„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“ – Individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Fortsetzung und Vertiefung des Artikels „Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Prinzipiell bin ich kein großer Freund von Zitaten zu Beginn von eigenen Ausführungen. Obwohl dies für einen Dozenten des wissenschaftlichen Arbeitens fast schon paradox klingt. Ich tue es hier trotzdem.

In der Didaktik des wissenschaftlichen Arbeitens ist es letztlich genauso wie in der großen Politik. In einer außenpolitischen Grundsatzrede an der Militärakademie in West Point formulierte Barack Obama im Jahr 2014 den Satz:

„Nur weil wir den besten Hammer haben, ist nicht jedes Problem ein Nagel.“

Unter dem „besten Hammer“ verstand er hierbei die militärischen Möglichkeiten seines Landes und stellte sogleich klar, dass diese keine generelle Lösung darstellen dürfen. Was nun in der großen Weltpolitik gilt, gilt auch für wissenschaftliche Arbeiten. Und dies in zweierlei Hinsicht.

  • Einerseits sollten wir Lehrenden den Studierenden mehrere Werkzeuge mit auf den akademischen Weg geben und ihnen die sinnvolle Anwendung zeigen und vorleben. Doch dies wäre ein Thema für einen anderen Beitrag.
  • Andererseits gilt dies auch für uns Lehrende. Nur weil eine Methode sich in unserer Didaktik bislang bewährt hat, heißt dies noch lange nicht, dass sie immer anwendbar ist. Dies mag banal klingen, doch wir sollten uns dem immer bewusst sein. Bleiben wir bei diesem Thema. Es lohnt sich.

In diesem Blogbeitrag steht ganz lapidar: „Es ist wichtig, dass das Fach Wissenschaftliches Arbeiten gut gelehrt wird.“ Dem kann ich nur zustimmen. Doch was heißt dies nun didaktisch ganz konkret, wenn eine wissenschaftliche Arbeit nicht nur geschrieben, sondern als Projekt verstanden und gemanagt wird?

Wir haben alle eine fundierte methodische Ausbildung und würden gerne unsere Erfahrungen didaktisch angemessen weitergeben. Für mich ist hier der didaktische Aspekt im Hinblick auf das Projektmanagement wichtig.

Wie kann dieser Spirit des Projektmanagements individuell angepasst vermittelt werden?

Bereits zu Beginn dieser Betrachtung kann ich Ihnen sagen: Nicht immer mit dem Hammer! Warum? Weil wir es bei Studierenden natürlich mit unterschiedlichsten Charakteren und Kompetenzen zu tun haben. In den letzten knapp zehn Jahren meiner Lehrtätigkeit sind mir mehrere Typen von Studierenden begegnet, welche ich für mich nach drei Dimensionen bewerte:

  1. Inhaltliche Dimension: Unter dieser Dimension verstehe ich beispielsweise, welche Themen die Studierenden gewählt haben und wie sie für diese recherchiert haben. Darüber hinaus ist mir auch wichtig, wie etwa die Gliederung aufgebaut oder die Aussagen fundiert und problematisiert werden.
  2. Methodische Dimension: Hier ist mir wichtig, welche wissenschaftliche Werkzeuge Studierende für die jeweilige Fragestellung anwenden, wie sicher sie darin sind und wie sie die Umsetzung gestalten.
  3. Formale Dimension: Dieser Aspekt bezieht sich auf die äußere Form, die Einhaltung wissenschaftlicher Standards sowie die Einhaltung von Terminabsprachen.

Es gibt nun Studierende, die in allen Bereichen (schon) hohe Kompetenzen aufweisen. Bei diesen sollten die Lehrenden versuchen mit Fingerspitzengefühl die Arbeit zu betreuen. Als Werkzeug wende ich hier gerne eine Vereinbarung von weiteren Entwicklungsmöglichkeiten an. Dabei stellt sich die Frage, was die Studierenden sonst noch erreichen möchten? Im Rahmen des Projektmanagements sollte hierbei vor allem darauf geachtet werden, dass die Studierenden nicht zu viel wollen und sich im schlimmsten Fall insbesondere zeitlich „verzetteln“. Darunter leidet natürlich dann auch immer die Qualität der Arbeit.

Am entgegengesetzten Pol finden sich Studierende, die in allen drei Bereichen (bislang) nur geringe Kompetenzen aufweisen. Hier sind wir als Lehrende besonders im Projektcontrolling gefordert. Dort sollten wir immer wieder Zwischenergebnisse einfordern und terminliche Vereinbarungen thematisieren, um sowohl den formalen als auch den inhaltlichen und methodischen Anforderungen gerecht zu werden. Studierende sind in dieser Situation oft überfordert. Neben der Fokussierung auf formale Kriterien sollten wir hier auch menschlich begleiten. Problematisch wird eine derartige Situation in höheren Semestern. Denn dann ist vor allem das eigenständige und nicht das begleitete oder angeleitete wissenschaftliche Arbeiten erforderlich.

Wie schon beim Korrigieren sind die „Dazwischenstehenden“ besonders problematisch. Welche Studierenden-Typen sind damit gemeint? Nun, es gibt theoretisch mehrere Möglichkeiten:

  • Hohe inhaltliche, jedoch geringe methodische und formale Kompetenz:

Dieser Studierendentyp neigt oft zu deskriptiven Arbeiten, in denen Bücher einfach nur zusammengefasst werden.

  • Hohe methodische, jedoch geringe inhaltliche und formale Kompetenz:

Studierende testen hier oft eine „aufgeschnappte“ Methode aus, ohne diese zu reflektieren.

  • Hohe formale, jedoch geringe inhaltliche und methodische Kompetenz:

Hier überzeugen Studierende oft mit tollen Graphiken, aber wenig Inhalt.

  • Hohe inhaltliche und methodische, jedoch geringe formale Kompetenz:

Hierunter finden sich manchmal verborgene Genies, die spannende Themen innovativ bearbeiten, aber das Einhalten von Seitenbegrenzungen oder Abgabefristen als lästige Sekundärtugenden empfinden.

  • Hohe inhaltliche und formale, jedoch geringe methodische Kompetenz:

Dies betrifft wieder die korrekten „Zusammenfasser“, die sich auch an Formalia halten, aber das Wissenschaftliche noch nicht umfassend verinnerlicht haben.

  • Hohe methodische und formale, jedoch geringe inhaltliche Kompetenz:

Hier neigen Studierende zur Einbringung spannender methodischer Ansätze, die auch formal korrekt eingebettet sind, jedoch beispielsweise jede theoretische Fundierung vermissen lassen.

Bei diesen Dazwischenstehenden ist stets mindestens eine Kompetenz schwächer ausgeprägt.

Der Umgang mit den Schwächen

Schwächen im Bereich der inhaltlichen Kompetenz können im Projektmanagement dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders im Bereich der Gliederung betreut werden. Hier sollten Dozierende darauf achten, dass das Thema zumindest in seiner Breite abgedeckt wird. Eine intensive Begleitung ist hier besonders zu Beginn der Arbeit wichtig.

Schwächen im Bereich der methodischen Kompetenz können dadurch gelöst werden, dass Studierende besonders vor und während der möglichen Feldphase betreut werden. Hier sollten Studierende mit deren eigenen Erwartungen und Befürchtungen aktiv konfrontiert werden. Dabei lasse ich Studierende dabei oft ein Best-Case- oder Worst-Case-Szenario formulieren. Dies kann etwa bedeuten, dass die Studierenden sich dazu Gedanken machen, was zu tun ist, wenn zu wenig Probanden teilnehmen, der Betriebsrat der Befragung nicht zustimmt etc.

Schwächen im Bereich der formalen Kompetenz können wiederum durch Projektcontrolling gelöst werden. Hier darf man Studierende auch in die Pflicht nehmen, feste Termine einzuhalten und dies auch zu dokumentieren. Gerade dieser Bereich sollte von aktivem Fördern und Fordern geprägt sein.

Doch egal mit welchem Studierendentyp man konfrontiert wird: Um eine Haltung zu vermitteln, ist Geduld immer wichtig. Das ist eine Grundkonstante.

Erkennen Sie den einen oder anderen beschriebenen Typ wieder?

 StefanDobler

Stefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

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