Von Schatten, Wahrheit und Verantwortung: Wissenschaftliches Arbeiten als philosophische Reise

Ein Gastbeitrag von Dr. Nicolaus Wilder

Als Lehrender in der Allgemeinen Pädagogik erlebe ich die spannendsten Momente, wenn ich Platons Höhlengleichnis mit den Studierenden diskutiere und darüber die eigene Bildungsbiografie reflektiere. Aber dazu später mehr.

Entstanden etwa um 375 v. Chr. im antiken Griechenland ist Platons Höhlengleichnis „bis heute die tiefste und eindringlichste Analyse des Bildungsgeschehens geblieben, die sich auffinden läßt“ (Ballauff 1969, S. 91). Auch wenn Platon erkenntnistheoretisch heute nur noch von ideengeschichtlicher Bedeutung ist, so trifft dies keineswegs auf seine bildungstheoretischen Überlegungen zu. Gerade in dem gegenwärtig ausgerufenen Zeitalter der Künstlichen Intelligenz scheinen diese aktueller und relevanter denn je zu sein.

Doch was hat das mit der Vermittlung von wissenschaftlichem Arbeiten zu tun? Bei Platon im Grunde alles: Während Bildung (paideia) bei Platon ein umfassender Prozess der Entwicklung und Formung der Seele von innen und außen ist, der auf die Erkenntnis des Wahren, Guten und Schönen abzielt, ist Wissenschaft (epistēmē) die methodische Erkenntnis dieser höheren Wahrheiten selbst. Bildung also beschreibt den Weg zur Wissenschaft. Sie ist die Formung genau derjenigen Seele, die eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler zur wahren Erkenntnis benötigt. Wissenschaftliches Arbeiten zu lehren bedeutet damit nichts anderes als die Ermöglichung von Bildungsprozessen hin zu einer wissenschaftlichen Haltung. Und was dieser Weg konkret bedeutet, beschreibt das Höhlengleichnis eindrücklich. Drei – hier nur analytisch getrennte, aber eigentlich stark miteinander verwobene – Aspekte scheinen mir dabei von besonderer zeitloser Aktualität zu sein:

1) das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit

2) die selbstreflexive Erkenntnis des eigenen Schattendaseins und

3) die Aufgabe, das private und, vielleicht noch wichtiger, das öffentliche Leben zu verbessern

Diese gilt es im Folgenden holzschnittartig zu skizzieren.

Das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit

Wissenschaft ist bei Platon nicht ohne eine teleologische Ausrichtung auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu denken, wobei Gerechtigkeit im Grunde nur eine spezielle, aber für Platon die höchste, Wahrheit darstellt. Eine Wissenschaft, die nicht nach Wahrheit strebt, verkommt zu bloßer Rhetorik – Platons Kritik an den Sophisten seiner Zeit. Dieser Aspekt ist sicher am engsten verknüpft mit Platons Ideenlehre, also der Vorstellung, dass es ein Reich höherer, unveränderlicher und ewig wahrer Ideen gibt, von denen alles sinnlich Wahrnehmbare nur unvollkommene Manifestationen sind. Diese absoluten Ideen, die Platon grundsätzlich – jedoch tief unter falschen Vorstellungen verborgen – im Menschen angelegt sieht, über einen mühsamen Reflexionsprozess freizulegen, ist für ihn wesentliche Aufgabe der Wissenschaft, da sich daran alles weitere Handeln orientiert, auch das praktische. Diesen unmittelbaren Zusammenhang illustriert Platon wie folgt.

„Schließlich aber kam ich zu der Überzeugung, daß alle jetzigen Staaten samt und sonders politisch verwahrlost sind, denn das ganze Gebiet der Gesetzgebung liegt in einem Zustand darnieder, der ohne eine ans Wunderbare grenzende Veranstaltung im Bunde mit einem glücklichen Zufall nahezu heillos ist. Und so sah ich mich denn zurückgedrängt auf die Pflege der echten Philosophie, der ich nachrühmen konnte, daß sie die Quelle der Erkenntnis ist für alles, was im öffentlichen Leben sowie für den Einzelnen als wahrhaft gerecht zu gelten hat. Es wird also die Menschheit, so erklärte ich, nicht eher von ihren Leiden erlöst werden, bis entweder die berufsmäßigen Vertreter der echten und wahren Philosophie zur Herrschaft im Staate gelangen oder bis die Inhaber der Regierungsgewalt in den Staaten infolge einer göttlichen Fügung sich zu ernstlichen Beschäftigung mit der echten Philosophie entschließen.“

(Platon, VII. Brief, 326ab)

Platon, eigentlich angetreten, um politisch aktiv zu werden, „erfüllt von dem Drang nach staatsmännischer Betätigung“ (ebd.), stellt bei seiner kritischen Auseinandersetzung basierend auf seiner praktischen Erfahrung also fest, dass alle Staaten im Grunde ungerecht sind. Es fehlen gänzlich die Rahmenbedingungen, um auch nur die Möglichkeit zu haben, durch politisches Handeln den Staat verbessern zu können. Zur notwendigen Bedingung, um überhaupt eine Form von Handlungsmächtigkeit herzustellen, wird die Klärung der Frage, was Gerechtigkeit eigentlich ist. Nur auf Grundlage der Auseinandersetzung mit dieser Frage lässt sich die Gesellschaft entsprechend verbessern.

Das Zitat verdeutlicht mehrere Aspekte:

1) Am Anfang steht die radikale Reflexion des Ist-Zustandes.

2) Um den Ist-Zustand zu verändern, bedarf es der Formulierung einer wahren – oder etwas weniger platonisch ausgedrückt: begründeten – Alternative und

3) Wissenschaft hat eine hochgradige gesellschaftliche Orientierungsfunktion und ist damit genuin normativ zu denken. Eine wertfreie Wissenschaft wäre für Platon wahrscheinlich wertlos.

Auch wenn wir Platons Absolutheitsanspruch an Wahrheit heute überwiegend nicht mehr so teilen würden, sondern Wahrheit eher korrespondenz- (eine Aussage ist dann wahr, wenn sie mit der Wirklichkeit übereinstimmt), kohärenz- (eine Aussage ist dann wahr, wenn sie in einem System von Aussagen keine Widersprüche erzeugt) oder konsenstheoretisch (eine Aussage ist dann wahr, wenn sich darauf geeinigt wurde) denken, so bleibt das Streben nach einer Form von Wahrheit weiterhin konstitutiv für die Wissenschaft. Sonst ließe sich nicht plausibel von so etwas wie Fake News sprechen. Die Verantwortung einer normativen gesellschaftlichen Orientierungsfunktion lehnen große Teile der Wissenschaft jedoch gegenwärtig ab, was aber gerade in Zeiten großer gesellschaftlicher Transformationsprozesse nicht unproblematisch ist.

Auf dem Bild sieht man eine große Höhle, aus deren Aus-/Eingang Sonnenlicht hineinstrahlt. An den Wänden stehen Formeln und Zahlen. Steingebäude mit Säulen und Statuen sind an den Wänden der Höhle zu sehen. Einige Menschen laufen aus der Höhle hinaus oder hinein. Eine Gestalt steht etwas im Vordergrund auf einem Felsvorsprung und schaut dem Licht entgegen. Das Bild veranschaulicht das Höhlengleichnis.

Die selbstreflexive Erkenntnis des eigenen Schattendaseins

Die fundamentale Bedingung für Wissenschaft ist bei Platon die Erkenntnis der eigenen Schatten und Echos. Wir sind alle gefesselt an das, was uns vorgelebt wird, die Werte, die wir teilen, die Sprache, die wir sprechen, die Entitäten, an die wir glauben. Heute würde man das mit dem Begriff der Sozialisation beschreiben, dem Aufwachsen in einer Gesellschaft mit einer spezifischen Perspektive auf Welt und Selbst. Und wir glauben nur zu gerne, dass diese Dinge, also unsere Überzeugungen, auch wahr sind.

In meinen Seminaren ist das immer einer der spannendsten Momente, wenn ich frage: Wofür stehen denn in dem Gleichnis die Menschen in der Höhle? Wenn man den Diskussionen genug Zeit gibt, kommt es häufig zu folgendem Verlauf: „Na ja, die Menschen damals halt, die wussten ja noch nicht so viel.“ Oder: „Kinder, Platon beschreibt da den Prozess des Erwachsenwerdens.“ Irgendwann kommt es dann aber auch dazu, dass die Teilnehmenden sagen: „Aber es gibt doch heute auch erwachsene Menschen, die nur in Ihrer Bubble leben (aber das sind natürlich nicht wir hier an der Uni).“ Und in seltenen Fällen endet es in der fundamentalen Einsicht: „Diese Menschen stehen für uns alle. Wir alle sind gefesselt an bestimmte Sichtweisen.“ Was Platon von uns auf dem Weg in die Wissenschaft verlangt, ist nicht weniger, als an all diesen Dingen zu zweifeln, an die wir glauben und von denen wir überzeugt sind – eben unserer Bubble, in der wir uns so wohlfühlen. Wir sollen uns auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Schatten und Echos machen. Kein Wunder also, dass er diesen Prozess als zwang- und schmerzhaft beschreibt. Diesen Weg geht man weder freiwillig noch allein. Er muss begleitet werden und genau das ist bei Platon die Aufgabe der Pädagogen.

Der Weg zur Wissenschaft ist harte Arbeit am Selbst, dem eigenen Denken, Fühlen, Handeln und Urteilen, immer in Bezug auf das eigene Mensch-Welt-Verhältnis.

Diese fundamentale Dimension kritischer Selbstreflexion ist heute – auch in der Wissenschaft – verkümmert zu der Phrase des „kritischen Denkens“. In der Regel meint das ein kritisches Denken über die anderen, weil die eigene Position für die richtige, die wahre, die absolute gehalten wird. Platon aber meint das Gegenteil. Kritisches Denken meint zuvorderst ein kritisches Reflektieren des Selbst. Warum denke, fühle, glaube, meine ich, was ich denke, fühle, glaube oder meine? Und ich mache mich auf die Suche danach, ob es nicht auch anders sein könnte. Es geht Platon um die Überwindung der eigenen Ich-Bezogenheit.

In der neueren Wissenschaftstheorie ist genau das der zentrale Gedanke, der Popper bei der Idee der Falsifikation antrieb: Die Erkenntnis, dass der Mensch sich in seiner Meinung immer irren kann und wir uns genau deswegen auf die Suche nach dem machen müssen, was wir nicht glauben. Auch dieser Gedanke ist verkümmert zu dem Verfahren einer standardisierten Nullhypothesenformulierung. Aber es ist etwas ganz anderes, formal zu sagen, es gibt einen Schwan, der nicht schwarz ist und die Daten darauf zu testen, um zu aller Überraschung festzustellen, dass alle Schwäne weiß sind, oder sich auf den beschwerlichen Weg zu machen, den einen nicht schwarzen Schwan zu finden, von dem man überzeugt ist, dass es ihn nicht gibt.

Die Aufgabe, das private und das öffentliche Leben zu verbessern

Für Platon endet Wissenschaft aber nicht mit der Erkenntnis, mit dem Ausruhen auf der Insel der Seligen. Der härteste Teil beginnt erst dann. Aus der Einsicht in Wahrheit und Gerechtigkeit folgt die Notwendigkeit, auch andere daran teilhaben zu lassen und sich für eine Verbesserung des Lebens aller einzusetzen. Im Gleichnis wird das dargestellt durch den Rückgang in die Höhle und das Herausführen der in der Höhle Verbliebenen. Dieser Prozess ist durch größte Widerstände geprägt unter Bedrohung des eigenen Lebens, was von Platon an dieser Stelle keineswegs metaphorisch gemeint ist, sondern auf Sokrates Schicksal Bezug nimmt. Das ist die Pflicht der Wissenschaft. Sie darf sich nicht auf der Erkenntnis ausruhen, nur um am Ende zu sagen, „Ich hab es ja gewusst!“, sondern sie ist verpflichtet, Gesellschaft mitzugestalten. Wissenschaft ist von der Gesellschaft für die Gesellschaft und hat somit eine große gesellschaftliche Verantwortung. Bildung und Wissenschaft sind bei Platon also nicht als akademisches Spiel mit abstrakten Wissensbeständen gedacht, als Erkenntnis um der Erkenntnis willen, sondern hochgradig praktisch und politisch. Sie dienen der Verbesserung des Lebens.

Gerade jetzt, wo uns die potenziellen Gefahren Künstlicher Intelligenz langsam zu dämmern beginnen, in den ungeahnten Möglichkeiten, beliebige authentisch anmutende Deep Fakes zu erzeugen, Demokratien zu manipulieren, die Logik von Schatten und Echos nicht nur zu reproduzieren, sondern sogar zu verstärken, es im Grunde keine Instanz mehr gibt, die uns die Unterscheidung zwischen Wissen und Meinung abnimmt, scheint diese von Platon vorgeschlagene kritisch-reflexive Haltung des Ichs wichtiger denn je, genau wie die gesellschaftliche Verantwortung und die Fähigkeit in begründeten Alternativen oder gesellschaftlichen Utopien zu denken. Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, in der KI im Dienst von Mensch und Gerechtigkeit steht? Antworten auf solche Fragen zu formulieren, ist genuine Aufgabe der Wissenschaft.

Die Lehre wissenschaftlichen Arbeitens kann in der Auseinandersetzung mit Platon und insbesondere seinem Höhlengleichnis einen wichtigen Beitrag leisten. Sie befähigt zum Eröffnen eben dieser Haltung, wenn sie nicht reduziert wird auf das Auswendiglernen bestimmter methodisch-dogmatischer Verfahren.

Literatur

Ballauff, T. (1969). Pädagogik. Eine Geschichte der Bildung und Erziehung. Band 1: Von der Antike bis zum Humanismus. Alber.

Foto von Dr. Nicolaus Wilder
https://www.olafbathke.de/

Dr. Nicolaus Wilder ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeine Pädagogik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Gründungsmitglied des VK:KIWA (Virtuelles Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz und wissenschaftliches Arbeiten) sowie Vorstandsmitglied des Zentrums für Konstruktive Erziehungswissenschaft e. V.

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Wissenschaftliches Arbeiten lehren: unsere Top 10

(Teil 2)

Ein Gastbeitrag von Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch (Unconditional Teaching)

Unconditional Teaching (bedingungslose Lehre) basiert auf der Grundüberzeugung, dass Lernen dann gelingt, wenn Lernende ihr Lernen für sich selbst bedeutungsvoll machen können und es in gleichwürdige, wertschätzende Lehr-Lern-Beziehungen eingebettet sehen. Was das für das Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten bedeutet, haben wir hier in zehn Prinzipien zusammengefasst. Die ersten 5 Punkte stellen wir in Teil 1 dieses Gastbeitrags vor:

1) Gute Lehr-Lern-Beziehungen sind die wichtigste Basis.

2) Lernen gehört den Lernenden.

3) Wissenschaftliche Forschung basiert auf Neugier und Kreativität, und Bewertung und Benotung sind für beide schädlich.

4) Wenn wir wollen, dass Studierende sich wie Wissenschaftler*innen verhalten, müssen wir sie auch wie Wissenschaftler*innen behandeln.

5) Bedeutungsvolle Kontexte gestalten.

6) Lernen als Aneignung von Strategien statt von Kompetenzen denken.

Lehre als Vermittlung von Kompetenzen zu denken, lädt zu einer defizitorientierten Sicht auf Lernende ein: Sie verfügen offensichtlich nicht über die Kompetenzen, von denen wir annehmen, dass wir sie unterrichten; sie sind standardmäßig inkompetent. Außerdem ist diese Vorstellung von Lehre mechanistisch und damit unrealistisch: Wenn man eine bestimmte Kompetenz erworben hat, dann kann man etwas Bestimmtes leisten, egal in welchem Kontext oder unter welchen Umständen. Dass wir nur dann etwas so Komplexes wie wissenschaftliches Arbeiten wirklich lernen, wenn wir es in unterschiedlichen Kontexten immer wieder tun, wird dabei nicht berücksichtigt. Diese Vorstellung von Lernen als Kompetenzerwerb trägt auch zu unserer Frustration als Lehrende bei, weil sie uns glauben macht, dass Studierende dieses oder jenes „können sollten“, nachdem sie es einmal „gelernt haben“.

Wenn wir dieser mechanistischen, defizitären Sicht auf Lernen ein Sprechen über Strategien entgegensetzen, wird es viel einfacher, die Fähigkeiten und Ressourcen in den Blick zu nehmen, die Lernende bereits haben. Denn für alles, was wir tun, haben wir bereits Strategien – nur manchmal führen diese nicht zu dem Ergebnis, das wir uns wünschen, oder sie sind weniger effektiv, als wir gut fänden. Dann macht es Sinn, andere oder neue Strategien auszuprobieren – dafür ist es gut, wenn Lernende im Unterricht eine Vielfalt an Strategien angeboten bekommen. Für uns ist das eine funktionalere und nützlichere Vorstellung von Lernen, bei dem im Vordergrund steht herauszufinden, mit welchen Strategien individuelle Lernende die Funktionen von wissenschaftlichem Arbeiten für sich selbst am besten umsetzen können.

Mehr dazu lesen:

Tyll Zybura: „For Strategies-based Teaching“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=for-strategies-based-teaching)

7) Die eigene Wissenschaftspraxis transparent machen.

Ein Grund dafür, dass wissenschaftliches Arbeiten zu lernen für Studierende schwer ist, hat damit zu tun, dass ihnen Wissenschaft nur als Ergebnis begegnet – in Form fertiger Artikel oder Bücher etwa –‍, der Entstehungsprozess dieser Produkte aber wie eine Black Box ist.

Wann immer möglich sollten wir als Lehrende Studierenden deshalb Einblicke in unserer eigenes wissenschaftliches Arbeiten geben: wie wir selber recherchieren, Texte lesen, Texte schreiben, überarbeiten und publizieren, wie wir uns mit einem Abstract für einen Beitrag auf einer Konferenz bewerben und wie wir uns auf einen Konferenzvortrag vorbereiten. Wir können Studierenden verschiedene Versionen unserer Texte oder Vorträge zeigen, damit sie sehen können, wie viel Entwurfs- und Überarbeitungsarbeit vor dem fertigen Ergebnis passiert.

Darüber hinaus ist es gut, wenn wir uns auch als Personen zeigen: Wir stehen für unsere Studierenden sozusagen Modell als professionelle Akademiker*innen mit Ecken und Kanten, mit Leidenschaft und mit Selbstzweifeln, mit Knicken im Lebenslauf und mit Stolz auf unsere Leistungen. Wir können darüber sprechen, wie wir mit Nervosität vor Vorträgen, mit kritischem Feedback oder dem Imposter-Syndrom umgehen. (Und natürlich sollten wir all das nicht in direktiver didaktischer Absicht tun, um Studierenden vorzugeben, wie sie selbst leben, denken und arbeiten sollen.)

8) Funktionen lehren statt Regeln.

In vielen Bereichen legen wir den Fokus darauf, die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens zu lehren, und vernachlässigen dabei die Funktionen, die diese Regeln erfüllen helfen sollen. Und das ist angesichts der Bewertungsorientierung unserer Lehre auch naheliegend, weil das Einhalten von Regeln oft leichter zu kontrollieren ist. Anwesenheitspflicht durchzusetzen ist einfacher, als die eigene Lehre so zu gestalten, dass Studierende die diskursiven Prozesse in der Präsenzzeit als wertvoll und bereichernd erfahren. Die Anzahl der referenzierten wissenschaftlichen Literatur in einer studentischen Arbeit vorzugeben ist einfacher, als Studierenden dabei zu helfen zu einer Einschätzung darüber zu kommen, welche Literatur für ihre Arbeit sinnvoll und angemessen ist. Und die Verwendung der ersten Person zu verbieten ist einfacher, als über die Funktionen von Wissenschaftssprache zu sprechen und Studierende zu ermutigen, ihre eigene Stimme zu finden.

Regeln sind also immer Abkürzungen, und sie lassen dabei das Wichtigste links liegen: nämlich ein Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten zu vermitteln, das es Lernenden erlaubt, sich eigenständig dazu ins Verhältnis zu setzen. Regeln zu lehren stärkt die Autoritätsposition von Lehrenden und macht Studierende deshalb abhängig von der Bewertung anderer. Diese Abhängigkeit behindert sie darin, selbstständig zu arbeiten und ihre eigene Arbeit einschätzen zu lernen. Je mehr Studierende sich unter dem Druck sehen, die formalen Regeln ihrer individuellen Betreuer*innen herausfinden und einhalten zu müssen, umso mehr geht ihnen der Blick für die kommunikative Funktion ihres Textes verloren. Das buchstabengetreue Befolgen von formalen Regeln wird zu einem Absicherungsverhalten, das zu Texten führt, die vielleicht formal korrekt sind, die aber ihr wissenschaftliches Anliegen nicht gut kommunizieren. Funktionen zu lehren statt Regeln erlaubt Studierenden, ihre eigenen Lösungen zu finden, und hilft ihnen deshalb auch dabei, ihre Arbeit für sich sinnhaft zu machen.

9) Wissenschaft bedeutet, Positionen zu verteidigen, nicht Fakten zu finden.

Medien und Schule vermitteln uns den Eindruck, dass es bei Wissenschaft um das Finden von Fakten geht („Die Wissenschaft hat festgestellt …“). Dieses Verständnis von Wissenschaft führt Studierende jedoch häufig in die Irre; vor dem Etablieren von Fakten geht es in der Wissenschaft um das Verteidigen von Positionen: darum, wessen Theorie, Hypothese, Argument, Erklärung, Interpretation oder Studienergebnis in der Diskursgemeinschaft der jeweiligen Disziplin als valide und überzeugend anerkannt wird. Und das müssen wir immer wieder thematisieren, sowohl bei der Arbeit mit Texten als auch wenn wir wissenschaftliches Schreiben lehren.

Wenn Studierende in den Texten von anderen nur nach Fakten suchen und sich in ihren eigenen Texten nur darauf konzentrieren, Fakten zu präsentieren, übersehen sie leicht, wo Wissenschaftler*innen Positionen austauschen und in welcher Weise – affirmativ oder in Abgrenzung – sie sich auf andere beziehen. Es wird ihnen außerdem schwerer fallen zu verstehen, warum es beim wissenschaftlichen Arbeiten so wichtig ist, jeden Bezug auf andere Wissenschaftler*innen transparent zu machen: Warum sollte das nötig sein, wenn es nur um Fakten ginge? Fakten sind schließlich Fakten, egal, wer darüber schreibt.

10) Plagiate als handwerkliches und nicht als moralisches Problem behandeln.

Plagiate in studentischen Arbeiten sind in der Regel das Ergebnis von Panikreaktionen auf überwältigenden Druck oder von mangelnder Vertrautheit mit den Prämissen der akademischen Wissensproduktion. In beiden Fällen hat Plagiieren seinen Ursprung darin, dass Studierende von der Institution zu wenig Strategien an die Hand bekommen, die ihnen beim wissenschaftlichen Schreiben Klarheit und Sicherheit geben. (Während unser benotungsbasiertes Bewertungssystem gleichzeitig Anreize setzt, die Plagiieren als sinnvolle Lösung erscheinen lassen.) Ein Aspekt dieses institutionellen Versagens besteht darin, dass wir Plagiieren als moralisches und nicht als technisches Problem normalisiert haben.

Statt dieser defizitorientierten Herangehensweise, die sich auf Fehler und Bestrafung konzentriert, sollten wir: Erstens vermeiden, Studierende einzuschüchtern und zu beschämen, und Plagiieren stattdessen ausschließlich als ein spezifisches handwerkliches Problem behandeln. Zweitens den Fokus mehr darauf legen zu verdeutlichen, warum Wissenschaftler*innen so sehr darin investiert sind, die intellektuellen Einflüsse anderer auf die eigene Arbeit offenzulegen.

Anstatt Studierenden zu sagen: „Tut dies nicht, achtet darauf, jenes zu vermeiden“ und damit das wissenschaftliche Schreiben als ein prekäres Unterfangen darzustellen, das leicht zu katastrophalen Fehltritten führen kann, können wir das Erlernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen als den Erwerb einer Expertise behandeln, die Studierenden Zugang zu Wissenschaft als Gemeinschaftsprojekt ermöglicht.

Nur wenn Studierende sich selbst als Wissenschaftler*innen verstehen und sich mit ihren eigenen Beiträgen in diese Wissenschaftsgemeinschaft eingeladen fühlen, nur wenn wir ihnen die Freiheit zugestehen, ihre eigenen Ideen und Herangehensweisen zu entwickeln, werden sie verstehen, warum individuelle Autorschaft und die Anerkennung dieser Autorschaft durch andere in der Wissenschaft so eine große Rolle spielen. Und dann werden Plagiate ganz automatisch weniger vorkommen.

Mehr dazu lesen:

Tyll Zybura: „Teaching About Plagiarism (or Not)“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=teaching-about-plagiarism-or-not)

Über uns:

Wir – Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch – sind oder waren Lehrende und Forschende an der Universität Bielefeld in der anglistischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Gemeinsam haben wir 2019 das Projekt Unconditional Teaching gegründet mit dem Ziel, Konzepte für beziehungsreiche und machtsensible Lehre zu entwickeln. Auf unserer Webseite veröffentlichen wir Texte und den Unconditional Teaching Podcast zu Haltungen und Praktiken, die dabei helfen können, Lehre bedürfnisorientierter, wertschätzender und menschlicher zu machen. Und wir schulen Hochschullehrende in empathischer Kommunikation, in Sensibilität für mentale Gesundheit und in innovativen Ansätzen kollaborativer Lehre.

Tyll und Katharina haben außerdem zusammen mit Vivian Gramley den Ratgeber Writing in English Studies: A Guide for Students in English Linguistics and Literature (Barbara Budrich 2020) veröffentlicht, der unseren nicht-normativen Ansatz für das Lehren von wissenschaftlichem Schreiben widerspiegelt und den Fokus darauf legt, die Funktionen disziplinspezifischer Konventionen transparent zu machen und Studierende zu ermutigen, Expert*innen ihres eigenen Schreibens zu werden.

Webseite: www.unconditional-teaching.com

E-Mail: team@unconditional-teaching.com

Instagram: @unconditionalteaching

Tyll auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/tyll-zybura/

Katharina auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/katharina-pietsch-4bb626237/

Wissenschaftliches Arbeiten lehren: unsere Top 10

Teil 1

Ein Gastbeitrag von Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch (Unconditional Teaching)

Unconditional Teaching (bedingungslose Lehre) basiert auf der Grundüberzeugung, dass Lernen dann gelingt, wenn Lernende ihr Lernen für sich selbst bedeutungsvoll machen können und es in gleichwürdige, wertschätzende Lehr-Lern-Beziehungen eingebettet sehen. Was das für das Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten bedeutet, haben wir hier in zehn Prinzipien zusammengefasst:

1) Gute Lehr-Lern-Beziehungen sind die wichtigste Basis.

Alles Lernen findet in Beziehungen statt, aber die Art und Qualität dieser Beziehungen hat großen Einfluss auf die Qualität und den Erfolg von Lernen. Wissenschaftliches Arbeiten zu lehren bedeutet, Studierende in die Diskursgemeinschaft unserer wissenschaftlichen Disziplin einzuladen. Je mehr Studierende sich in dieser Einladung als Personen gesehen, wertgeschätzt und ermutigt fühlen, umso eher sind sie bereit, die Einladung auch anzunehmen und in selbstbestimmter und selbstverantwortlicher Weise nach ihrem Platz in unserer Wissenschaft zu suchen.

Deshalb sind bedürfnisorientierte, empathische, vertrauensvolle und gleichwürdige Lehr-Lern-Beziehungen so wichtig – also Beziehungen, in denen das gemeinsame Menschsein wichtiger ist als Didaktik, Lernziele und Bewertung. Etabliert und gepflegt werden diese Beziehungen durch wertschätzende Kommunikation.

Kommunikation, die es erlaubt, sich in Bildungskontexten als Mensch zu zeigen, schafft nicht nur wohltuende Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern auch zwischen den Lernenden und dem wissenschaftlichen Gegenstand: Wenn Studierende durch die Beziehung zu uns sehen können, was unsere Expertise uns bedeutet, dass wir Integrität und Würde als forschende Menschen haben, dann können sie viel leichter in eine positive Beziehung zu unserer Wissenschaft treten.

Mehr dazu lesen und hören:

Peter Felten & Leo Lambert: Relationship-Rich Education: How Human Connections Drive Success in College. Johns Hopkins UP, 2020.

Tyll Zybura: „Empathisch handeln (statt empathisch sein)“ https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=empathisch-handeln

Jessica Koch: „Radical Acceptance and expectations in teaching“ https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=radical-acceptance

The Unconditional Teaching Podcast: „Radikale Akzeptanz“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=podcast-radikale-akzeptanz)

2) Lernen gehört den Lernenden.

Lehre ist kein linearer, mechanischer Akt der Wissensvermittlung: aus meinem Mund in deinen Kopf. Als Lehrende*r kann ich nur Angebote machen, und ich muss akzeptieren, dass ich keine Kontrolle darüber habe, ob und wie meine Angebote angenommen werden. Das Lernen ‚gehört‘ mir nicht, es gehört den Lernenden. Wenn wir das zu einem Grundprinzip unserer Lehre machen, wird es für Studierende viel leichter, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen und uns als Ressource und Unterstützung wahrzunehmen. Und wenn wir es ernst meinen damit, Lernende nicht als formbare Objekte, sondern als Akteur*innen ihrer eigenen Lernprozesse zu behandeln, dann macht es auch Sinn, sie aktiv nach ihren Lernbedürfnissen zu fragen.

Als Lehrende haben wir trotzdem die Prozessverantwortung für den Lernkontext und damit die Verantwortung für die Angebote, die wir Studierenden machen. Damit meine Angebote angenommen werden können, müssen sie als sinnhaft empfunden werden: Lernen passiert nur, wenn es für die Lernenden bedeutungsvoll ist.

Das kann bedeuten, dass wir den mündlichen oder schriftlichen Beiträgen von Studierenden in unserem Unterricht aktiv einen Wert geben, statt sie lediglich auf Korrektheit zu überprüfen. Oder dass wir Aufgaben so gestalten, dass sie die Basis für die nächste Unterrichtseinheit bilden. Oder dass wir in unseren Kursen Projekte oder Wissenschaftsformate umsetzen, innerhalb derer die einzelnen Unterrichtseinheiten als Schritte hin zu einem Ziel ganz von selbst Sinn ergeben. Oder dass wir den Arbeiten der Studierenden eine reale kommunikative Funktion geben, statt sie als reine Bewertungsobjekte zu behandeln.

3) Wissenschaftliche Forschung basiert auf Neugier und Kreativität, und Bewertung und Benotung sind für beide schädlich.

Neugier und Kreativität sind Grundbedingungen erfolgreichen wissenschaftlichen Forschens und erfolgreichen Lernens. Beides bedeutet, Neues auszuprobieren, oft mit einer beträchtlichen Wahrscheinlichkeit, dabei zu scheitern. Je mehr wir bereit sind, das Risiko des Scheiterns einzugehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir herausfinden, was tatsächlich funktioniert. Mit anderen Worten: Je mehr Neugier und Kreativität in Lern- und in Forschungsprozesse einfließen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir erfolgreich sind und dass wir dabei eine bereichernde Erfahrung machen.

Deshalb haben Lernen und Forschen viel mit Neugier und Kreativität und dem Eingehen von Risiken zu tun – und für all diese Dinge ist es schädlich, wenn andere Menschen sich in bewertender und beurteilender Weise einmischen. Sobald wir uns Sorgen darüber machen, wie andere uns beurteilen, verlagert sich unser Fokus auf das, was im Kopf dieser anderen Person vorgeht, und die Neugier auf das, was wir zu lernen und herauszufinden versuchen, rückt in den Hintergrund. Hinzu kommt: Je mehr Macht diese Beurteiler*innen haben und je mehr von ihrem Urteil abhängt, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr Urteil Gefühle von Angst und Scham hervorruft. Und sowohl Angst als auch Scham sind schädlich für Neugierde und Kreativität und damit für Lernen und Forschen insgesamt.

Wir können als Lehrende für unsere Studierenden ein Diskursumfeld schaffen, das ihnen zeigt, dass wir – als Kolleg*innen im Forschungsfeld – gemeinsam mit ihnen am Inhalt ihrer Arbeit interessiert sind. Indem wir uns nicht als ultimative Bewertungsinstanz zeigen, sondern als ernsthaft interessiert an ihrem wissenschaftlichen Beitrag, können unsere Studierenden uns als Verbündete wahrnehmen, was Scham- und Angstgefühle verringert. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, das durch die Studierenden und ihr eigenes akademisches Interesse definiert wird.

Statt uns in erster Linie als Bewerter*innen und Benoter*innen zu verstehen, sollten wir so weit wie möglich:

  • sichere Räume für die Kreativität und Riskantheit von selbstverantwortlichem Lernen schaffen
  • Studierende als Forschende sehen und behandeln
  • kollegiales Feedback geben, statt zu bewerten und zu benoten
  • revisionsorientierte Schreibbetreuung anbieten, das heißt, Studierenden ermöglichen, einen fortgeschrittenen Text nach Feedback zu überarbeiten (und ihnen damit das gleiche Privileg zugestehen, das jede*r professionelle*r Wissenschaftler*in für sich in Anspruch nehmen kann, nämlich einen Text erst nach einem Rückmeldungsprozess zu finalisieren; das hilft auch dabei, die Ausgeliefertheit gegenüber Bewertung und Benotung abzumildern)

Mehr dazu lesen:

Katharina Pietsch: „Learning With the Freedom to Make Mistakes“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=learning-with-the-freedom-to-make-mistakes)

Tyll Zybura: „Revision-oriented Supervision of Student Writing“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=revision-oriented-writing-supervision)

4) Wenn wir wollen, dass Studierende sich wie Wissenschaftler*innen verhalten, müssen wir sie auch wie Wissenschaftler*innen behandeln.

Studierende machen im Studium nur selten die Erfahrung, dass ihre Ideen und die Ergebnisse ihrer Arbeit als Beiträge zur Diskursgemeinschaft ihrer Disziplin wahrgenommen und gewürdigt werden. Obwohl Kommunikation innerhalb der Diskursgemeinschaft zentraler Teil wissenschaftlichen Arbeitens ist, sind Studierende davon ausgeschlossen. Ihre Arbeit wird von anderen üblicherweise nur als Bewertungsobjekt wahrgenommen und behandelt, und das hat Auswirkung auf Sinn, Bedeutung und Motivation bei dem, was Studierende an der Uni tun. Dass etwa studentische Texte, die in wochen- und monatelanger harter Arbeit entstehen, ohne inhaltliche Resonanz mit einer Note versehen oder mit ein paar Credit Points vergütet werden und dann für immer in der Schublade verschwinden, ist eine systematische Abwertung der wissenschaftlichen Leistung, die in diesen Texten steckt.

Unser universitäres Ausbildungssystem leistet sich also die Diskrepanz, von Studierenden zu erwarten, dass sie sich verhalten wie Forschende, aber behandeln lassen wie Schüler*innen – das ist ein Widerspruch, der viele Schwierigkeiten beim Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten erklärt. (Und ein Widerspruch, den vor allem Studierende ausbaden müssen, was bis hin zu Beeinträchtigungen ihrer mentalen Gesundheit führen kann.)

Wenn wir wollen, dass Studierende ihre eigene Arbeit als inhaltlich bedeutsam wahrnehmen und sich intrinsisch motiviert für eigene Forschungsthemen interessieren, müssen wir als Lehrende die Bedingungen dafür schaffen. Vermeintlich desinteressierte oder demotivierte Studierende sind meistens das Ergebnis der jahrzehntelangen Erfahrung, immer nur von anderen vorgegeben zu bekommen, was lernenswert ist, und nie nach den eigenen Interessen gefragt zu werden. Eins der wichtigsten Dinge, die Studierende deshalb von uns brauchen, ist die explizite Erlaubnis, ihre eigenen Ideen zu verfolgen.

Um Studierenden zu zeigen, dass wir sie als Forschende wahrnehmen, können wir sie außerdem einladen, an Konferenzen teilzunehmen oder diese selbst zu organisieren, oder sie dazu ermutigen, ihre Arbeit zu publizieren.

Und wenn Studierende eigene Ideen und Forschungsinteressen verfolgen, rückt in der Lehre automatisch die Frage stärker in den Vordergrund, was Studierende dafür brauchen. Die Frage, „was brauchst du?“ wiederum gibt den Lernenden die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zurück.

Mehr dazu lesen:

Stefan Kühl: „Der publikationsorientierte Erwerb von Schreibkompetenzen.“ Das Hochschulwesen, 5+6/2015, S. 143–157.

Dzifa Vode & Frank Sowa (Hg.): Schreiben publikationsorientiert lehren: Hochschulische Schreiblehrkonzepte aus der Praxis. wbv, 2022.

5) Bedeutungsvolle Kontexte gestalten.

Das, was Studierende können, hat viel mit dem Kontext zu tun, der ihrem Arbeiten mehr oder weniger Sinn und Bedeutung gibt. Es lohnt sich für Lehrende, Lernkontexte zu schaffen, die zum Vorschein bringen, was Studierende tatsächlich können – das sorgt nicht nur für sinnhafte, selbstwirksame und motivierende Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten für Studierende, sondern beschert auch uns als Lehrenden mehr Erfolgserlebnisse als das defizitorientierte Abprüfen von Wissen und Kompetenzen. Und die Qualität der Arbeiten von Studierenden steigt, weil Studierende, die eigene Forschungsergebnisse präsentieren möchten, ein größeres Bewusstsein für die kommunikative Funktion der Konventionen ihrer Diskursgemeinschaft bekommen.

Statt studentische Arbeiten als Hausaufgaben, Fingerübungen oder Probestücke zu sehen, sollten wir ihnen so weit wie möglich Bedeutung als Teil von Wissenschaftspraxis geben. Kontexte, in denen die Arbeit von Studierenden einen Platz als Forschungsbeitrag bekommt und inhaltliche Resonanz erfährt, können zum Beispiel Kurskonferenzen (professionelle Präsentation eigener Forschung vor Lehrenden und Studierenden des Fachs) oder Writers’ Rooms (publikationsorientierte Texterstellung mit Peer-Feedback) sein.

Mehr dazu lesen und hören:

Katharina Pietsch: „Lehrkonzept Kurskonferenz“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=student-conference-reflection)

The Unconditional Teaching Podcast: „Teaching a Writers’ Room“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=teaching-a-writers-room)

In Teil 2 dieses Gastbeitrags geht es weiter mit:

6. Lernen als Aneignung von Strategien statt von Kompetenzen denken.

7. Die eigene Wissenschaftspraxis transparent machen.

8. Funktionen lehren statt Regeln.

9. Wissenschaft bedeutet, Positionen zu verteidigen, nicht Fakten zu finden.

10. Plagiate als handwerkliches und nicht als moralisches Problem behandeln.

Über uns:

Wir – Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch – sind oder waren Lehrende und Forschende an der Universität Bielefeld in der anglistischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Gemeinsam haben wir 2019 das Projekt Unconditional Teaching gegründet mit dem Ziel, Konzepte für beziehungsreiche und machtsensible Lehre zu entwickeln. Auf unserer Webseite veröffentlichen wir Texte und den Unconditional Teaching Podcast zu Haltungen und Praktiken, die dabei helfen können, Lehre bedürfnisorientierter, wertschätzender und menschlicher zu machen. Und wir schulen Hochschullehrende in empathischer Kommunikation, in Sensibilität für mentale Gesundheit und in innovativen Ansätzen kollaborativer Lehre.

Tyll und Katharina haben außerdem zusammen mit Vivian Gramley den Ratgeber Writing in English Studies: A Guide for Students in English Linguistics and Literature (Barbara Budrich 2020) veröffentlicht, der unseren nicht-normativen Ansatz für das Lehren von wissenschaftlichem Schreiben widerspiegelt und den Fokus darauf legt, die Funktionen disziplinspezifischer Konventionen transparent zu machen und Studierende zu ermutigen, Expert*innen ihres eigenen Schreibens zu werden.

Webseite: www.unconditional-teaching.com

E-Mail: team@unconditional-teaching.com

Instagram: @unconditionalteaching

Tyll auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/tyll-zybura/

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Wofür Ihnen die Studierenden wirklich dankbar sein werden

Ein Gastartikel von Sandra Müller, Master-Studierende der Übersetzungswissenschaften

Literaturverwaltungssoftware! Für mich als Studierende war diese Entdeckung in Bezug auf das wissenschaftliche Arbeiten während meiner Studienzeit einer der größten Augenöffner! Oder genauer gesagt, in meinem Fall: Citavi. Bis heute finde ich es bei jeder Haus- oder Abschlussarbeit immer wieder aufs Neue faszinierend, wie viel Zeit man mit einem einzigen Tool sparen kann und wie leicht einem bestimmte Arbeitsschritte und die Organisation der gesamten Arbeit gemacht werden.

Was ich hingegen schade finde, ist, dass ich diesen Aha-Moment eher zufällig und durch viel eigenes Zutun erreichen musste. Und dass vielen meiner Mitstudierenden dieser Moment deshalb vermutlich vorenthalten bleiben wird…

Woran es aktuell noch scheitert…

Wäre es nicht viel schöner, wenn Veranstaltungen und Dozierende gäbe, die auf so ein effizientes und hilfreiches Tool verweisen würden? Na klar, denken Sie sich jetzt vermutlich, jetzt sollen wir uns den Schuh auch noch anziehen – dabei sind es doch die Studierenden, die keine Lust haben, sich überhaupt mit wissenschaftlichem Arbeiten auseinanderzusetzen…

Ich würde gerne behaupten: es stimmt beides.

Natürlich gibt es genügend Studierende die bei Veranstaltungen mit Namen wie „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ nur müde abwinken und meinen, sie können ihre Hausarbeiten schon irgendwie aus dem Ärmel schütteln, aber… In wie vielen solcher Veranstaltungen werden Literaturverwaltungsprogramme überhaupt angesprochen, geschweige denn genauer erläutert?

Aus meiner Erfahrung bisher: In den wenigsten!

Fehlende Information in den Veranstaltungen

Aber warum denn eigentlich? Liegt es daran, dass die Dozierenden selbst nicht so viel mit Literaturverwaltungssoftware arbeiten oder den Nutzen für Studierende nicht sehen? Gibt es in diesen Veranstaltungen keine Zeit für so etwas? Wird es von den Verantwortlichen, der Studiengangsplanung nicht gewollt? Ich weiß nicht… Vielleicht hab Sie da ja eine gute Idee?! 😉 Schreiben Sie es gerne in die Kommentare.

In meinem ersten Bachelor-Studiengang bin ich kurz vor knapp – will heißen, im letzten Semester – und eher zufällig auf eine Veranstaltung der Hochschulbibliothek gestolpert: eine kurzes Einführungsseminar in das Arbeiten mit Citavi. Im Master-Studiengang gab es gar keine Angebote zum wissenschaftlichen Arbeiten mehr – es wurde quasi vorausgesetzt, dass man das kann. Schließlich hat man ja schon eine Bachelorarbeit geschrieben… Nach einer Umorientierung fand ich mich in meinem zweiten Bachelor-Studiengang wieder und habe ich dann immerhin eine Übung zum wissenschaftlichen Arbeiten im Vorlesungsverzeichnis gefunden – im Wahlpflichtbereich. Aber von Literaturverwaltungssoftware keine Rede.

Man kann mir also nicht unbedingt fehlenden Willen vorwerfen.

Fehlender Wille und fehlendes Interesse der Studierenden

Natürlich gibt es vermutlich einige Kommiliton:innen, denen dieser Wille generell fehlt… Aber schauen wir uns doch lieber die ganz vielen Studierenden dazwischen an: Die, die sich vielleicht gerne damit auseinandersetzen wollen, aber es bisher nicht tun. Die folgenden Dinge habe ich schon von der einen oder anderen Person dazu gehört:

  • Oh, Citavi klingt irgendwie cool… aber irgendwie ist mir das zu anstrengend mich da für eine große Abschlussarbeit einzuarbeiten.
  • Literaturverwaltungssoftware scheint echt hilfreich zu sein… Aber da gibt es so viele Möglichkeiten, ich wüsste gar nicht, wie ich da überhaupt die richtige auswählen soll.
  • Für ein paar Zitate brauch ich doch keine extra Software, das schaff ich gerade auch noch so, pff!

Status Quo ändern mit den richtigen Angeboten

Wäre es nicht das Ideal, wenn man genau diese Studierende einfangen könnte? Die Frage ist nur: Wie?

Ich denke: Mit den richtigen Informationen und passenden, interessanten Veranstaltungen im Curriculum, in denen Literaturverwaltungssoftware auch angesprochen und gezeigt wird!

Nehmen wir zum Beispiel die Gruppe, die nicht weiß, wie sie sich für eine Software entscheiden soll und deshalb gar nicht erst anfängt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Diesen Studierenden ist oft schon geholfen, wenn das Thema Literaturverwaltung in der Veranstaltung angesprochen und die Tools mit einer kurzen Tabelle mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen illustriert wird.

Die Personen, die finden, dass Citavi irgendwie cool klingt, aber die sich nicht sicher sind, ob sich der Aufwand in Bezug auf den Nutzen lohnt, brauchen etwas mehr Informationen. Hier braucht es vermutlich eine ganze Sitzung, um ihnen das Thema Citavi näherzubringen und zu zeigen, dass es gar nicht so kompliziert ist, wie es im ersten Moment vielleicht wirkt. Und wie groß der Nutzen tatsächlich ist – denn Citavi lohnt sich nicht nur bei der Bachelorarbeit. Überhaupt – wer sagt denn, dass die Bachelorarbeit die einzige große wissenschaftliche Arbeit bleibt, die man schreibt? Aus Erfahrung kann ich sagen: Das Leben kommt meist anders als man denkt… Aber das ist eine andere Geschichte. 😉 

Tja… und die letzte Gruppe? Nun, die brauchen vielleicht eine etwas tiefergehende Einarbeitung in Citavi, um zu erkennen, dass es dabei eben nicht nur um ein paar Zitate geht. Wenn diese Studierenden sehen, wie viel Citavi kann und wie viel leichter man sich Recherche, Literaturerfassung und Co. machen kann, sind sie sicherlich ziemlich schnell begeistert!

Worum es wirklich geht…

Es geht also gar nicht darum, den Studierenden Citavi (oder eine andere Literaturverwaltungssoftware) von vorne bis hinten durchzukauen, sondern eher darum, mit angepassten Infos, das Interesse zu wecken bzw. den individuellen Nutzen aufzuzeigen. Den Studierenden also etwas von der Überforderung abzunehmen, wenn man vor der Auswahl steht oder sich dem großen Funktionsumfang das erste Mal gegenübersieht. Listen Sie die wichtigsten Funktionen doch einfach mal für Ihre Studierenden auf und erklären Sie in ein bis zwei Sätzen, wie das Ganze grob funktioniert:

  • Ein Projekt anlegen
  • Eine Quelle aufnehmen
  • Die Software mit Word verbinden
  • Zitate mit der Software aufnehmen und in die Arbeit aufnehmen

Wenn Sie sich vielleicht mit Literaturverwaltungssoftware selbst noch nicht auskennen und jetzt denken: Puuhhh, das klingt ja alles ziemlich gut, aber wie soll ich mich da bloß einarbeiten (kommt Ihnen die Haltung bekannt vor? 😉), dann habe ich noch einen Link für Sie. Die Technische Universität München gibt einen guten und schnellen Überblick über die verschiedenen Optionen, der ab und an aktualisiert wird: http://mediatum.ub.tum.de/node?id=1316333

Und was denken Sie? Sind wir Studierenden zu faul, um uns mit Thema auseinanderzusetzen oder fehlt hier das richtige Angebot? Oder stimmen Sie mir zu, dass vielleicht beides zutrifft?!

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Ist Wissenschaft Glaubenssache?

Ein Gastbeitrag von Dr. Anna-Barbara Heindl

Diese Frage ist zurzeit für uns alle wichtiger denn je: In der Corona-Pandemie haben wir in unserem direkten Umfeld Bekannte, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde, vielleicht auch Familienmitglieder, die wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht trauen und als eine Meinung unter vielen abtun.

Ich meine, es stimmt: Wissenschaftliche Argumente können mal mehr und mal weniger gut konstruiert sein und daher auch von wissenschaftlichen Gegenargumenten widerlegt werden. Aber, und da kommen wir schon zum Kern unseres aktuellen gesellschaftlichen Problems: Können wissenschaftliche Argumente auch von nichtwissenschaftlichen Argumenten widerlegt werden?

Nein, da wir sonst Äpfel mit Birnen vergleichen. Das heißt, in den meisten Fällen reden wir und unsere Familie und Freund:innen, die lieber „alternativen“ als wissenschaftlichen Fakten Glauben schenken, aneinander vorbei. Wie sehr wir uns auch in hitzigen Diskussionen anstrengen mögen, wir können nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Da wir von vorneherein unterschiedlichen Glaubens sind.

Moment mal, Wissenschaft soll Glaubenssache sein?

Im Ursprung, ja.Wie genau und warum das auch nicht weiter schlimm ist, erzähle ich euch gerne im Folgenden.

Was unterscheidet das wissenschaftliche vom nichtwissenschaftlichen Argument?

Zu wissenschaftlicher Erkenntnis gelangt man mittels wissenschaftlicher Forschungsmethoden. Wissenschaftliche Forschungsmethoden zeichnen sich durch ein systematisches Vorgehen aus. Systematisch heißt, dass wir nach festgelegten Regeln Phänomene in unserer Umwelt beobachten. Diese Beobachtungen analysieren wir. Anschließend dokumentieren wir den Vorgang unseres Erkenntnisgewinns – damit jede:r die Möglichkeit hat, nachzuvollziehen, wie die Erkenntnis zustande gekommen ist. Systematisch bedeutet also: Ein wissenschaftliches Ergebnis ist nur dann ein nachweisbarer Sachverhalt – ein Fakt – , wenn er auf Beobachtungen in der Umwelt zurückzuführen ist. 

Oft haben Menschen, die „alternative“ Fakten verbreiten, jedoch gar kein Interesse daran, ihren Weg zur Erkenntnis nachvollziehbar zu machen – aus dem einfachen Grund, dass sie keinen Zusammenhang zwischen ihrer Beobachtung und ihrer Erkenntnis nachweisen können.

Nehmen wir als Beispiel die Behauptung, dass die Corona-Impfung Frauen unfruchtbar mache. Zum Aufbau der Plazenta ist ein Protein nötig, das dem Spike-Protein des Corona-Virus‘ ähnelt. Es wurde Vermutung geäußert, dass Antiköper, die durch eine Impfung zur Vernichtung des Corona-Spike-Proteins gebildet werden, nun ebenso das Plazenta-Protein angreifen und vernichten würden. Es ist jedoch bei einer Behauptung geblieben. Weil – wie der Deutsche Welle-Faktencheck[1] berichtet – das Plazenta-Protein zwar dem Spike-Protein ähnelt, aber in unerheblichem Maße: Die Ähnlichkeit ist so gering, dass die Antikörper das Spike- nicht mit dem Plazenta-Protein verwechseln können.  

An dieser Stelle wurde also eine Behauptung aufgestellt und verbreitet, die nicht wissenschaftlich-methodisch an der Realität gemessen wurde: Zur Behauptung der Spike-Plazenta-Protein-Verwechslung gibt es weder ein Phänomen (der Anteil der Unfruchtbarkeit bei Frauen ist infolge der Corona-Impfung nicht gestiegen), noch einen Rückbezug auf eine Beobachtung (die Plazenta-Proteine ähneln den Spike-Proteinen nicht sehr).

Viele Menschen sind mit der Flut an neuen Erkenntnissen überfordert, die wir in den letzten eineinhalb Jahren über das Corona-Virus gewonnen haben. Das liegt auch daran, dass sich in der Berichterstattung oft nicht ausreichend Zeit genommen wird, um den wissenschaftlichen Weg zur Erkenntnis nachzuzeichnen – klar, der ist ja auch oft fachlich sehr speziell und kompliziert.

Es ist wohl kaum zuvor ein wissenschaftlicher Erkenntnisprozess (außer zum Klimawandel vielleicht) so eng von den Medien begleitet worden wie die Erforschung des Corona-Virus‘. Wir können alle ganz gut beobachten, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer mehr Wissen über das Virus produzieren. Was dabei auffällt: Manchmal finden die einen etwas heraus, was sie selbst oder andere später für nicht richtig erklären müssen.

Woran liegt das, und vor allem: Warum ist das nicht schlimm?

Die Welt da draußen ist komplex. OK, das ist uns nicht neu. Aber für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess ist das eine entscheidende Tatsache:

Es gibt (leider) keine wissenschaftliche Super-Methode, die ein Phänomen wie das Corona-Virus und die Interaktion mit seiner Umwelt schnell, präzise und auf einen Blick umfassend erforschen kann. Stattdessen können sich Wissenschaftler:innen stets nur kleinen Ausschnitten des Phänomens (zum Beispiel dem Spike-Protein des Corona-Virus) oder seiner Wirkung (zum Beispiel dem bevorzugten Sitz der Viren im Atmungsapparat) auf einmal widmen. Wissenschaft ist also Teamwork: Viele Wissenschaftler:innen auf der Welt arbeiten an je einem Puzzlestück – und setzen nach und nach gemeinsam ein großes Bild zusammen.

Klingt doch erst mal gut: Puzzlestücke ergänzen sich doch prima zu einem großen Ganzen!

Wie kann es dann sein, dass sich Forschungsergebnisse widersprechen?

Um ein ganzes Bild zu ergeben, müssen nun erst einmal die passenden Gegenstücke für die einzelnen Puzzlestücke gefunden werden. Und hier ist die Crux an der Sache: Wie genau die Puzzlestücke aus verschiedenen Forschungsprojekten zusammenpassen, das untersuchen die Wissenschaftler:innen in ihren einzelnen Forschungsprojekten im Regelfall gar nicht.

Deshalb müssen die Wissenschaftler:innen also zunächst Vermutungen anstellen. Ihre Vermutungen sind jedoch nicht aus der Luft gegriffen: Sie müssen sich auch hier auf bereits bekannte Fakten beziehen und nachvollziehbar machen, wie sich ihr Puzzlestück wahrscheinlich an ein anderes anfügt. Wissenschaftliche Vermutungen müssen erst recht für alle nachvollziehbar gemacht werden, um glaubwürdig zu sein. Bei den Vermutungen handelt es sich jedoch im Gegensatz zu den Puzzlestücken selbst nicht um eine gesicherte Erkenntnis. Die Wissenschaft ist in manchen Bereichen zunächst mit Unsicherheit behaftet: Sie kann sich irren, was die Zusammensetzung der Puzzlestücke angeht.

Ein kluger Schachzug der Wissenschaft ist nun, in neuen Forschungsprojekten exakt jene vermutete Verbindung zwischen den Puzzlestücken systematisch zu untersuchen: Um zu schauen, ob sie wirklich perfekt ineinandergreifen – oder, ob die Puzzlestücke an dieser Stelle doch nicht zusammenpassen.

Das Prüfen vorläufiger Vermutungen ist in der Wissenschaft also ein ganz normaler Vorgang – und überhaupt nicht schlimm, da alle Wissenschaftler:innen wissen, dass man mit vorläufigen Ergebnissen nur eingeschränkt und vorsichtig arbeiten kann.

Warum aber ignorieren nicht wenige Menschen gerade in der Corona-Pandemie die Nachvollziehbarkeit des wissenschaftlichen Arguments?

Das liegt daran, dass auch Wissenschaft ein Stück weit Glaubenssache ist.

Was bei der nichtwissenschaftlichen Argumentation in Bezug auf die Corona-Pandemie und auffällt: Den „querdenkenden“ und „aufgewachten“ Menschen in unserer Mitte ist nicht wichtig, ob sich ihr (fake) „fact“ auf tatsächliche Beobachtungen zurückführen lässt. Im Gegenteil: Sie trauen ihren eigenen Augen und Ohren und denen ihrer Mitmenschen nicht mehr. Was sie sehen, hören, riechen, ertasten und schmecken, scheint für sie nur eine Show, inszeniert von Strippenzieher:innen, die im Verborgenen ihre eigenen Ziele verfolgen. Für sie ist klar: Die herkömmliche Sinneswahrnehmung kann ich nicht mehr als verlässliche Grundlage für meine Behauptungen heranziehen.

Was genau sie jedoch beobachten und mit welcher Methode sie Schlüsse ziehen, um zu ihren „alternativen“ Fakten zu kommen, das legen sie nicht offen – weil sie den systematischen, wissenschaftlichen Weg zur Erzeugung von Fakten von vorneherein ablehnen. Sie verlangen also von uns, ihren Argumenten zu trauen, ohne uns erklären zu können, wie sie zu ihrem Wissen gelangt sind. Klingt eher so, als hätten sie etwas zu verbergen, oder?

Wie wir im Bild des Puzzles sehen, kann die Wissenschaft zu keinem Zeitpunkt alles wissen – und somit nichts in letzter Instanz beweisen. Denn die Welt ist schier unendlich: Wir werden auch in Zukunft unablässig neue Erkenntnisse produzieren mit der Folge, dass vorläufige Vermutungen über den Haufen geworfen werden müssen; vollständig zusammensetzen wird man das große Bild also in absehbarer Zeit nicht.

Das bedeutet, dass auch das wissenschaftliche Weltbild von uns einen Vertrauensvorschuss verlangt. Es verlangt von uns, Unwissenheit aushalten zu können. Es verlangt von uns den Glauben daran, dass wir unseren eigenen Sinnen und Beobachtungen vertrauen können. Genauso verlangen die „Querdenkenden“ den Glauben an das Verborgene, das nicht Sichtbare und das Misstrauen gegenüber der eigenen Wahrnehmung. Insofern ist es doch Glaubenssache, ob man dem wissenschaftlichen oder dem querdenkerischen Weltbild veraut.

Ich finde jedoch, dass es wesentlich leichter ist, dem wissenschaftlichen Weltbild diesen Vertrauensvorschuss zu gewähren: Weil das wissenschaftliche Weltbild uns an der Entstehung seiner Erkenntnisse teilhaben lässt.

Aber die Fronten bleiben, wie sie bleiben: Man muss die Grundprinzipien wissenschaftlicher Erkenntnis zunächst akzeptieren, um diesen sinnhaft widersprechen zu können. Wenn die „querdenkerischen Fakten“ nicht auf diesen Grundprinzipien bauen, dann können wir auf keine sinnhafte Weise unsere Argumente austauschen: Wir werden weiterhin Äpfel und Birnen vergleichen. Es ist also nicht verwunderlich, dass derzeit ein scheinbar unüberwindbarer Graben durch die Gesellschaft führt.

Eine Frage bleibt für uns deshalb höchst relevant: Auf welchem Glauben wollen wir unsere Gesellschaft gründen? Vielleicht ist es an der Zeit, diese Frage in unserer Gesellschaft noch einmal eingehender zu besprechen. Und dafür braucht es meines Erachtens wissenschaftliche Bildung: Nur wer versteht, wie Wissenschaft funktioniert, kann sich für sie entscheiden.

[1] https://www.dw.com/de/faktencheck-impfmythen-corona-impfung-unfruchtbarkeit-dna/a-57223260; 22.09.2021.

Dr. Anna-Barbara Heindl

Dr. Anna-Barbara Heindl beschäftigt sich mit der Kommunikation wissenschaftlicher Themen. Einen besonderen Fokus legt sie auf die Vermittlung von Forschungsmethoden. Ihr Ziel ist es, Wissenschaft greifbarer und verständlicher zu machen. Dazu hostet sie u.a. den Podcast „Methoden:Koffer“: www.methodenkoffer.info

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/dr-anna-barbara-heindl-a6408967/

Twitter: @MethodenK

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Was Studierende vom Projektmanagement für das wissenschaftliche Arbeiten lernen können

Quelle: https://de.depositphotos.com, Urheberrecht: DmitryPoch

Ein Gastbeitrag von Dieter Zibert

Im Laufe eines Studiums kommt man um das wissenschaftliche Arbeiten nicht herum. Umso früher man lernt, worauf es ankommt, desto einfacher wird es, die späteren Aufgaben, Haus- und Seminararbeiten erfolgreich zu erledigen. Für frisch gebackene Studierende ist das wissenschaftliche Arbeiten meist eine neue Herausforderung, die am Anfang schnell Verunsicherungen stiftet.

Doch die meisten Bedenken über das wissenschaftliche Arbeiten sind absolut unbegründet. Das wissenschaftliche Arbeiten ist zwar anstrengend und zeitintensiv – doch unmöglich ist es ganz und gar nicht. Es kommt allen voran auf die richtige Strategie an.

In diesem Beitrag erfahren Sie,

  • Was Projektmanagement mit wissenschaftlichem Arbeiten zu tun hat
  • welche unterschiedlichen Methoden des Projektmanagements existieren
  • welche dieser Methoden am vielversprechendsten für das Anfertigen und Betreuen einer wissenschaftlichen Arbeit sein könnte
  • was das für die Lehre bedeutet

Was hat Projektmanagement mit wissenschaftlichen Arbeiten zu tun?

Eine wissenschaftliche Arbeit kann neben den eigentlichen Zweck eine wichtige Kompetenz vermitteln – Projektmanagement. Eine wissenschaftliche Arbeit als großes Projekt zu verstehen, ist Methode und Haltung zugleich. Die Studierenden bekommen ein Werkzeug an die Hand, um umfangreiche Arbeiten auf effizientem Weg lösen zu können und entwickeln das systematische und planerische Denken. Damit kann es gelingen, die Komplexität der wissenschaftlichen Frage durch Systematisierung zu vereinfachen.

Welche Projektmanagementwerkzeuge gibt es, um eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben?

Selbstverständlich haben alle in ihrer Schulzeit einige Texte geschrieben, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Eine Arbeit im Studium ist wesentlich komplexer. Um die wissenschaftliche Arbeit so gut wie möglich zu meistern, gibt es Projektmanagementwerkzeuge, die nachfolgend genauer erklärt werden.

Klassische Projektmanagementwerkzeuge

Wer seine wissenschaftliche Arbeit als Projekt versteht, wird durch eine strukturierte Vorgehensweise und den Fokus auf das Wesentliche mit einem besseren Erfolg belohnt werden. Am Anfang stellt die wissenschaftliche Arbeit die Studierende vor eine große Herausforderung. Umso wichtiger ist es, das Projekt in mehrere Abschnitte zu unterteilen. Hier können die Maßnahmen im Projektmanagement helfen. Hier wird das Projekt folgendermaßen unterteilt.

Ein klassisches Projekt zeichnet sich durch einen Projektstart bzw. durch eine Initiierung aus. Dieser muss anschließend geplant werden. Erst danach kann es zur Umsetzung kommen. Während der Umsetzung wird das Projekt fortlaufend kontrolliert. Schlussendlich kommt es dann zum Projektabschluss.

Der Projektstart

Am Anfang einer wissenschaftlichen Arbeit steht der Projektstart. Der Projektstart wird durch einen Projektauftrag (im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeiten auch Exposé genannt) erstellt und muss von der Betreuungsperson freigegeben werden. Hierfür eignet sich ein Dokument, welches alle wichtigen Punkte beinhaltet. Auf diese Weise wird das Projekt übersichtlich dargestellt und wenn man einmal den Faden verlieren sollte, hat man eine gute Übersicht, an welcher man sich orientieren kann.

Die Projektplanung

In dieser Phase wird die Recherche durchgeführt. Zudem kommt es in diesem Abschnitt zur Gliederung der Arbeit in einen realistischen Ablaufplan für die wissenschaftliche Arbeit.

Die Projektdurchführung

Wenn die beiden oberen Schritte erledigt sind, erfolgt die eigentliche Arbeit – das Schreiben der wissenschaftlichen Arbeit.

Die Projektüberwachung und die Steuerung

Die Fortschritte in einem Projekt müssen regelmäßig überwacht und in die richtige Richtung gesteuert werden. Das Gleiche gilt auch für eine wissenschaftliche Arbeit.

Während die Arbeit geschrieben wird, sollte es regelmäßige Abstimmungen mit der Betreuungsperson geben, wo die Fortschritte der Arbeit besprochen werden.

Nachdem die Arbeit fertig geschrieben wurde, muss die Arbeit korrigiert werden. Dabei ist es ratsam, dass mehrere Personen die Arbeit noch einmal lesen. So lassen sich Fehler in der Rechtschreibung und Grammatik leichter finden.

Der Abschluss des Projektes

Zum Schluss muss die Arbeit fertiggestellt werden. Wie das genau erfolgen muss, hängt immer von der Uni ab. In den meisten Fällen wird die Arbeit ausgedruckt und gebunden verlangt. Zu guter Letzt wird die Arbeit abgegeben und die große Herausforderung der wissenschaftlichen Arbeit ist geschafft.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Wie man merkt, sind rein klassische Projektmanagementwerkzeuge ziemlich linear und sind weniger empfehlenswert für das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten. Die agilen und hybriden Projektmanagementwerkzeuge sind deutlich besser dafür geeignet.

Agile Projektmanagementwerkzeuge – Die SCRUM Methodologie

Die SCRUM Methodologie ist das am weitesten verbreitete Werkzeug im agilen Projektmanagement. Das Hauptziel ist dabei, in sehr regelmäßigen Zeitabständen auch Sprints genannt, die Produktanforderungen Stück für Stück abzuarbeiten und diese Teilanforderungen von Stakeholdern am Ende eines Sprints abnehmen zu lassen.

Im Rahmen der SCRUM Methodologie werden unter anderem SCRUM Events (z.B. Sprintplanung, Sprint Review, Daily Scrum bzw. Daily Stand-Up und Retrospektive), und SCRUM Artifacts bzw. Hilfswerkzeuge (z.B. Produktbacklog, Springbacklog) eingesetzt, um einem Projekt einen Rahmen zu geben. Diese Scrum Events und Artifacts werden im Folgenden erklärt.

Der Produktbacklog

Der Produktbacklog beschreibt, wie die fertige Arbeit aussehen soll. Sämtliche Anforderungen an die Arbeit werden angeführt und priorisiert, um die Arbeit mit gutem Erfolg abschließen zu können. Für den Produktbacklog sind Studierende verantwortlich und sollten sich diesbezüglich mit den Lehrenden abstimmen

Der Sprint – das Zeitmaß der Zyklen

Der Sprint ist ein bestimmter Zeitraum (in der Regel 1-4 Wochen), in welchem Studierende an den Aufgaben der wissenschaftlichen Arbeit arbeiten. Die Sprints sollten immer kurz gehalten werden.

Auf diese Weise kann man sichergehen, dass man nicht allzu lange in die falsche Richtung arbeitet. Ein Sprint dauert so lange, wie dieser im Vorhinein vereinbart wurde und kann auch nicht nach hinten verschoben werden.

Der Sprintbacklog

Bei einer wissenschaftlichen Arbeit kann das Sprintbacklog als ein Kapitel der Arbeit angesehen werden. Hierfür muss ausgearbeitet werden, was genau in dem Kapitel stehen soll. Danach können die Aufgaben verfasst werden. Nachfolgend werden die Aufgaben entsprechend verteilt und abgearbeitet. Diese Aufgaben sind komplett von Studierenden zu erledigen. Ggf. können sich Studierende mit einer Betreuungsperson kurz abstimmen, falls Bedarf besteht.

Die Sprintplanung

In der Planung des Sprints wird erläutert, welches Kapitel der wissenschaftlichen Arbeit bearbeitet wird.

Daily Stand-Up

Bei einer wissenschaftlichen Arbeit ist es besonders empfehlenswert, jeden Tag eine Kurzplanung der nächsten Schritte durchzuführen. So wird am Anfang des Tages festgelegt, was in Bezug zu dem jeweiligen Kapitel an diesem Tag erledigt werden muss. Dies liegt komplett in der Verantwortung der Studierenden. Dabei werden drei Fragen beantwortet:

  • Was habe ich gestern gemacht?
  • Was werde ich heute machen?
  • Welche Hindernisse gibt es und sollen geklärt werden?

Sprint Review

Nach jedem Sprint werden die Aufgaben zur Korrektur übergeben (z.B. ein fertiges Kapitel). Hierbei wird die Arbeit gegengelesen und entsprechend der ausgemachten Merkmale korrigiert. Im Idealfall wird z.B. ein fertiges Kapitel zur Korrektur an eine Betreuungsperson übergeben. Das können aber auch externe Feedbackgeber sein.

Sprint Retrospektive

Nach dem Sprint Review erfolgt ein Rückblick über den letzten Sprint. Hier konzentriert man sich darauf, was bei den nächsten Sprints besser gemacht werden kann. Diese Maßnahmen werden z.B. gleich beim Schreiben des nächsten Kapitels der wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigt.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Agile Projektmanagementwerkzeuge sind besonders für komplexe wissenschaftliche Arbeiten gut geeignet.

Hybride Projektmanagementwerkzeuge

Die hybride Methode beinhaltet die Integration der klassischen, aber auch der agilen Methoden. Diese Methode ist abhängig von der Komplexität und der Größe des Projektes.

In der hybriden Methode wird das Beste aus beiden Welten kombiniert. Die Kombination klassischer und agiler Methoden sorgt für ein höheres Maß an Flexibilität und steigert die Effizienz deutlich. Es werden lediglich Teilprojekte agil organisiert, doch die grundsätzliche Struktur des Projektes bleibt klassisch.

Die Initiierung

Im ersten Schritt der wissenschaftlichen Arbeit muss das passende Thema gefunden werden. Da die Initiierung immer eine kritische Phase ist, müssen die Ziele des Projektes durchdacht, messbar, realistisch, umsetzbar und klar verständlich sein.

Die Planung der wissenschaftlichen Arbeit

Nachdem das passende Thema gefunden worden ist, muss die Arbeit genau geplant werden. Hierfür muss eine Gliederung der einzelnen Kapitel erfolgen und darin muss beschrieben werden, was in den einzelnen Kapiteln stehen soll. Danach kann die eigentliche Recherche der wissenschaftlichen Arbeit stattfinden.

Die Durchführung, Überwachung und Steuerung nach der SCRUM-Methode

Die Durchführung, Überwachung und Steuerung bei der hybriden Methode erfolgt wie bei der SCRUM Methodologie mit Hilfe von Sprints.

Der Abschluss

Die wissenschaftliche Arbeit wurde nun geschrieben und korrigiert. Dementsprechend kann die wissenschaftliche Arbeit nun zur Abgabe vorbereitet werden und schlussendlich abgegeben werden.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Hybride Projektmanagementwerkzeuge sind in der Regel für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten am besten geeignet, da aus beiden Welten (klassisch und agil) das Beste verwendet wird.

Stakeholdermanagement ist das Wichtigste beim wissenschaftlichen Arbeiten

Stakeholdermanagement bedeutet, dass die Kommunikation so gesteuert wird, dass alle wichtigen Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeit erfüllt werden und die anfallenden Probleme gemeinsam mit allen Stakeholdern (z.B. Betreuern einer Arbeit) gelöst werden können. Der Kernpunkt dabei ist ein regelmäßiger, wenn auch kurzer Austausch mit den involvierten Personen wie z.B. einer Betreuungsperson, um die wichtigen Punkte der Stakeholder zu erfassen, Probleme so früh wie möglich zu erkennen und diese dann zu beheben.

Wer sind die wichtigsten Stakeholder?

Die wichtigsten Stakeholder werden im Rahmen des Projektstartes bzw. der Initiierung identifiziert und entsprechend priorisiert. Eine Stakeholderanalyse ist hierbei die Grundlage für die Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeit. Die Identifikation und die Kommunikation sind wichtige Bestandteile des Stakeholdermanagements und sind somit ausschlaggebend für einen geordneten Ablauf sowie späteren Erfolg.

Die Wichtigkeit von Feedbackrunden

Besonders am Anfang ist regelmäßiges Feedback bei der Findung eines Themas wichtig. Doch auch bei der Recherche und bei der Gliederung der Arbeit sind regelmäßige Feedbackrunden ausschlaggebend für den Erfolg. Auch während des Schreibens einer wissenschaftlichen Arbeit sollten möglichst kurze, aber regelmäßige Feedbackrunden stattfinden. Am einfachsten lässt es sich mit der SCRUM Methodologie gestalten.

Was bedeutet das für die Lehre?

Für die Lehre kann Folgendes festgehalten werden:

  • Lehrende sollten sich die Grundlagen des Projektmanagements (vor allem agiles Projektmanagement am Beispiel von SCRUM) aneignen, um die Studierenden besser begleiten können. Der SCRUM Leitfaden ist auch in Deutsch verfügbar.
  • Lehrende sollten es möglich machen, mit Studierenden regelmäßiger einen Austausch zu haben (z.B. im Rahmen eines Sprints), um es zu ermöglichen, dass Studierende frühzeitig korrigiert und in die richtige Richtung gelenkt werden
  • Lehrende sollten die Studierenden dabei unterstützen, regelmäßiges Reflektieren im Rahmen einer Arbeit (z.B. am Ende eines Sprints) zu machen und Verbesserungen kontinuierlich umzusetzen.
  • Lehrende sollten bei der Formulierung der Anforderungen für den Produktbacklog einer wissenschaftlichen Arbeit die Studierenden dabei unterstützen, auf welche Punkte besonders zu achten ist, damit die Studierenden lernen, das Wesentliche zu erkennen und richtig zu priorisieren.

Dieter Zibert ist Trainer und Consultant für Projektmanagement mit über 10 Jahren Erfahrung im Projektmanagement. Er hat klassische, agile und hybride Projekte in den Branchen Bahnindustrie, Fabrikautomation, Automobilindustrie und Healthcare geleitet und verfügt über PMP, PMI-ACP, Professional Scrum Master und Professional Scrum Product Owner Zertifizierungen. Mehr unter https://greenprojectsconsulting.com/

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CitApp: Wissen aufbauen

CitApp: Das Jura-Zitierspiel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Preis: kostenlos

Ein Gastbeitrag von David Achenbach

Mit der Applikation „CitApp: Das Jura-Zitierspiel“ (Achtung: gleichnamige Termin-App) hat die Universität Halle-Wittenberg ein gut programmiertes Spiel zum juristischen Zitieren für Google Android und Windows 10 erstellt. Mit Fleiß und Konzentration können grundlegende Zitierweisen der Rechtswissenschaft in spielerischer Umgebung erlernt werden.

Auf die Spielwiese

Die App ist unkompliziert und schnell via Google Play auf das Smartphone zu laden. Eine ständige Internetverbindung ist nicht erforderlich, sodass die Studierenden jederzeit eine Runde lernen können. Auch fragwürdige Berechtigungen müssen nicht eingeräumt werden.

Für Microsoft Windows ist eine Zip-Datei herunterzuladen und zu entpacken, auch dann kann es losgehen (CitApp.exe).

Ladezeiten sind kurz und es entsteht keinerlei Problematik im Spielverlauf. Kehrt man zum Hauptmenü zurück, wird die Sitzung automatisch gespeichert. Nichts stört in dieser Hinsicht das fokussierte Spielen und Lernen.

Optisch ist die Gestaltung schlicht und schön. Kleine Figuren, genannt Citlinge, huschen über den Bildschirm. Es sind Bäume, Felsen und Teiche zu sehen. Geradezu idyllisch diese kleine Stadt. Im Zentrum erleuchtet – wie könnte es anders sein – die Bibliothek.

Die Stadt der Citlinge mit Handwerkern, Häusern, Türmen und der zentralen Bibliothek.

Ein Hort des Wissens

In der Bibliothek sind Lernaufgaben zu bewältigen, mit denen Münzen verdient werden können. Zu Beginn sehr grundlegend und eher mit allgemeinen Fragen: „Was bedeutet ‚Jura‘?“ und darauf mehrere Antwortmöglichkeiten, später Fragen und Aufgaben zur Zitation und Gliederung.

Für neue Aufgaben und damit höhere Münzerträge müssen die Tutorien gestartet und durchgearbeitet werden. Nur keine Sorge! Sie sind sehr freundlich im Chat-Stil gehalten. Das bedeutet, der Tutor schreibt zum Thema, bspw.: „Die Angabe von Schriftensammlungen im Literaturverzeichnis“, und mit einem Button antwortet der Spieler. Es scheint, als würde man sich Nachrichten schreiben.

Mit dem Knopf unten links antwortet der Spieler (meist) automatisch und das Tutorium fährt fort.

Zwischendurch muss der Spieler aus verschiedenen Antwortmöglichkeiten wählen oder eine Beispielaufgabe lösen. Dann reagiert der Tutor je nachdem, ob die Antwort richtig oder falsch war.

Ist ein Tutorium abgeschlossen, darf man sich über Belohnungen im Spiel und über ein kostenloses Skript zum Thema freuen. Letzteres kann man herunterladen. Die alle Themen abdeckenden Skripte sind in den Spielfarben gehalten, doch übersichtlich und leicht verständlich. Sie beinhalten die wichtigen Punkte mit Beispielen. Einziges Manko ist, dass sich beim Herunterladen der Browser öffnet und das Spiel in den Hintergrund geschoben wird.

Möchte man das gerade Gelernte üben, bietet das Menü eine entsprechende Funktion. Schwierigkeitsgrad und verschiedene Modi (Zitierweise Fußnote/ Literaturverzeichnis/ Zufall oder Gliederung alphanummerisch/ nummerisch/ Zufall) können individuell angepasst werden.

Aber nach dem Training gilt: Ran an die Aufgaben in der Bibliothek!

Wachsen, werden, wissen

Bücher fallen nun regengleich vom Himmel. Wie Sterntaler sind sie aufzusammeln und begegnen einem in der Bibliothek als Übungsaufgaben wieder. Nur mit den dort verdienten Münzen lassen sich die ersten Gebäude bauen oder die gebauten erweitern.

Das Baumenü – hier sind alle Gebäude zu finden. Oben werden die verfügbaren Ressourcen angezeigt.

Genauso wie in klassischen Aufbauspielen benötigt man Gold, Holz, Stein, Nahrung und Einwohner, um voranzukommen. Ziele sind im Menü geschildert: das Level erhöhen, die Bibliothek ausbauen und verschiedene Statuen zu Ehren des Wissens aufstellen.

Damit die Stadt wächst und gedeiht, heißt es also: Üben, üben, üben. So wird das Gelesene anschaulich vertieft: Quizfragen beantworten, Textbausteine sortieren, Lückentexte füllen, Fehlendes erkennen und aus der Titelei notwendige Informationen extrahieren. Hat sich in der Lösung ein Fehler eingeschlichen? Dann darf man noch ein bis zwei Mal korrigieren. Ist das Ergebnis richtig, verdient man sich die erforderlichen Münzen.

Und Münzen kann man nie genug haben. Sie sind notwendig, um Weizen zu pflanzen oder später neue Bäume. Wenn eine Ressource fehlt, kann man sie auf dem Marktplatz erwerben. Doch diese Preise!

Die Bibliotheksaufgaben dürfen also nie vernachlässigt werden. Besonders aus einem weiteren Grund.

Angreifer abwehren, Arbeit angehen

Jedes Spiel hat seine eigenen Gegner. In der Stadt der Citlinge sind es die Bücherwürmer und Plagiatoren. Beide entspringen schrecklichen Löchern und wollen die schöne Stadt zerstören. Um sie abzuwehren, sind Schutztürme unabdingbar.

Nur entweichen dem Boden immer neue Feinde. Die Löcher schließen sich zwar wieder, doch bis dahin sind viele Gebäude beschädigt und müssen repariert werden. Günstiger also, die Löcher zuschütten zu lassen. Zehn Gold kostet das, die erst erarbeitet sein wollen.

Die Angreifer zeigen also, was vermieden werden soll: die Wissensarbeit durch Plagiat und Vernachlässigung zerstört zu sehen.

Gleichzeitig sind sie der Mechanismus, der den Spieler vorantreibt. Es gibt nicht viele ruhige Minuten, in denen man ungestört ausbauen kann. Aufgaben müssen angegangen, Tutorien durchgearbeitet werden. Nur durch Fortschritt hat man Gold und Baumaterialien, um das Spiel abzuschließen. Halbe Sachen gibt es nicht.

Frustration und Fokus

Die Attacken der Gegenspieler können frustrieren. Ebenso ist es essentiell, die Spielmechanik zu verinnerlichen. Ungünstig, wenn man eine Spielaufgabe nicht richtig gelesen hat oder „Vorname Autor 1“ und „Vorname Autor 2“ verwechselt. Verhängnisvoll, ein Komma oder einen Punkt zu viel zu lassen. Dies wird so hart bestraft wie ein Vorzeichenfehler in der Mathematik.

Trotz dieser Härte animiert es dazu, das Spiel mit seinen Aufgaben nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Man muss konzentriert bleiben und jeden Fehler bemerken. Vielleicht erkennt man hier den juristischen Korinthen… – Sie wissen schon.

Hat man alle Aufgaben erfüllt, weiß man mit Sicherheit, wie korrekt zu zitieren und zu gliedern ist. Dafür sind einige Spielstunden und Fokus notwendig. Das Spiel kann also zwischendurch gespielt werden. Um es abzuschließen, sollte man allerdings aufmerksam genug sein.

War es das Ziel ein Erstsemester-Tutorium für Zitation und Gliederung zu ersetzen? Falls ja, dann ist es geglückt. Höhere Semester dagegen werden beim Spielen auf Fehlerquellen aufmerksam und die Wiederholung hilft ihnen diese abzustellen.

Möchte man den Spielaspekt abkürzen, können auch nur die Tutorien durchgelesen, die Skripte heruntergeladen und das eine oder andere Training im Menü absolviert werden.

Zu Bedenken ist, dass die App allein auf Google Android und Microsoft Windows zugänglich ist. Der vermutlich recht große Teil der Studierenden mit Apple-Produkten kann nicht bedient werden. Es ist zu hoffen, dass eine solche Version nachgereicht wird.

Gerade beim Lernen zu Hause kann die Nutzung einer App den Studierenden eine willkommene und angenehme Abwechslung sein.

Website: https://schroeder.jura.uni-halle.de/mitarbeiter/rensch/citapp/ (Stand: 10.01.2021)

David Achenbach studiert Jura und würde sich Lernphasen ebenso spielerisch wünschen.

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Ein Gastbeitrag ist kein Fisch

Besuch, sagt man, ist wie ein Fisch – nach drei Tagen fängt er an, zu stinken. Ein Gastbeitrag auf einem fremden Blog fängt nach drei Tagen überhaupt erst an, seine Wirkung zu entfalten.

Ich schreibe sehr gern. Ich liebe es, mir Ideen für Blogartikel zu überlegen, sie reifen zu lassen und zu gegebener Zeit meine Gedanken zu verschriftlichen.

Manchmal allerdings mag ich das gar nicht so sehr. Da fallen mir immer nur wieder die gleichen Dinge ein, zu denen ich Sätze formuliere, von denen ich gar nicht mehr sicher sagen kann, ob ich sie nicht schon einmal (zweimal? dreimal?) geschrieben habe.

Aus diesem Grund weiß ich Gastbeiträge sehr zu schätzen. Sie bringen eine neue Perspektive in den Blog. Sie verschaffen Ihnen eine schöne Abwechslung und entlasten gleichzeitig mich. Daher freue ich mich, wenn mir jemand einen Gastbeitrag anbietet oder auf meinen Vorschlag, man könne doch…, direkt einsteigt.

In diesem Artikel erfahren Sie

  • ob es für Sie sinnvoll ist, einen Gastbeitrag auf meinem Blog zu veröffentlichen
  • welche Vorteile Ihnen das bietet und
  • wie das eigentlich geht.

Ein kleiner Haken existiert allerdings auch, und den möchte ich Ihnen natürlich nicht verschweigen.

Das „Who is who“ hinter den Gastbeiträgen

Bei der genaueren Betrachtung, wer hier schon einen Gastbeitrag geschrieben hat, fiel mir auf, dass es im Wesentlichen zwei Gruppen sind.

  • Menschen, die mit (Schreib-)Trainings und Beratung ihr Geld verdienen

und

  • Dozierende, deren Lehre innerhalb eines Curriculums stattfindet und die eine Veranstaltung zum Wissenschaftlichen Arbeiten zusätzlich zur Fachlehre übernommen haben

Übrigens: Wenn Sie am Ende des Artikels bei den Schlagworten auf „Gastbeitrag“ klicken, werden Ihnen die bisherigen Gastbeiträge angezeigt.

Neu dazukommen dürfen gern

  • Studierende oder Ehemalige, die ihre Gedanken beisteuern,
  • Fachlehrende, die gerade nicht Wissenschaftliches Arbeiten lehren, und die gern ein paar Wünsche formulieren möchten
  • Menschen, die an Hochschulen über das didaktische Weiterbildungsangebot entscheiden

und auch

  • Menschen mit thematisch passenden Forschungsvorhaben oder -ergebnissen, die diese gern einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen möchten

Wegbleiben dürfen hingegen bestimmte Angebote aus verwandten Gebieten. Über themenfremde Gebiete müssen wir gar nicht erst sprechen. Denn ich setze sowieso voraus, dass Sie sich nur an mich wenden, wenn Sie etwas zu den Themen des Blogs – Wissenschaftliches Arbeiten lehren sowie Betreuung und Begutachtung studentischer Arbeiten – beitragen können. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass mir Beiträge zu generell sinnvollen Themen (z. B. Zeitplanung) angetragen werden, die jedoch keinerlei Bezug zum Alltag an Hochschulen aufweisen und auch nicht auf die Lehre abzielen. Was hier auf dem Blog erscheint, soll entweder unmittelbar den Lehrenden helfen oder eben mittelbar den Studierenden, indem die Lehrenden etwas kennenlernen, das ihren Studierenden hilft. Ein allgemeiner Artikel über Zeitplanungsmethoden, die für alle Büroberufe gelten können, ist mir zu unspezifisch und damit leider durchgefallen.

Ok, gehen wir für alles Weitere davon aus, Sie hätten bereits eine passende Idee, die nicht durch das Raster fällt. Sie denken sich „Das könnte gehen.“ Aber noch haben Sie nicht Kontakt mit mir aufgenommen, denn irgendetwas hemmt sie.

Warum also überhaupt einen Gastbeitrag schreiben?

  • Das Verfassen eines Gastbeitrags bietet eine hervorragende Möglichkeit, das Medium Blog kennenzulernen: Wie schreibe ich einen Blog? Worauf muss ich achten?
  • Mit einem Gastbeitrag können Sie testen, ob Ihnen Bloggen überhaupt Freude bereiten würde. Vielleicht spielen Sie ja mit dem Gedanken, einen eigenen Blog aufzuziehen? Bevor Sie sich die Mühe machen und dieser dann nach fünf Artikel nur herumdümpelt, nutzen Sie doch lieber einen fremden Blog für den Testlauf.
  • Sie bekommen Aufmerksamkeit. Ihren Gastbeitrag lesen Menschen, die sonst nichts von Ihnen lesen. Sollten Sie bereits einen eigenen Blog betreiben, können Sie durch den Gastbeitrag auf dem fremden Blog vielleicht ein paar neue Interessierte gewinnen. Wenn Sie keinen eigenen Blog führen, ist der Gastbeitrag eine wunderbare Möglichkeit zum Netzwerken und Erweitern der Kontakte. Eben weil der Gastbeitrag veröffentlicht und verlinkt wird und außerdem auf Social Media geteilt werden kann. Da bleibt es nicht aus, dass die eine oder andere Kontaktanfrage kommt.

Also wenn Sie das nicht überzeugt, weiß ich auch nicht! 😉 Dann lassen Sie uns einmal die Ärmel hochkrempeln und (gedanklich) zur Tat schreiten.

Wie geht das nun eigentlich konkret mit dem Gastbeitrag?

  • Auswahl des geeigneten Blogs: Normalerweise würden Sie nun erst einmal einen passenden Blog auswählen. Dieser Schritt kann entfallen, wenn Ihre Wahl schon auf meinen Blog gefallen ist. (Ich habe übrigens im Jahr 2017 einen Artikel mit dem Titel „Mein Blog langweilt sie – hier sind die Alternativen“ veröffentlicht. Leider ist auf den meisten der genannten Blogs kaum noch etwas los.)
  • Die Kontaktaufnahme: Wie kommen wir zusammen? Sie können mich selbstverständlich mit einer ausgereiften Idee kontaktieren. Sie haben ein Leib- und Magenthema und möchten darüber schreiben? Immer her mit der Idee! Vorzugsweise schicken Sie mir eine Nachricht an andrea.klein@wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de. Im anschließenden E-Mail- oder Telefonkontakt finden wir heraus, ob ich finde, dass die Idee zu meinem Blog passt oder ob wir sie noch ein wenig anpassen. Sie „dürfen“ aber auch den Kontakt suchen, wenn sich eine erste Idee noch entwickeln soll. Manchmal hat man ja so eine Ahnung, wohin die Reise mit dem Text gehen könnte, aber ein kleiner Dreh, ein letzter Schliff fehlen noch, um das Ganze tatsächlich anzugehen. In diesem Fall stehe ich Ihnen gern als Denkhilfe zur Verfügung.
  • Der zeitliche Aspekt: Wann Ihr Gastbeitrag erscheinen soll, ist eine Frage der Absprache. Sie sagen mir, wann Sie mir den Text zusenden, woraufhin ich die Veröffentlichung grob einplane. Sollte etwas dazwischenkommen, lässt sich sicher ein neuer Plan arrangieren. Mittlerweile bin ich deutlich flexibler als früher.
  • Der Aufbau und Stil Ihres Beitrags: Für diese Aspekte gebe ich Ihnen ein paar Hinweise in einem übersichtlichen Dokument mit auf den Weg, sobald es konkret wird. Dem entnehmen Sie, wie lang der Beitrag sein sollte, wie sie ihm Struktur geben können und was hinsichtlich der Sprache zu beachten ist.
  • Die Veröffentlichung: Mit der Technik im Hintergrund haben Sie nichts weiter zu tun. Sie lehnen sich entspannt zurück und dürfen auf meine Nachricht mit dem Link zum fertigen Gastbeitrag warten.

Was hält Sie zurück?

Moment, was ist denn mit den Nachteilen? Die sollten doch auch zur Sprache kommen. Fest steht, dass das Verfassen eines Gastbeitrags Ressourcen bindet. Kosten entstehen für Sie natürlich nicht. Aber einige Zeit wird es schon dauern, bis der Text fertiggestellt ist. Ganz fremd wird Ihnen ja das Schreiben höchstwahrscheinlich nicht sein, daher konnten Sie sich diesen Punkt schon denken.

Was vielen nicht bewusst ist: Einer der eingangs ausgeführten Vorteile kann in einen Nachteil umschlagen. Durch die Veröffentlichung eines Gastbeitrags erhalten Sie Aufmerksamkeit. Sie zeigen sich. Sie treten heraus aus der schweigenden Masse und äußern sich. Bei kontroversen Inhalten kann das durchaus dafür sorgen, dass Sie missverstanden und in (schlimmstenfalls fruchtlose) Diskussionen verwickelt werden. Vielleicht fühlt sich aber auch jemand auf den Schlips getreten und sagt es Ihnen nicht einmal. Dann merken Sie lange nichts, bis Sie anfangen, sich zu wundern. All das kann passieren, und ich möchte, dass Sie sich dieses Risikos bewusst sind und es eingehen (oder eben nicht).

Tja, wie gelingt mir jetzt die Kurve? Ich könnte schreiben „Seien Sie mutig und wagen Sie es! Sie werden sehen, was das Gutes bewirkt.“ Letztlich wissen nur Sie selbst, ob dieser Schritt in diesem Moment für Sie passend ist. Ich persönlich bin immer gut gefahren bei meinen Entscheidungen für größere und kleinere Wagnisse, die mir im Vorfeld ein gewisses Kribbeln beschert haben.

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Wie eine Reflexion der eigenen Positionierung unsere Lehre verbessern kann

Ein Gastbeitrag von Dr. Marlies Klamt

Machen Sie den Selbstcheck

Eine kleine Vorwarnung: Es kann sein, dass Sie beim Lesen dieses Artikels unangenehme Gefühle verspüren werden: Wut, Ablehnung, Ärger… Um nur ein paar zu nennen. Vor allem dann, wenn Sie zur Gruppe derer gehören, die ich hier adressieren möchte: Menschen, die an deutschen Hochschulen lehren und sich in einer privilegierten Position befinden.

Ein paar Beispiele für einen schnellen Selbstcheck, ob Sie „gemeint“ sind:

  • Sie sind weiß
  • Sie sind ein Mann
  • Sie gehören der Mittelklasse an
  • Sie haben keine Behinderung
  • Ihr Vater und/oder ihre Mutter haben studiert

Trifft mindestens einer dieser Punkte auf Sie zu? Dann haben Sie Privilegien! Falls Ihnen jetzt das „Ja, aber…“ schon auf der Zunge liegt, dann lesen Sie bitte dennoch weiter.

Es geht nicht darum, zu behaupten, dass Sie unverdient dort gelandet sind, wo Sie heute sind. Oder darum, dass Sie es immer leicht hatten oder haben. Und schon gar nicht darum, dass Sie unreflektiert sind (dann wären Sie wahrscheinlich nicht auf diesem Blog). Privilegien sind auch nicht etwas, was sich immer und in jeder Situation gleich äußert. Außerdem gibt es vermutlich auch Bereiche, in denen Sie benachteiligt werden (z.B. in Bezug auf die Boxen, die Sie oben nicht angekreuzt haben). Dennoch wird es Ihnen und Ihrer Lehre helfen, einen genaueren Blick auf Ihre Privilegien zu lenken.

Setzen Sie die Brille der Privilegien ab

Da Sie den Artikel trotz seiner Überschrift angefangen haben zu lesen, nehme ich an, dass Sie die den Willen und den Mut haben, Ihre Lehre in Bezug auf Ungleichheitsstrukturen kritisch zu reflektieren. Dabei kommen wir nicht umhin, uns unsere eigenen Privilegien bewusst zu machen – ein nicht immer leichtes und schon gar nicht bequemes Unterfangen. Die Belohnung? Laut Chimamanda Ngozi Adichie eine klare Sicht[i]:

Wo können wir also als Lehrende blinde Flecken haben? Beispielsweise in Bezug auf das Trio Race, Class und Gender.  Aber auch in Bezug auf (Dis)Ability, Sexualität, Bildungshintergrund, Religion… Die Liste ist lang und lässt sich fortführen.

Alle diese Kategorien der Ungleichheit verweisen auf Bereiche unseres Lebens, in denen es potenziell zu Diskriminierungen kommen kann und zwar, wenn eine Person von dem abweicht, was in unserer Gesellschaft als Norm gilt: weil sie nicht weiß ist, nicht männlich ist, nicht „gesund“ ist, nicht einen BMI aufweist, der bei uns als „normal“ gilt, nicht heterosexuell ist usw.

Ich finde es schwierig, in diesem Zug von „Betroffenen“ zu sprechen. Denn wir alle sind von Rassismus und Diskriminierung betroffen. Nur die einen auf negative und die anderen auf positive Art und Weise. So schreibt auch Toni Morrison über Rassismus[ii]:

Ähnliches gilt für andere Diskriminierungsarten. Auch Sexismus ist ein Phänomen, von dem wir alle betroffen sind, und ebenso Klassismus (die Diskriminierung aufgrund der sozialen Klasse) und alle anderen „ismen“.

Was können wir nun als Lehrende für eine Lehre daraus ziehen? Uns im ersten Schritt vor Augen führen, dass die Hochschule ein System ist, das von weißen Männern für weiße Männer gegründet wurde, um weißes Wissen zu transportieren und erweitern.

Zwar können Frauen in Deutschland inzwischen seit über einem Jahrhundert studieren, aber deshalb davon auszugehen, dass dem System Hochschule, das in Deutschland bereits hunderte von Jahre zuvor entstand, nicht immer noch patriarchalische Machtstrukturen eingeschrieben wären, würde zu kurz greifen.

Beispielhaft möchte ich an dieser Stelle auf die immer noch erschreckend kleine Anzahl weiblicher Professorinnen in Deutschland verweisen (2017 waren es noch weniger als ein Drittel)[iii] oder auf die CHE-Studie von Ende 2018[iv], in der festgestellt wurde, dass die typische Unileitung in Deutschland ein 59 Jahre alter, in Deutschland geborener Mann ist.

Aber auch die Art, wie Wissen vermittelt wird, welche Art von Wissen als wissenswert anerkannt wird, auf den Schultern welcher Riesen wir stehen, spielt eine Rolle.

Zurück zu dem, wo wir als Lehrende ansetzen können. Ich möchte Ihnen ein zwei ganz konkrete Beispiele geben, wo blinde Flecken bestehen können und wie wir diesen als Lehrende entgegenwirken können:

Beispiel 1

Ich selbst habe zum Beispiel viele Jahre in einem Fach gelehrt, in welchem die Studierenden mit viel (teurer) Technik umgehen lernen mussten wie Kameras und Schnittcomputer. Außerdem war ich Teil des Teams, das das Fach konzipiert und aufgebaut hat. Dabei war es mir von Anfang an wichtig, dass wir die im Studium benötigte Technik als Hochschule zur Verfügung stellen. Aber auch in Bezug auf „normale“ Laptops trifft dies zu. Aus einer typischen Mittelklasse-Familie stammend, bin ich nicht immer für diese Problematik sensibilisiert gewesen. Erst als ich Freund*innen hatte, die es sich nicht leisten konnte, direkt im ersten Semester einen Laptop zu kaufen, wurde mir bewusst, dass ein eigener Computer auch in Deutschland und unter Studierenden durchaus ein Privileg ist.

Wenn Sie Ihre Studierenden zum Beispiel bitten, ihren Laptop für eine Übung mit ins Seminar zu bringen, denken Sie daran, dass nicht jede Person einen hat und dass es eventuell unangenehm sein könnte, sich vor der gesamten Gruppe diesbezüglich zu „outen“. Bieten Sie an, einen Laptop des Instituts zu leihen und Ihnen vorher mündlich oder per Mail mitzuteilen, dass sie einen benötigen. Machen Sie keine große Sache daraus, sondern erwähnen Sie einfach die Möglichkeit.

Und verabschieden Sie sich von dem Argument „Die haben doch heute eh alle einen Laptop/ein Tablet/ein Smartphone etc.“. Denn mit dieser Haltung machen Sie es Studierenden, die das – aus welchem Grund auch immer – nicht haben, schwierig, sich zu äußern. Im schlimmsten Fall schwänzen sie die Sitzung aus Scham.

Beispiel 2

Sprechen Sie so, dass Sie von möglichst allen Studierenden problemlos verstanden werden. Es spielt eine Rolle, welche Sprache wir sprechen, um die Fähigkeiten zu wissenschaftlichem Arbeiten zu vermitteln. Die Akademikersprache ist nicht gerade für ihre Leichtverständlichkeit bekannt und nicht selten wirkt es, als gäbe es einen gewissen Unwillen oder auch eine Unfähigkeit auf Seiten von Hochschullehrenden, sich allgemeinverständlich auszudrücken.

Es ist anzunehmen, dass gerade Studierende aus bildungsfernen Schichten, die weniger mit der akademischen Sprache vertraut sind, dadurch größere Schwierigkeiten haben, Informationen aufzunehmen, zu verarbeiten und anzuwenden. In diese Richtung lassen sich auch die Ergebnisse einer Untersuchung von Friederike Schlücker und Steffen Schindler[v] interpretieren, die darstellen, wie bei Bachelor-Studierenden die soziale Herkunft von Studierenden deren Noten beeinflusst. Halten Sie Ihre Ausdrucksweise also niedrigschwellig, verzichten Sie auf eine Anhäufung von Fachbegriffen und Fremdwörtern und erklären Sie diese gegebenenfalls.

Beispiel 3

Machen Sie Studierende nicht zu Expert*innen der Minderheit, die diese – Ihrer Meinung nach – vertreten. Ja, Schwarze Menschen und People of Colour sind leider häufig von Rassismus negativ betroffen – aber es ist weder ihre Aufgabe, Ihnen und ihren Kommiliton*innen zu erklären, wie Rassismus sich äußert, noch müssen sie fähig oder willens sein, einen historischen Exkurs in die Sklaverei oder Jazz-Musik zu geben. Genauso wenig wie es die Aufgabe des Studierenden im Rollstuhl ist, über den Alltag als Mensch mit einer Gehbehinderung Auskunft zu geben oder zu allen Themen, die Inklusion betreffen. Und genauso wenig wie es die Aufgabe der einzigen weiblichen Studierenden in einem von Männern dominierten Studiengang ist, als Expertin für alle „Frauenfragen“ zu fungieren.

Verstehen Sie mich nicht falsch, Sie sollen nicht versuchen, keine Unterschiede mehr zu sehen (das wäre auch gar nicht möglich). Aber instrumentalisieren Sie diese Studierenden nicht, um sich selbst davon zu entbinden, einen Weg zu finden, um über diese Themen zu sprechen. Wenn Sie wissen, dass der oder die Studierende politisch aktiv ist und sich zum Beispiel im AStA für die entsprechenden Themen einsetzt, können Sie natürlich anfragen, ob die Person sich – aufgrund dieser Funktion – dazu äußern will. Ich persönlich würde das aber nicht vor der versammelten Gruppe machen, sondern in einem Zweiergespräch.

Machen Sie sich auf den Weg

Wenn Sie ein wenig so sind wie ich, dann begreifen Sie sich selbst als eine „der Guten“. Die eigenen Privilegien zu reflektieren, führt aber meist erst einmal dazu, dass das eigene Weltbild gehörig erschüttert wird. Es ist kein leichter Schritt, sich selbst als Teil eines Systems zu sehen, von dem man profitiert, ohne dass man sich dessen bewusst war. Verleugnung, Ablehnung und Rechtfertigung sind häufig auf dem ersten Schritt des Weges treue Begleiterinnen. Bis dann irgendwann die ersten Erkenntnisse einsetzen und damit die Schuldgefühle.

Ich möchte Ihnen noch gerne ein paar Tipps mitgeben, wie Sie sich auf den Weg machen können. Wenn Ihnen noch mehr Möglichkeiten einfallen, freue ich mich, wenn Sie diese in den Kommentaren teilen. Genauso wie ich Sie bitte, sich als lernende Person zu begreifen, sehe ich mich als dauerhaft Lernende und bin ganz und gar nicht allwissend und schon gar nicht frei von Fehlern. Wenn Sie also kritisches Feedback haben, Dinge anders sehen als ich oder einfach von Ihren Erfahrungen berichten wollen, tun Sie das gerne in den Kommentaren unter diesem Artikel!

Tipp 1

Präsentieren Sie sich als ansprechbare Person, die nicht perfekt ist, sondern auch einmal Fehler macht. Bieten Sie verschiedene Arten der Kommunikation an – nicht jede*r Studierende spricht gerne vor Gruppen (Wenn Sie jetzt denken „Dann sollen sie es halt lernen!“ – überlegen Sie sich, woher diese Haltung kommt bzw. welches Verhalten Sie gerade zur Norm erheben). Gerade bei großen Lehrveranstaltungen wie Vorlesungen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nur Studierende mit einer bestimmten sozialen Positionierung sich trauen, Sie anzusprechen.

Tipp 2

Nehmen Sie Personen ernst, die sie um Hilfe bitten. Es kostet Überwindung, über die eigenen Diskriminierungserfahrungen sprechen. Wenn sich eine Person also im Vertrauen an Sie wendet, versuchen Sie nicht, deren Erfahrungen zu relativieren („Das haben Sie sicher missverstanden.“ oder „Das war sicher nicht so gemeint.“ sind keine hilfreichen Antworten). Fragen Sie stattdessen, wie Sie die Person unterstützen können, vermitteln Sie sie ggf. an Stellen weiter, die kompetent helfen können.

Tipp 3

Lernen Sie mehr über die verschiedene Diskriminierungsarten (und darüber, wie diese miteinander verknüpft sind – Stichwort Intersektionalität). Denn wenn Sie in Bezug auf Ihre Positionierung in vielen Punkten dem entsprechen, was hierzulande als Norm angesehen wird, werden Sie bestimmte Erfahrungen einfach nicht machen. Machen Sie zum Beispiel ein Anti-Rassismus-Training (ich kann das von Phoenix e.V.[vi] empfehlen). Und warum nicht einmal eine Veranstaltung von den Kolleginnen und Kollegen besuchen, die sich auch wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetzen? Sie finden Sie z.B. in den Postcolonial Studies, Gender Studies oder auch im Gleichstellungsbüro.

Tipp 4

Sagen Sie Ihren Studierenden, was Sie von Ihnen erwarten und warum. Dabei geht es um Transparenz und nicht darum, Ihr Lehrniveau zu senken. Versuchen Sie, soweit es Ihnen möglich ist, verschiedene Lebensrealitäten mitzudenken und nicht implizit von dem, was Sie als „normal“ annehmen, auszugehen. Dazu kann es zum Beispiel gehören, Deadlines mit Vorlaufzeit zu kommunizieren – am besten zu Semesterbeginn –, so dass auch Studierende, die nebenher einen oder mehrere Jobs haben, entsprechend planen können. Aber auch wenn Sie eine Exkursion planen oder Ihren Studierenden als Hausaufgabe aufgeben, eine Veranstaltung zu besuchen, zu überlegen, wie gut dieser Ort erreichbar ist. Kann er umsonst mit dem Semesterticket angefahren werden? Ist er barrierefrei? Dazu kann es weiter auch dazugehören, sich zu fragen, wer bei der Veranstaltung spricht und wie diese Person gesellschaftlich positioniert ist.

Für eine gerechtere akademische Welt

Ich freue mich, dass Sie bis zum Ende dieses vermutlich etwas unbequemen Artikels dabeigeblieben sind. Ja, ich gebe es zu, vielleicht wird es manchmal etwas mehr Arbeit für Sie sein, die eigenen Privilegien zu reflektieren und vielfältige Lebensrealitäten zu berücksichtigen. Aber sobald Sie einmal begonnen habe, die Privilegienbrille abzunehmen, werden Sie immer besser darin werden. Oder, um auf Adichie zurückzukommen: immer klarer sehen. Freuen Sie sich darüber, einen Beitrag zu einer gerechteren akademischen Welt leisten zu können. Aber (das ist mein letztes „Aber“, versprochen!) verlangen Sie keinen Orden dafür – vor allem nicht von den Studierenden, deren Benachteiligungen Sie versuchen entgegenzuwirken.

[1] Adichie, Chimamanda Ngozi (2015): 2015 Wellesley College Commencement Address. Video und Transkript der Rede online verfügbar unter:  https://www.wellesley.edu/events/commencement/archives/2015/commencementaddress. Letzter Zugriff: 15.10.2019.

[1] Morrison, Toni (1993): Playing in the Dark. Whiteness and the Literary Imagination. London, Basingstoke: Pan Books Ltd, S. 46.

[1] Statistisches Bundesamt (2018): Bildung und Kultur. Personal an Hochschulen 2017, S. 22f. Zitiert nach de.statista.com, online verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/160365/umfrage/professoren-und-professorinnen-an-deutschen-hochschulen/. Letzter Zugriff: 15.10.2019.

[1] Centrum für Hochschulentwicklung (2019): CHECK. Universitätsleitung in Deutschland. Online verfügbar unter: http://www.che.de/downloads/CHECK_Universitaetsleitung_in_Deutschland.pdf

[1] Schlücker, Friedericke; Schindler, Steffen (2019): Studienleistung im Bachelor- und Masterstudium. Bedingungsfaktoren und ihr Zusammenhang mit der sozialen Herkunft der Studierenden. In: Lörz, Markus; Quast, Heiko (Hrsg.): Bildungs- und Berufsverläufe mit Bachelor und Master. Determinanten, Herausforderungen und Konsequenzen. Wiesbaden: Springer VS, S. 225-272, hier S. 263.

[1] Informationen zum Anti-Rassismus-Training von Phoenix e.V. finden Sie unter https://www.phoenix-ev.org/anti-rassismus-training.html. Letzter Zugriff: 15.10.2019.

 

 

Dr. Marlies Klamt ist Promotionscoach und betreibt den Podcast „Glücklich promovieren. Der Podcast für Frauen mit Freude am Promovieren.“ In verschiedenen Projekten macht sie einen Brückenschlag vom wissenschaftlichen Feld der Ungleichheitsforschung in die Praxis, um eine diversitätssensible Mediensprache zu entwickeln.

Zur Website von Dr. Marlies Klamt: https://promotionsheldin.de/ oder direkt zum Podcast https://promotionsheldin.de/podcast-gluecklich-promovieren/.

 

Fotocredit: Lisa Wolff

 

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Was können Sie als Lehrende tun, damit Ihre Studierenden das Schreiben lernen?

Ein Gastbeitrag von Christina Hollosi-Boiger

 

Was können Sie als Lehrende tun, damit Ihre Studierenden das Schreiben lernen?

Als Schreibtrainerin beschäftige ich mich mit dieser Frage schon lange:

Seit 2011 unterrichte ich Schreiben an verschiedenen Hochschulen, Institutionen, Organisationen in Österreich mit ganz unterschiedlichen Teilnehmer*innen (diverse Muttersprachen, Schreib-Erfahrungen, Ausbildungshintergründen, …).

Ich frage vor und in jedem einzelnen Kurs nach den Gelingensbedingungen für Schreiben – und was ich als Lehrende bzw. Workshopleiterin dazu beitragen kann.

 

Ich gebe Andrea im Blogbeitrag vom 20.03.2016 Recht: Schreiben lässt sich nicht lehren!

Doch: Als Lehrende kann ich Lern-Impulse setzen und für jene Bedingungen sorgen, in denen Teilnehmer*innen eigenständig zu Lern-Ergebnissen kommen. Diesen Mix aus Lern-Impulsen und Gelingensbedingungen kann ich als Schreib-Lehrende beeinflussen – und somit flexibel an die Teilnehmer*innen anpassen.

Dazu ist es natürlich wichtig, eine Übersicht über die komplexen Handlungsfelder des Schreibens zu haben. Das Modell der situativen Schreibfelder bietet Lehrenden und Lernenden eine Orientierung über die Themen und konkreten Schreibhandlungen, die in Bezug auf das Schreiben und den Text besprochen und angeregt werden können – und im Folgenden möchte ich Ihnen dieses Modell kurz vorstellen:

Die Schreibfelder

Felder des Schreibens

In der Schreiblehre kann zum Beispiel die Text-Entstehung, der Weg des Textes, der Schreibprozess (Schreibfeld A) besprochen werden. Dieses Handlungsfeld bezeichnet die einzelnen Phasen des Schreibprozesses, von der Ideenfindung über die Konzeption über mögliche Zwischentexte bis zu Finaltext. Auch der Weg des Textes (welche Stationen oder Hände er durchlaufen muss), die Meilensteine, die möglichen Stolpersteine – all das kann in Bezug auf dieses Schreibfeld thematisiert werden.

Hilfreich auf diesem Weg können Schreibtechniken und Schreibstrategien (Schreibfeld B) sein, ebenso wie die Analyse der Infrastruktur des Schreibens (Schreibfeld C), die den Schreib-Ort, die Schreib-Zeit, das Schreib-Material und die Umgebung der Schreibenden einschließt.

Damit rückt die schreibende Person (Handlungsfeld D) in den Fokus, was sich in spezifischen Fragestellungen, wie „Wie stehe ich persönlich zu dem Geschriebenem?“, „Wo und wie darf ich im Text vorkommen bzw. darf ich das Wort „Ich“ schreiben?“, auch „Wie geht es mir beim Schreiben?“

Andere Personen (Handlungsfeld E), die in Beziehung mit dem eigenen Schreiben stehen (z.B. Betreuende bei wissenschaftlichen Abschlussarbeiten oder Kolleg*innen bei einem kollaborativen Schreibprojekt), können dies ebenso beeinflussen wie bisherige Aneignungserfahrungen des Schreibens (Handlungsfeld F). Die Aneignung des Schreibens, der Erwerb verschiedener Schreibstrategien und das Lernen des Feldes „Schreiben“ können z.B. reflexiv betrachtet werden – um daraus neue, individuell passende Strategien zu modellieren.

Aus diesem Feld können auch gelungene Beispiele (Handlungsfeld O) generiert werden oder umgekehrt: Die Orientierung an gelungenen Beispielen kann Sicherheit beim Erlernen des Schreibens bieten.

 

Direkt im Text sichtbar sind die inhaltliche Ebene des Textes (Handlungsfeld I), die strukturelle Ebene des Textes (Handlungsfeld J) und die sprachliche Ebene des Textes (Handlungsfeld K). Diese Ebenen sind stark von den konkreten Anforderungen an den Text (Handlungsfeld L) abhängig, die die Textsorte, das Kommunikationsmedium oder die professional community vorgeben.

Die Sichtbarkeit des Textes (Handlungsfeld M) bezeichnet dabei den Veröffentlichungsgrad des Textes und die intendierte Zielgruppe, die Kommunikationssituation (Handlungsfeld N) bettet den Text in einen größeren Zusammenhang ein, der auch die intendierte Wirkung betrachten kann.

Die Rahmenbedingungen des Textes (Handlungsfeld O) bringen Implikationen für das Schreiben und den Text mit ein, wie etwa die für das Schreiben & Überarbeiten zur Verfügung stehende Zeit, Auftraggeber*innen mit außertextlichen Interessen oder die multimodale Nutzung des Textes.

 

Die einzelnen Handlungsfelder sind keine singulären, in sich geschlossenen Felder – sie hängen miteinander zusammen: Manche Schreibstrategien bedingen zum Beispiel besonders gut strukturierte Texte. Oder vorhandene Beispiele beeinflussen die schreibende Person. Manche von diesen Zusammenhängen sind bereits gut erforscht, andere werden in der aktuellen schreibdidaktischen Literatur kaum beachtet.

Das bringen die Schreibfelder im Lehralltag:

Auf Basis dieses Modells der situativen Schreibfelder, können Sie nicht nur flexibel im Lehralltag reagieren, sondern agil mit Teilnehmer*innen interagieren:

 Vorbereitung, Planung, und Gestaltung von Schreib-Lehr-Settings

Schreib-Lehr-Settings können durch das Modell der situativen Schreibfelder auf einfache Weise teilnehmer*innen- und somit lernenden-orientiert vorbereitet, geplant und gestaltet werden. Denn das Modell kann bei Operationalisierung von Lernzielen genutzt werden, zum Beispiel beim Lernziel „Die Teilnehmer*innen sind nach der Absolvierung in der Lage, eigenständig ein Exposé für eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen“.

Wenn Sie dieses Lernziel umsetzen möchten, haben Sie unzählige Möglichkeiten, diesen Inhalt „Exposé schreiben“ mit verschiedenen Lernformen umzusetzen. Wahrscheinlich machen Sie das nach bestem Wissen und Gewissen, mit Hilfe der vorhandenen Unterlagen aus vorigen Semestern, auf Basis von Fachliteratur etc. Sie zeigen dabei vielleicht auch in Form einer Übersichtsliste auf, welche Themen Sie besprechen – aber Sie zeigen nicht, was Sie nicht unterrichten.

Impuls für Ihr Schreib-Lehr-Setting: Planen Sie doch die Lehreinheit mit Hilfe des Modells der situativen Schreibfelder und wägen Sie ab, welche Felder für die Vermittlung des Exposé-Schreibens relevant sind. Dann strukturieren Sie die Themen entsprechend, zum Beispiel so:

  • die Anforderungen an den Text, die sich auf der inhaltlichen Ebene (I), der strukturellen Ebene (J) und der sprachlichen Ebene des Textes (K) zeigen.
  • Schreibtechniken & Strategien (B), die eine gute Textqualität erzeugen und
  • sich somit auf die Textentstehung (A) auswirken.

Agile Interaktion im Schreib-Lehr-Setting

Das Modell der situativen Schreibfelder bietet die Möglichkeit im Schreib-Lehr-Setting selbst, professionell spontan zu handeln; also agil mit den Teilnehmer*innen zu interagieren, den Lehr-Verlauf anzupassen und adäquate Schreibimpulse auszuwählen.

In Ihrer Schreiblehre können Sie diese Schreibfelder offenlegen und somit aufzeigen, was Studierende eigenständig erarbeiten müssen. Im Beispiel oben wird zum Beispiel die Infrastruktur des Schreibens (C) den Schreibenden überlassen, die Kommunikationssituation des Textes (N) wird als bekannt vorausgesetzt und es werden auch keine Beispiele gelungener Exposés (G) zur Verfügung gestellt.

Sie können dies durch die visuelle Darstellung der Schreibfelder ausweisen – und vielleicht lassen Sie die Studierenden gleich markieren, wo aus der Eigenperspektive weiterer Informationsbedarf besteht.

Zugleich können Sie als Schreiblehrende flexibler auf die Situation reagieren, vielleicht sogar agil mit den Teilnehmer*innen interagieren, indem sie gemeinsam Fragen aufwerfen und nach geeignete Antworten suchen.

Das Modell fördert eine aktive Lernhaltung

Schon alleine mit dem Offenlegen der möglichen Schreibfelder, die man für einen Text besprechen kann, nehmen Sie eine andere Lehrhaltung ein: Sie fordern von den Teilnehmer*innen, sich alle Aspekte des Schreibens und des Textes Gedanken zu machen, sich Text-Wissen anzueignen und selbstverantwortlich zu agieren.

Wenn Sie es zudem schaffen, mit den Teilnehmer*innen agil zu interagieren, zeigen Sie den Teilnehmer*innen Ihre eigene Neugierde, Ihre Erkenntnisbereitschaft – und damit die Fundamente der Wissenschaft.

 

Schreiben mit Chribs – das ist Schreiben mit Grips

Mag.a Christina Hollosi-Boiger, BA (www.schreibenmitchribs.at ) ist seit 2011 als Schreibtrainerin & –beraterin, Hochschuldidaktikerin und Qualitätstechnikerin an Hochschulen und in Organisationen in ganz Österreich tätig.

Sie begleitet Personen, die etwas schreiben müssen / dürfen / sollen / wollen. Fokus ihrer Arbeit ist das systematische und professionelle Verfassen von Texten sowie der nachhaltige Umgang mit Texten, für das sie das Textmanagementsystems TEMASYS® entwickelt hat.

Für sie ist Schreiben Profession und Passion.

PS: Sie erkennen sie am Hut!

 

 

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