
Im September geht es hier wieder weiter. Es warten jede Menge Artikel, Gastbeiträge und Rezensionen darauf, veröffentlicht zu werden!
Wie kann ich Ihnen helfen?
Blogartikel
Erfahrungen, Einblicke und ein bisschen Ernüchterung nach einigen Jahren Lehre "Wissenschaftliches Arbeiten"
Materialien
Probieren geht über studieren: Ideen für Übungen, die die Studierenden selbst lösen müssen.
Literatur
Bücher, Links und Apps zum Wissenschaftlichen Arbeiten gibt es viele - für Studierende. Aber welche eigenen sich für die Lehre?
Ein Gastbeitrag von Dr. Natascha Miljkovic
Spätestens dann, wenn ich einen Hörsaal betrete, habe ich schon mehr oder weniger bewusst einige wichtige Erwartungen über meine HörerInnen festgelegt:
Grundsätzlich sind diese Erwartungen oder Annahmen weder gut noch schlecht. Ähnlich den vier von Andrea Klein beschriebenen Studierendentypen kommt vieles durch meine Erfahrungen mit Studierenden, die ich in den letzten 15 Jahren gesammelt habe, fast automatisch zustande. Einiges projiziere ich auch aufgrund von Erfahrungen, die ich selbst als Studierende und Hörerin von Weiterbildungsangeboten gemacht hatte.
Tatsächlich beginnen einige der Erwartungen jedoch schon beim Aufbau des Unterrichtsdesign zu wirken: Zusätzlich zu dieser „Persona-“Entwicklung klärt man auch mögliches Vorwissen so gut es geht, feilt am Nutzen, den sich die TeilnehmerInnen mit nachhause nehmen können, je praktischer dieser am Ende ist, desto besser, man überlegt sich Übungen zum Trainieren und Auflockern usw.
Da ich viele extracurriculare Angebote biete und meine Gruppen meist nur für zwei bis acht Stunden ein Gefüge bilden, stelle ich mit meinen Vortragssettings natürlich einen Sonderfall dar. Doch auch wer Semester- oder gar Jahreskurse abhält, hat bevor es überhaupt losgeht, bestimmte Erwartungen oder Annahmen an die Hörenden. Und dann gibt es noch die Erwartungen, Wünsche, Hoffnungen und Ängste der „Gegenseite“, der Studierenden an Sie. Häufig passen diese beiden Sets leider nicht ganz zusammen.
Ich lade Sie ein, sich mit mir zusammen über Ihre Erwartungen im Bezug auf korrektes wissenschaftliches Arbeiten und Zitieren einige Gedanken zu machen und neue Impulse für Ihren Unterricht mitzunehmen! Das Ziel ist zusammen mit der Vermittlung des Fachwissens auch die beiden Erwartungshorizonte der Lehrperson und der Studierenden näher zusammen zu bringen.
Ärgern Sie sich über die ganz jungen Studierenden (die „frisch G’fangten“ wie man in Österreich so schön sagt) und was die in der Schule heutzutage eigentlich noch lernen? Ordentlich paraphrasieren jedenfalls nicht. Oder die mitten im Bachelorstudium stehen, die offensichtlich immer noch keine Datenbank benutzen können oder wollen und gar Wikipedia zitieren, obwohl Sie es doch schon zig Male gesagt hatten das ja bleiben zu lassen? Oder über die kurz vor dem Abschluss, bei denen Sie der leise Verdacht beschleicht, die könnten vielleicht plagiiert haben, denn es liest sich plötzlich alles so verdächtig professionell?
Natürlich steckt hier überall ein Fünkchen Wahrheit dahinter. Lehrende haben es nicht einfach, Studierende aber auch nicht! Das Problem sind sehr häufig völlig unterschiedliche Erwartungsebenen von Lehrenden und Studierenden: Lehrende meinen womöglich, sie sollten eben viele inhaltliche Informationen schnell weitergeben, doch die Studierenden wollen von ihnen nur unterhalten werden. Studierende befürchten vielleicht, bevor sie in Ihre Vorlesung kommen, dass es sehr schwer werden wird, Sie viele Fremdworte verwenden werden und sie für dumm halten, wenn sie einmal eine Frage haben und darum letztlich ohnehin schon zum Scheitern verurteilt sind.
Warnen möchte ich vor allem vor der Annahme, dass fortgeschrittene Studierende, die das erste oder zweite Semester bereits hinter sich haben, „auf jeden Fall“ zitieren können. Jein! Diese Basiskenntnisse sind natürlich in jedem Lehrplan enthalten, natürlich wissen Studierende sehr häufig darüber in der Theorie gut Bescheid, doch die eigene Anwendung klappt manchmal nicht so gut. Meine langjährigen Erfahrungen als präventive Plagiatsprüferin zeigen deutlich, dass viele Lehrende hier zu viel erwarten, womöglich hat man sich auch zu sehr auf den Unterricht von KollegInnen in den Semestern zuvor verlassen.
Für Sie als Lehrende bedeutet dies nicht jedes Mal wieder bei Null zu beginnen, doch sollten sie zu Beginn abklären und sicherstellen, dass sich alle auf annähernd dem selben Wissensstand bewegen. Und auch auf die Leistung der KollegInnen in den Semesterkursen zuvor soll man natürlich auch weiterhin vertrauen, doch Wiederholungen bzw. Aktivierung von bereits bekanntem Wissen ein- oder zweimal während des Semesters verfestigt dieses nur noch oder regt die Studierenden im Idealfall zu mehr Fragen bzw. zu genauerem Arbeiten an.
Als sehr gefährlich hat sich laut Rückmeldungen zahlreicher Studierender folgende Aussage erwiesen: „Das haben wir doch schon zig Mal wiederholt!“ Sagen Lehrende dies, getraut sich danach niemand mehr noch offen zuzugeben, sie/ er hätte es noch nicht verstanden. Mangelnde Mitarbeit ist vorprogrammiert, wer will sich schon gerne selbst peinlich bloßstellen? Wiederholen sollte ohnedies nicht im Sinne von 1:1 reproduzieren verstanden werden, sondern einen Umstand in jeweils unterschiedlichen Settings verstehen bzw. anwenden können. Ein Beispiel dazu – angenommen in Ihrem Fach werden direkte Zitate meist in nur einer gängigen Form dargestellt und mit einem Zitierstil gekennzeichnet. Genau so möchten Sie das auch von den Studierenden in deren Bachelor- bzw. Masterarbeit sehen. Einfach reproduzieren zu können würde bedeuten, Sie zeigen Ihren Studierenden drei Mal während des Semesters einen Artikel mit einem direkten Zitat.
Sie könnten Ihre Taktik für größere Wirkung jedoch auch etwas abändern:
Zeigen Sie ein direktes Zitat einmal zu Beginn als Wiederholung und Erinnerung davon, was Sie sich von den Studierenden erwarten schriftlich zu sehen. Dann weisen Sie im Laufe des Semesters bei Gelegenheit der Lektüre eines Fachartikels auf andere mögliche Schreibweisen eines direkten Zitates hin (gerne auch auf Zitatfehler, die in Publikationen übersehen wurden ). Studierende werden vermehrt darauf achten, wie etwas dargestellt wird. Ideal ist auch die Übung Studierende beispielsweise als Hausübung aktiv andere Formen von Zitaten suchen zu lassen. Vielleicht können Sie auch kurz erläutern, warum man die eine Form bevorzugt und andere Darstellungsformen ablehnt (sofern dies bekannt ist) oder lassen Vor- und Nachteile unterschiedlicher Zitierstile (APA, Harvard, Chicago-Stil) diskutieren. Dies dauert jeweils nur wenige Minuten, doch die Studierenden verstehen so, dass Zitate und formelle Bedingungen wichtig und besonders IHNEN wichtig sind! Ein Zusatznutzen ist, dass Sie hierfür die eigene Fachliteratur verwenden und Studierende ganz nebenher auch damit vertrauter machen.
Sehr nützlich ist auch eine andere kleine Übung, die ich häufig mit Studierenden durchführe: Lassen Sie in nur 15 Minuten sammeln, welchen Nutzen oder „Vorteil“ gute ausgewählte und korrekt gesetzte Zitate für einen Text haben bzw. haben können. Sie werden bemerken, dass Studierende hier schon sehr ins Grübeln kommen könnten, aber dann doch sehr gute Ideen finden werden, wozu das Zitieren überhaupt dient. Da dieser Nutzen von Fach zu Fach etwas unterschiedlich sein kann, kann man dies durchaus auch mit bereits erfahreneren Studierenden wieder angesprochen und abermals ausgelotet werden.
Neben den Zitationen ist ein weiterer Grund, warum viele Studierende mit wissenschaftlicher Literatur so ungern zu tun haben, auch, dass Fachbegriffe sie für Ungeübte zu schwer verständlich wirken lässt. Auch die Definition und Verwendung von Fachbegriffen sollten daher immer wieder einmal aktiv hinterfragt werden. Ich ertappe ich mich gelegentlich selbst dabei, mich über Wörter zu wundern:
„Das klingt doch so ähnlich wie …“
„Das schreibt man ja völlig anders, als ich vermutet hatte!“
„Das ist aber gar nicht was ich darunter verstehe, ich dachte eigentlich …“
Wiederholen Sie kurz aber immer wieder, was Sie unter wichtigen Begriffen verstehen. Kommen in Ihrer Vorlesung viele nicht selbsterklärende Fachbegriffe vor, lassen Sie ab der ersten Unterrichtsstunde nach Belieben ein „Vokabelheft“ bzw. ein Glossar (zum Beispiel individuell in Word oder Evernote bzw. kollaborative in Lernplattformen wie Moodle oder als gemeinsames Wiki) führen und eigene Beschreibungen dazu ergänzen. Dies fördert auch Paraphrasieren sehr gut!
Wenn Sie Befürchtungen hegen, die Studierenden werden die Definitionen ohnehin nur aus Wikipedia abschreiben, gestalten Sie eine kurze Paar- oder Gruppenübung daraus oder machen Sie eine gegenseitige Bewertung im peer review-Verfahren der Studierenden untereinander dazu möglich. Meist sind die Studierenden bei solchen Settings untereinander strenger als man annimmt! Je nach Wissensstand werden fortgeschrittene Studierende für sie persönlich noch nicht bekannte, wichtige Begriffe festhalten und ungeübtere Studierende können ebenso auf ihrem Vorwissen aufbauen und sich rascher weiterentwickeln. Zusätzlich gehen Sie in die Tiefe Ihres Fachs und regen zu mehr Diskussionen an, je mehr Menschen „Ihre Sprache“ verstehen und sprechen können.
Apropos Plagiate vermeiden: ALLE diese Übungen dienen zur Vermeidung von formellen Fehlern, Sie müssen wirklich KEINE „Spezialübungen“ (Übungen, die unbedingt für die Vermeidung von Plagiaten erforderlich sind) durchführen! Plagiate entstehen unter anderem hauptsächlich durch mangelnde Recherchekenntnisse, zu wenig Umgang mit wissenschaftlicher Literatur, Ungeübtheit beim Zitieren, nicht genug aktiv wissenschaftlich Arbeiten und Schreiben und falsche Erwartungen an den Unterricht und die Abschlussarbeit – an allen diesen Punkten können Sie mit Übungen ansetzen!
Der fromme Wunsch alle Studierenden sind auch interessiert und arbeiten daher aktiv mit, geht in meinen Veranstaltungen sehr oft in Erfüllung. Allerdings biete ich wie erwähnt auch extracurriculare Veranstaltungen, zu denen man sich als Studierende selbst völlig ohne Zwang einteilt. Manche kommen auch mit ganz konkreten Fragen zu Zitaten und Plagiaten, sind also schon persönlich im Thema involviert, das kann man natürlich nicht für jeden Lernstoff erwarten.
So ist und bleibt eine der großen Klagen vieler Lehrender die mangelnde Mitarbeit und das vermeintlich oder tatsächlich fehlende Interesse am Lehrstoff. Alle werden Sie leider nicht immer mitreißen können und Interesse drückt sich auch nicht immer in zahlreichen Fragen aus. Sei’s drum! Aktivierende Methoden im Unterricht einzusetzen ist allerdings alleine schon deshalb so nützlich, weil auch die Lehrenden sich wieder neu aktivieren, sich anders mit dem Lehrplan auseinandersetzen, knifflige Fragen suchen – sozusagen eine „win-win-Situation“ für alle Seiten!
Frontalunterricht ist ohnedies schon länger sehr verpönt (obwohl er für manche Lernsettings durchaus seine Berechtigung hat, wenn auch nicht unbedingt als 4-stündige Blockvorlesungen), Mitarbeit der Studierenden (in welcher Form auch immer festgestellt) für einige Veranstaltungsformen sogar Pflicht.
Als Studierende fand ich es immer sehr spannend Details selbst entdecken zu können, beispielsweise fand ich bei Recherchen zum Lernstoff immer toll zu erfahren, wie ForscherInnen früher auf Erkenntnisse gekommen sind, von denen wir heute so selbstverständlich ausgehen können. Gleich drängten sich tiefergreifende Fragen auf:
Es sind diese Geschichten, die das Hirn sehr gut anregen weiterzudenken „Was wäre, wenn WIR nun xy probieren würden?“. Dieses „wissenschaftliche Storytelling“, dieses Einflechten anregender Geschichten bzw. anderer Blickwinkel, motiviert sich mit dem Lernstoff näher auseinandersetzen zu wollen. Daher ist eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen für mich und viele Lehrende das schlichte „Warum?“
„Aber das kann man doch alles in Wikipedia nachlesen!“, sagen Sie? Ja, schon! Viele Lehrende empfinden das Internet und hier vor allem Wikipedia tatsächlich als sehr kontraproduktiv und sogar plagiatsfördernd, möchten die Studierenden am liebsten völlig loseisen davon. Um ehrlich zu sein, ihnen die Nutzung zu verbieten bringt nichts, besonders weil es schlicht eine Realität geworden ist heutzutage Inhalte zunächst meist online zu suchen. Wieso dann nicht gleich gemeinsam aktiv nutzen? (Siehe auch: Wikipedia als Quelle?)
In Kombination mit einer weiteren sehr häufigen Vermutung nämlich, die man bei Gelegenheit auch überprüfen bzw. zur Aktivierung nutzen kann: Studierende können mit den vielen Online-Möglichkeiten gut umgehen und verstehen wie effiziente Recherche funktioniert und Inhalte korrekt weiterverwendet werden sollten.
Lassen Sie stichprobenhaft Schlagworte in unterschiedlichen Quellen finden oder diskutieren Sie ausgewählte Wikipedia-Artikel zu Themen Ihres Faches anhand folgender Fragen:
Scheuen Sie sich also nicht noch mehr „unbequeme“ Fragen, also solche, auf die auch Sie keine endgültige Antwort wissen, zu stellen und gemeinsam mit den Studierenden durchzudenken. Studierende sind dafür meist sehr dankbar, auch weil Lehrende damit nahbarer werden, ExpertInnen nicht die „Übergötter“ bleiben, sondern eine Fehlerkultur entsteht, die im Hochschulbereich häufig dringend nötig wäre zu etablieren.
Denn Hypothese und Falsifizierung, Argument und Gegenargument, und viele andere gewichtige Wortpaare wie diese sind in der Wissenschaft überall vertreten. Für Studierende ist jedoch oft nicht wirklich einsichtig sich für eine Bachelorarbeit oder andere Abschlussarbeit ausgiebig zu bemühen: sie sind keine wichtigen WissenschafterInnen, sie stellen keine tollen neuen Hypothesen auf, entwickeln kaum praktische Anwendungen, niemand liest diese Arbeit dann, es ist kein Erkenntnisgewinn darin auszumachen usw. Manche plagiieren dann aus Frust, Faulheit oder Zeitdruck.
Studierende gehören tatsächlich und gefühlt nicht zum Wissenschafts,- sondern zum Lehrbetrieb, stehen jedoch an der Schwelle von einem zum anderen. Ja, eine Bachelor- oder Masterarbeit wird wohl kein Lebenswerk werden, das ist jedoch auch kein vernünftiger Anspruch an eine Bachelor- oder Masterarbeit! Studierenden während des Studiums daher gelegentlich zu zeigen, dass gut ausgewählte und zusammengestellte Zitate, gekonnt argumentierte Zusammenhänge und knackig formulierte Texte eine Freude zu lesen sind, es erlernbar ist sie zu bilden, von Cleverness und Können zeugen und somit erstrebenswert sind, kann manche noch zu besseren Abschlussarbeiten anspornen und auch Plagiaten und Co. einen Riegel vorschieben.

Natascha Miljković ist Inhaberin der Firma „Zitier-Weise“, Agentur für Plagiatprävention (www.plagiatpruefung.at), Naturwissenschaftlerin, Wissenschaftsberaterin, Educational Counsellor, Lektorin an österreichischen und internationalen Bildungseinrichtungen, Autorin, Editorin und präventive Plagiatprüferin.
Sie analysiert und berät Bildungseinrichtungen zu akademischen Unredlichkeiten, führt Hochschul-Strategieentwicklungsprozesse durch und unterrichtet, wie man wissenschaftliche Integrität fördern kann. Weiters beschäftigt sie sich mit wissenschaftlich Arbeiten, writing scientific English, Karriereentwicklung für Akademiker, Self Branding in den Wissenschaften u. v. m. Ihren Blog finden Sie hier.
Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler
In den zahlreichen Kursen, die ich im Fach Wissenschaftliches Arbeiten unterrichtet habe, war ich oft zu Beginn mit Skepsis bis Ablehnung der Studierenden gegenüber dem Fach konfrontiert. Bei Wissenschaft erwarten dabei viele trockenen Stoff. Wissenschaftliches Arbeiten erscheint dann erst recht als langweilig. In Gesprächen und Evaluationen bekomme ich immer wieder mit, dass besonders die Zugänglichkeit zu Methoden für viele Studierende ein sehr großes Hindernis darstellt. Sehr häufig kommen dann Rückfragen wie „Was kann ich denn damit anfangen?“ oder „Brauche ich das später in meinem Job?“
Dabei fasse ich mich auch immer ein Stück weit selbst an die berühmte eigene Nase und mache mir intensiv Gedanken, wie ich sehr abstrakten Stoff gerade im Hinblick auf Methoden möglichst praxis- und alltagsnah sowie aktuell vermitteln kann.
Bei manchen Methoden fällt mir das sehr leicht. Dazu gehört zweifelsfrei die Befragung. Das ist immer ein dankbares Thema, denn die meisten Studierenden können damit konkret etwas anfangen, haben schon selbst welche erstellt oder zumindest daran teilgenommen.
Ganz anders sieht es aber beispielsweise mit Gruppendiskussionen aus, und noch viel schwieriger wird es bei unbekannteren Methoden der Sozialwissenschaften wie etwa der Inhaltsanalyse.
Als ich Mitte Juni die Berichterstattung zur Fußball-EM in Frankreich verfolgte, stieß ich auf ein Beispiel, wie ich die eine Woche später anstehende Inhaltsanalyse gut rüberbringen könnte.
Eines vorneweg: Es hat geklappt!
Bislang hatte ich mit den Studierenden im Rahmen dieser Methodik immer mit Texten oder Werbespots gearbeitet. So sollten die Studierenden etwa inhaltsanalytisch untersuchen, wie sich Werbespots im Zeitverlauf verändert haben.
Da der aktuelle Kurs überwiegend männlich besetzt ist, dachte ich, dass Fußball eine gute Einstiegsmöglichkeit sein könnte. Zumal auch zahlreiche Teilnehmer regelmäßig mit Trikots diverser EM-Teilnehmer erschienen. Im Rahmen eines Fußballspiels wird sehr häufig inhaltsanalytisch gearbeitet. Dies lässt sich besonders daran feststellen, dass oft die Diskussion von Spielstatistiken einen wichtigen Teil der Sportberichterstattung einnimmt. Neben den Toren werden Aspekte wie Torschüsse, gewonnene Zweikämpfe, gelaufene Kilometer, Passquote etc. erfasst und beleuchtet.
Doch trotz aller Statistiken können diese Kennzahlen nicht immer das Ergebnis erklären. So kann es beispielsweise passieren, dass es einen klaren Sieger gibt, jedoch die unterlegene Mannschaft deutlich mehr Torschüsse und Spielanteile hatte, das Siegerteam allerdings seine Chancen – wie es Fußball-Experten beschreiben – „kaltschnäuziger“ ausnutzte. Ich war gespannt, wie die Studierenden damit umgingen.
In der ersten Sitzung zur Inhaltsanalyse habe ich den Studierenden einige Spielszenen auf Video gezeigt und sie anschließend darum gebeten ein klassisches Codebuch zu erstellen.
Die Teilnehmer wirkten zunächst kurzzeitig irritiert, dann aber schnell begeistert. Sie diskutierten intensiv über die gezeigten Spielszenen und hatten als Thema beispielsweise, welcher Schuss als Torschuss gewertet wird und welcher nicht. Es kamen Fragen auf wie „Ist jeder Ball Richtung Torwart schon ein Torschuss oder muss es richtig in die Bande krachen?“. Auch mit der Messung der Kaltschnäuzigkeit haben sich die Teilnehmer intensiv beschäftigt. Und zu Beginn hatten viele die Hypothese, dass rund ein Viertel der Übertragungszeit mit emotional aufgeladenen Bildern gefüllt sei: Lächelnde Ballkinder, jubelnde Spieler und Fans etc.. Erste Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich deutlich weniger ist. 12,3 Prozent der analysierten rund 41 Stunden TV-Übertragung zeigten ganz oder teilweise emotionale Aufnahmen.
Dieses Projekt erstreckt sich bis zum heutigen Tag. Bislang konnte ich keine Codierungsmüdigkeit feststellen. Ganz im Gegenteil: Bei hitzigen Debatten spezieller Szenen konnte ich die Intercoderreliabilität mühelos erfahrbar machen.
Unverhofft kam uns dann sogar noch die ARD-Berichterstattung zu Hilfe. Dabei wird auf einen neuen Indikator, das sogenannte Packing, gesetzt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob ein Pass den Mitspieler erfolgreich erreicht, sondern zusätzlich darum, wie viele Gegenspieler dabei überspielt wurden.
Anlass für die Entwicklung dieses neuen Indikators war das Halbfinale zwischen Deutschland und Brasilien bei der letzten Weltmeisterschaft 2014. Bei den traditionellen Kenngrößen lag mit Ausnahme der Tore Brasilien vor Deutschland. Das Spiel endete jedoch mehr als deutlich mit 7 zu 1 für Deutschland. Die Packing-Rate zeigt dagegen erhebliche Unterschiede. Die deutsche Mannschaft überspielte mit Pässen 402 Spieler des Gegners, Brasilien nur 341 Spieler.
Anhand dieses praxisnahen Beispiels wollte ich Ihnen zeigen, wie sich komplexe wissenschaftliche Begriffe wie Indikator oder Intercoderreliabilität in den Unterricht, praxis- und alltagsnah sowie aktuell einbringen lassen.
Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht und Beispiele kennen gelernt? Welche Beispiele nutzen Sie?
Stefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.
Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.
Anlässlich des Blog-Geburtstags kam bei mitp, dem Verlag meines gerade entstehenden Buches, spontan die Idee auf, unter den Leserinnen und Lesern des Blogs ein Buch zu verlosen, und zwar das hier:
Meine Rezension dazu finden Sie hier: Tuhls: Wenn Word-Nutzer die Axt schleifen
Kurze Zusammenfassung: ein sehr hilfreiches, empfehlenswertes Buch!
Schreiben Sie mir bis kommenden Mittwoch, 27. Juli, 12 Uhr, eine E-Mail an andrea.klein@wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de mit dem Betreff „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben mit Word“. Wenn Sie mir noch schreiben möchten, aus welchem Grund Sie das Buch dringend brauchen und wie wahnsinnig gern Sie meinen Blog lesen, können Sie das gern tun. Ich lese das, finde es interessant und freue mich darüber, es wird allerdings Ihre Gewinnchancen nicht erhöhen. Denn das Los entscheidet. Der Gewinner oder die Gewinnerin werden bis Ende Juli benachrichtigt. Ihre Adresse wird an den Verlag weitergegeben und ausschließlich für den Versand des Buches genutzt. Teilnehmen kann, wer volljährig ist. Ich nehme einfach mal an, dass das für Sie kein Problem darstellt.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Blog! Du bist aber groß geworden!
Ungläubig staunend sitze ich manchmal da, wenn ich im WordPress-Dashboard die Zahl der Artikel und Kommentare sehe. Stand heute: 50 Beiträge und 48 Kommentare.
Nach einem spannenden ersten Jahr ist es an der Zeit, einmal das Geschehene anhand der drei folgenden Leitfragen Revue passieren zu lassen:
Sie dürfen heute die Innensicht lesen, jetzt wird es persönlich.
Vor allem wollte ich Lehrende des Wissenschaftlichen Arbeitens kennenlernen und dabei natürlich am liebstem vor allem Gleichgesinnte.
Ich habe einen Austausch über Inhalte und Methoden gesucht.
Außerdem wollte ich meine Erfahrungen mit der Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens weitergeben.
Nachzulesen ist das alles auf der „Über diesen Blog“-Seite, deren Text seit über einem Jahr unverändert da steht.
Ich werde oft gefragt, warum ich das alles eigentlich mache. Warum nehme ich es auf mich, Woche für Woche einen Beitrag zu veröffentlichen? (Ok, eine Pause an Weihnachten habe ich mir gegönnt, und auch den Sommer werde ich nicht komplett durchmachen.) Warum tue ich mir das an, so viel selbst zu schreiben und Gastbeiträge zu akquirieren? Kurz: Warum stelle ich ein Medium auf die Beine, als dessen Autorin und Redakteurin ich jede Woche in der Pflicht bin?
Die Antwort ist ganz einfach: Es ist mir ein Anliegen, die vielfältigen Möglichkeiten bei der Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens auf eine leicht zugängliche Art und Weise darzubieten, damit die Lehrenden und in der Folge die Studierenden besser vorankommen.
In einer E-Mail, die ich kürzlich erhalten habe, heißt es:
„Ich habe ein wenig in Ihrem Blog gelesen und mich über Ihre Texte gefreut, insbesondere darüber, dass Sie und andere Beitragende gerade das ‚Menschliche‘ thematisieren. Wissenschaft soll uns Menschen dienen und nicht umgekehrt.“
Volle Zustimmung! Das bringt meine Haltung sehr gut auf den Punkt.
Der erste Punkt, das Kennenlernen anderer Lehrender, hat sich auf jeden Fall erfüllt. Ich habe viele tolle Menschen „getroffen“ und interessante neue Verbindungen geknüpft. Zu Beginn geschah das über die Xing-Gruppe „Leichter, schneller, besser! Wissenschaft(lich) schreiben“, später dann auch über E-Mails.
Mittlerweile habe ich einen Stamm an treuen Newsletter-Abonnenten/-innen aufgebaut, die jede Woche eine Mail von mir erhalten. Mit Ihnen im Hinterkopf schreibe ich oft meine Artikel. Sie sind als Publikum für mich greifbar, und Sie warten ja auf den nächsten Beitrag. Das bilde ich mir zumindest ein, nehmen Sie mir bitte nicht die Illusion.
Überraschend ist für mich immer noch, dass so viele ausgebildete Schreibberater/-innen Interesse an meinem Blog zeigen. Das ist natürlich erfreulich und bereichernd, ich hatte eben nur nicht damit gerechnet. Abgezielt hatte ich ja eher auf die, die ich immer „Fachlehrende“ nenne: Lehrende, die in ihren jeweiligen Fächern unterrichten und das Wissenschaftliche Arbeiten zusätzlich vermitteln.
Diese Fachlehrenden finde ich schwierig zu erreichen. Sie sind in Ihren jeweiligen Communities organisiert. Wer von ihnen jedoch auch noch Wissenschaftliches Arbeiten lehrt, ist nirgendwo verzeichnet.
Wenn es allerdings um Aspekte wie die Betreuung von Studierenden und die Korrektur von wissenschaftlichen Arbeiten geht, sind wieder alle Lehrenden angesprochen. Nicht zu vergessen auch die Vorbildfunktion, die jeder Lehrende ausübt.
Sie dürfen also gern die Werbetrommel für den Blog rühren, wenn Sie gern hier lesen!
Den gewünschten Austausch über Inhalte und Methoden habe ich – bedingt durch Punkt 1 – gefunden. Ein bisschen intensiver dürfte die Diskussion in den Kommentaren gern sein. Ein Teil der Diskussion findet aber auch abseits des Blogs statt: in der besagten Xing-Gruppe, in E-Mails und manchmal auch am Telefon und in persönlichen Gesprächen.
Aus meiner persönlichen Sicht kann ich hier übrigens bestätigen, was die Schreibdidaktik schon seit geraumer Zeit weiß: Fachliches Lernen vollzieht sich beim Schreiben, die beiden Dinge gehen Hand in Hand. Durch die intensivere Beschäftigung und das Hinterfragen und natürlich nicht zuletzt durch den Austausch entwickelt man sich weiter. Sie dürfen mir hier also quasi beim Lernen zusehen.
„Wer schreibt, zeigt sich“, heißt es so schön. Mein Mut wurde belohnt. Ich erlebe Leser/-innen, die gern von meinen Ideen lesen und wohl auch etwas Bestätigung ihrer eigenen Arbeit finden, weil sie manche Themen gleich oder ähnlich unterrichten.
Die meist gelesenen Artikel (ungeachtet der recht unterschiedlichen Zeit, die sie schon online stehen) sind übrigens:
Auch sehr beliebt ist das Schlagwort „Zeitmanagement“. Natürlich nur aus Interesse für die Lehre desselben, nehme ich an!
Das Weitergeben meiner eigenen Erfahrungen hat mir viel Resonanz gebracht. Es hat mich vor allem anfangs einiges an Überwindung gekostet, etwas zu veröffentlichen, das nicht „perfekt‘“ ist. Ein einzelner Blogartikel ist nicht so zu Ende gedacht wie ein in sich geschlossener Fachartikel oder gar ein Buch. Vom Gesamtaufbau des Blogs ganz zu schweigen – es war auch neu für mich, nicht von vorneherein zu wissen, wie es genau weitergeht, sondern nur mit einem groben Plan dem Lauf der Dinge zu folgen. So ein Blog entwickelt eine gewisse Eigendynamik, was ja auch durchaus erwünscht ist.
Ich erhalte immer wieder einmal E-Mails, in den Leser/-innen ihrer Freude darüber Ausdruck verleihen, dass ich die Dinge so klar benenne und die Inhalte gut konsumierbar darbiete. Mein Ton ist nicht wissenschaftlich, sondern alltagssprachlich. Das scheint für viele eine willkommende Abwechslung zu sein. Manchmal, so meine Befürchtung, wirken meine Gedanken durch die lockere Sprache vielleicht etwas oberflächlich. Auch werden ja immer nur Ausschnitte präsentiert. Der echte Tiefgang fehlt also. Allerdings habe ich gar keine Lust, hier wissenschaftlich-anstrengend und langweilig zu sein.
Eine ungeplante, aber umso erfreulichere Nebenwirkung hatte das alles hier auch noch. Eigentlich wollte ich ja einfach nur bloggen, siehe Punkt 1. Tja, was soll ich sagen? Am Anfang des Jahres habe ich einen Buchvertrag unterschrieben. Das Witzige daran ist, dass ich die Form des Blogs ursprünglich gewählt habe, weil ich dachte, keine Zeit zum Buchschreiben zu haben. Jetzt mache ich beides parallel… Anfang 2017 ist es dann so weit mit dem Buch. Es wird ein Ratgeber zum Wissenschaftlichen Arbeiten (ja, der 500.), der sich einem ansonsten stark vernachlässigten Aspekt widmet: dem Umgang mit Software beim Wissenschaftlichen Arbeiten.
Durch die Vergabe der ISSN ist der Blog jetzt natürlich hochgradig seriös. Sie da drüben, hören Sie auf zu lachen! Hier wird jetzt nicht mehr gelacht.
Ok, im Ernst. Wohin soll die Reise gehen?
Ich möchte gern noch die Leserschaft ausweiten. Dabei möchte ich gern noch mehr Fachlehrende ansprechen und ihnen einen unkomplizierten Zugang zur Lehre des Wissenschaftlichen Arbeiten und zu ausgesuchten Aspekten der Schreibdidaktik bieten.
Auch kann ich mir gut vorstellen, dass auch Peer Tutoren hier einige interessante Aspekte einbringen könnten. Wenn Sie mir helfen möchten, sie zu erreichen: gern!
Inhaltlich wird es erst einmal weitergehen wie bisher. In meinem Redaktionsplan stehen Themenideen, die bis weit ins nächste Jahr reichen. Wenn Sie aber etwas Bestimmtes lesen möchten, lassen Sie es mich einfach wissen (andrea.klein@wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de). Eigendynamik des Blogs und so. Es lässt sich vieles relativ schnell umsetzen.
Ein wichtigen Punkt habe ich mir bis zum Ende des Geburtstags-Artikels aufgehoben: Ein didaktisches Konzept für die Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens ist in Entwicklung. Gemeinsam mit einer Kollegin tüftele ich gerade daran herum. Sie werden es auf jeden Fall mitbekommen, wenn es fertig ist.
So, das soll es dann auch schon gewesen sein für heute.
Haben Sie das wirklich alles gelesen?
Lassen Sie mich an Ihren Gedanken teilhaben? Meine Innensicht kennen Sie jetzt ja.
Lesen sollten die Studierenden ja eigentlich können, wenn sie ihr Studium aufnehmen. Sie können es ja auch. Eigentlich.
Wenn ich in der Vorlesung ankündige, dass wir uns anderthalb Stunden, wenn nicht sogar noch mehr, mit Lesetechniken beschäftigen werden, ernte ich oft etwas Verwunderung. Aber hinterher sind die Studierenden recht dankbar, dass wir das Thema aufgegriffen haben. Denn sie können eben nur „eigentlich“ lesen. Mit ein bisschen Kratzen an der Oberfläche finde ich meist heraus, dass beim überwiegenden Teil große Unzufriedenheit herrscht: zum einen mit der eigenen Lesegeschwindigkeit (viel zu langsam) und zu anderen mit der inhaltlichen „Ausbeute“ der Lektüre (viel zu gering angesichts der aufgewandten Zeit).
Die Studierenden haben also das Gefühl, zu viel Zeit für zu wenig Ertrag zu investieren. Das Lesen empfinden sie in den wenigsten Fällen als genussvoll, sondern eher als belastend und als ein Übel, das man in Kauf nehmen muss.
Warum empfinden viele Studierenden das Lesen als Qual? Vermutlich, weil sie nicht wissen, dass es verschiedene Lesesituationen gibt, die verschiedene Techniken erfordern. Zwar lesen sie die wissenschaftlichen Texte nicht so, wie sie einen Roman lesen würden. Aber sie nutzen oft immer noch Ansätze und Techniken, die sie aus der Schulzeit kennen. Die Anforderungen an die Lektüre sind an der Hochschule jedoch andere.
Die Texte im Studium sind anspruchsvoller als die in der Schule und nicht mehr nur lehrbuchartig, sondern eben, ja, wissenschaftlich. Die Inhalte der Texte sollen nicht mehr nur aufgenommen und möglichst korrekt wiedergegeben werden, sondern auch kritisiert und weiterentwickelt. Nur leider lesen viele Studierende weiterhin mit ihren alten, scheinbar bewährten Techniken. Sie haben es versäumt, diese an die veränderten Anforderungen anzupassen. Daher ist es gut und nötig, in einen Dialog über dieses Thema einzutreten.
Durch die Lehrveranstaltung sollten den Studierenden verschiedene Aspekte näher gebracht werden:
Summa summarum also: Aktives Lesen!
Weiterhin erwähnenswert könnten Themen wie das Führen eines Lesejournals und außerdem Lesen in Gruppen sein, wenn es in den jeweiligen Kontext der Lehrveranstaltung passt.
Lange habe ich nur über all diese Themen rund um das Lesen nur gesprochen. Denn ich hatte schlicht und ergreifend keine gute Idee, wie ich das Thema anders als in einem Lehrvortrag vermitteln könnte. (Und nebenbei bemerkt: Noch viel länger habe ich das Thema Lesen sogar weitgehend ausgespart, weil mir das Problem gar nicht bewusst war).
Einmal hatte ich eine Idee. Sie hat sich leider nicht als gute Idee erwiesen. Damals wollte ich einen Text in der Lehrveranstaltung gemeinsam (oder besser gesagt parallel) exzerpieren lassen. Das war nicht nur ziemlich zäh, nein, das hat auch wirklich niemandem etwas gebracht. Vielmehr wirkte es wohl sogar abschreckend auf die Studierenden.
Wie geht es also besser? Durch einen Beitrag in der XING-Gruppe „Leichter, schneller, besser! Wissenschaft(lich) schreiben“ bin ich auf eine tolle Idee aufmerksam geworden.
Dr. Christian Wymann, Autor des Buches „Der Schreibzeitplan: Zeitmanagement für Studierende“ hat eine Diskussion über das Thema „Lesetechniken vermitteln“ angestoßen und eine seiner Methoden vorgestellt. Diese habe ich mittlerweile selbst mit Erfolg getestet und werde auf jeden Fall in Zukunft weiter damit arbeiten.
Einstieg:
Ergänzend zur Methode von Christian Wymann habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, zu Beginn dieser Vorlesung die Problempunkte beim Lesen anzusprechen. Gemeinsam mit den Studierenden trage ich zusammen, was sie beim Lesen am meisten nervt und was ihnen am schwersten fällt. Es wird dadurch offensichtlich, dass es so nicht weitergehen sollte und einiges optimiert werden kann. Auf diese Liste lässt sich später immer wieder zurückgreifen.
Jetzt aber wirklich los:
– Schritt 1:
Zuerst sollen alle Studierenden für sich notieren, wie sie bei der Lektüre einer wissenschaftlichen Quelle vorgehen. Dabei entstehen individuelle Listen oder Flussdiagramme, die die einzelnen Schritte oder Phasen des tatsächlichen Vorgehens abbilden.
– Schritt 2:
Jetzt finden sich Kleingruppen zusammen, diskutieren die einzelnen Ergebnisse aus dem ersten Schritt und einigen sich auf den idealen Leseprozess. Ihr Ergebnis soll jede Gruppe auf einem Flipchart festhalten, und zwar vorzugsweise als Flussdiagramm. Ersatzweise geht natürlich auch eine einfache Auflistung, anschaulicher ist es mit dem Flussdiagramm.
– Schritt 3:
Anhand der verschiedenen Flipcharts lässt sich nun leicht diskutieren, welche Lesephasen es gibt (Vorbereitung der Lektüre, Lektüre, Nachbereitung der Lektüre) und welche Techniken sich jeweils dabei einsetzen lassen.
Durch das Bearbeiten dieses einen Aspekts des wissenschaftlichen Lesen aus der obigen Liste lassen sich die restlichen Aspekte sehr gut spontan und flexibel in den Dialog integrieren. Der frühere Lehrvortrag wird also gestückelt und direkt bedarfsorientiert eingebaut.
Im Anschluss, eventuell in einer weiteren Lehrveranstaltung, sollte auch die Weiterverarbeitung des gelesenen Wissens thematisiert werden:
Kruse, Otto (2015): Lesen und Schreiben. Der richtige Umgang mit Texten im Studium, 2. Aufl., Konstanz: UVK
Lange, Ulrike (2013): Fachtexte lesen – verstehen -wiedergeben. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.
Marti, Madeleine und Marianne Ulmi (2006): Lesend denken – Strategien im Umgang mit Fachtexten. In: Prozessorientierte Schreibdidaktik. Schreibtraining für Schule, Studium und Beruf. Hg: Kruse, Otto, Katja Berger und Marianne Ulmi .Bern, Stuttgart und Wien: Haupt. S. 175-194.
Studis, lernt lesen! – Ruckzuck mehr Studienkompetenzen erlangen
1. Die Fragen der Studierenden drehen sich ausnahmslos um Dinge, von denen Sie meinten, sie beim vergangenen Termin bereits ausführlich besprochen zu haben.
2. Ihnen passiert, was ich hier beschrieben habe: Der BTDT-Effekt. Sie lösen Probleme, die für Ihre Studierenden gar keine Probleme sind.
3. Es wird plötzlich ganz still, und Sie sehen nur noch Scheitel. Dabei haben Sie lediglich gefragt, wer mit seiner wissenschaftlichen Arbeit schon begonnen hat: Abgabefristen und Zeitmanagement
4. Alle kommen in die Sprechstunde. Und alle stellen sehr grundsätzliche Fragen. Wirklich grundsätzliche Fragen.
5. Niemand kommt in die Sprechstunde. (Oder das hier ist der Grund dafür: „Warum ist er denn nie in die Sprechstunde gekommen?“)
6. Studierende fragen, wie viele Quellen sie angeben müssen: Meine persönliche Hassfrage
7. Studierende fragen, ob sie die Quelle auch angeben müssen, wenn sie „nur“ paraphrasieren.
8. Sie können an den Texten das komplette Bietschhorn-Modell abarbeiten: Ulmi et al.: Wer hat’s gefunden?
9. Ihre geheime Stilblüten-Sammlung wächst und wächst und wächst. Da hat wohl jemand nicht genügend Zeit zum Überarbeiten eingeplant: Überarbeiten – Vom Aufräumen zum Dekorieren, Gastbeitrag bei „Statistik und Beratung“.
10. Ihre Bürokollegin sucht das Weite: Wie Sie Hausarbeiten korrigieren und trotzdem glücklich bleiben?
Sie dürfen die Liste in den Kommentaren gern fortführen.
11. ?
Gähn.
Theorie. Und dann auch noch Wissenschaftstheorie.
Muss das sein?
Wirklich?
Ja, das muss sein.
Die Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie ist so wichtig ist, weil sie vielerorts irgendwie, ganz unbemerkt, heimlich still und leise, aus den Curricula verschwunden ist. Dabei bildet sie doch die Basis für unser Verständnis von Wissenschaft. Sie bietet Orientierungswissen für alle, die sich in ein Fach einfinden wollen.
Für diesen Beitrag habe ich vier Bücher ausgewählt, deren überwiegendes Thema die Wissenschaftstheorie ist, und nicht solche, die ihr nur ein einzelnes Kapitel widmen. (Gut, eine Ausnahme gibt es.). Aus der BWL und den Sozialwissenschaften kommend, waren für mich vor allem Werke aus diesem Bereich interessant. Als da wären: Brühl, Schülein/Reitze, Helfrich und Kornmeier
In den Kommentaren haben Sie die Möglichkeit, Ihre Empfehlungen für andere Studienrichtungen zu geben.
19,99 Euro
1 Einleitung
1.1 Gründe für die Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie
1.2 Pluralismus und wissenschaftliche Toleranz
1.3 Ziele des Buches
1.4 Aufbau des Buches
2 Wissenschaftstheorie und Forschungsprozess
2.1 Was ist Wissenschaftstheorie?
2.2 Kognitive Ziele der Wissenschaft
2.3 Dimensionen von Forschungsprogrammen
2.4 Wissen, Wahrheit und Validität
3 Ontologische Festlegungen für die Sozialwissenschaft
3.1 Sachverhalte in einer Ontologie des Sozialen
3.2 Eine Mehrebenen-Analyse der Ontologie
3.3 Realismus und Anti-Realismus
4 Forschungsprozess und Forschungsmethoden
4.1 Logik und Forschungsprozess
4.2 Induktion und Abduktion
4.3 Eine allgemeine Argumentform
4.4 Typen von sozialwissenschaftlichen Methoden
5 Verstehen
5.1 Verstehen als Konzept der Hermeneutik
5.2 Grundlegung einer hermeneutischen Methode
5.3 Methodologie sozialwissenschaftlicher Hermeneutik
5.4 Validität von Interpretationen
6 Beschreibung
6.1 Wesentliche Ziele beschreibender Untersuchungen
6.2 Begriffsbildung und Messung von Variablen
6.3 Von der Begriffs- zur Typenbildung
6.4 Beschreibung von Zusammenhängen
7 Erklärung
7.1 Von der DN-Erklärung zur intentionalen Erklärung
7.2 Kausalität und Erklärung in den Sozialwissenschaften
7.3 Theorien in den Sozialwissenschaften
7.4 Bewährung und Hypothesenprüfung
7.5 Bewährung und Validität
7.6 Erklären versus Verstehen
8 Gestaltung und Prognose
8.1 Merkmale von Gestaltung und Prognose
8.2 Methodologische Aspekte von Prognosen
8.3 Prognosen in den Sozialwissenschaften
8.4 Güte von Prognosen 287
8.5 Methodologische Aspekte der Gestaltung
8.6 Gestaltungsziel und Sozialtechnologie
8.7 Qualitätsaspekte in der Gestaltung
Prof. Dr. Rolf Brühl ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensethik und Controlling an der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin.
Brühls Buch verfolgt einen pluralistischen Ansatz und wirbt für wissenschaftliche Toleranz. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wie die verschiedenen (empirischen) Methoden wissenschaftstheoretisch fundiert sind. So soll den Lesern ermöglicht werden, ihre eigene wissenschaftstheoretische Position zu finden. Letztlich bringt insgesamt gesehen ja nur ein reflektierter Einsatz der Methoden die Wissenschaft weiter.
Entlang der kognitiven Ziele der Wissenschaft – Verstehen, Beschreiben, Erklären, Prognostizieren, Gestalten – zeigt Brühl, wie „Wissenschaft Wissen schafft“. Dabei kommt auch die Hermeneutik nicht zu kurz, was keine Selbstverständlichkeit ist.
Das Buch ist so grundlegend, dass jeder es gelesen haben sollte, der in einer der angesprochenen Disziplinen zuhause sein möchte. Der übersichtliche Aufbau sowie das Glossar und das Sachregister erlauben es auch, später bei Bedarf schnell einmal etwas nachzuschlagen. Brühl macht es einem durch die gut verständliche Sprache, die vielen Schaubilder und die Beispiele im Text leicht, den Inhalt aufzunehmen. Außerdem sind die Schlüsselbegriffe fett hervorgehoben, es gibt so genannte „Philosophieboxen“, Zusammenfassungen am Kapitelende, Fragen zur Lernkontrolle und kommentierte Literaturempfehlungen. Wer also stärker in das Thema einsteigen möchte, bekommt hier viel Wertvolles geliefert.
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1 Wieso Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie?
Leben – Handeln – Wissen
Typen von Wissen und seiner Verwendung
Institutionalisierung von Wissensproduktion
Objektive Erkenntnis, Theorie und Wissenschaft
2 Die Anfänge von Erkenntnistheorie
Mythos
Religion
Philosophie
3 Der Neubeginn unter veränderten Bedingungen
Scholastik
Rationalismus
Empirismus
Methoden der Erkenntnis
Deutscher Idealismus
4 Der Beginn der Wissenschaftstheorie: Positivismus und Positivismus-Kritik
Positivismus
Positivismus-Kritik
5 Analytische Philosophie, Logischer Positivismus und Kritischer Rationalismus
Analytische Philosophie
Logischer Positivismus
Kritischer Rationalismus
6 Kritik des Kritischen Rationalismus
Innerwissenschaftliche Entwicklungen
Äußere Entwicklungen: Wirtschaft, Politik und Wissenschaft
7 Alternativen zum Positivismus: Neo-Konstruktivismus
8 Denotative und konnotative Theorien
Logisch unterschiedliche Gegenstände
Logisch unterschiedliche Theorien
Konsequenzen
9 Wozu also Wissenschaftstheorie?
Theorie und Praxis
Ein Blick zurück
Wissensgesellschaft
Wissenschaft, Politik und Moral
Möglichkeiten und Grenzen von Erkenntnis und Wissenschaftstheorie
Wissenschaft und Kreativität

Prof. Dr. (em.) Johann Schülein lehrt am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Wirtschaftsuniversität Wien.
Dr. Simon Reitze ist Berater, Philosoph, Autor und Künstler in Solothurn.
Diese Einführung von Schülein und Reitze bietet einen Überblick über die wichtigsten Vertreter der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Ihr Ansatz ist ein historischer, der Leser wird von der Antike bis zur Gegenwart geleitet und lernt in chronologischer Nachzeichnung die verschiedenen Positionen kennen. Ein Kapitel über die Bedeutung der Beschäftigung mit Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ist einleitend vorangestellt. Dafür gehen die Autoren weit in der Menschheitsgeschichte zurück und betrachten auch Mythos, Religion und Philosophie als Formen des Erkenntnisgewinns.
Auch hier finden die Leser über die gut verständliche Sprache leicht in den Text. Ein Glossar und ein Personenregister erleichtern den Zugang. Im Vergleich mit Brühls Buch ist es jedoch deutlich textlastiger und somit weniger an den Bedürfnissen des flüchtigen Lesers ausgerichtet. Das stellt ja nicht per se einen Nachteil dar. Wer sich tiefer für die Materie interessiert, findet in diesem Buch ein komplexes Thema sehr gut aufbereitet. Die Literaturliste ist in drei Bereiche gegliedert: Primärliteratur, Einführende und Weiterführende Literatur. Je nach Bedarf kann man sich also zum Weiterlesen das Richtige herauspicken.
24,99 Euro
Prof. Dr. Hede Helfrich war Lehrstuhlinhaberin für Psychologie und Interkulturelle Kommunikation an den Universitäten Hildesheim und Chemnitz. Derzeit lehrt und forscht sie als Gastprofessorin an der Dongbei-Universität für Finanzen und Wirtschaft (DUFE) in Dalian (China).
Helfrichs Buch stellt die Betriebswirtschaftslehre in den Vordergrund und bettet diese in den Kontext des Wissenschaftssystems ein. Es sind ausdrücklich die Grundlagen, Vorgehensweisen und Grenzen betriebswirtschaftswissenschaftlicher Forschung das Thema. Somit ist dieses Werk vor allem für (angehende) BWLer interessant. Mit seinen vielen Abbildungen und Tabellen ist es gut zu erfassen, auch hier hilft wieder ein Glossar beim Finden der wichtigsten Begriffe.
Es mag verwundern, dass eine Psychologin über die Betriebswirtschaftslehre schreibt. Dieser Umstand wird an keiner Stelle thematisiert, bringt allerdings aus meiner Sicht vor allem einen Vorteil mit sich: Helfrich schreibt mit dem Blick von außen, wie etwa eine Ethnologin, die ein fremdes Volk betrachtet. Die praktischen Beispiele aus betriebswirtschaftlicher Forschung und Praxis, die zur Veranschaulichung dienen, muss die Autorin dann wohl aufwändig recherchiert haben.
Forschungsstrategien werden in einem eigenen Kapitel behandelt. Das bietet einen guten Überblick über die Möglichkeiten den Faches, wenngleich die quantitativen Methoden dominieren. Ich glaube auch, die größere Vertrautheit mit den Ansätzen und Methoden zu bemerken, die in der Psychologie verwendet werden. An diesen Stellen schreibt die Autorin tendenziell ausführlicher.
Das letzte Kapitel des Buches soll den idealtypischen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit zeigen. Tatsächlich liest es sich wie eine Kurzanleitung zum Wissenschaftlichen Arbeiten. Ob das an der Stelle nun wirklich nötig war, ist fraglich. Es wirkt etwas fehl am Platz, denn was wollen Studierende damit anfangen? So oder so benötigen sie benötigen sie einen zusätzlichen Ratgeber, wenn es an das Verfassen der eigenen Arbeiten geht.
Der rote Faden des Buches ist, zumindest für mich, nicht klar erkenntlich, obwohl mit Abbildung 1 im Vorwort versucht wird, den Zusammenhang zwischen den Kapiteln grafisch zu veranschaulichen. Auch wird mir nicht klar, worauf das Buch abzielt. Einige Themen sind sehr abstrakt, vor allem in den Kapiteln über Aussagen und Theorien als Aussagensysteme, andere hingegen eher auf die praktische Umsetzung ausgerichtet. Für mich verbindet sich das für mich nicht, sondern steht auf eine seltsame Art nebeneinander.
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1 Stellenwert der Wissenschaftstheorie für die Betriebswirtschaftslehre
1.1 Historische Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre: ein kurzer Rückblick
1.2 Abgrenzung von Wissenschaft, Wissenschaftstheorie und wissenschaftlichem Arbeiten
1.3 Einordnung der Betriebswirtschaftslehre in die Wissenschaft
1.4 Aufgaben und Ziele der Betriebswirtschaftslehre als Ausgangspunkt wissenschaftlicher Arbeiten
1.5 Stellenwert wissenschaftstheoretischer Ansätze für die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten
(Naiver) Realismus, (Radikaler) Konstruktivismus, (Klassischer) Rationalismus, Empirismus, Konstruktivismus, Kritischer Rationalismus
2 Grundbegriffe der Wissenschaftstheorie: Wesentliche Elemente einer wissenschaftlichen Arbeit.
2.1 Aussagen
2.2 Definitionen
2.3 Hypothesen
2.4 Modell und Theorie
3 Quellen zur systematischen Gewinnung von Wissen
3.1 Grundsätzliche Optionen
3.2 Literaturstudium
3.3 Meta-Analyse
3.4 Sekundäranalyse (Schreibtischforschung)
3.5 Primärerhebung (Feldforschung)
3.6 Wahl der Erkenntnisquelle: Einflussfaktoren
4 Idealtypischer Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit
Prof. Dr. Martin Kornmeier ist Head of Department International Business sowie Head of International Bachelor Program der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Mannheim sowie Herausgeber der BA KOMPAKT.
Auch Kornmeiers Einführung in die Wissenschaftstheorie ist sehr stark auf BWL ausgerichtet und liefert ebenfalls, wie Helfrichs Buch, sehr gut nachvollziehbare Beispiele. Der Autor erklärt sowohl die die wissenschaftstheoretischen Grundpositionen als auch die wesentlichen Begriffe, zudem vermittelt er gut verständlich die Methoden der empirischen Sozialforschung. Auch die Literaturrecherche findet hierbei Beachtung. Kornmeiers Buch, oder nennen wir es Ratgeber, kombiniert also die Wissenschaftstheorie und das wissenschaftliche Arbeiten. Während bei anderen Ratgebern die Wissenschaftstheorie doch oft sehr kurz kommt, wird sie hier ausführlich behandelt. Der Teil zum Wissenschaftlichen Arbeiten jedoch weist wieder diese eine Eigentümlichkeit auf, die vor allem bei Büchern von Professoren der BWL verbreitet ist: „Text entsteht“, sprich der Schreibprozess wird nicht weiter thematisiert.
Bei Kornmeier gefällt die Struktur besser als bei Helfrich, denn der Leser kann direkt aus dem Inhaltsverzeichnis sehr viel besser ersehen, wo genau er welche Themen und Begriffe erwarten darf und vor allem, wie diese aufeinander aufbauen.
Die zweite Auflage des Buches wird 2017 bei Springer erscheinen und dann ausführlicher hier rezensiert.
Je nach Interessenslage und Studienfach lautet die Empfehlung etwas anders.
Während Brühls Buch so allgemein und übergreifend angelegt ist, dass ich es allen Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ans Herz legen würde, eignen sich Helfrichs und Kornmeiers Bücher vor allem für BWLer, auch wenn der Klappentext Gegenteiliges behauptet.
Wem nach der Lektüre von Brühl noch die Beschreibung der wissenschaftstheoretischen Strömungen fehlen, sei zur Ergänzung Schülein/Reitze empfohlen.
Hier ist vor allem das Buch von Brühl herauszuheben. Mit den Kontrollfragen haben Lehrende erste Anhaltspunkte, was sie für die Vorlesung aufbereiten könnten oder was sich als Aufgabe für Gruppenarbeiten verwenden lässt.
Auf der Website des Autors besteht die Möglichkeit, Begleitmaterialien anzufordern. Außerdem gibt es das Inhaltsverzeichnis, eine Leseprobe und das Glossar zum Herunterladen.
Wie lauten Ihre Literaturempfehlungen zur Wissenschaftstheorie?
Warum der Studierende mit der miserablen Hausarbeit nie eine Beratung in Anspruch genommen hat? Deshalb:
Quelle: „AScienceEnthusiast“
Die Mitgliedschaft im Dunnung-Kruger-Club ist einer von vielen möglichen Gründen, warum Studierende nicht über Schreibschwierigkeiten sprechen. Sie erkennen schlicht und einfach nicht, dass sie welche haben.
Aus einem Interview mit David Dunning am 20. Juni 2010
Die betreffenden Studierenden denken, dass ihre Herangehensweise an das wissenschaftliche Schreibprojekt richtig ist und zu einem guten Text führen wird. Deswegen sehen sie keine Notwendigkeit, die Sprechstunde oder Schreibberatung aufzusuchen.
Zum Weiterlesen: Kruger, Justin und David Dunning: „Unskilled and Unaware of It: How Difficulties of Recognizing One’s Own Incompetence Lead to Inflated Self-assessments,” Journal of Personality and Social Psychology 1999, Vol. 77, No. 6, pp. 121-1134.
Ist es möglich, die Grundlagen des empirischen Forschens in zwölf Unterrichtseinheiten zu lehren?
Ja, das geht. Auf einem sehr grundlegenden Niveau geht das. Manche nennen das Niveau niedrig. Trotzdem stehe ich voll und ganz hinter dieser Art von Veranstaltung. Aktuell lehre ich das so im dritten Semester eines Bachelor-Studiengangs.
Wie läuft das ab?
Zu Beginn des Semesters führe ich die Studierenden in die Grundlagen des empirischen Forschens ein. Das geschieht in Form eines Vortrags von etwa 30 Minuten Länge. Danach geht es dann auch schon los mit der Umsetzung. Ich werfe die Studierenden also ins kalte Wasser. (An den verwendeten Bildern können Sie erkennen, zu welcher Jahreszeit dieser Beitrag geschrieben wurde ;-)) Oder, um es treffender zu sagen, wir stürzen uns gemeinsam in die eiskalten Fluten. Denn wir haben alle keine Ahnung, welche Untiefen und Stromschnellen uns unterwegs erwarten.
Die Studierenden finden sich zu viert oder fünft zusammen und suchen gemeinsam ein interessantes Thema, das innerhalb ihres Studienfaches verortet ist. Da diese Studierenden in ihrem BWL-Studium zwischen fast einem Dutzend Vertiefungsrichtungen wählen können, sind ziemlich alle Branchen und Funktionen durch die Themen abgedeckt. Da heißt es dann gedanklich flexibel bleiben… Ich ermuntere die Studierenden, ein Thema zu nehmen, beim dem sie bereits über Vorkenntnisse verfügen. Das ist zu Beginn des dritten Semesters gar nicht so einfach, immerhin studieren sie ja erst seit einem Jahr. Am Ende steht aber meist zumindest einmal die grobe Richtung fest. Oder anders gesagt, die Gruppen klammern sich an den vermeintlich rettenden Strohhalm.
Bei den nächsten Terminen widmen wir uns den konkreten Forschungsfragen, den Hypothesen und der Methodenwahl. Nicht selten werden dann die Themenvorschläge aus der ersten Sitzung doch für unbrauchbar befunden, und die Suche nach einem neuen Thema beginnt. Solange das gut bearbeitbar ist, soll es für mich in Ordnung sein. Manchmal trauere ich den ersten Varianten etwas hinterher; manchmal bin ich froh darüber, dass doch noch etwas Besseres nachkam.
Der Plan für die Datenerhebung ist als nächstes an der Reihe, danach kommen die tatsächliche Durchführung der Befragung (oder Beobachtung usw.), die Datenerfassung und -auswertung, und ganz am Ende stehen natürlich die Abschlusspräsentationen. Diese werden gefolgt von einer Reflexion über das Gelernte und über die Schlüsse, die die Studierenden daraus ziehen.
Bis auf den letzten Termin mit den Präsentationen laufen die einzelnen Veranstaltungen relativ ähnlich ab. Zu Beginn gibt es ein Status-Update: An welchem Punkt befinden sich die einzelnen Gruppen gerade? Hat sich seit dem letzten Termin etwas Neues ergeben? Was sind konkret die nächsten Schritte am heutigen Tag?
Wenn nötig, gebe ich kurz theoretischen Input zu den anstehenden Arbeiten oder beantworte aufgelaufene Fragen. Vieles lässt sich jedoch auch im Foliensatz nachschlagen, den die Studierenden zu diesem Zeitpunkt schon erhalten haben.
Es schließt sich die Erarbeitungsphase in den Kleingruppen an. Die meisten Fragen ergeben sich genau dann, während der Diskussionen in den Gruppen. Manche kommen nicht weiter, weil ihnen ein kleiner Impuls fehlt oder weil sie sich innerhalb der Gruppe nicht auf ein Vorgehen einigen können und gern eine Meinung von außen hätten. (Zu diesem Zeitpunkt wäre es fantastisch, wenn nicht nur einer, sondern mehrere Lehrende anwesend wären, denn meistens wollen viele Gruppen gleichzeitig etwas, und Stillstand ist bei der knapp bemessenen Zeit natürlich extrem unerwünscht.)
Gegen Ende jedes Termins, nach Abschluss der Erarbeitungsphase, ziehen wir kurz im Plenum Resümee. Das dauert nicht länger als ein bis zwei Minuten pro Gruppe.
Schon oft musste ich diesen Ansatz gegen Kritiker verteidigen. Deren Argumente liegen auf der Hand: „Was in diesen 12 Unterrichtseinheiten gemacht wird, bleibt aufgrund der Kürze der Zeit an der Oberfläche. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit empirischen Forschungsmethoden ist in diesem Format nicht möglich.“
Mein Standpunkt ist ein anderer: Würde ich die gleichen Inhalte in Form einer klassischen Vorlesung gestalten, könnte ich zwar deutlich mehr in die Tiefe gehen. Allerdings glaube ich nicht, dass das gleichbedeutend ist mit einer tiefen Auseinandersetzung.
(Es gibt übrigens auch andere Lehrende, die ähnlich lehren.)
Durch eine detailreichere Beschäftigung mit der Materie kennen die Studierenden zwar mehr Details – wenn sie sie denn behalten. Aber: Wenn wir über empirisches Forschen nur sprechen, also quasi trockenschwimmen, fehlt die eigene Erfahrung. Zumal dann ja meistens nur einer spricht, nämlich der Lehrende. Erstens, weil er über das Know-How verfügt, und zweitens, weil nur er die entsprechenden Erfahrungen mitbringt.
Erfahrung überträgt sich nicht durch das Darüber-Sprechen (Ich sage nur: Kind und Herdplatte). Nur indem die Studierenden selbst nachdenken und selbst etwas tun dürfen, haben sie die Möglichkeit, Fehler zu machen, die Fehler als solche zu erkennen und diese im nächsten Anlauf zu korrigieren.
Einige Studierende starten auch mit der naiven Vorannahme, dass man so eine Erhebung doch mal schnell nebenbei durchführen könne. Sie sehen dann, dass genau das nicht der Fall ist. Sie lernen – teilweise auf die harte Art –, dass sie untergehen, wenn sie die Zeit zu knapp kalkulieren.
Die Studierenden können nach Abschluss der Lehrveranstaltung auf viele Erfahrungen zurückgreifen. Sie erinnern sich daran,
Durch die Aufteilung in Gruppen entsteht eine Bandbreite an Beispielen, nicht nur inhaltlicher, sondern auch methodischer Art. Wenn Gruppe 1 Fehler A nicht begeht, dann ganz sicher Gruppe 2 oder 3… Es kommen immer jede Menge Aspekte zusammen, anhand derer wir gut über die Aussagekraft empirischer Ergebnisse diskutieren können. Für jede Vorgehensweise zur Beantwortung der Forschungsfragen finden sich Pros und Contras. Und schon habe ich die Studierenden da, wo ich sie haben möchte: Sie sollen nachdenken, was mit empirischer Forschung möglich ist und was nicht.
Zusätzlich zu ihren eigenen Erfahrungen profitieren die Studierenden von den Erfahrungen der anderen Gruppen. Sie sehen, was diese anders gemacht haben und ob das zum Ziel geführt hat oder nicht.
Halten wir also fest:
Natürlich bleiben wir mit dieser Methode an der Oberfläche. Dafür schaffen wir Anknüpfungspunkte. Studierende, die später in ihrer Abschlussarbeit etwas Empirisches machen wollen, müssen sich sowieso intensiver mit der Methodenfrage befassen. Sie können das mit einem Vorwissen tun, das sich auf vielfältige Erfahrungen stützt.
Als Lehrende wissen wir zwar zu Beginn nicht, wohin die Reise in den eiskalten Fluten uns führt. Aber wir kennen immerhin die potentiellen Gefahren und die verschiedenen Auswege aus diesen Situationen. Wir stehen in einem solchen Lehrformat mit dem Rettungsring an der Seite und werfen ihn den Studierenden bei Bedarf zu, so dass uns niemand komplett untergeht. Ende der Metapher, Ende des Beitrags.
Was bevorzugen Sie – Trockenschwimmen oder das Bad in den eiskalten Fluten? Gern verlinke ich auch weitere Beispiele.