Gliederungen: Wie Sie in fünf Schritten das Gliedern lehren

Wetten, dass Sie bereits mehr als einmal den folgenden Fall hatten?

Ein Studierender möchte die Gliederung seiner Arbeit besprechen, und Sie finden vieles derart unlogisch, dass Sie gar nicht genau wissen, wo Sie ansetzen sollen. Sie schauen auf einen Ausdruck der Gliederung und fragen sich insgeheim: Ist die Verwirrung tatsächlich so groß, oder konnte der Studierende die Punkte nur nicht so zu Papier bringen, wie er sie eigentlich meinte? Innerlich schlagen Sie die Hände über dem Kopf zusammen. Äußerlich üben Sie sich in Gelassenheit und sagen aufmunternd: „Dann wollen wir mal!“

Was macht das Gliedern für die Studierenden so schwierig? Sicherlich sind beim Erstellen einer formvollendeten Gliederung viele Details zu beachten. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen. Es geht um das große Ganze. Die Gliederung ist schließlich das Spiegelbild des Gedankenflusses des Autors, wie Brink es formuliert (Brink, Alfred, 2013, Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, München: Oldenbourg, S. 142).

Knackpunkt Gliederung

Beim Erstellen der Gliederung handelt es sich um einen echten Knackpunkt im wissenschaftlichen Arbeitsprozess. Denn wer eine Gliederung erstellt, befindet sich meist an einem Übergang.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Nachdenken zum Lesen.

Wer mit einem relativ unbekannten Thema konfrontiert ist, macht oft ein erstes Brainstorming und sortiert dann seine Gedanken in einer Grobgliederung, die ihm als Arbeitsauftrag für die Literaturrecherche dient. Jetzt erst weiß derjenige, wonach im nächsten Schritt gesucht werden muss.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Lesen zum Schreiben.

Wer die relevante Literatur bereits kennt oder sie sich gerade erarbeitet hat, braucht für das weitere Vorgehen oft eine Art Grundgerüst. Die Fülle des Stoffes wird sortiert und damit das Schreiben portioniert.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Schreiben zum Fertigstellen.

Selbstverständlich gibt es auch Studierende, die erst nachträglich gliedern (die so genannten Drauflosschreiber). Auch und gerade sie müssen wissen, wie sie einen geeignete Struktur in ihren Text bringen können.

Kein Wunder also, dass Studierende manchmal (noch) nicht so wohlsortiert sind, wie wir es gern hätten. Sie befinden sich eben an einem Übergang. Da ist das so. Habe ich mal gehört. (Und natürlich selbst erfahren – wie viele vermeintlich gute Gliederungen habe ich ein paar Tage, Wochen, Monate später wieder umgeworfen? Ich will es nicht zählen.)

Der Plan für die Lehre: Gliedern lernen in fünf Schritten

Wie können Sie nun dazu beitragen, dass die Studierenden die Prinzipien des Gliederns verinnerlichen? Das ist nicht nur für die Studierenden wichtig und unabdingbar. Auch Sie selbst haben ja schließlich viel davon, wenn Sie in Ihren Beratungsgesprächen bessere Gliederungsentwürfe vorgelegt bekommen.

Was jetzt kommt, ist viel Arbeit. Sie müssen das entsprechende Übungsmaterial vorbereiten, und Sie benötigen in der Lehrveranstaltung einige Zeit für die Anwendung. Ich setze drei bis vier Unterrichtseinheiten dafür an.

Hier kommt der Plan:

  1. Voraussetzungen schaffen
  2. Sinn und Zweck erläutern
  3. Anforderungen besprechen
  4. Ein fremdes Inhaltsverzeichnis prüfen
  5. Selbst gliedern lassen

Ja, richtig. Nicht weniger als fünf Schritte sind zu beachten und durchzuführen.

 

  1. Voraussetzungen schaffen

Ohne eine Fragestellung wird das alles nichts beim Wissenschaftlichen Arbeiten. Das wissen Sie ja. Machen Sie es an dem Punkt auch Ihren Studierenden noch einmal eindrücklich klar.

Es hat also keinen Sinn, das Thema Gliederung anzusprechen, bevor Sie nicht mit Ihren Studierenden aus einem Thema eine Fragestellung entwickelt haben.

  1. Sinn und Zweck erläutern

Jetzt ist es an der Zeit, über das Wesen von Gliederungen zu sprechen. Welche Funktionen erfüllen sie für den Leser und welche für den Autor? Für viele Studierende ist das ein Aha-Erlebnis, wenn Gliederungen als Arbeitsinstrument für den Autor vorgestellt werden. Sie kennen sie eher in Form von Inhaltsverzeichnissen, die dem Leser die behandelten Themen, deren Gewichtung sowie deren Über-und Unterordnung zeigen. Dass sie auch für den Autor selbst wichtige Orientierungspunkte bieten können, ist ihnen neu.

Eine große Zahl von Studierenden hält Gliederungen übrigens für ein von Beginn an feststehendes, unverrückbares Schema – oder fühlt sich zumindest schlecht, wenn sie im Lauf des Bearbeitungszeitraums umgestellt werden muss. Weisen Sie ruhig mehr als einmal darauf hin, dass eine Gliederung vorläufig ist und im Extremfall auch noch bei der Endredaktion verändert werden kann.

  1. Anforderungen besprechen

An diesem Punkt bespreche ich formale und inhaltliche Anforderungen an eine gelungene Gliederung (wie zum Beispiel verschiedene Gliederungsschemata, das Pyramidenprinzip usw.). Wenn Sie dazu noch einen generellen Überblick benötigen, empfehle ich Ihnen wieder Brink (2013, Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, München: Oldenbourg, S. 141 ff.). Sollten in Ihrem Fach spezielle Anforderungen hinzukommen, behandeln Sie diese an der Stelle natürlich zusätzlich.

  1. Ein Inhaltsverzeichnis prüfen

Nehmen Sie ein fremdes Inhaltsverzeichnis und lassen Sie es von den Studierenden korrigieren. Diese Korrekturen beziehen sich vor allem auf den formalen Aufbau (deswegen schreibe ich hier auch „Inhaltsverzeichnis“ und nicht „Gliederung“) und nur zu einem geringen Teil auf die Inhalte. Denn diese lassen sich ohne Sachkenntnis schwer beurteilen. Natürlich sieht man aber in etwa, ob die Gewichtung stimmt oder ob die zugrundeliegende Fragestellung zielorientiert bearbeitet würde.

Wenn Sie kein geeignetes (in dem Fall also fehlerhaftes!) Inhaltsverzeichnis haben, suchen Sie eine Vorlage aus einer alten Arbeit oder aus dem Internet und verschlimmbessern sie. In jedem Fall sollten Sie diese „Ideengeber“ so stark verfremden, dass keinerlei Rückschlüsse auf den Urheber des Ausgangswerks mehr möglich sind. Alternativ können Sie sich auch selbst ein komplett neues Inhaltsverzeichnis ausdenken.

Ein Tipp am Rande: Beschriften Sie das Inhaltsverzeichnis dieser Übungsaufgabe unübersehbar als „fehlerhaft“, dass es auf keinen Fall aus Versehen als Muster genutzt wird. Alle, die die Lehrveranstaltung versäumt haben und nur das Blatt in die Hände bekommen, müssen direkt erkennen können, dass ein solches Inhaltsverzeichnis nicht zur Nachahmung empfohlen wird.

Für sich selbst sollten Sie einen übersichtlich aufbereiteten Lösungshorizont parat haben, damit Sie bei der Besprechung der Fehler im Eifer des Gefechts nichts vergessen. Eventuell werden Sie auch nach einer Musterlösung gefragt („Wie geht es denn jetzt richtig?!“) und wollen darauf vorbereitet sein. Ein guter Zeitpunkt, um die Typ 2-Studierenden (mehr zu den Studierendentypen hier und hier) noch einmal darauf hinzuweisen, dass es mehr als eine korrekte Lösung gibt.

  1. Selbst gliedern lassen

Gliedern lernt man nur beim Gliedern. Punkt. Bisher war fast alles nur graue Theorie. Selbst die Übungsaufgabe aus Punkt 4 hat die Studierenden noch nicht dazu gezwungen, ein großes Gebiet eigenhändig in mehrere Teilgebiete zu zerlegen, diese logisch anzuordnen und dafür jeweils treffende Kapitelüberschriften zu formulieren.

Was läge näher, als die Fragestellung aus der Gruppenarbeit zu „Mobiler Kommunikation“ zu verwenden? Hier stelle ich es den Studierenden frei, ob sie allein oder in Gruppen weiterarbeiten. Je nach persönlicher Vorliebe darf jeder das Gliedern entweder für sich oder im Austausch mit Anderen üben. Geben Sie genügend Zeit dafür. Erfahrungsgemäß wird die Lösung mehr als einmal verworfen. Es wird gestrichen, ergänzt, geändert, noch einmal ganz neu begonnen. Nicht selten fliegen zerknüllte Papiere in den Mülleimer. Lassen Sie die Studierenden an den Punkt kommen, an dem sie selbst einigermaßen zufrieden mit ihrem Entwurf sind.

In großen Gruppen bespreche ich die Lösungen, indem ich die Anforderungen an eine gelungene Gliederung (also Punkt 3 unserer Liste von oben) noch einmal durchgehe und die Teammitglieder zu einem Selbst-Check anhalte. Wer danach noch unsicher ist, darf mir den Entwurf mitgeben und bekommt ihn beim nächsten Mal mit meinen Anmerkungen zurück.

Damit sind die fünf Schritte durchlaufen. Jetzt können wir ein zweites Mal wetten. Wetten, dass Sie von Studierenden, die mit diesem Vorgehen gliedern gelernt haben, besser durchdachte Gliederungsentwürfe erhalten?

Wenn Sie in der Lehre mit anderen Methoden gute Ergebnisse erzielen, würde ich mich freuen, in den Kommentaren mehr darüber zu erfahren.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert