Universitätsbibliothek : „Und rechts sehen Sie den Präsenzbestand…“

Es führt kein Weg daran vorbei: Irgendwann benötigt jeder Literatur, wenn eine wissenschaftliche Arbeit anzufertigen ist. Manche steuern die Bibliothek gleich am Anfang an, wenn sie noch nach einem Thema oder einer Fragestellung suchen. Sie sichten erst einmal viele Quellen und lesen sich ein. Andere wissen schon, in welche Richtung ihre Arbeit gehen soll, und können gezielter recherchieren. In beiden Fällen ist es unabdingbar, die Techniken der Literatursuche zu beherrschen.

Das nötige Wissen über die Literaturrecherche lässt sich sehr gut in der Lehrveranstaltung vermitteln:

  • Wie ist eine wissenschaftliche Bibliothek grundsätzlich aufgebaut?
  • Was ist dort anders organisiert als etwa in einer Stadtbücherei?
  • Wie funktioniert ein OPAC?
  • Welche Strategien kann ich bei der Literatursuche anwenden?
  • Wieso sollte ich nicht nur im Internet nach Quellen suchen?

Um diese Inhalte zu vermitteln, müssen wir den Hörsaal theoretisch nicht verlassen. All das lässt sich mündlich, anhand unterstützender Folien und mit ein bis zwei Ausflügen in die weite Welt des Internets, sehr anschaulich lehren. (In diesem Artikel habe ich mehr dazu geschrieben.)

Was bringt ein gemeinsamer Besuch in der Bibliothek?

Wieso also sollte ich mit dem kompletten Kurs der Bibliothek einen Besuch abstatten? Dieses Thema möchte ich zuerst aus der Perspektive der Studierenden betrachten. Danach schildere ich, welche Aspekte bei der Vorbereitung zu beachten sind.

Das „Pro“ aus Sicht der Studierenden

 

  • Das Zurechtfinden in einer wissenschaftlichen Bibliothek ist kompliziert.

Solche Bibliotheken sind im Regelfall groß und auf den ersten Blick unübersichtlich: Es hilft, wenn man die verschiedenen Bereiche direkt vor Ort gezeigt bekommt und etwa ausleihbare Bücher vom Präsenzbestand unterscheiden lernt. Neulinge sparen einiges an Zeit, wenn jemand ihnen die wichtigsten Informationen an Ort und Stelle weitergibt.

  • Ein gemeinsamer Bibliotheksbesuch nimmt eventuelle Schwellenängste.

Gerade bei Studierenden aus Familien ohne akademischen Hintergrund ist das manchmal ein Thema. Oder besser gesagt: Es ist eben kein Thema, denn fast niemand spricht es offen aus. Einige hegen die Befürchtung, das Angebot der Bibliothek gar nicht nutzen zu dürfen (Zugang nur für „echte Wissenschaftler“). Einige haben Angst, sich mangels Erfahrung falsch zu verhalten, sich zu blamieren und direkt als Unwissender erkannt zu werden. Diese Studierenden profitieren davon, den ersten Besuch nicht alleine meistern zu müssen, sondern innerhalb einer Gruppe unterwegs zu sein.

Das „Contra“ aus Sicht der Studierenden

 

  • Manche Studierende empfinden den gemeinsamen Besuch der Bibliothek als Zeitverschwendung.

Sie wären mit den Erklärungen in der Lehrveranstaltung und einer selbständigen Suche schneller vorangekommen. Sie hätten die Zeit besser nutzen können , indem sie gezielt für ihre eigene Arbeit recherchieren.

  • Manche Studierende empfinden einen gemeinsamen Bibliotheksbesuch als nicht angemessen.

So eine Veranstaltung hat etwas von Schulausflug und Projekttagen und An-die-Hand-genommen-werden. Wenn jemand Schwellenängste hat, soll er sie ihrer Meinung nach eben einfach überwinden.

Der Blick auf die Rahmenbedingungen

Hat man als Dozent seinen Standpunkt zu den angesprochenen Aspekten gefunden, geht es an die Vorüberlegungen für die Umsetzung. (Wie) ist ein gemeinsamer Bibliotheksbesuch überhaupt sinnvoll zu gestalten? Folgende zwei Punkte sind abzuwägen:

1. Gruppengröße

Bei überschaubaren Gruppen ist eine gemeinsame Führung durch die Lehrkraft gut machbar. Das muss selbstverständlich im Vorfeld mit der Bibliothek abgestimmt sein. Alternativ kann man „outsourcen“ und das Schulungsangebot der Bibliothek nutzen. Hierdurch entstehen manchmal Kosten, das wird von Bibliothek zu Bibliothek unterschiedlich gehandhabt.

Zur Vertiefung können im Anschluss an den Rundgang zusätzliche Arbeitsaufträge für einzelne Studierende oder Kleingruppen gegeben und ausgewertet werden, so dass diese sich nicht nur „berieseln“ lassen, sondern auch selbst aktiv werden müssen.

Bei größeren Gruppen bietet sich eine Rallye durch die Bibliothek an. Dabei schickt man wie bei einer Schnitzeljagd die Kleingruppen zeitlich versetzt und/oder in verschiedene Richtungen los, so dass immer nur wenige Personen gemeinsam durch die Räume gehen. Verschiedene Aufgaben müssen gelöst werden. Die Gruppenmitglieder können sich dabei gut im Flüsterton abstimmen, dadurch hält sich der Lärm in Grenzen.

2. Aufwand

Im Vergleich zu einer regulären Lehrveranstaltung fällt natürlich bei einer solchen Exkursion mehr Aufwand an.

Je nach den örtlichen Gegebenheiten sollte die Zeit für die Anfahrt berücksichtigt werden. Gerade wenn direkt vor oder nach dem Besuch der Bibliothek andere Lehrveranstaltungen stattfinden, wird es unter Umständen zeitlich eng für die Betroffenen.

Die Vorbereitungszeit variiert je nach der eingesetzten Methode.

  • Führt man die Gruppe selbst durch die Räume, setzt das ein gewisses Maß an Ortskenntnis voraus. Zumindest ein grober Plan der anzusteuernden Bereiche sollte vorab erstellt werden – sei es durch reines Überlegen vom Schreibtisch aus, sei es durch eine „Vortour“.
  • Bei einer Führung durch Angestellte der Bibliothek reduziert sich der Vorbereitungsaufwand auf die Absprachen im Vorfeld. Danach kann man sich entspannt zurücklehnen. Während der Führung muss man auch nichts weiter tun, als eventuell auftretende kleinere Fragen zu den Besonderheiten des eigenen Fachgebiets zu beantworten. Das Allgemeine erledigen die Bibliotheksmitarbeiter.
  • Die aufwändigste Vorbereitung bringt eine Rallye mit sich. Die Aufgaben müssen erstellt und die Lösungen dokumentiert werden. (Eine Checkliste zur Vorbereitung und Durchführung habe ich hier eingestellt.) Zurück am Schreibtisch gilt es, die Aufgabenblätter niederzuschreiben und zu vervielfältigen. Die Durchführung der Rallye erfordert zudem für den Dozenten einen Raum oder zumindest eine abgelegene Stelle, an der man mit seinen kurzen Besprechungen die anderen Nutzer nicht stört. Das muss wiederum rechtzeitig mit der Bibliothek abgestimmt werden.

Fazit

Der Bibliotheksbesuch mit dem gesamten Kurs kann eine willkommene Ergänzung der Lehrveranstaltung sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Je nach Gestaltung des Besuchs fällt mehr oder weniger Vorbereitung an. Der Nutzen liegt für manche Studierende in der Zeitersparnis, für andere in der Überwindung ihrer Schwellenängste. Da über Letzteres kaum jemand offen spricht, ist dieser Nutzen nicht direkt greifbar.

Denkbar wäre es, den Besuch auf freiwilliger Basis anzubieten, um allen Interessenlagen gerecht zu werden. Dann können diejenigen teilnehmen, die sich etwas davon versprechen, und alle anderen ziehen auf eigene Faust los.

Wie machen Sie das denn in Ihren Kursen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

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