Dreyfürst/Sennewald: Gesammeltes Wissen

Dreyfürst, Stephanie und Sennewald, Nadja (Hrsg.) (2014): Schreiben. Grundlagentexte zur Theorie, Didaktik und Beratung. Opladen und Toronto: Verlag Barbara Budrich (UTB).

Preis: 29,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

  1. Schreibprozesse
    Prozessorientierte Schreibdidaktik: Grundlagen, Arbeitsformen, Perspektiven (Gabriela Ruhmann & Otto Kruse); Schreiben als kognitiver Prozess. Eine Theorie (Linda Flower & John R. Hayes); Kognition und Affekt beim Schreiben. Ein neues Konzept (John R. Hayes); Knowledge-telling und Knowledge-transforming (Carl Bereiter & Marlene Scardamalia); Entwicklung im Schreiben. Schreiben als kognitiver Prozess (Carl Bereiter)
  2. Schreibkompetenzen
    Schreibkompetenz im Studium. Komponenten, Modelle und Assessment (Otto Kruse & Madalina Chitez); Schreibkompetenzen schulen. Eine Perspektive der kognitiven Entwicklungspsychologie (Ronald T. Kellogg); Wie Schreibende sich an neue Schreibsituationen anpassen (Anne Beaufort); Schreibstrategien. Ein Überblick (Nadja Sennewald)
  3. Schreibprobleme
    Schreibblockaden. Eine kognitive Perspektive (Mike Rose); Schreibblockaden verstehen (Keith Hjortshoj); Schreibblockaden überwinden (Gisbert Keseling)
  4. Schreibberatung
    Grundprinzipien der Schreibberatung. Eine pragmatische Sicht auf die Schreibprozesstheorie (Gerd Bräuer); Systemische Schreibberatung (Ulrike Lange & Maike Wiethoff); Interkulturelle Kompetenzen in der Schreibberatung (Nadine Stahlberg); Online Schreibberatung. Ein neues Feld für das (Peer) Tutoring (Stephanie Dreyfürst, Sascha Dieter & Dennis Fassing)
  5. Schreibzentren
    Zur Idee eines Schreibzentrums (Stephen M. North); Neue Überlegungen zur Idee eines Schreibzentrums (Stephen M. North); Genre im Schreibzentrum. Eine Neudefinition (Irene L. Clark); Kollaboration und Autonomie. Wie Peer Tutor*innen die Schreibzentrumsarbeit fördern (Katrin Girgensohn)
  6. Peer Tutoring
    Peer Tutoring und das ‚Gespräch der Menschheit’ (Kenneth A. Bruffee); Was sie mitnehmen. Das ‚Peer Writing Tutor Alumni Project’ (Bradley Hughes, Paula Gillespie & Harvey Kail); Peer Tutoring als Lernerfahrung. Ein Bericht (Simone Tschirpke & Lisa Breford); Peer Tutoring. Antworten für Skeptiker (Ella Grieshammer & Nora Peters)

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Dreyfürst/Sennewald: Gesammeltes Wissen

Bei dem zu besprechenden Buch handelt es sich dieses Mal nicht um einen Ratgeber, sondern um einen Sammelband mit Grundlagentexten zur Theorie, Didaktik und Beratung des Schreibens und kollaborativen Lernens. Die Herausgeberinnen Stephanie Dreyfürst und Nadja Sennewald, beide Leiterinnen des Schreibzentrums an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, haben 24 Texte zusammengestellt, zwölf davon wurden aus dem Englischen ins Deutsche übertragen.

Der Reader bietet einen umfassenden Einblick in die noch vergleichsweise neue Disziplin der angewandten Schreibwissenschaft, will aber nicht als Kanon, sondern eher als Diskussionsgrundlage verstanden werden. Bewusst ausgeklammert wurde das Thema des Wissenschaftliches Schreiben in der Fremd- oder Zweitsprache, da dieses wohl in einem eigenen Sammelband herausgebracht werden soll.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile

Die einzelnen Artikel sind – wie es von Schreibprofis nicht anders zu erwarten war – gut nachvollziehbar und verständlich geschrieben. Ein Abstract erleichtert jeweils den Einstieg.

Generell ist es einfach bequem und effizient, die wichtigsten Texte zu einem Gebiet in einem Band versammelt zu haben, erst recht für nicht ausgebildete Schreibberater. Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass einen manche Themen mehr interessieren als andere. Trotzdem fand ich es hilfreich, auch einmal schnell einen Blick auf Themen werfen zu können, die eigentlich nicht im Fokus meiner Arbeit stehen wie beispielsweise Schreibzentren oder Peer Tutoring.

Redundanzen sind natürlich immer ein Problem bei einer solchen Zusammenstellung, da sich die ausgewählten Texte teilweise auf die gleichen Ursprungstexte und auch aufeinander beziehen. Das Modell von Hayes oder die Phasen in der Entwicklung der Schreibkompetenzen tauchen öfter auf – hier ist dann die Lesekompetenz der werten Leserschaft gefragt, die manche Abschnitte getrost überspringen kann.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Auf dem Einband steht ausdrücklich und vermutlich fälschlicherweise, dass der Sammelband sich „nicht nur an Studierende, sondern auch an Hochschullehrende und Schreibcoaches“ richtet. Meiner Meinung nach wird es umgekehrt stimmiger: Studierende profitieren nur in zweiter Linie von der Lektüre – zumindest solche, die das Schreiben lernen wollen. Jene, die sich aus fachlicher Sicht mit der Schreibwissenschaft befassen wollen oder einen Einstieg in das studentische Peer Tutoring finden möchten, sind natürlich gut beraten, wenn sie die Grundlagentexte durcharbeiten.

Im Vorwort wird deutlicher, dass sich der Reader an ein breites Publikum wendet, nämlich an „all diejenigen, die sich theoretisch wie praktisch mit der Vermittlung von Schreib- und Lesekompetenzen beschäftigen. Sei es an Schreibzentren, Hochschulen, Schulen und anderen Aus- und Weiterbildungsstätten, sei es an Bildungsakademien, Career Service-Zentren oder Volkshochschulen, in beruflichen Beratungsstellen oder freiberuflich“.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Dozierende im Wissenschaftlichen Arbeiten, die nicht als Schreibberater ausgebildet sind und sich dennoch eine solide Basis für die Lehre über das Schreiben und die Beratungsgespräche mit den Studierenden wünschen, finden in dem Buch von Dreyfürst/Sennewald das komplette Hintergrundwissen zu Schreibprozessen, -kompetenzen und -problemen. So fällt es leicht, sich mit den Basistexten zu befassen und aus ihnen seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Der Ratgeber „Zukunftsmodell Schreibberatung“ von Grieshammer et al.  ist deutlich anwendungsorientierter gestaltet. Für diejenigen, die auf der Suche nach konkreten Ansätzen und Übungen für ihre Studierenden sind, eignet sich dieses Buch besser als der Sammelband von Dreyfürst und Sennewald, dessen Anspruch ja auch ein ganz anderer ist.

Beide Bücher ergänzen sich sehr gut. In welcher Reihenfolge man bei der Lektüre vorgeht, ist dabei letztlich Geschmackssache. Der eiligere Leser sollte zuerst die Praxistipps von Grieshammer et al. lesen und diese danach (gegebenenfalls punktuell) mit der Theorie unterfüttern. Wer etwas mehr Geduld mitbringt, schafft zuerst mit Hilfe von Dreyfürst/Sennewald ausführlich die theoretischen Grundlagen und baut anschließend die praktische Anwendung darauf auf.


 

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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