigsten Texte zu einem Gebiet in einem Band versammelt zu haben, erst recht für nicht ausgebildete Schreibberater. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass einen manche Themen mehr interessieren als andere. Trotzdem fand ich es hilfreich, auch einmal schnell einen Blick auf Themen werfen zu können, die eigentlich nicht im Fokus meiner Arbeit stehen wie beispielsweise Schreibzentren oder Peer Tutoring.

Redundanzen sind natürlich immer ein Problem bei einer solchen Zusammenstellung, da sich die ausgewählten Texte teilweise auf die gleichen Ursprungstexte und auch aufeinander beziehen. Das Modell von Hayes oder die Phasen in der Entwicklung der Schreibkompetenzen tauchen öfter auf – hier ist dann die Lesekompetenz der werten Leserschaft gefragt, die manche Abschnitte getrost überspringen kann.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Auf dem Einband steht ausdrücklich und vermutlich fälschlicherweise, dass der Sammelband sich „nicht nur an Studierende, sondern auch an Hochschullehrende und Schreibcoaches“ richtet. Meiner Meinung nach wird es umgekehrt stimmiger: Studierende profitieren nur in zweiter Linie von der Lektüre – zumindest solche, die das Schreiben lernen wollen. Jene, die sich aus fachlicher Sicht mit der Schreibwissenschaft befassen wollen oder einen Einstieg in das studentische Peer Tutoring finden möchten, sind natürlich gut beraten, wenn sie die Grundlagentexte durcharbeiten.

Im Vorwort wird deutlicher, dass sich der Reader an ein breites Publikum wendet, nämlich an „all diejenigen, die sich theoretisch wie praktisch mit der Vermittlung von Schreib- und Lesekompetenzen beschäftigen. Sei es an Schreibzentren, Hochschulen, Schulen und anderen Aus- und Weiterbildungsstätten, sei es an Bildungsakademien, Career Service-Zentren oder Volkshochschulen, in beruflichen Beratungsstellen oder freiberuflich“.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Dozierende im Wissenschaftlichen Arbeiten, die nicht als Schreibberater ausgebildet sind und sich dennoch eine solide Basis für die Lehre über das Schreiben und die Beratungsgespräche mit den Studierenden wünschen, finden in dem Buch von Dreyfürst/Sennewald das komplette Hintergrundwissen zu Schreibprozessen, -kompetenzen und -problemen. So fällt es leicht, sich mit den Basistexten zu befassen und aus ihnen seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Der Ratgeber „Zukunftsmodell Schreibberatung“ von Grieshammer et al.  ist deutlich anwendungsorientierter gestaltet. Für diejenigen, die auf der Suche nach konkreten Ansätzen und Übungen für ihre Studierenden sind, eignet sich dieses Buch besser als der Sammelband von Dreyfürst und Sennewald, dessen Anspruch ja auch ein ganz anderer ist.

Beide Bücher ergänzen sich sehr gut. In welcher Reihenfolge man bei der Lektüre vorgeht, ist dabei letztlich Geschmackssache. Der eiligere Leser sollte zuerst die Praxistipps von Grieshammer et al. lesen und diese danach (gegebenenfalls punktuell) mit der Theorie unterfüttern. Wer etwas mehr Geduld mitbringt, schafft zuerst mit Hilfe von Dreyfürst/Sennewald ausführlich die theoretischen Grundlagen und baut anschließend die praktische Anwendung darauf auf.


 

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Universitätsbibliothek : „Und rechts sehen Sie den Präsenzbestand…“

Es führt kein Weg daran vorbei: Irgendwann benötigt jeder Literatur, wenn eine wissenschaftliche Arbeit anzufertigen ist. Manche steuern die Bibliothek gleich am Anfang an, wenn sie noch nach einem Thema oder einer Fragestellung suchen. Sie sichten erst einmal viele Quellen und lesen sich ein. Andere wissen schon, in welche Richtung ihre Arbeit gehen soll, und können gezielter recherchieren. In beiden Fällen ist es unabdingbar, die Techniken der Literatursuche zu beherrschen.

Das nötige Wissen über die Literaturrecherche lässt sich sehr gut in der Lehrveranstaltung vermitteln:

  • Wie ist eine wissenschaftliche Bibliothek grundsätzlich aufgebaut?
  • Was ist dort anders organisiert als etwa in einer Stadtbücherei?
  • Wie funktioniert ein OPAC?
  • Welche Strategien kann ich bei der Literatursuche anwenden?
  • Wieso sollte ich nicht nur im Internet nach Quellen suchen?

Um diese Inhalte zu vermitteln, müssen wir den Hörsaal theoretisch nicht verlassen. All das lässt sich mündlich, anhand unterstützender Folien und mit ein bis zwei Ausflügen in die weite Welt des Internets, sehr anschaulich lehren. (In diesem Artikel habe ich mehr dazu geschrieben.)

Was bringt ein gemeinsamer Besuch in der Bibliothek?

Wieso also sollte ich mit dem kompletten Kurs der Bibliothek einen Besuch abstatten? Dieses Thema möchte ich zuerst aus der Perspektive der Studierenden betrachten. Danach schildere ich, welche Aspekte bei der Vorbereitung zu beachten sind.

Das „Pro“ aus Sicht der Studierenden

 

  • Das Zurechtfinden in einer wissenschaftlichen Bibliothek ist kompliziert.

Solche Bibliotheken sind im Regelfall groß und auf den ersten Blick unübersichtlich: Es hilft, wenn man die verschiedenen Bereiche direkt vor Ort gezeigt bekommt und etwa ausleihbare Bücher vom Präsenzbestand unterscheiden lernt. Neulinge sparen einiges an Zeit, wenn jemand ihnen die wichtigsten Informationen an Ort und Stelle weitergibt.

  • Ein gemeinsamer Bibliotheksbesuch nimmt eventuelle Schwellenängste.

Gerade bei Studierenden aus Familien ohne akademischen Hintergrund ist das manchmal ein Thema. Oder besser gesagt: Es ist eben kein Thema, denn fast niemand spricht es offen aus. Einige hegen die Befürchtung, das Angebot der Bibliothek gar nicht nutzen zu dürfen (Zugang nur für „echte Wissenschaftler“). Einige haben Angst, sich mangels Erfahrung falsch zu verhalten, sich zu blamieren und direkt als Unwissender erkannt zu werden. Diese Studierenden profitieren davon, den ersten Besuch nicht alleine meistern zu müssen, sondern innerhalb einer Gruppe unterwegs zu sein.

Das „Contra“ aus Sicht der Studierenden

 

  • Manche Studierende empfinden den gemeinsamen Besuch der Bibliothek als Zeitverschwendung.

Sie wären mit den Erklärungen in der Lehrveranstaltung und einer selbständigen Suche schneller vorangekommen. Sie hätten die Zeit besser nutzen können , indem sie gezielt für ihre eigene Arbeit recherchieren.

  • Manche Studierende empfinden einen gemeinsamen Bibliotheksbesuch als nicht angemessen.

So eine Veranstaltung hat etwas von Schulausflug und Projekttagen und An-die-Hand-genommen-werden. Wenn jemand Schwellenängste hat, soll er sie ihrer Meinung nach eben einfach überwinden.

Der Blick auf die Rahmenbedingungen

Hat man als Dozent seinen Standpunkt zu den angesprochenen Aspekten gefunden, geht es an die Vorüberlegungen für die Umsetzung. (Wie) ist ein gemeinsamer Bibliotheksbesuch überhaupt sinnvoll zu gestalten? Folgende zwei Punkte sind abzuwägen:

1. Gruppengröße

Bei überschaubaren Gruppen ist eine gemeinsame Führung durch die Lehrkraft gut machbar. Das muss selbstverständlich im Vorfeld mit der Bibliothek abgestimmt sein. Alternativ kann man „outsourcen“ und das Schulungsangebot der Bibliothek nutzen. Hierdurch entstehen manchmal Kosten, das wird von Bibliothek zu Bibliothek unterschiedlich gehandhabt.

Zur Vertiefung können im Anschluss an den Rundgang zusätzliche Arbeitsaufträge für einzelne Studierende oder Kleingruppen gegeben und ausgewertet werden, so dass diese sich nicht nur „berieseln“ lassen, sondern auch selbst aktiv werden müssen.

Bei größeren Gruppen bietet sich eine Rallye durch die Bibliothek an. Dabei schickt man wie bei einer Schnitzeljagd die Kleingruppen zeitlich versetzt und/oder in verschiedene Richtungen los, so dass immer nur wenige Personen gemeinsam durch die Räume gehen. Verschiedene Aufgaben müssen gelöst werden. Die Gruppenmitglieder können sich dabei gut im Flüsterton abstimmen, dadurch hält sich der Lärm in Grenzen.

2. Aufwand

Im Vergleich zu einer regulären Lehrveranstaltung fällt natürlich bei einer solchen Exkursion mehr Aufwand an.

Je nach den örtlichen Gegebenheiten sollte die Zeit für die Anfahrt berücksichtigt werden. Gerade wenn direkt vor oder nach dem Besuch der Bibliothek andere Lehrveranstaltungen stattfinden, wird es unter Umständen zeitlich eng für die Betroffenen.

Die Vorbereitungszeit variiert je nach der eingesetzten Methode.

  • Führt man die Gruppe selbst durch die Räume, setzt das ein gewisses Maß an Ortskenntnis voraus. Zumindest ein grober Plan der anzusteuernden Bereiche sollte vorab erstellt werden – sei es durch reines Überlegen vom Schreibtisch aus, sei es durch eine „Vortour“.
  • Bei einer Führung durch Angestellte der Bibliothek reduziert sich der Vorbereitungsaufwand auf die Absprachen im Vorfeld. Danach kann man sich entspannt zurücklehnen. Während der Führung muss man auch nichts weiter tun, als eventuell auftretende kleinere Fragen zu den Besonderheiten des eigenen Fachgebiets zu beantworten. Das Allgemeine erledigen die Bibliotheksmitarbeiter.
  • Die aufwändigste Vorbereitung bringt eine Rallye mit sich. Die Aufgaben müssen erstellt und die Lösungen dokumentiert werden. (Eine Checkliste zur Vorbereitung und Durchführung habe ich hier eingestellt.) Zurück am Schreibtisch gilt es, die Aufgabenblätter niederzuschreiben und zu vervielfältigen. Die Durchführung der Rallye erfordert zudem für den Dozenten einen Raum oder zumindest eine abgelegene Stelle, an der man mit seinen kurzen Besprechungen die anderen Nutzer nicht stört. Das muss wiederum rechtzeitig mit der Bibliothek abgestimmt werden.

Fazit

Der Bibliotheksbesuch mit dem gesamten Kurs kann eine willkommene Ergänzung der Lehrveranstaltung sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Je nach Gestaltung des Besuchs fällt mehr oder weniger Vorbereitung an. Der Nutzen liegt für manche Studierende in der Zeitersparnis, für andere in der Überwindung ihrer Schwellenängste. Da über Letzteres kaum jemand offen spricht, ist dieser Nutzen nicht direkt greifbar.

Denkbar wäre es, den Besuch auf freiwilliger Basis anzubieten, um allen Interessenlagen gerecht zu werden. Dann können diejenigen teilnehmen, die sich etwas davon versprechen, und alle anderen ziehen auf eigene Faust los.

Wie machen Sie das denn in Ihren Kursen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Wie Sie Hausarbeiten korrigieren und trotzdem glücklich bleiben

„Da liegt er wieder, der Stapel…“ Sie setzen sich an Ihren Schreibtisch. Darauf: ein Berg von Hausarbeiten, die auf die Korrektur warten. Es gibt sicher Schöneres und Erfüllenderes als diese Aussicht- zum Beispiel einen Schreibtisch mit einem Berg von gerade fertig korrigierten Hausarbeiten. Ah, dieses Gefühl, wenn alles erledigt ist… herrlich!

Was ist es eigentlich, was mich so mitnimmt bei der Korrektur? Ich bin der Sache mal auf den Grund gegangen.

Vorab möchte ich etwas Entscheidendes klarstellen. Ich meine in diesem Beitrag nicht die größeren Arbeiten, die in den meisten Fällen mit Hingabe und Herzblut verfasst werden, wie etwa Bachelorarbeiten. Hier soll tatsächlich die Rede von den kleineren und mittleren Arbeiten im Studium sein, die aus der Sicht der Studierenden reine Pflicht sind und die hauptsächlich einem Zweck dienen, nämlich dem Erlangen des Leistungsnachweises. Sicher werden auch dann wirklich sehr gute Arbeiten eingereicht, aber mal ehrlich, das Verhältnis von sehr guten Arbeiten zu „Pflichterfüllungsarbeiten“ könnte besser sein, oder?

Woher rührt der Frust genau?

Ich habe das nun mehrere Jahre an mir beobachtet und komme zu dem Schluss, dass mich vor allem eines stört (und ja, je nach Tagesform nicht nur stört, sondern sogar ärgert):

Es handelt sich immer wieder um dieselben Fehler!

Damit beziehe ich mich nur bedingt auf Fehler Nummer 1, die fehlende Fragestellung. (Diesbezüglich habe ich den Eindruck, dass es gerade besser wird. Vielleicht fruchtet die von mir verwendete Übung mittlerweile doch? Das wäre zu schön.) Nein, ich meine andere Dinge damit.

Ich sitze also da und korrigiere wieder und wieder die gleichen Fehler. Nicht alle in einer Arbeit, aber eben doch gehäuft. Es handelt sich oft um unwesentliche Fehler. Leider kann ich sie deswegen ja nicht einfach unkorrigiert stehen lassen.

Manchmal wünschte ich, ich hätte einen Stempel. Gerade für die formalen Kleinigkeiten, die gern falsch gemacht werden, wäre das nützlich. „Fußnoten enden mit einem Punkt“, um mal ein banales Beispiel zu nennen. Wie oft habe ich das schon hingeschrieben? Oder „Zitation so nicht richtig, bitte im Leitfaden nachschlagen!“ Oder, auch sehr beliebt: „Quelle?“, wenn offensichtlich fremdes Wissen ungekennzeichnet verarbeitet wurde.

Warum passieren immer wieder die gleichen Fehler?

Es scheint mir also in der Lehrveranstaltung nicht immer gelungen zu sein, die Inhalte zu 100 Prozent zu vermitteln. Über die Gründe für diesen Umstand kann jetzt trefflich spekuliert werden.

  • „Gehört ist nicht verstanden“, um es einmal mit Konrad Lorenz zu sagen.

Vielleicht kam bei einzelnen Studierenden gar nicht erst an, was wir in der Lehrveranstaltung besprochen und erarbeitet haben. Vielleicht sind auch Missverständnisse unbemerkt geblieben.

  • Die Eigendynamik in der Semestergruppe spielt ebenfalls eine Rolle.

Gerüchte verbreiten sich, und Halbwahrheiten kursieren. Schnell ist es da passiert, dass sich alle Beteiligten über die vermeintliche Lösung eines Problems einig sind. (Dieses Semester führen plötzlich auffällig viele Studierende auch diejenigen Abbildungen im Abbildungsverzeichnis auf, die sie nicht im Text, sondern im Anhang verwenden. Das war noch nie ein Problem. Wieso es jetzt zu einem wurde? Ich kann nur spekulieren!)

  • Weiter mit Lorenz: „Gewollt und gekonnt ist nicht getan“.

Manche Konventionen im wissenschaftlichen Arbeiten finden einzelne Studierende schlichtweg doof und nicht logisch nachvollziehbar. Daher halten sie sich nicht daran. Punkt. Und einigen Studierenden ist es auch einfach egal – Hauptsache bestanden.

  • Außerdem: Die lieben Kollegen

Je nach institutionellem Setting kämpft man eventuell noch damit, dass Kolleginnen und Kollegen manchmal falsche Auskünfte geben. Das geschieht oft aus einem einfachen Grund: In ihrer Rolle als Fachdozenten (und nicht als Lehrende im Wissenschaftlichen Arbeiten) haben sie sich nicht mit allen Details des Leitfadens der Hochschule vertraut gemacht. Sie antworten, was aus ihrer Erfahrung heraus richtig ist, und ignorieren, dass es so an der Hochschule nicht vorgesehen ist. Die Verwirrung bei den Studierenden ist dann groß.

Wen interessieren meine Korrekturen?

Außer der Wiederholung der immer gleichen Fehler stört mich noch etwas: die Ungewissheit, ob meine Korrekturen überhaupt gelesen und nachvollzogen werden. Mache ich mir die ganze Arbeit umsonst? Wird es den Studierenden weiterhelfen? Ich kann es vorab nicht wissen.

Wie also beim Korrigieren glücklich bleiben?

Diese Frage gehe ich von mehreren Seiten gleichzeitig an.

Schritt 1: Akzeptieren, was nicht zu ändern ist.

Das klingt erst einmal philosophisch, ist für mich aber enorm hilfreich. Bevor ich loslege mit der Korrektur, führe ich mir noch einmal vor Augen, wie ich die Situation auch interpretieren könnte:

  • Fehler, die aufgrund von Missverständnissen auftauchen: Zu einem Missverständnis gehören immer zwei. Nicht nur die Studierenden sind also „schuld“ (wenngleich manche sicher aufmerksamer sein könnten), sondern auch ich muss mir überlegen, was ich zu dem Missverständnis beigetragen habe. (siehe auch unter Schritt 2, Verbesserung des Skripts und der Lehre)
  • Fehler, die aufgrund von Gerüchten und Halbwahrheiten entstehen: Die Studierenden haben immerhin versucht, die Aufgabe eigenständig zu lösen, und haben sich nicht wegen vermeintlichen Kleinigkeiten an mich gewendet. Ist doch auch was wert.
  • Fehler aus Gleichgültigkeit: Manche Studierende setzen andere Prioritäten, als wir Dozierende es uns wünschen würden. Sie minimieren den Aufwand und geben eine Arbeit ab, die nicht „ihr Bestes“ ist. Das ist ok. Sie optimieren die Verwendung ihrer kostbarsten Ressource, nämlich ihrer Zeit. Ich sollte stolz auf sie sein, denn auch darüber reden wir ja in der Veranstaltung.
  • Fehler aufgrund falscher Auskünfte der Kollegen: Hier fehlt mir noch die zündenden Idee. Wir tauschen uns zwar aus, aber das deckt eben nicht alle Eventualitäten ab.

Schritt 2: Positiv denken und handeln

  • Bei der Korrektur nicht nur Fehler suchen, sondern gezielt Positives hervorheben.

Das macht einem selbst gleich bessere Laune, und später freuen sich auch noch die Studierenden. Der alte Spruch „Nicht geschimpft ist gelobt genug“ bringt einen ja auf Dauer wirklich nicht weiter. Die Studierenden motiviert eine ausschließlich fehlersuchende Korrektur nicht, oder schlimmer sie demotiviert sie sogar aktiv. Daher wende ich meine Aufmerksamkeit auf die gelungenen Passagen und versuche, diese nicht als selbstverständlich anzusehen. Ich freue mich darüber, dass etwas richtig oder außergewöhnlich gut gemacht wurde, und formuliere Lob.

  • Wie so oft: Krise als Chance nutzen

Ich notiere mir die auffälligen Fehlerhäufungen und sehe nach, ob in meinen Lehrveranstaltungsunterlagen etwas missverständlich ist oder wichtige Punkte vielleicht gar nicht erwähnt wurden.

Schritt 3: Arbeitsaufteilung überdenken

Manchmal hilft es, seine Routine zu hinterfragen und etwas daran zu ändern. Das bringt neuen Schwung und reduziert das „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Gefühl.

  • Korrigiere ich so viele Arbeiten wie möglich in einem Rutsch durch, oder nehme ich mir bewusst nur kleinere Päckchen vor?
  • Setze ich mir ein Zeitziel („Eine Stunde konzentrierte Korrektur“) oder ein Mengenziel („Drei Arbeiten“)? Danach ist dann wieder Zeit für Abwechslung und/oder eine kleine Belohnung.
  • Verfahre ich bei jeder Arbeit nach dem gleichen Schema? Zum Beispiel zuerst die Struktur, dann der Inhalt, dann das Formale? Arbeite ich nach einer Checkliste oder eher nach dem Zufallsprinzip?
  • Lasse ich die vermutlich schlechten Arbeiten bis zum Ende liegen oder nehme ich sie mir zuerst vor? Lese ich die vermutlich beste Arbeit direkt zu Beginn, oder spare ich sie mir bis zum Ende auf? Oder arbeite ich den Stapel einfach so ab, wie er da liegt?

Der Notfall-Plan (wenn es gar zu schlimm wird)

  • Bei Kollegen Dampf ablassen und sich gegenseitig sein Leid klagen. Innerhalb kürzester Zeit ist es wieder erträglich und man kann sich wieder auf die positiven Aspekte der Arbeiten konzentrieren. Wenn nicht: da capo al fine, zurück zu Schritt 1.
  • Korrigiert man im home office, müssen arme unbeteiligte Dritte als Klagemauer (= die Familie) herhalten.

Und jetzt drucke ich mir das alles aus und hänge es über den Schreibtisch. Dort wartet ein Stapel Hausarbeiten auf mich.

Was sind Ihre Tipps und Tricks zum Glücklichbleiben bei der Korrektur von Hausarbeiten?

 

Töpfer: Für die Forscher von morgen

Töpfer, Armin (2012): Erfolgreich Forschen. Ein Leitfaden für Bachelor-, Masterstudierende und Doktoranden. 3. Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler.

Preis: 29,95 Euro

Überblick über den Inhalt:

Kapitel A: Was bietet mir dieser Forschungs-Leitfaden?

Kapitel B: Wie entwickle ich die Gesamtstruktur für meine wissenschaftliche Arbeit?

Kapitel C: Wie ist der Prozess des Gewinnens und Umsetzens wissenschaftlicher Erkenntnisse insgesamt strukturiert?

Kapitel D: Auf welcher wissenschaftstheoretischen Grundlage basiert der in diesem Forschungs-Leitfaden vorgestellte wissenschaftliche Erkenntnisprozess, und welche Alternativen gibt es hierzu?

Kapitel E: Was untersuche ich theoretisch, wofür will ich Erklärungen geben und Gestaltungen ermöglichen?

Kapitel F: Wie sind Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge/Hypothesen als Kernstücke erkenntniswissenschaftlicher Forschungen herauszuarbeiten?

Kapitel G: Wie erhebe ich empirische Daten, wie prüfe ich meine theoretischen Erkenntnisse mit quantitativen Untersuchungen?

Kapitel H: Wie kann ich Gestaltungsempfehlungen zur Lösung praktischer Probleme geben?

Kapitel I: Was sind Stolpersteine und Fußangeln beim Forschen und Anfertigen einer wissenschaftlichen Arbeit?

Kapitel J: Durchgängige Beispiele für die Konzeptualisierung und Operationalisierung in Forschungsarbeiten

Kapitel K: Wie kann ich mein wissenschaftliches Arbeiten erfolgreich organisieren?

Kapitel L: Wie präsentiere ich den Stand und die Fortschritte meiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit erfolgreich?

 Cover Töpfer

Töpfer: Für die Forscher von morgen

Bei diesem Buch handelt es sich um einen echten Wälzer. Mit über 430 Seiten ist es deutlich ausführlicher als der Durchschnitt der anderen erhältlichen Ratgeber. Allein das Inhaltsverzeichnis umfasst acht Seiten!

Der Umfang allein sagt aber natürlich nichts über die besondere Qualität aus. Entscheidend ist für mich: Der Leitfaden kombiniert die Inhalte eines Ratgebers zum Wissenschaftlichen Arbeiten mit Grundwissen eines Statistiklehrbuchs. Gerade das macht ihn interessant. Damit hebt er sich von der Masse ab und wird seinem Titel „Erfolgreich Forschen“ gerecht.

Der Aufbau des Buches orientiert sich am wissenschaftlichen Prozess und wird mit dem „Haus der Wissenschaft“ visualisiert.  Am Ende jedes Kapitels finden Interessierte weiterführende Literaturhinweise.

Haus der Wissenschaft

Töpfer schreibt: „Das Ziel dieses Buches ist keine breite methodische Diskussion der Wissenschaftstheorie und der empirischen Forschung. Vielmehr soll gesichertes Basiswissen des Wissenschaftlichen Arbeitens und Forschens strukturiert und verständlich vermittelt werden. Dieser Forschungs-Leitfaden kann so unmittelbar als Basis für die Anfertigung einer eigenen wissenschaftlichen Arbeit verwendet werden.“ (Quelle: http://www.forschungs-leitfaden.de/presentation.php)

Echte Beispiele aus der Forschung

Töpfer leitet die Forschungsgruppe für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU Dresden, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2010 Professor war. Aus seiner Tätigkeit bezieht er die Beispiele, wobei Bezüge zu anderen Disziplinen vorhanden sind und Töpfer seinen Ratgeber als disziplinenübergreifende Anleitung verstanden haben möchte (S. 16):

  • „Kundenbindungsmanagement und Sanierungserfolg – Explorative Analyse der Wirkungszusammenhänge“
  • „Beschwerdezufriedenheit und Kundenloyalität im Dienstleistungsbereich – Kausalanalysen unter Berücksichtigung moderierender Effekte“
  • „Anforderungen an die Unternehmenskultur bei der erfolgreichen Einführung von Lean Six Sigma“
  • „Erzeugen von innovativen und robusten Produkten im Produktentstehungsprozess (PEP)“
  • „Kundenorientierte Gestaltung von Internetportalen zur Steigerung des Kundenwertes in der Zielgruppe 50+“
  • „Risikomanagement und Lernen im Krankenhaus“

Die empirische Forschung kommt demnach nicht zu kurz. Ausführlich wird behandelt, welche Arten von Hypothesen es gib und worauf bei deren Formulierung zu achten ist. Die zur Auswahl stehenden Methoden werden übersichtlich den Arten möglicher Forschungsprobleme zugeordnet. So kann sich jeder relativ schnell orientieren.

Was fehlt diesem Buch?

Kurz gesagt, eigentlich nichts. Eigentlich.

Der Autor hält sich an seine Ankündigung, nur so viel Wissenschaftstheorie wie nötig zu behandeln. Die Inhalte reichen aus, um sein eigenes Vorgehen einzuordnen und gegebenenfalls hinterfragen zu können. Das muss an dieser Stelle genügen und stellt sicher keine Schwäche dar.

Kapitel K, das „Praktische Tipps zur Organisation des eigenen Wissenschaftlichen Arbeitens“ behandelt, wurde ziemlich kurz gehalten (30 der 437 Seiten). Damit geraten die praktischen Tipps im Vergleich zu anderen auf dem Markt erhältlichen Titeln eher oberflächlich. Dies darf man jedoch bei Master-Studierenden und Doktoranden sowieso als bekannt voraussetzen. Interessierten Anfängern sollten Lehrende sowieso andere Bücher empfehlen (siehe unten).

Aus meiner Sicht das einzige wirkliche Manko: Den qualitativen Ansätze der Forschung widmet Töpfer nur etwas über drei Seiten, also fast gar nichts angesichts des Gesamtumfangs. Wer hierzu eine zielführende Anleitung sucht, wird sie nicht im erhofften Ausmaß finden.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

In einer idealen Welt wären selbstverständlich alle (BWL-)Studierenden an der Lektüre dieses Buches interessiert. Sie wären auch gut damit bedient, weil es so umfassend und sehr gut nachvollziehbar geschrieben ist.

Allerdings würde ich das Buch definitiv nicht Erstsemestern empfehlen, es mag sogar für den durchschnittlichen Bachelor-Studierenden überfordernd und abschreckend sein. Master-Aspiranten und Doktoranden finden hier jedoch mit Sicherheit einen bereichernden Leitfaden.

Durch die BWL-lastigen Beispiele fällt der Gewinn für Studierende anderer Fachrichtungen tendenziell nicht so hoch aus. Einen guten Einstieg finden aber auch sie mithilfe von Töpfers Ratgeber.

Insgesamt eignet sich das Buch nicht für den flüchtigen Leser. Es erfordert eine ernsthafte Beschäftigung mit der Materie, um wirklich davon zu profitieren.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Durch die BWL-nahen Beispiele ist die Richtung eindeutig vorgegeben, der Nutzen für Lehrende anderer Disziplinen hält sich in Grenzen. Gleichwohl wäre es wünschenswert, wenn in anderen Disziplinen ebenso ansprechende Ratgeber zu finden wären. (Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt – Sie dürfen es mich gern in den Kommentaren wissen lassen.)

Zudem profitiert die eigene Lehre aus Gründen der Nachvollziehbarkeit vermutlich dann am meisten, wenn man ein Beispiel komplett von A bis Z behandelt und nicht nur Teile davon herausnimmt. Denn der Aha-Effekt tritt wohl vor allem ein, wenn man sich auf die detaillierte Behandlung einlässt. „Ganz oder gar nicht“ empfiehlt sich hier also als Devise.

Ein Vorschlag noch, der wahrscheinlich über die Intention des Autors herausgeht: Die Übersicht über die „25 Fallstricke“ in Kapitel I lässt sich gut als Checkliste bei der Korrektur studentischer Arbeiten nutzen.

Zum Erfahrungsaustausch wurde eine Internet-Plattform geschaffen. Leider wird dieses von der Zielgruppe nicht angenommen: 0 Mitglieder und folglich 0 Beiträge (Stand 01.11.2015). Dozierende können über die Website jedoch auch Unterrichtsmaterialien anfordern und die vielen hilfreichen Abbildungen in ihren Lehrveranstaltungen einsetzen.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!