Was Studierende vom Projektmanagement für das wissenschaftliche Arbeiten lernen können

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Ein Gastbeitrag von Dieter Zibert

Im Laufe eines Studiums kommt man um das wissenschaftliche Arbeiten nicht herum. Umso früher man lernt, worauf es ankommt, desto einfacher wird es, die späteren Aufgaben, Haus- und Seminararbeiten erfolgreich zu erledigen. Für frisch gebackene Studierende ist das wissenschaftliche Arbeiten meist eine neue Herausforderung, die am Anfang schnell Verunsicherungen stiftet.

Doch die meisten Bedenken über das wissenschaftliche Arbeiten sind absolut unbegründet. Das wissenschaftliche Arbeiten ist zwar anstrengend und zeitintensiv – doch unmöglich ist es ganz und gar nicht. Es kommt allen voran auf die richtige Strategie an.

In diesem Beitrag erfahren Sie,

  • Was Projektmanagement mit wissenschaftlichem Arbeiten zu tun hat
  • welche unterschiedlichen Methoden des Projektmanagements existieren
  • welche dieser Methoden am vielversprechendsten für das Anfertigen und Betreuen einer wissenschaftlichen Arbeit sein könnte
  • was das für die Lehre bedeutet

Was hat Projektmanagement mit wissenschaftlichen Arbeiten zu tun?

Eine wissenschaftliche Arbeit kann neben den eigentlichen Zweck eine wichtige Kompetenz vermitteln – Projektmanagement. Eine wissenschaftliche Arbeit als großes Projekt zu verstehen, ist Methode und Haltung zugleich. Die Studierenden bekommen ein Werkzeug an die Hand, um umfangreiche Arbeiten auf effizientem Weg lösen zu können und entwickeln das systematische und planerische Denken. Damit kann es gelingen, die Komplexität der wissenschaftlichen Frage durch Systematisierung zu vereinfachen.

Welche Projektmanagementwerkzeuge gibt es, um eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben?

Selbstverständlich haben alle in ihrer Schulzeit einige Texte geschrieben, doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Eine Arbeit im Studium ist wesentlich komplexer. Um die wissenschaftliche Arbeit so gut wie möglich zu meistern, gibt es Projektmanagementwerkzeuge, die nachfolgend genauer erklärt werden.

Klassische Projektmanagementwerkzeuge

Wer seine wissenschaftliche Arbeit als Projekt versteht, wird durch eine strukturierte Vorgehensweise und den Fokus auf das Wesentliche mit einem besseren Erfolg belohnt werden. Am Anfang stellt die wissenschaftliche Arbeit die Studierende vor eine große Herausforderung. Umso wichtiger ist es, das Projekt in mehrere Abschnitte zu unterteilen. Hier können die Maßnahmen im Projektmanagement helfen. Hier wird das Projekt folgendermaßen unterteilt.

Ein klassisches Projekt zeichnet sich durch einen Projektstart bzw. durch eine Initiierung aus. Dieser muss anschließend geplant werden. Erst danach kann es zur Umsetzung kommen. Während der Umsetzung wird das Projekt fortlaufend kontrolliert. Schlussendlich kommt es dann zum Projektabschluss.

Der Projektstart

Am Anfang einer wissenschaftlichen Arbeit steht der Projektstart. Der Projektstart wird durch einen Projektauftrag (im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeiten auch Exposé genannt) erstellt und muss von der Betreuungsperson freigegeben werden. Hierfür eignet sich ein Dokument, welches alle wichtigen Punkte beinhaltet. Auf diese Weise wird das Projekt übersichtlich dargestellt und wenn man einmal den Faden verlieren sollte, hat man eine gute Übersicht, an welcher man sich orientieren kann.

Die Projektplanung

In dieser Phase wird die Recherche durchgeführt. Zudem kommt es in diesem Abschnitt zur Gliederung der Arbeit in einen realistischen Ablaufplan für die wissenschaftliche Arbeit.

Die Projektdurchführung

Wenn die beiden oberen Schritte erledigt sind, erfolgt die eigentliche Arbeit – das Schreiben der wissenschaftlichen Arbeit.

Die Projektüberwachung und die Steuerung

Die Fortschritte in einem Projekt müssen regelmäßig überwacht und in die richtige Richtung gesteuert werden. Das Gleiche gilt auch für eine wissenschaftliche Arbeit.

Während die Arbeit geschrieben wird, sollte es regelmäßige Abstimmungen mit der Betreuungsperson geben, wo die Fortschritte der Arbeit besprochen werden.

Nachdem die Arbeit fertig geschrieben wurde, muss die Arbeit korrigiert werden. Dabei ist es ratsam, dass mehrere Personen die Arbeit noch einmal lesen. So lassen sich Fehler in der Rechtschreibung und Grammatik leichter finden.

Der Abschluss des Projektes

Zum Schluss muss die Arbeit fertiggestellt werden. Wie das genau erfolgen muss, hängt immer von der Uni ab. In den meisten Fällen wird die Arbeit ausgedruckt und gebunden verlangt. Zu guter Letzt wird die Arbeit abgegeben und die große Herausforderung der wissenschaftlichen Arbeit ist geschafft.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Wie man merkt, sind rein klassische Projektmanagementwerkzeuge ziemlich linear und sind weniger empfehlenswert für das Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten. Die agilen und hybriden Projektmanagementwerkzeuge sind deutlich besser dafür geeignet.

Agile Projektmanagementwerkzeuge – Die SCRUM Methodologie

Die SCRUM Methodologie ist das am weitesten verbreitete Werkzeug im agilen Projektmanagement. Das Hauptziel ist dabei, in sehr regelmäßigen Zeitabständen auch Sprints genannt, die Produktanforderungen Stück für Stück abzuarbeiten und diese Teilanforderungen von Stakeholdern am Ende eines Sprints abnehmen zu lassen.

Im Rahmen der SCRUM Methodologie werden unter anderem SCRUM Events (z.B. Sprintplanung, Sprint Review, Daily Scrum bzw. Daily Stand-Up und Retrospektive), und SCRUM Artifacts bzw. Hilfswerkzeuge (z.B. Produktbacklog, Springbacklog) eingesetzt, um einem Projekt einen Rahmen zu geben. Diese Scrum Events und Artifacts werden im Folgenden erklärt.

Der Produktbacklog

Der Produktbacklog beschreibt, wie die fertige Arbeit aussehen soll. Sämtliche Anforderungen an die Arbeit werden angeführt und priorisiert, um die Arbeit mit gutem Erfolg abschließen zu können. Für den Produktbacklog sind Studierende verantwortlich und sollten sich diesbezüglich mit den Lehrenden abstimmen

Der Sprint – das Zeitmaß der Zyklen

Der Sprint ist ein bestimmter Zeitraum (in der Regel 1-4 Wochen), in welchem Studierende an den Aufgaben der wissenschaftlichen Arbeit arbeiten. Die Sprints sollten immer kurz gehalten werden.

Auf diese Weise kann man sichergehen, dass man nicht allzu lange in die falsche Richtung arbeitet. Ein Sprint dauert so lange, wie dieser im Vorhinein vereinbart wurde und kann auch nicht nach hinten verschoben werden.

Der Sprintbacklog

Bei einer wissenschaftlichen Arbeit kann das Sprintbacklog als ein Kapitel der Arbeit angesehen werden. Hierfür muss ausgearbeitet werden, was genau in dem Kapitel stehen soll. Danach können die Aufgaben verfasst werden. Nachfolgend werden die Aufgaben entsprechend verteilt und abgearbeitet. Diese Aufgaben sind komplett von Studierenden zu erledigen. Ggf. können sich Studierende mit einer Betreuungsperson kurz abstimmen, falls Bedarf besteht.

Die Sprintplanung

In der Planung des Sprints wird erläutert, welches Kapitel der wissenschaftlichen Arbeit bearbeitet wird.

Daily Stand-Up

Bei einer wissenschaftlichen Arbeit ist es besonders empfehlenswert, jeden Tag eine Kurzplanung der nächsten Schritte durchzuführen. So wird am Anfang des Tages festgelegt, was in Bezug zu dem jeweiligen Kapitel an diesem Tag erledigt werden muss. Dies liegt komplett in der Verantwortung der Studierenden. Dabei werden drei Fragen beantwortet:

  • Was habe ich gestern gemacht?
  • Was werde ich heute machen?
  • Welche Hindernisse gibt es und sollen geklärt werden?

Sprint Review

Nach jedem Sprint werden die Aufgaben zur Korrektur übergeben (z.B. ein fertiges Kapitel). Hierbei wird die Arbeit gegengelesen und entsprechend der ausgemachten Merkmale korrigiert. Im Idealfall wird z.B. ein fertiges Kapitel zur Korrektur an eine Betreuungsperson übergeben. Das können aber auch externe Feedbackgeber sein.

Sprint Retrospektive

Nach dem Sprint Review erfolgt ein Rückblick über den letzten Sprint. Hier konzentriert man sich darauf, was bei den nächsten Sprints besser gemacht werden kann. Diese Maßnahmen werden z.B. gleich beim Schreiben des nächsten Kapitels der wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigt.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Agile Projektmanagementwerkzeuge sind besonders für komplexe wissenschaftliche Arbeiten gut geeignet.

Hybride Projektmanagementwerkzeuge

Die hybride Methode beinhaltet die Integration der klassischen, aber auch der agilen Methoden. Diese Methode ist abhängig von der Komplexität und der Größe des Projektes.

In der hybriden Methode wird das Beste aus beiden Welten kombiniert. Die Kombination klassischer und agiler Methoden sorgt für ein höheres Maß an Flexibilität und steigert die Effizienz deutlich. Es werden lediglich Teilprojekte agil organisiert, doch die grundsätzliche Struktur des Projektes bleibt klassisch.

Die Initiierung

Im ersten Schritt der wissenschaftlichen Arbeit muss das passende Thema gefunden werden. Da die Initiierung immer eine kritische Phase ist, müssen die Ziele des Projektes durchdacht, messbar, realistisch, umsetzbar und klar verständlich sein.

Die Planung der wissenschaftlichen Arbeit

Nachdem das passende Thema gefunden worden ist, muss die Arbeit genau geplant werden. Hierfür muss eine Gliederung der einzelnen Kapitel erfolgen und darin muss beschrieben werden, was in den einzelnen Kapiteln stehen soll. Danach kann die eigentliche Recherche der wissenschaftlichen Arbeit stattfinden.

Die Durchführung, Überwachung und Steuerung nach der SCRUM-Methode

Die Durchführung, Überwachung und Steuerung bei der hybriden Methode erfolgt wie bei der SCRUM Methodologie mit Hilfe von Sprints.

Der Abschluss

Die wissenschaftliche Arbeit wurde nun geschrieben und korrigiert. Dementsprechend kann die wissenschaftliche Arbeit nun zur Abgabe vorbereitet werden und schlussendlich abgegeben werden.

Eignung für wissenschaftliche Arbeiten

Hybride Projektmanagementwerkzeuge sind in der Regel für das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten am besten geeignet, da aus beiden Welten (klassisch und agil) das Beste verwendet wird.

Stakeholdermanagement ist das Wichtigste beim wissenschaftlichen Arbeiten

Stakeholdermanagement bedeutet, dass die Kommunikation so gesteuert wird, dass alle wichtigen Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeit erfüllt werden und die anfallenden Probleme gemeinsam mit allen Stakeholdern (z.B. Betreuern einer Arbeit) gelöst werden können. Der Kernpunkt dabei ist ein regelmäßiger, wenn auch kurzer Austausch mit den involvierten Personen wie z.B. einer Betreuungsperson, um die wichtigen Punkte der Stakeholder zu erfassen, Probleme so früh wie möglich zu erkennen und diese dann zu beheben.

Wer sind die wichtigsten Stakeholder?

Die wichtigsten Stakeholder werden im Rahmen des Projektstartes bzw. der Initiierung identifiziert und entsprechend priorisiert. Eine Stakeholderanalyse ist hierbei die Grundlage für die Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeit. Die Identifikation und die Kommunikation sind wichtige Bestandteile des Stakeholdermanagements und sind somit ausschlaggebend für einen geordneten Ablauf sowie späteren Erfolg.

Die Wichtigkeit von Feedbackrunden

Besonders am Anfang ist regelmäßiges Feedback bei der Findung eines Themas wichtig. Doch auch bei der Recherche und bei der Gliederung der Arbeit sind regelmäßige Feedbackrunden ausschlaggebend für den Erfolg. Auch während des Schreibens einer wissenschaftlichen Arbeit sollten möglichst kurze, aber regelmäßige Feedbackrunden stattfinden. Am einfachsten lässt es sich mit der SCRUM Methodologie gestalten.

Was bedeutet das für die Lehre?

Für die Lehre kann Folgendes festgehalten werden:

  • Lehrende sollten sich die Grundlagen des Projektmanagements (vor allem agiles Projektmanagement am Beispiel von SCRUM) aneignen, um die Studierenden besser begleiten können. Der SCRUM Leitfaden ist auch in Deutsch verfügbar.
  • Lehrende sollten es möglich machen, mit Studierenden regelmäßiger einen Austausch zu haben (z.B. im Rahmen eines Sprints), um es zu ermöglichen, dass Studierende frühzeitig korrigiert und in die richtige Richtung gelenkt werden
  • Lehrende sollten die Studierenden dabei unterstützen, regelmäßiges Reflektieren im Rahmen einer Arbeit (z.B. am Ende eines Sprints) zu machen und Verbesserungen kontinuierlich umzusetzen.
  • Lehrende sollten bei der Formulierung der Anforderungen für den Produktbacklog einer wissenschaftlichen Arbeit die Studierenden dabei unterstützen, auf welche Punkte besonders zu achten ist, damit die Studierenden lernen, das Wesentliche zu erkennen und richtig zu priorisieren.

Dieter Zibert ist Trainer und Consultant für Projektmanagement mit über 10 Jahren Erfahrung im Projektmanagement. Er hat klassische, agile und hybride Projekte in den Branchen Bahnindustrie, Fabrikautomation, Automobilindustrie und Healthcare geleitet und verfügt über PMP, PMI-ACP, Professional Scrum Master und Professional Scrum Product Owner Zertifizierungen. Mehr unter https://greenprojectsconsulting.com/

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„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“ – Individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Fortsetzung und Vertiefung des Artikels „Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Prinzipiell bin ich kein großer Freund von Zitaten zu Beginn von eigenen Ausführungen. Obwohl dies für einen Dozenten des wissenschaftlichen Arbeitens fast schon paradox klingt. Ich tue es hier trotzdem.

In der Didaktik des wissenschaftlichen Arbeitens ist es letztlich genauso wie in der großen Politik. In einer außenpolitischen Grundsatzrede an der Militärakademie in West Point formulierte Barack Obama im Jahr 2014 den Satz:

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“

Unter dem „besten Hammer“ verstand er hierbei die militärischen Möglichkeiten seines Landes und stellte sogleich klar, dass diese keine generelle Lösung darstellen dürfen. Was nun in der großen Weltpolitik gilt, gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten. Und dies in zweierlei Hinsicht.

  • Einerseits sollten wir Lehrenden den Studierenden mehrere Werkzeuge mit auf den akademischen Weg geben und ihnen die sinnvolle Anwendung zeigen und vorleben. Doch dies wäre ein Thema für einen anderen Beitrag.
  • Andererseits gilt dies auch für uns Lehrende. Nur weil eine Methode sich in unserer Didaktik bislang bewährt hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie immer anwendbar ist. Dies mag banal klingen, doch wir sollten uns dem immer bewusst sein. Bleiben wir bei diesem Thema. Es lohnt sich.

In diesem Blogbeitrag steht ganz lapidar: „Es ist wichtig, dass das Fach Wissenschaftliches Arbeiten gut gelehrt wird.“ Dem kann ich nur zustimmen. Doch was heißt dies nun didaktisch ganz konkret, wenn eine wissenschaftliche Arbeit nicht nur geschrieben, sondern als Projekt verstanden und gemanagt wird?

Wir haben alle eine fundierte methodische Ausbildung und würden gerne unsere Erfahrungen didaktisch angemessen weitergeben. Für mich ist hier der didaktische Aspekt im Hinblick auf das Projektmanagement wichtig.

Wie kann dieser Spirit des Projektmanagements individuell angepasst vermittelt werden?

Bereits zu Beginn dieser Betrachtung kann ich Ihnen sagen: Nicht immer mit dem Hammer! Warum? Weil wir es bei Studierenden natürlich mit unterschiedlichsten Charakteren und Kompetenzen zu tun haben. In den letzten knapp zehn Jahren meiner Lehrtätigkeit sind mir mehrere Typen von Studierenden begegnet, welche ich für mich nach drei Dimensionen bewerte:

  1. Inhaltliche Dimension: Unter dieser Dimension verstehe ich beispielsweise, welche Themen die Studierenden gewählt haben und wie sie für diese recherchiert haben. Darüber hinaus ist mir auch wichtig, wie etwa die Gliederung aufgebaut oder die Aussagen fundiert und problematisiert werden.
  2. Methodische Dimension: Hier ist mir wichtig, welche wissenschaftliche Werkzeuge Studierende für die jeweilige Fragestellung anwenden, wie sicher sie darin sind und wie sie die Umsetzung gestalten.
  3. Formale Dimension: Dieser Aspekt bezieht sich auf die äußere Form, die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie die Einhaltung von Terminabsprachen.

Es gibt nun Studierende, die in allen Bereichen (schon) hohe Kompetenzen aufweisen. Bei diesen sollten die Lehrenden versuchen mit Fingerspitzengefühl die Arbeit zu betreuen. Als Werkzeug wende ich hier gerne eine Vereinbarung von weiteren Entwicklungsmöglichkeiten an. Dabei stellt sich die Frage, was die Studierenden sonst noch erreichen möchten? Im Rahmen des Projektmanagements sollte hierbei vor allem darauf geachtet werden, dass die Studierenden nicht zu viel wollen und sich im schlimmsten Fall insbesondere zeitlich „verzetteln“. Darunter leidet natürlich dann auch immer die Qualität der Arbeit.

Am entgegengesetzten Pol finden sich Studierende, die in allen drei Bereichen (bislang) nur geringe Kompetenzen aufweisen. Hier sind wir als Lehrende besonders im Projektcontrolling gefordert. Dort sollten wir immer wieder Zwischenergebnisse einfordern und terminliche Vereinbarungen thematisieren, um sowohl den formalen als auch den inhaltlichen und methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Studierende sind in dieser Situation oft überfordert. Neben der Fokussierung auf formale Kriterien sollten wir hier auch menschlich begleiten. Problematisch wird eine derartige Situation in höheren Semestern. Denn dann ist vor allem das eigenständige und nicht das begleitete oder angeleitete wissenschaftliche Arbeiten erforderlich.

Wie schon beim Korrigieren sind die „Dazwischenstehenden“ besonders problematisch. Welche Studierenden-Typen sind damit gemeint? Nun, es gibt theoretisch mehrere Möglichkeiten:

  • Hohe inhaltliche, jedoch geringe methodische und formale Kompetenz:

Dieser Studierendentyp neigt oft zu deskriptiven Arbeiten, in denen Bücher einfach nur zusammengefasst werden.

  • Hohe methodische, jedoch geringe inhaltliche und formale Kompetenz:

Studierende testen hier oft eine „aufgeschnappte“ Methode aus, ohne diese zu reflektieren.

  • Hohe formale, jedoch geringe inhaltliche und methodische Kompetenz:

Hier überzeugen Studierende oft mit tollen Graphiken, aber wenig Inhalt.

  • Hohe inhaltliche und methodische, jedoch geringe formale Kompetenz:

Hierunter finden sich manchmal verborgene Genies, die spannende Themen innovativ bearbeiten, aber das Einhalten von Seitenbegrenzungen oder Abgabefristen als lästige Sekundärtugenden empfinden.

  • Hohe inhaltliche und formale, jedoch geringe methodische Kompetenz:

Dies betrifft wieder die korrekten „Zusammenfasser“, die sich auch an Formalia halten, aber das Wissenschaftliche noch nicht umfassend verinnerlicht haben.

  • Hohe methodische und formale, jedoch geringe inhaltliche Kompetenz:

Hier neigen Studierende zur Einbringung spannender methodischer Ansätze, die auch formal korrekt eingebettet sind, jedoch beispielsweise jede theoretische Fundierung vermissen lassen.

Bei diesen Dazwischenstehenden ist stets mindestens eine Kompetenz schwächer ausgeprägt.

Der Umgang mit den Schwächen

Schwächen im Bereich der inhaltlichen Kompetenz können im Projektmanagement dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders im Bereich der Gliederung betreut werden. Hier sollten Dozierende darauf achten, dass das Thema zumindest in seiner Breite abgedeckt wird. Eine intensive Begleitung ist hier besonders zu Beginn der Arbeit wichtig.

Schwächen im Bereich der methodischen Kompetenz können dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders vor und während der möglichen Feldphase betreut werden. Hier sollten Studierende mit deren eigenen Erwartungen und Befürchtungen aktiv konfrontiert werden. Dabei lasse ich Studierende dabei oft ein Best-Case- oder Worst-Case-Szenario formulieren. Dies kann etwa bedeuten, dass die Studierenden sich dazu Gedanken machen, was zu tun ist, wenn zu wenig Probanden teilnehmen, der Betriebsrat der Befragung nicht zustimmt etc.

Schwächen im Bereich der formalen Kompetenz können wiederum durch Projektcontrolling gelöst werden. Hier darf man Studierende auch in die Pflicht nehmen, feste Termine einzuhalten und dies auch zu dokumentieren. Gerade dieser Bereich sollte von aktivem Fördern und Fordern geprägt sein.

Doch egal mit welchem Studierendentyp man konfrontiert wird: Um eine Haltung zu vermitteln, ist Geduld immer wichtig. Das ist eine Grundkonstante.

Erkennen Sie den einen oder anderen beschriebenen Typ wieder?

 StefanDobler

Stefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

Multiprojektmanagement: Die parallele Betreuung studentischer Arbeiten

Ein großes Wort. Multiprojektmanagement.

Meine Liste der im kommenden Semester zu betreuenden Arbeiten hat tatsächlich etwas von einer Projektlandschaft: eine Vielfalt an Themen, die von verschiedenen Personen bearbeitet werden, die dabei ihre eigene Mikroplanung betreiben und sich mit mir abstimmen.

Als Lehrende sind wir natürlich keine echten Projektmanager. Wir haben es ein bisschen leichter. Denn wir übernehmen keine direkte Verantwortung für das Gelingen der studentischen Arbeiten. Wir verantworten „nur“ die Betreuung der Projekte, die Umsetzung liegt in den Händen der Studierenden.

Der Blick geht in diesem Beitrag weg von den Studierenden mit ihren einzelnen Projekten und hin zu den Lehrenden, die gleichzeitig mehrere Projekte betreuen. (Die andere Sicht können Sie in diesem Gastbeitrag nachlesen.) Schließlich möchten wir Lehrende das gern so steuern, dass es sich möglichst geschmeidig in unsere anderen Aufgaben eingliedert. Es soll nicht zu viel von unserer knappsten Ressource, der Zeit, verbrauchen. Gleichzeitig möchten wir allen Studierenden gerecht werden. Das übergeordnete Ziel in der Betreuung sollte immer sein, eine hohe Qualität aufrechtzuerhalten.

Den Workflow optimieren

Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Einblick in mein persönliches „Multiprojektmanagement“ geben. Wie sieht mein Workflow bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten aus?

Drei Ansätze aus dem Zeitmanagement haben dafür die grundlegenden Ideen geliefert:

  • ähnliche Aufgaben bündeln
  • Aufgaben vereinfachen
  • delegieren

Schauen wir uns mal die einzelnen Phasen im Betreuungsprozess an:

Die Arbeiten im Vorfeld

Eine sehr zeitintensive Angelegenheit sind – zumindest bei mir – die Arbeiten im Vorfeld: der Weg zur konkreten Fragestellung und zu einem aussagekräftigen Exposé. Aber hier investierte Mühe lohnt sich immer! Noch nie habe ich es bereut, mir zu Beginn viel Zeit zu nehmen. Erfahrungsgemäß geht dann der Rest der Bearbeitungszeit vergleichsweise reibungslos vonstatten.

Eine echte Gefahr droht bei eher orientierungslosen Studierenden, die noch über keine rechte Vorstellung von ihrem Vorhaben verfügen. Da würde ich dann manchmal gern diese Arbeitsschritte an mich reißen, damit es vorangeht. Aber die Verantwortung sollte bei den Studierenden bleiben.

Meine Maxime: In der Sprechstunde gibt es nur Input. Der Output muss von den Studierenden kommen. Ich erarbeite also nichts „Druckreifes“ gemeinsam in der Sprechstunde, sondern stelle kritische Fragen und gebe Impulse zum selbständigen Weiterarbeiten.

Zu diesem Zweck habe ich Arbeitsblätter angefertigt, die den Dreischritt und das Planungsfünfeck jeweils auf einer Seite darstellen (nachzulesen in den Ratgebern zum Wissenschaftlichen Schreiben, zum Beispiel bei Grieshammer et al.). Diese Blätter kann ich dann bei Bedarf aus dem Ordner ziehen, kurz erläutern und den Studierenden mitgeben. Ich schicke die Studierenden also relativ zügig wieder weg, wenn sie noch nicht so weit sind, und lasse mir ihre Ergebnisse zusenden oder bespreche sie bei einem zweiten Termin. Viele denken sowieso lieber noch einmal in Ruhe über alles nach, durchforsten die Literatur oder tauschen sich mit Kommilitonen aus, anstatt sich an Ort und Stelle direkt festzulegen.

Zeitintensiv wird diese Phase nicht durch die Länge der einzelnen Termine, sondern durch die Bearbeitungsschleifen und erneuten Rücksprachen. Ich bilde mir aber ein, dass es in der Summe die effektivere Arbeitsweise ist.

Während der Bearbeitungszeit

 

1) Dossier führen

Direkt nach Gesprächen mit den Studierenden versuche ich, mir möglichst umfangreiche Notizen zu machen oder die teilweise sehr knappen Notizen aus dem Gesprächsverlauf so zu ergänzen, dass ich auch Wochen später noch etwas damit anfangen kann. Ich halte vor allem fest, was wir vereinbart haben: wegweisende Entscheidungen und die nächsten Schritte.

Ich führe also für jeden Studierenden ein separates Dossier, das ich mir dann vor dem nächsten Termin, oder wenn zwischendurch eine Frage per E-Mail kommt, durchlese. Ohne ein solches Dossier ginge zu viel verloren, gerade bei der parallelen Betreuung von vielen Arbeiten. So möchte ich die Qualität sicherstellen.

2) Beratung als Kolloquium anbieten

Anstatt getrennte Sprechstundentermine mit den einzelnen Studierenden zu vereinbaren, versuche ich, Studierende zu Arbeitspaaren oder -gruppen zusammenzufassen. Das geht bei befreundeten Studierenden oft sehr leicht, weil sie sowieso viel gemeinsam machen und einen offenen Arbeitsstil pflegen. Und es funktioniert bei einander nicht näher bekannten Studierenden vor allem dann, wenn die Arbeiten ähnliche Themen haben und die Betreffenden den Nutzen einer solchen Zusammenarbeit positiv einschätzen.

Mein Ziel dabei: die berühmten Synergien schaffen. Ich muss bestimmte Dinge nicht immer wieder von vorne erklären. Außerdem vervielfacht sich das Wissen. Die Studierenden erhalten Anregungen nicht nur von mir, sondern auch von ihren Mitstudierenden. Sie lernen nicht nur durch Zuhören, sondern auch durch das Sprechen über das fremde Thema. Eigene Fragen lösen sich so mitunter schon in Luft auf, weil den Studierenden beim fremdem Thema alles viel klarer erscheint und sie den Lösungsweg auf ihr Problem übertragen können.

Die Korrektur der Arbeiten

 

1) Aufteilen und bündeln

Das Timing für die Korrektur ist leider in meinem Fall schlecht: Alle Arbeiten kommen gleichzeitig auf meinen Schreibtisch oder maximal um zwei, drei Wochen versetzt. Die Arbeiten sollen auch zum gleichen Zeitpunkt fertig korrigiert sein. (Generelle Gedanken zum Korrigieren finden Sie hier.)

Ich versuche, das Beste daraus zu machen, indem ich die Korrektur bündele: Ich lese die Arbeiten nicht nacheinander, sondern parallel. Dabei trenne ich nach formalen, sprachlichen und inhaltlichen Aspekten (wie es bei der Überarbeitung eigener Arbeiten gern empfohlen wird). Ich korrigiere also erst alle Arbeiten nach formalen Kriterien, dann alle Arbeiten in sprachlicher Hinsicht und danach widme ich mich den Inhalten. Die Reihenfolge ist aufgrund meiner persönlichen Vorlieben entstanden, lässt sich aber natürlich auch umdrehen.

Damit ich den Überblick behalte, gehe ich nach einem Kriterienkatalog vor. Entweder arbeitet man mit einer vorgegebenen Liste oder erstellt sich selbst eine. In einigen einschlägigen Ratgebern gibt es auch entsprechende Vorlagen.

2) Technische Umsetzung

Technisch löse ich die Anforderungen der Korrektur, indem ich meine Notizen direkt in eine Excel-Tabelle schreibe. Jeder der standardisierte Punkte des Kriterienkatalogs ist in einer Zeile aufgeführt. Später landen die Inhalte per Seriendruck im Gutachten. Dem einmaligen Aufwand beim Einrichten der Tabelle und des Gutachten-Dokuments steht über die Semester ein großer Zeitgewinn gegenüber.

Bei akuter Unlust behelfe ich mir manchmal mit einem Medienwechsel, um nicht noch weitere Stunden am Rechner zu verbringen. Anstatt zu schreiben, diktiere ich dann. Dazu spreche den Text in das Mailprogramm meines Smartphones und übernehme ihn dann per Copy & Paste in das Gutachten. Dabei muss ich zwar später nachbessern, aber immerhin steht dann schon einmal etwas da, und ich muss nicht bei Null anfangen. Zur Motivationssteigerung dient die so aufkommende Abwechslung allemal.

3) Konkrete Korrekturanmerkungen

Dieser Punkt erfordert etwas Selbstdisziplin. Ich zwinge mich dazu, meine Korrekturanmerkungen so zu formulieren, dass ich im weiteren Verlauf direkt wieder etwas damit anfangen kann. Da ich das Gutachten nicht immer direkt im Anschluss an die Lektüre erstellen kann, ist das ein wesentlicher Punkt für mich.

Schnell macht man ein Ausrufungszeichen an den Rand, wenn eine Stelle außerordentlich gut geraten ist, oder eben eine Wellenlinie, wenn Inhalte fragwürdig sind. Blättere ich später in der Arbeit, muss ich diesen Teil erst noch einmal überfliegen, um zu wissen, worum es ging. Ich muss mich neu hineindenken und noch einmal überlegen, was ich eigentlich meinte. Besser ist es also, nicht nur grafisch, sondern mit Worten zu arbeiten und da dann auch möglichst konkret. Also nicht „Guter Gedanke!“, sondern „Gut, hier X und Y zu verknüpfen!“. Dann weiß ich auch Tage und Wochen später gleich, worum es ging.

Das Gutachten und seine „Weiterverwendung“

Beim Verfassen des Gutachtens berücksichtige ich ein paar Punkte von vorne herein, damit ich bei der „Weiterverwendung“ weniger Aufwand habe. Darunter fällt alles, was im Nachgang zum Gutachten passieren wird oder passieren könnte: die mündliche Prüfung, Feedback-Gespräche mit den Studierenden und drohende Drittgutachten.

Während ich das Gutachten erstelle (und natürlich auch schon beim Lesen der Arbeit), notiere ich quasi nebenbei mögliche Fragen für die mündliche Prüfung. Das können Rückfragen zu unklaren Inhalten oder zum methodischen Vorgehen sein. Oder mir fallen Ungereimtheiten zu dem auf, was im Vorfeld besprochen wurde. Wenn ich das alles sofort aufschreibe, muss ich mich kurz vor der Prüfung nicht noch einmal neu hineindenken.

Viele Studierende nutzen die Möglichkeit zu einem Feedback-Gespräch. Da dieses erst stattfinden kann, wenn die Note offiziell bekanntgegeben wurde, liegt eine vergleichsweise lange Zeit zwischen der intensiven Lektüre der Arbeit und diesem Gespräch. Ich versuche also den Termin so gut wie es geht, vorauszudenken, so dass ich nicht erst ausführlich in der Arbeit blättern muss, um überhaupt etwas Sinnvolles sagen zu können. In der oben erwähnten Excel-Tabelle kennzeichne ich für diesen Zweck die besonders wichtigen Punkte farblich.

In den unerfreulichen Fällen, in denen es zu einem Drittgutachten kommt, sollte mein Gutachten so formuliert sein, dass möglichst wenige Rückfragen vom Prüfungsausschuss auftauchen. Um mögliche Einwände vorwegzunehmen, mache ich im Gutachten wichtige Absprachen transparent, die ich während der Betreuung mit dem Studierenden getroffen habe. Sollte ein Studierender nicht kooperiert haben (die berühmte „Beratungsresistenz“), schreibe ich auch das in einer diplomatischen Formulierung in das Gutachten.

Zeitmanagement trifft Multiprojektmanagement

Hier noch einmal kurz zusammengefasst meine Lösungen für ein akademisches Multiprojektmanagement:

  • ähnliche Aufgaben bündeln: Kolloquien statt Einzeltermine, Korrekturdurchläufe bündeln
  • vereinfachen: Gutachten per Excel und Serienbrief, Gutachten diktieren, konkrete Korrekturanmerkungen verwenden, vorausschauende Formulierung des Gutachtens
  • delegieren: Arbeitsblätter für Fragestellung und Exposé

Viele der Lösungen lassen sich auch anwenden, wenn man nur wenige Arbeiten zu betreuen hat. Sie entfalten ihre volle Wirkung jedoch erst bei der parallelen Betreuung mehrerer Arbeiten.

„Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Studierende sind im Laufe Ihres Studiums mit zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten konfrontiert. Diese „schimpfen“ sich mal Haus- oder Seminararbeit, man findet jedoch auch Praxis-, Projekt- Assistentenarbeiten, Praktikums- und Belegarbeiten sowie zum Ende des Studiums Bachelor- oder Masterarbeiten.

Derartige wissenschaftliche Arbeiten stellen Studierende oft vor eine neue, gewaltige Herausforderung: Häufig müssen sie erstmals in ihrem Leben sich über einen längeren Zeitraum und in einem größeren Kontext mit einer Thematik wissenschaftlich auseinandersetzen, zumindest um eine passable Note zu erzielen.

Da reicht es nicht, sich einfach den Stoff in der Nacht vorher für die anstehende Klausur „reinzuziehen“ oder mal schnell eine Präsentation aus dem Internet zu laden, rasch ein paar Folien zu ändern und dies als eigenständige Präsentation zu „verkaufen“.

Die zahlreichen Hochschul-Veranstaltungen unter dem Titel „Die lange Nacht der (aufgeschobenen) Hausarbeiten“ zeugen oft von Hürden des wissenschaftlichen Arbeitens. Gerne wird die Recherche, Analyse, empirische Erhebung oder das bloße Textschreiben verschoben mit dem Verweis: „Ich hab ja noch drei Monate Zeit, das reicht locker.“ … oder so ähnlich.

In der psychologischen Forschung und Praxis wird das Aufschieben als Prokrastination bezeichnet. Erste Studien stammen dazu aus den 70er-Jahren. Was weiß man über dieses Phänomen? Es gilt als kulturunabhängig, ist in allen Milieus und Schichten zu finden, betrifft Weiblein wie Männlein und kann pathologisch – sprich krankhaft – werden.

Was können Lehrende tun?

Aus Sicht der Studierenden gibt es sicher einige Möglichkeiten. Doch möchte ich hier vor allem die Perspektive der Lehrenden einnehmen.

Eine wissenschaftliche Arbeit kann neben ihrem eigentlichen Zweck noch eine weitere Schlüsselkompetenz vermitteln: das Projektmanagement.

Wissenschaftliche Arbeiten haben die gleichen Bedingungen wie andere Aufgaben auch, die meist mit Projekten gelöst werden. Es handelt sich in der Regel um ein neuartiges Thema, welches in einer vorgegebenen Zeit mit einer gewissen Qualität erfolgreich abgeschlossen werden sollte. Und die Ressourcen dafür, wie der Ökonom formulieren würde, sind knapp.

Eine wissenschaftliche Arbeit als Projekt zu begreifen, welches es zu managen gilt, ist Methode und Haltung zugleich. Methode, weil die Studierenden ein Handwerkszeug mitbekommen, um effizient umfangreiche Aufgaben zu lösen. Haltung, weil auch das systematische wie auch planerische Denken jedes Einzelnen geschult werden kann. Damit kann es gelingen die Komplexität einer wissenschaftlichen Fragestellung durch Systematisierung erheblich zu vereinfachen.

Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen: Ursachen für das Scheitern liegen oft in der Startphase. Das zeigen Großprojekte wie der Flughafen Berlin Brandenburg, aber auch viele kleine wissenschaftliche Projekte: Viel zu knappe zeitliche Pläne, Unterschätzung einzelner Aufgaben, Ignorieren möglicher Risiken von Beginn an etc..

Wie kann nun das Projektmanagement-Gen eingeimpft werden?

Natürlich fällt die Kompetenz eines effizienten Projektmanagements bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht vom Himmel. Aber sie kann vermittelt werden. Dazu ist zunächst eine umfassende gemeinsame Projektplanung notwendig. Dabei sind wir als Lehrende besonders gefragt. Mit unserer Erfahrung können wir Studierende auf die vielen Fallstricke hinweisen. Dazu gehören beispielsweise unwissenschaftliche Fragestellungen, viel zu enge Zeitpläne, einen Plan B bei mangelnden empirischen Daten etc..

Danach sollten gemeinsam Arbeitspakete geschnürt werden. Darin wird festgelegt, was ist bis wann mit welchen Mitteln zu erledigen? Sie meinen, dies klingt sehr formal? Stimmt. Aber Probleme wie „Jetzt habe ich vergessen die Bücher zu bestellen und kann nicht an meinem Theorie-Teil weiter schreiben“ oder „Ich wusste gar nicht, dass ich für die Befragung erst den Betriebsrat fragen muss“ gehören dann hoffentlich der Vergangenheit an.

Diese kleinen Meilensteine motivieren, wenn sie geschafft sind, und bieten einen guten Überblick über bisher Geleistetes und die Aufgaben, die noch vor einem liegen.

Projektcontrolling

Wie jedes Projekt sollte es auch ein Projektcontrolling bei wissenschaftlichen Arbeiten geben. Dieses sollte ehrlich sein, sprich etwa eine zeitliche Abweichung sollte auch als solche erkannt werden und dementsprechend nachgesteuert werden. Beispielsweise sollten Kapazitäten realistisch eingeschätzt und geplant werden. Zu einer Überforderung kann es kommen, wenn etwa Klausuren im Bearbeitungszeitraum anstehen oder private Verpflichtungen den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit unterbrechen. Dabei kommt der Einzelne verständlicherweise an seine Kapazitätsgrenze.

Im Rahmen des Projektcontrollings sollten auch Risiken bewusst gemacht werden und realistisch eingeschätzt werden. Gerade unvorhergesehene Entwicklung können viele Studierende völlig aus dem Konzept bringen. Ein immer wiederkehrendes Beispiel ist bei empirischen Erhebungen eine viel zu geringe Fallzahl oder ein Mangel an Repräsentativität. Wer sich zu Beginn des Projekts damit schon einmal gedanklich auseinandergesetzt hat, empfindet es nicht als (zu) schlimm und kann rasch gegensteuern.

Wie verpflichtend sollten denn die Planungen sein?

Natürlich sollte jede Planung verpflichtend sein und auch das Papier wert sein, auf dem sie steht. Aber sie darf auch „atmen“, sprich sie sollte Abweichungen zulassen. Schließlich gelten Studierende meist als eher unerfahren in einer derartigen Arbeitsmethode. Eine gute Wirkung erzielen meiner Erfahrung nach „Verträge“ zwischen Studierenden und Lehrenden. Dabei können zu Beginn ihrer Arbeit die Studierenden nicht nur ihre Gliederung, sondern auch ihre Projektplanung mit dem Lehrenden absprechen. Beides sollte schriftlich fixiert werden und eventuell von beiden unterzeichnet sein. Feste Meilensteine des Projekts „wissenschaftliche Arbeit“ sollten vorher festgehalten und als gemeinsame Termine vereinbart werden. Die Studierenden sollten die Gesprächsinhalte wie die Bewertung der bisherigen Arbeit und die Planung zukünftiger Aufgaben dokumentieren. Mit der Unterschrift beider Parteien, der Studierenden wie auch der Lehrenden, bekommt das Ganze einen verbindlichen Charakter. Das schützt auch vor späteren unangenehmen Missverständnissen.

Das angesprochene Projektmanagement-Gen kann also vermittelt werden: In Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, in Kolloquien, aber auch in persönlichen Gesprächen während der Projektphase.

Welche Erfahrungen haben Sie denn im Bezug auf Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten gemacht?

 

Über den Autor

StefanDoblerStefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

 

 

 

 

Update 01.05.2016: In der Fortsetzung des Beitrags geht es um die individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte.