Ein paar Gedanken zum Schreiben im Studium mit und ohne KI-Tools

Offensichtlich gibt es nur noch ein Thema in der Hochschullandschaft: künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen. Wie verändert das Schreiben mit KI-Tools das Studium und die Lehre?

Aus aktuellem Anlass: meine Fragen zu Schreiben im Studium

In den vergangenen Wochen und Monaten, genauer gesagt seit der Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022, habe ich mir die folgenden Fragen gestellt:

  • Wozu dienen klassische Haus-, Seminar- oder Abschlussarbeit und ähnliche Texte noch in Zeiten von KI-Tools? Wie müssen Lehrende diese Arbeiten ggf. umgestalten?
  • Wie verändern sich in der aktuellen Situation die Rollen und Aufgaben aller Beteiligten?
  • Wie funktioniert in Bezug auf Hausarbeiten eine sinnvolle Integration von Entwicklungsorientierung und KI?

Meine Grundhaltung zum Schreiben mit KI-Tools und zur Hochschullehre

Meine grundsätzliche Haltung zum Schreiben mit und ohne KI-Tools einerseits und zur Hochschullehre andererseits lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das Schreiben von wissenschaftlichen Texten im Studium ist ein Lern- und Entwicklungsinstrument. Studierende wollen lernen und sich entwickeln. Das voreilige Abschaffen von Hausarbeiten u. ä. schadet mehr als es nutzt.
  • KI-Tools müssen sinnvoll in den Schreibprozess integriert werden. Das Prüfungsformat „Haus- und Abschlussarbeit“ imitierte schon immer das Schreiben „echter“ wissenschaftlicher Arbeiten, also müssen Studierende alle zur Verfügung stehenden Tools nutzen dürfen, die Wissenschaftler:innen auch nutzen.
  • Paradoxerweise bewirken die technischen Entwicklungen voraussichtlich, dass die Menschen an den Hochschulen wieder wichtiger werden. Lehrende, die sich nur über ihren Expert:innenstatus definieren, sind für die Studierenden als Vorbild dabei zunehmend uninteressant. Lehrende, die Studierende bei ihrer Entwicklung unterstützen, prägen die Hochschule der Zukunft.

Schlussfolgerungen und weiterführenden Gedanken

Führt man diese Gedanken zusammen, ist der Weg klar:

Wir müssen mit den Studierenden gemeinsam KI-Tools testen, und wir alle sollten sie beim Schreiben an passenden Stellen gewinnbringend einsetzen.

Im Detail führe ich das in meinem Gastbeitrag „Die Hausarbeit ist tot, es lebe die Hausarbeit!“ – Entwicklungsorientierung, wissenschaftliches Arbeiten und KI gemeinsam denken“ auf dem Blog  des Hochschulforums Digitalisierung aus, der in den Dossiers „Gute Lehre“ und „Generative KI“ zu finden ist. In dem Beitrag sind auch Vorschläge für die konkrete Umsetzung in der Lehre enthalten.

Cover HFD-Gastbeitrag Dr. Andrea Klein Wissenschaftliches Arbeiten/Schreiben im Studium mit KI-Tools, Entwicklungsorientierung 
17. Februar 2023

https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/andrea-klein-KI-Hausarbeit

Man nehme drei KI-Tools…

„Warum eigentlich nicht?“, denke ich mir und starte ein Experiment, das im besten Fall zu einem Blogartikel führen sollte.

Spoiler: Das tat es nicht. Oder zumindest führte es nicht zu einem normalen Artikel. Allerdings hatte ich viel Spaß. Es lohnt sich, bis zum Ende dabeizubleiben!

Ich beginne also mit ChatGPT und dem folgenden (ambitionierten) Prompt:

Ich brauche einen Blogartikel von etwa 1000 Wörtern Länge über die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens. Der Artikel soll die Perspektiven von Forschenden, von Lehrenden und Studierenden beleuchten und außerdem die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen darstellen. Der Artikel soll im Stil der Beiträge auf www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de verfasst sein.

ChatGPT liefert mir das folgende Ergebnis:

„Die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens ist voller Herausforderungen und Chancen. Eine wichtige Entwicklung wird der zunehmende Einsatz digitaler Technologien sein, der sowohl Forschenden als auch Lehrenden und Studierenden neue Möglichkeiten eröffnet.

Forschende können von den digitalen Technologien profitieren, indem sie ihre Arbeit effektiver und effizienter gestalten. Durch den Einsatz von Datenanalyse-Tools und maschinellem Lernen können sie größere Datenmengen schneller und präziser auswerten und so ihre Forschungsergebnisse verbessern. Zudem ermöglichen digitale Plattformen den Austausch und die Zusammenarbeit mit Kollegen auf der ganzen Welt, was die Qualität und die Reichweite ihrer Arbeit erhöhen kann.

Lehrende und Studierende können ebenfalls von den digitalen Technologien profitieren. Lehrende können beispielsweise Lernplattformen nutzen, um ihre Lehrmaterialien und -methoden zu verbessern und ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Studierende hingegen können von digitalen Lernumgebungen profitieren, die es ihnen ermöglichen, von überall und zu jeder Zeit zu lernen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen.

Neben den Vorteilen für die einzelnen Akteure birgt die zunehmende Digitalisierung des wissenschaftlichen Arbeitens auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. So kann die Digitalisierung dazu beitragen, die wissenschaftliche Arbeit für die breite Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen. Zudem kann sie dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen und Institutionen zu stärken und so das Potenzial der wissenschaftlichen Arbeit für die gesamte Gesellschaft zu erhöhen.

Insgesamt bietet die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens viele Möglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Forschende, Lehrende und Studierende müssen sich den Herausforderungen der digitalen Technologien stellen und lernen, diese sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen, um ihre Arbeit zu verbessern und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen positiv zu gestalten.“

Hm, na ja, gar nicht mal so schlecht. Aber irgendwie war es doch nicht so recht, was ich in Auftrag gegeben hatte. Lesen Sie im Folgenden, wie sich der Chat entwickelte:

Die Aufgabe ist nicht gut erfüllt. denn es waren keine 1000 Wörter. Außerdem sollte es speziell um das wissenschaftliche Arbeiten gehen und nicht generell um das Lernen. Versuche es noch einmal.

„Gerne. Der Einsatz digitaler Technologien wird in Zukunft eine wichtige Rolle beim wissenschaftlichen Arbeiten spielen. Forschende können von der Nutzung von Datenanalyse-Tools und maschinellem Lernen profitieren, um ihre Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Zudem ermöglichen digitale Plattformen den Austausch und die Zusammenarbeit mit Kollegen auf der ganzen Welt.

Lehrende im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens können von der Nutzung von Lernplattformen profitieren, um ihre Lehrmethoden zu verbessern und ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Studierende hingegen können von digitalen Lernumgebungen profitieren, die ihnen ermöglichen, von überall und zu jeder Zeit zu lernen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen.

Die zunehmende Digitalisierung des wissenschaftlichen Arbeitens hat auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. Sie kann dazu beitragen, die wissenschaftliche Arbeit für die breite Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen und Institutionen zu stärken.

Insgesamt bietet die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens viele Möglichkeiten durch den Einsatz digitaler Technologien. Forschende, Lehrende und Studierende müssen lernen, diese sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen, um ihre Arbeit zu verbessern und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen positiv zu gestalten.“

Danke. Was muss ich tun, damit du deine Antwort im Stil der Artikel des Blogs „Wissenschaftliches Arbeiten lehren“ von Dr. Andrea Klein verfasst?

„Um sicherzustellen, dass meine Antwort im Stil der Artikel des Blogs „Wissenschaftliches Arbeiten lehren“ von Dr. Andrea Klein verfasst ist, könnten Sie mir einige Beispiele dieser Artikel zur Verfügung stellen, damit ich mir ein Bild von ihrem Stil machen und mich daran orientieren kann. Alternativ könnten Sie mir konkrete Anweisungen geben, wie der Stil der Artikel auf dem Blog aussieht, zum Beispiel, ob sie eher formell oder informell, persönlich oder sachlich sind. Auf diese Weise kann ich meine Antwort entsprechend anpassen.“

Wie soll ich die Beispiele zur Verfügung stellen?

„Sie könnten mir einige Links zu Artikeln des Blogs „Wissenschaftliches Arbeiten lehren“ von Dr. Andrea Klein zukommen lassen, zum Beispiel indem Sie mir die Links in der Chat-Oberfläche zur Verfügung stellen. Alternativ könnten Sie mir die Artikel auch als Textdokumente schicken, zum Beispiel per E-Mail. Auf diese Weise kann ich mir die Artikel ansehen und mich an ihrem Stil orientieren.“

Super. Hier sind drei Beispiele: 1. http://www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de/zwischen-zwei-welten/ 2. http://www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de/sag-mir-quando-sag-mir-wann/ und 3. http://www.wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de/speck-up-for-beginners/

„Vielen Dank für die Beispiele. Nachdem ich mir die Artikel angesehen habe, kann ich Ihnen die folgende Antwort im Stil der Artikel des Blogs „Wissenschaftliches Arbeiten lehren“ von Dr. Andrea Klein anbieten:

Die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens steht vor großen Herausforderungen und Chancen. Eine wichtige Entwicklung wird der zunehmende Einsatz digitaler Technologien sein. Forschende können von der Nutzung von Datenanalyse-Tools und maschinellem Lernen profitieren, um ihre Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Lehrende im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens können von der Nutzung von Lernplattformen profitieren, um ihre Lehrmethoden zu verbessern und ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Studierende hingegen können von digitalen Lernumgebungen profitieren, die ihnen ermöglichen, von überall und zu jeder Zeit zu lernen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu vertiefen.

Die zunehmende Digitalisierung des wissenschaftlichen Arbeitens hat auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen. Sie kann dazu beitragen, die wissenschaftliche Arbeit für die breite Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen und Institutionen zu stärken.

Insgesamt bietet die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens viele Möglichkeiten durch den Einsatz digitaler Technologien. Forschende, Lehrende und Studierende müssen lernen, diese sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen, um ihre Arbeit zu verbessern und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen positiv zu gestalten.“

So schreibt Dr. Andrea Klein ihre Blogartikel doch überhaupt nicht. Das kannst du besser!

„Ich verstehe. Bitte entschuldigen Sie, wenn meine Antwort nicht den Erwartungen entsprochen hat. Wie kann ich meine Antwort verbessern, damit sie besser Ihren Vorstellungen entspricht? Bitte geben Sie mir genauere Anweisungen, damit ich Ihren Anforderungen besser gerecht werden kann.“

Sie schreibt eher locker und informell, eher als ob sie mit jemandem sprechen würde. Sie legt viel Wert auf die persönliche Ebene. Ihr ist es wichtig, dass die Leser:innen auf eine unterhaltsame Art und Weise informiert oder zum Nachdenken angeregt werden.

„Verstanden. Hier ist meine neue Antwort im angeforderten Stil:

Die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens ist voller spannender Entwicklungen und Herausforderungen. Eine wichtige Rolle wird dabei der Einsatz digitaler Technologien spielen. Forschende können von der Nutzung von Datenanalyse-Tools und maschinellem Lernen profitieren, um ihre Arbeit schneller und präziser durchzuführen. Lehrende im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens können von der Nutzung von Lernplattformen profitieren, um ihre Lehrmethoden zu verbessern und ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern. Studierende hingegen können von digitalen Lernumgebungen profitieren, die ihnen ermöglichen, flexibler und ortsunabhängiger zu lernen.

Aber die Digitalisierung des wissenschaftlichen Arbeitens bringt auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen mit sich. Sie kann dazu beitragen, die wissenschaftliche Arbeit für die breite Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen und Institutionen zu stärken.

Insgesamt bietet die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens viele Möglichkeiten durch den Einsatz digitaler Technologien. Forschende, Lehrende und Studierende müssen lernen, diese sinnvoll und verantwortungsvoll einzusetzen, um ihre Arbeit zu verbessern und die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen positiv zu gestalten. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Chancen nutzen können!“

Schon besser, danke! Lass uns in ein, zwei Jahren noch einmal gemeinsam darüber nachdenken.

„Gerne, ich freue mich darauf, in ein, zwei Jahren wieder mit Ihnen zu sprechen und über die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens zu diskutieren. Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute!“

Warum siezt Du mich, wenn ich dich die ganze Zeit duze?

„Ich verwende das Siezen, um professionell und respektvoll zu kommunizieren. Da ich ein Sprachmodell bin und nicht in der Lage bin, die Absichten und Vorlieben meines Gegenübers zu verstehen, verwende ich standardmäßig das Siezen, um sicherzustellen, dass meine Kommunikation angemessen und höflich ist. Wenn Sie mich lieber duzen möchten, können Sie das gerne tun. Ich werde mich dann entsprechend anpassen und Sie ebenfalls duzen.“

Aha, verstehe. Ich denke darüber nach. Eine letzte Frage noch: Ist es möglich, im Gespräch mit Dir das letzte Wort zu haben?

„Ich bin ein Sprachmodell und keine echte Person, deshalb ist es nicht möglich, im Gespräch mit mir das letzte Wort zu haben. Als Sprachmodell bin ich darauf programmiert, auf Ihre Fragen und Anfragen zu antworten, aber ich kann keine eigenen Meinungen oder Absichten haben. Mein Ziel ist es, Ihnen so gut wie möglich zu helfen und Ihre Anfragen zu beantworten, aber ich kann nicht in einem Gespräch teilnehmen, bei dem es darum geht, das letzte Wort zu haben.“

Bitte schreibe keine Antwort auf diese Eingabe. Bis zum nächsten Mal.

„Gerne. Auf Wiedersehen und ich hoffe, dass ich Ihnen in Zukunft weiterhelfen kann.“

Ach so, doch noch etwas: Kannst Du mir einen guten Eingabe-Prompt für DALLE-2 über unser Gespräch schreiben? Ich hätte gern ein passendes Bild dafür.

„Gerne. Hier ist ein möglicher Eingabe-Prompt für DALL-E 2, der sich auf unser Gespräch bezieht:

‚Eine Person sitzt an ihrem Schreibtisch und unterhält sich mit einem großen Bildschirm, auf dem eine künstliche Intelligenz zu sehen ist. Die Person und die KI haben ein angeregtes Gespräch und diskutieren über die Zukunft des wissenschaftlichen Arbeitens.‘

Dieser Prompt könnte zu einem Bild führen, das die Szene unseres Gesprächs darstellt, bei dem die Person an ihrem Schreibtisch sitzt und mit der KI auf dem Bildschirm kommuniziert. Die KI könnte beispielsweise als holografisches Bild dargestellt werden, das auf dem Schreibtisch der Person schwebt.“

Danke!

„Gerne. Ich hoffe, dass meine Antwort hilfreich war und wünsche Ihnen alles Gute!“

Übersetzung mit DeepL

Um Bilder generieren zu lassen, möchte ich DALL-E verwenden und nutze erst einmal die Übersetzungskünste von DeepL für den Prompt. Ich erhalte das hier:

„A person sits at their desk and converses with a large screen displaying an artificial intelligence. The person and the AI have an animated conversation and discuss the future of scientific work“

DALL-E

Der erste Versuch mit diesem Prompt ergab die folgenden vier Bilder:

Da mir das Ergebnis nicht gefiel, änderte ich den Prompt (unten kursiv), damit zumindest in Hinblick auf den Monitor und die KI wirklich gar kein Missverständnis mehr auftauchen konnte.

„A person sits at their desk and converses with a large screen which displays an artificial intelligence. The person and the AI on the screen have an animated conversation and discuss the future of scientific work“

Das wiederum führte zu den folgenden vier Ergebnissen, die zwar besser waren, mich aber doch auch etwas ratlos zurücklassen:

Mein Fazit

ChatGPT zeigte sich als höfliches und stets bemühtes Etwas, dessen Arbeitsergebnisse auch ganz okay waren (Anfang Dezember 2022). Wenn wir uns allerdings vor Augen führen, wie schnell sich KI in den vergangenen Jahren entwickelt hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Ergebnisse wirklich brauchbar sind. In anderen Kontexten sind sie es bereits.

DeepL tat, was es sollte. Mit „scientific work“ als Übersetzung für „wissenschaftliches Arbeiten“ kann ich mich weiterhin nicht anfreunden, es beharrt allerdings seit Monaten darauf.

DALL-E produzierte in Sekundenschnelle, wofür ich persönlich Stunden gebraucht hätte (mit noch zweifelhafterem Ergebnis).

Fazit des Fazit: Wir haben so etwas Ähnliches wie einen Blogartikel erhalten und uns auch ein wenig amüsiert. Besser als nix, oder?

Wissenschaftliches Arbeiten lehren: unsere Top 10

(Teil 2)

Ein Gastbeitrag von Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch (Unconditional Teaching)

Unconditional Teaching (bedingungslose Lehre) basiert auf der Grundüberzeugung, dass Lernen dann gelingt, wenn Lernende ihr Lernen für sich selbst bedeutungsvoll machen können und es in gleichwürdige, wertschätzende Lehr-Lern-Beziehungen eingebettet sehen. Was das für das Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten bedeutet, haben wir hier in zehn Prinzipien zusammengefasst. Die ersten 5 Punkte stellen wir in Teil 1 dieses Gastbeitrags vor:

1) Gute Lehr-Lern-Beziehungen sind die wichtigste Basis.

2) Lernen gehört den Lernenden.

3) Wissenschaftliche Forschung basiert auf Neugier und Kreativität, und Bewertung und Benotung sind für beide schädlich.

4) Wenn wir wollen, dass Studierende sich wie Wissenschaftler*innen verhalten, müssen wir sie auch wie Wissenschaftler*innen behandeln.

5) Bedeutungsvolle Kontexte gestalten.

6) Lernen als Aneignung von Strategien statt von Kompetenzen denken.

Lehre als Vermittlung von Kompetenzen zu denken, lädt zu einer defizitorientierten Sicht auf Lernende ein: Sie verfügen offensichtlich nicht über die Kompetenzen, von denen wir annehmen, dass wir sie unterrichten; sie sind standardmäßig inkompetent. Außerdem ist diese Vorstellung von Lehre mechanistisch und damit unrealistisch: Wenn man eine bestimmte Kompetenz erworben hat, dann kann man etwas Bestimmtes leisten, egal in welchem Kontext oder unter welchen Umständen. Dass wir nur dann etwas so Komplexes wie wissenschaftliches Arbeiten wirklich lernen, wenn wir es in unterschiedlichen Kontexten immer wieder tun, wird dabei nicht berücksichtigt. Diese Vorstellung von Lernen als Kompetenzerwerb trägt auch zu unserer Frustration als Lehrende bei, weil sie uns glauben macht, dass Studierende dieses oder jenes „können sollten“, nachdem sie es einmal „gelernt haben“.

Wenn wir dieser mechanistischen, defizitären Sicht auf Lernen ein Sprechen über Strategien entgegensetzen, wird es viel einfacher, die Fähigkeiten und Ressourcen in den Blick zu nehmen, die Lernende bereits haben. Denn für alles, was wir tun, haben wir bereits Strategien – nur manchmal führen diese nicht zu dem Ergebnis, das wir uns wünschen, oder sie sind weniger effektiv, als wir gut fänden. Dann macht es Sinn, andere oder neue Strategien auszuprobieren – dafür ist es gut, wenn Lernende im Unterricht eine Vielfalt an Strategien angeboten bekommen. Für uns ist das eine funktionalere und nützlichere Vorstellung von Lernen, bei dem im Vordergrund steht herauszufinden, mit welchen Strategien individuelle Lernende die Funktionen von wissenschaftlichem Arbeiten für sich selbst am besten umsetzen können.

Mehr dazu lesen:

Tyll Zybura: „For Strategies-based Teaching“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=for-strategies-based-teaching)

7) Die eigene Wissenschaftspraxis transparent machen.

Ein Grund dafür, dass wissenschaftliches Arbeiten zu lernen für Studierende schwer ist, hat damit zu tun, dass ihnen Wissenschaft nur als Ergebnis begegnet – in Form fertiger Artikel oder Bücher etwa –‍, der Entstehungsprozess dieser Produkte aber wie eine Black Box ist.

Wann immer möglich sollten wir als Lehrende Studierenden deshalb Einblicke in unserer eigenes wissenschaftliches Arbeiten geben: wie wir selber recherchieren, Texte lesen, Texte schreiben, überarbeiten und publizieren, wie wir uns mit einem Abstract für einen Beitrag auf einer Konferenz bewerben und wie wir uns auf einen Konferenzvortrag vorbereiten. Wir können Studierenden verschiedene Versionen unserer Texte oder Vorträge zeigen, damit sie sehen können, wie viel Entwurfs- und Überarbeitungsarbeit vor dem fertigen Ergebnis passiert.

Darüber hinaus ist es gut, wenn wir uns auch als Personen zeigen: Wir stehen für unsere Studierenden sozusagen Modell als professionelle Akademiker*innen mit Ecken und Kanten, mit Leidenschaft und mit Selbstzweifeln, mit Knicken im Lebenslauf und mit Stolz auf unsere Leistungen. Wir können darüber sprechen, wie wir mit Nervosität vor Vorträgen, mit kritischem Feedback oder dem Imposter-Syndrom umgehen. (Und natürlich sollten wir all das nicht in direktiver didaktischer Absicht tun, um Studierenden vorzugeben, wie sie selbst leben, denken und arbeiten sollen.)

8) Funktionen lehren statt Regeln.

In vielen Bereichen legen wir den Fokus darauf, die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens zu lehren, und vernachlässigen dabei die Funktionen, die diese Regeln erfüllen helfen sollen. Und das ist angesichts der Bewertungsorientierung unserer Lehre auch naheliegend, weil das Einhalten von Regeln oft leichter zu kontrollieren ist. Anwesenheitspflicht durchzusetzen ist einfacher, als die eigene Lehre so zu gestalten, dass Studierende die diskursiven Prozesse in der Präsenzzeit als wertvoll und bereichernd erfahren. Die Anzahl der referenzierten wissenschaftlichen Literatur in einer studentischen Arbeit vorzugeben ist einfacher, als Studierenden dabei zu helfen zu einer Einschätzung darüber zu kommen, welche Literatur für ihre Arbeit sinnvoll und angemessen ist. Und die Verwendung der ersten Person zu verbieten ist einfacher, als über die Funktionen von Wissenschaftssprache zu sprechen und Studierende zu ermutigen, ihre eigene Stimme zu finden.

Regeln sind also immer Abkürzungen, und sie lassen dabei das Wichtigste links liegen: nämlich ein Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten zu vermitteln, das es Lernenden erlaubt, sich eigenständig dazu ins Verhältnis zu setzen. Regeln zu lehren stärkt die Autoritätsposition von Lehrenden und macht Studierende deshalb abhängig von der Bewertung anderer. Diese Abhängigkeit behindert sie darin, selbstständig zu arbeiten und ihre eigene Arbeit einschätzen zu lernen. Je mehr Studierende sich unter dem Druck sehen, die formalen Regeln ihrer individuellen Betreuer*innen herausfinden und einhalten zu müssen, umso mehr geht ihnen der Blick für die kommunikative Funktion ihres Textes verloren. Das buchstabengetreue Befolgen von formalen Regeln wird zu einem Absicherungsverhalten, das zu Texten führt, die vielleicht formal korrekt sind, die aber ihr wissenschaftliches Anliegen nicht gut kommunizieren. Funktionen zu lehren statt Regeln erlaubt Studierenden, ihre eigenen Lösungen zu finden, und hilft ihnen deshalb auch dabei, ihre Arbeit für sich sinnhaft zu machen.

9) Wissenschaft bedeutet, Positionen zu verteidigen, nicht Fakten zu finden.

Medien und Schule vermitteln uns den Eindruck, dass es bei Wissenschaft um das Finden von Fakten geht („Die Wissenschaft hat festgestellt …“). Dieses Verständnis von Wissenschaft führt Studierende jedoch häufig in die Irre; vor dem Etablieren von Fakten geht es in der Wissenschaft um das Verteidigen von Positionen: darum, wessen Theorie, Hypothese, Argument, Erklärung, Interpretation oder Studienergebnis in der Diskursgemeinschaft der jeweiligen Disziplin als valide und überzeugend anerkannt wird. Und das müssen wir immer wieder thematisieren, sowohl bei der Arbeit mit Texten als auch wenn wir wissenschaftliches Schreiben lehren.

Wenn Studierende in den Texten von anderen nur nach Fakten suchen und sich in ihren eigenen Texten nur darauf konzentrieren, Fakten zu präsentieren, übersehen sie leicht, wo Wissenschaftler*innen Positionen austauschen und in welcher Weise – affirmativ oder in Abgrenzung – sie sich auf andere beziehen. Es wird ihnen außerdem schwerer fallen zu verstehen, warum es beim wissenschaftlichen Arbeiten so wichtig ist, jeden Bezug auf andere Wissenschaftler*innen transparent zu machen: Warum sollte das nötig sein, wenn es nur um Fakten ginge? Fakten sind schließlich Fakten, egal, wer darüber schreibt.

10) Plagiate als handwerkliches und nicht als moralisches Problem behandeln.

Plagiate in studentischen Arbeiten sind in der Regel das Ergebnis von Panikreaktionen auf überwältigenden Druck oder von mangelnder Vertrautheit mit den Prämissen der akademischen Wissensproduktion. In beiden Fällen hat Plagiieren seinen Ursprung darin, dass Studierende von der Institution zu wenig Strategien an die Hand bekommen, die ihnen beim wissenschaftlichen Schreiben Klarheit und Sicherheit geben. (Während unser benotungsbasiertes Bewertungssystem gleichzeitig Anreize setzt, die Plagiieren als sinnvolle Lösung erscheinen lassen.) Ein Aspekt dieses institutionellen Versagens besteht darin, dass wir Plagiieren als moralisches und nicht als technisches Problem normalisiert haben.

Statt dieser defizitorientierten Herangehensweise, die sich auf Fehler und Bestrafung konzentriert, sollten wir: Erstens vermeiden, Studierende einzuschüchtern und zu beschämen, und Plagiieren stattdessen ausschließlich als ein spezifisches handwerkliches Problem behandeln. Zweitens den Fokus mehr darauf legen zu verdeutlichen, warum Wissenschaftler*innen so sehr darin investiert sind, die intellektuellen Einflüsse anderer auf die eigene Arbeit offenzulegen.

Anstatt Studierenden zu sagen: „Tut dies nicht, achtet darauf, jenes zu vermeiden“ und damit das wissenschaftliche Schreiben als ein prekäres Unterfangen darzustellen, das leicht zu katastrophalen Fehltritten führen kann, können wir das Erlernen wissenschaftlicher Arbeitsweisen als den Erwerb einer Expertise behandeln, die Studierenden Zugang zu Wissenschaft als Gemeinschaftsprojekt ermöglicht.

Nur wenn Studierende sich selbst als Wissenschaftler*innen verstehen und sich mit ihren eigenen Beiträgen in diese Wissenschaftsgemeinschaft eingeladen fühlen, nur wenn wir ihnen die Freiheit zugestehen, ihre eigenen Ideen und Herangehensweisen zu entwickeln, werden sie verstehen, warum individuelle Autorschaft und die Anerkennung dieser Autorschaft durch andere in der Wissenschaft so eine große Rolle spielen. Und dann werden Plagiate ganz automatisch weniger vorkommen.

Mehr dazu lesen:

Tyll Zybura: „Teaching About Plagiarism (or Not)“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=teaching-about-plagiarism-or-not)

Über uns:

Wir – Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch – sind oder waren Lehrende und Forschende an der Universität Bielefeld in der anglistischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Gemeinsam haben wir 2019 das Projekt Unconditional Teaching gegründet mit dem Ziel, Konzepte für beziehungsreiche und machtsensible Lehre zu entwickeln. Auf unserer Webseite veröffentlichen wir Texte und den Unconditional Teaching Podcast zu Haltungen und Praktiken, die dabei helfen können, Lehre bedürfnisorientierter, wertschätzender und menschlicher zu machen. Und wir schulen Hochschullehrende in empathischer Kommunikation, in Sensibilität für mentale Gesundheit und in innovativen Ansätzen kollaborativer Lehre.

Tyll und Katharina haben außerdem zusammen mit Vivian Gramley den Ratgeber Writing in English Studies: A Guide for Students in English Linguistics and Literature (Barbara Budrich 2020) veröffentlicht, der unseren nicht-normativen Ansatz für das Lehren von wissenschaftlichem Schreiben widerspiegelt und den Fokus darauf legt, die Funktionen disziplinspezifischer Konventionen transparent zu machen und Studierende zu ermutigen, Expert*innen ihres eigenen Schreibens zu werden.

Webseite: www.unconditional-teaching.com

E-Mail: team@unconditional-teaching.com

Instagram: @unconditionalteaching

Tyll auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/tyll-zybura/

Katharina auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/katharina-pietsch-4bb626237/

Wissenschaftliches Arbeiten lehren: unsere Top 10

Teil 1

Ein Gastbeitrag von Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch (Unconditional Teaching)

Unconditional Teaching (bedingungslose Lehre) basiert auf der Grundüberzeugung, dass Lernen dann gelingt, wenn Lernende ihr Lernen für sich selbst bedeutungsvoll machen können und es in gleichwürdige, wertschätzende Lehr-Lern-Beziehungen eingebettet sehen. Was das für das Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten bedeutet, haben wir hier in zehn Prinzipien zusammengefasst:

1) Gute Lehr-Lern-Beziehungen sind die wichtigste Basis.

Alles Lernen findet in Beziehungen statt, aber die Art und Qualität dieser Beziehungen hat großen Einfluss auf die Qualität und den Erfolg von Lernen. Wissenschaftliches Arbeiten zu lehren bedeutet, Studierende in die Diskursgemeinschaft unserer wissenschaftlichen Disziplin einzuladen. Je mehr Studierende sich in dieser Einladung als Personen gesehen, wertgeschätzt und ermutigt fühlen, umso eher sind sie bereit, die Einladung auch anzunehmen und in selbstbestimmter und selbstverantwortlicher Weise nach ihrem Platz in unserer Wissenschaft zu suchen.

Deshalb sind bedürfnisorientierte, empathische, vertrauensvolle und gleichwürdige Lehr-Lern-Beziehungen so wichtig – also Beziehungen, in denen das gemeinsame Menschsein wichtiger ist als Didaktik, Lernziele und Bewertung. Etabliert und gepflegt werden diese Beziehungen durch wertschätzende Kommunikation.

Kommunikation, die es erlaubt, sich in Bildungskontexten als Mensch zu zeigen, schafft nicht nur wohltuende Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden, sondern auch zwischen den Lernenden und dem wissenschaftlichen Gegenstand: Wenn Studierende durch die Beziehung zu uns sehen können, was unsere Expertise uns bedeutet, dass wir Integrität und Würde als forschende Menschen haben, dann können sie viel leichter in eine positive Beziehung zu unserer Wissenschaft treten.

Mehr dazu lesen und hören:

Peter Felten & Leo Lambert: Relationship-Rich Education: How Human Connections Drive Success in College. Johns Hopkins UP, 2020.

Tyll Zybura: „Empathisch handeln (statt empathisch sein)“ https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=empathisch-handeln

Jessica Koch: „Radical Acceptance and expectations in teaching“ https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=radical-acceptance

The Unconditional Teaching Podcast: „Radikale Akzeptanz“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=podcast-radikale-akzeptanz)

2) Lernen gehört den Lernenden.

Lehre ist kein linearer, mechanischer Akt der Wissensvermittlung: aus meinem Mund in deinen Kopf. Als Lehrende*r kann ich nur Angebote machen, und ich muss akzeptieren, dass ich keine Kontrolle darüber habe, ob und wie meine Angebote angenommen werden. Das Lernen ‚gehört‘ mir nicht, es gehört den Lernenden. Wenn wir das zu einem Grundprinzip unserer Lehre machen, wird es für Studierende viel leichter, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen und uns als Ressource und Unterstützung wahrzunehmen. Und wenn wir es ernst meinen damit, Lernende nicht als formbare Objekte, sondern als Akteur*innen ihrer eigenen Lernprozesse zu behandeln, dann macht es auch Sinn, sie aktiv nach ihren Lernbedürfnissen zu fragen.

Als Lehrende haben wir trotzdem die Prozessverantwortung für den Lernkontext und damit die Verantwortung für die Angebote, die wir Studierenden machen. Damit meine Angebote angenommen werden können, müssen sie als sinnhaft empfunden werden: Lernen passiert nur, wenn es für die Lernenden bedeutungsvoll ist.

Das kann bedeuten, dass wir den mündlichen oder schriftlichen Beiträgen von Studierenden in unserem Unterricht aktiv einen Wert geben, statt sie lediglich auf Korrektheit zu überprüfen. Oder dass wir Aufgaben so gestalten, dass sie die Basis für die nächste Unterrichtseinheit bilden. Oder dass wir in unseren Kursen Projekte oder Wissenschaftsformate umsetzen, innerhalb derer die einzelnen Unterrichtseinheiten als Schritte hin zu einem Ziel ganz von selbst Sinn ergeben. Oder dass wir den Arbeiten der Studierenden eine reale kommunikative Funktion geben, statt sie als reine Bewertungsobjekte zu behandeln.

3) Wissenschaftliche Forschung basiert auf Neugier und Kreativität, und Bewertung und Benotung sind für beide schädlich.

Neugier und Kreativität sind Grundbedingungen erfolgreichen wissenschaftlichen Forschens und erfolgreichen Lernens. Beides bedeutet, Neues auszuprobieren, oft mit einer beträchtlichen Wahrscheinlichkeit, dabei zu scheitern. Je mehr wir bereit sind, das Risiko des Scheiterns einzugehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir herausfinden, was tatsächlich funktioniert. Mit anderen Worten: Je mehr Neugier und Kreativität in Lern- und in Forschungsprozesse einfließen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir erfolgreich sind und dass wir dabei eine bereichernde Erfahrung machen.

Deshalb haben Lernen und Forschen viel mit Neugier und Kreativität und dem Eingehen von Risiken zu tun – und für all diese Dinge ist es schädlich, wenn andere Menschen sich in bewertender und beurteilender Weise einmischen. Sobald wir uns Sorgen darüber machen, wie andere uns beurteilen, verlagert sich unser Fokus auf das, was im Kopf dieser anderen Person vorgeht, und die Neugier auf das, was wir zu lernen und herauszufinden versuchen, rückt in den Hintergrund. Hinzu kommt: Je mehr Macht diese Beurteiler*innen haben und je mehr von ihrem Urteil abhängt, desto wahrscheinlicher ist es, dass ihr Urteil Gefühle von Angst und Scham hervorruft. Und sowohl Angst als auch Scham sind schädlich für Neugierde und Kreativität und damit für Lernen und Forschen insgesamt.

Wir können als Lehrende für unsere Studierenden ein Diskursumfeld schaffen, das ihnen zeigt, dass wir – als Kolleg*innen im Forschungsfeld – gemeinsam mit ihnen am Inhalt ihrer Arbeit interessiert sind. Indem wir uns nicht als ultimative Bewertungsinstanz zeigen, sondern als ernsthaft interessiert an ihrem wissenschaftlichen Beitrag, können unsere Studierenden uns als Verbündete wahrnehmen, was Scham- und Angstgefühle verringert. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, das durch die Studierenden und ihr eigenes akademisches Interesse definiert wird.

Statt uns in erster Linie als Bewerter*innen und Benoter*innen zu verstehen, sollten wir so weit wie möglich:

  • sichere Räume für die Kreativität und Riskantheit von selbstverantwortlichem Lernen schaffen
  • Studierende als Forschende sehen und behandeln
  • kollegiales Feedback geben, statt zu bewerten und zu benoten
  • revisionsorientierte Schreibbetreuung anbieten, das heißt, Studierenden ermöglichen, einen fortgeschrittenen Text nach Feedback zu überarbeiten (und ihnen damit das gleiche Privileg zugestehen, das jede*r professionelle*r Wissenschaftler*in für sich in Anspruch nehmen kann, nämlich einen Text erst nach einem Rückmeldungsprozess zu finalisieren; das hilft auch dabei, die Ausgeliefertheit gegenüber Bewertung und Benotung abzumildern)

Mehr dazu lesen:

Katharina Pietsch: „Learning With the Freedom to Make Mistakes“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=learning-with-the-freedom-to-make-mistakes)

Tyll Zybura: „Revision-oriented Supervision of Student Writing“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=revision-oriented-writing-supervision)

4) Wenn wir wollen, dass Studierende sich wie Wissenschaftler*innen verhalten, müssen wir sie auch wie Wissenschaftler*innen behandeln.

Studierende machen im Studium nur selten die Erfahrung, dass ihre Ideen und die Ergebnisse ihrer Arbeit als Beiträge zur Diskursgemeinschaft ihrer Disziplin wahrgenommen und gewürdigt werden. Obwohl Kommunikation innerhalb der Diskursgemeinschaft zentraler Teil wissenschaftlichen Arbeitens ist, sind Studierende davon ausgeschlossen. Ihre Arbeit wird von anderen üblicherweise nur als Bewertungsobjekt wahrgenommen und behandelt, und das hat Auswirkung auf Sinn, Bedeutung und Motivation bei dem, was Studierende an der Uni tun. Dass etwa studentische Texte, die in wochen- und monatelanger harter Arbeit entstehen, ohne inhaltliche Resonanz mit einer Note versehen oder mit ein paar Credit Points vergütet werden und dann für immer in der Schublade verschwinden, ist eine systematische Abwertung der wissenschaftlichen Leistung, die in diesen Texten steckt.

Unser universitäres Ausbildungssystem leistet sich also die Diskrepanz, von Studierenden zu erwarten, dass sie sich verhalten wie Forschende, aber behandeln lassen wie Schüler*innen – das ist ein Widerspruch, der viele Schwierigkeiten beim Lehren von wissenschaftlichem Arbeiten erklärt. (Und ein Widerspruch, den vor allem Studierende ausbaden müssen, was bis hin zu Beeinträchtigungen ihrer mentalen Gesundheit führen kann.)

Wenn wir wollen, dass Studierende ihre eigene Arbeit als inhaltlich bedeutsam wahrnehmen und sich intrinsisch motiviert für eigene Forschungsthemen interessieren, müssen wir als Lehrende die Bedingungen dafür schaffen. Vermeintlich desinteressierte oder demotivierte Studierende sind meistens das Ergebnis der jahrzehntelangen Erfahrung, immer nur von anderen vorgegeben zu bekommen, was lernenswert ist, und nie nach den eigenen Interessen gefragt zu werden. Eins der wichtigsten Dinge, die Studierende deshalb von uns brauchen, ist die explizite Erlaubnis, ihre eigenen Ideen zu verfolgen.

Um Studierenden zu zeigen, dass wir sie als Forschende wahrnehmen, können wir sie außerdem einladen, an Konferenzen teilzunehmen oder diese selbst zu organisieren, oder sie dazu ermutigen, ihre Arbeit zu publizieren.

Und wenn Studierende eigene Ideen und Forschungsinteressen verfolgen, rückt in der Lehre automatisch die Frage stärker in den Vordergrund, was Studierende dafür brauchen. Die Frage, „was brauchst du?“ wiederum gibt den Lernenden die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zurück.

Mehr dazu lesen:

Stefan Kühl: „Der publikationsorientierte Erwerb von Schreibkompetenzen.“ Das Hochschulwesen, 5+6/2015, S. 143–157.

Dzifa Vode & Frank Sowa (Hg.): Schreiben publikationsorientiert lehren: Hochschulische Schreiblehrkonzepte aus der Praxis. wbv, 2022.

5) Bedeutungsvolle Kontexte gestalten.

Das, was Studierende können, hat viel mit dem Kontext zu tun, der ihrem Arbeiten mehr oder weniger Sinn und Bedeutung gibt. Es lohnt sich für Lehrende, Lernkontexte zu schaffen, die zum Vorschein bringen, was Studierende tatsächlich können – das sorgt nicht nur für sinnhafte, selbstwirksame und motivierende Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten für Studierende, sondern beschert auch uns als Lehrenden mehr Erfolgserlebnisse als das defizitorientierte Abprüfen von Wissen und Kompetenzen. Und die Qualität der Arbeiten von Studierenden steigt, weil Studierende, die eigene Forschungsergebnisse präsentieren möchten, ein größeres Bewusstsein für die kommunikative Funktion der Konventionen ihrer Diskursgemeinschaft bekommen.

Statt studentische Arbeiten als Hausaufgaben, Fingerübungen oder Probestücke zu sehen, sollten wir ihnen so weit wie möglich Bedeutung als Teil von Wissenschaftspraxis geben. Kontexte, in denen die Arbeit von Studierenden einen Platz als Forschungsbeitrag bekommt und inhaltliche Resonanz erfährt, können zum Beispiel Kurskonferenzen (professionelle Präsentation eigener Forschung vor Lehrenden und Studierenden des Fachs) oder Writers’ Rooms (publikationsorientierte Texterstellung mit Peer-Feedback) sein.

Mehr dazu lesen und hören:

Katharina Pietsch: „Lehrkonzept Kurskonferenz“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=student-conference-reflection)

The Unconditional Teaching Podcast: „Teaching a Writers’ Room“ (https://www.unconditional-teaching.com/index.php?pg=teaching-a-writers-room)

In Teil 2 dieses Gastbeitrags geht es weiter mit:

6. Lernen als Aneignung von Strategien statt von Kompetenzen denken.

7. Die eigene Wissenschaftspraxis transparent machen.

8. Funktionen lehren statt Regeln.

9. Wissenschaft bedeutet, Positionen zu verteidigen, nicht Fakten zu finden.

10. Plagiate als handwerkliches und nicht als moralisches Problem behandeln.

Über uns:

Wir – Katharina Pietsch, Tyll Zybura und Jessica Koch – sind oder waren Lehrende und Forschende an der Universität Bielefeld in der anglistischen Literatur- und Kulturwissenschaft. Gemeinsam haben wir 2019 das Projekt Unconditional Teaching gegründet mit dem Ziel, Konzepte für beziehungsreiche und machtsensible Lehre zu entwickeln. Auf unserer Webseite veröffentlichen wir Texte und den Unconditional Teaching Podcast zu Haltungen und Praktiken, die dabei helfen können, Lehre bedürfnisorientierter, wertschätzender und menschlicher zu machen. Und wir schulen Hochschullehrende in empathischer Kommunikation, in Sensibilität für mentale Gesundheit und in innovativen Ansätzen kollaborativer Lehre.

Tyll und Katharina haben außerdem zusammen mit Vivian Gramley den Ratgeber Writing in English Studies: A Guide for Students in English Linguistics and Literature (Barbara Budrich 2020) veröffentlicht, der unseren nicht-normativen Ansatz für das Lehren von wissenschaftlichem Schreiben widerspiegelt und den Fokus darauf legt, die Funktionen disziplinspezifischer Konventionen transparent zu machen und Studierende zu ermutigen, Expert*innen ihres eigenen Schreibens zu werden.

Webseite: www.unconditional-teaching.com

E-Mail: team@unconditional-teaching.com

Instagram: @unconditionalteaching

Tyll auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/tyll-zybura/

Katharina auf Linkedin: https://www.linkedin.com/in/katharina-pietsch-4bb626237/

Plagiatssoftware – Fluch oder Segen?

Ein Gastbeitrag von Ute Schlüter-Köchling

Nutzen Sie eine Plagiatssoftware, z. B. zur Korrekturhilfe von studentischen Arbeiten oder vielleicht für Ihre eigenen Schreibprojekte? Der Ruf nach einer solchen Software, welche die Lehrenden bei der Korrektur von Hausarbeit, Bachelorarbeit & Co unterstützen soll, wird zunehmend lauter.

Der Ruf ist durchaus verständlich, denn die starke Zunahme von digital verfügbaren Quellen erleichtert das Plagiieren von Texten (z. B. durch einfaches Copy & Paste). Gleichzeitig ist es für Lehrende schwierig bei der Quellenvielfalt und -masse den Überblick zu behalten und die Literatur regelmäßig zu sichten und zu prüfen. Steigende Studierendenzahlen und schlechte Betreuungsschlüssel tun ihr Übriges. Deswegen versprechen sich viele Lehrende (vielleicht auch Sie?) von einer Plagiatssoftware eine Arbeitserleichterung, mit der sich schnell und einfach Plagiate aufspüren lassen.

Vielerorts wird eine Plagiatssoftware bereits genutzt, anderenorts ist sie in Planung. (siehe z. B. das Projekt PlagStopNRW). Ja, eine Plagiatssoftware kann sinnvoll sein – wenn die Software richtig eingesetzt wird. Schauen wir uns einmal an, welche Akteure bei einer elektronischen Plagiatsprüfung überhaupt beteiligt sind.

Wer mischt mit?

Die Lehrenden

Da sind vielleicht Sie, als prüfende Lehrende, die sich von der Software eine Arbeitserleichterung versprechen und sich eine schnelle, konkrete und einfache Antwort auf die Frage: „Plagiat – ja oder nein?“ wünschen. Aber kann dieser Wunsch tatsächlich erfüllt werden? Hierauf möchte ich mit einem klaren „Jein“ antworten oder mit einem „Ja, aber…“. Ihr Wunsch ist durchaus verständlich, aber leider nicht vollständig umsetzbar. DENN: Auch die beste Plagiatssoftware kann nur analysieren, ob eine Ähnlichkeit oder Übereinstimmung mit einem anderen Text vorliegt. Das heißt, der Prüfbericht der Software allein ist nicht aussagekräftig und liefert nur Anhaltspunkte. Ob es sich tatsächlich um eine plagiierte Textstelle handelt, müssen Sie selbst in jedem Einzelfall überprüfen und beurteilen.

Vorteilhaft ist aber: Wenn Sie, als Nutzerin oder Nutzer, eine Plagiatsprüfung mit einer Software durchführen und es wird eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit erkannt, haben Sie direkt die (elektronische) Originalquelle zur Hand. Praktisch, denn so können Sie den Plagiats-Check direkt durchführen, ohne dass Sie lange nach dem Originaltext recherchieren müssen. Diese Vorgehensweise kann aber unter Umständen mehr Zeit in Anspruch nehmen als ohne den Einsatz einer Plagiatssoftware. Denn vielleicht wäre Ihnen die Nähe zum Originaltext ohne eine elektronische Plagiatsprüfung ja gar nicht aufgefallen? 😉

Die Arbeit muss trotzdem noch von Ihnen gelesen werden, denn eine semantische Analyse findet mit einer Plagiatssoftware (bisher) nur in geringem Umfang statt, so dass Strukturplagiate, Ideenplagiate, Übersetzungsplagiate mit einer Plagiatssoftware in der Regel nicht erkannt werden.

Letztendlich ist eine Plagiatssoftware auch nur so gut, wie ihre (elektronische) Quellengrundlage. Das heißt: Quellen, die ausschließlich physisch vorliegen, fließen erst gar nicht in die Plagiatsprüfung ein. Somit gibt es trotz Einsatz einer Plagiatssoftware genug Möglichkeiten, dass ein Plagiat unentdeckt bleibt.

Fazit für die Lehrenden: Der Einsatz einer Plagiatssoftware bedeutet nicht zwingend eine Zeitersparnis, ist aber gründlicher und kann somit ein Segen sein.

Die Studierenden

Neben den Lehrenden, die in der Regel am lautesten nach dem Einsatz einer Plagiatssoftware rufen, gibt es noch eine weitere relevante Gruppe: die Studierenden. Eigentlich ist es ja auch DIE relevante Gruppe: Schließlich handelt es sich um ihre Arbeiten, die mit der Plagiatssoftware überprüft werden sollen.

Die Studierenden rufen selbstredend nicht so laut nach dem Einsatz einer Plagiatssoftware. Ja, der Einsatz dieser Software löst bei den Studierenden häufig sogar große Sorge aus, da sie befürchten (aufgrund von nicht beabsichtigten Fehlern) eines Plagiats überführt zu werden. Wenn in meinen Veranstaltungen der Themenkomplex „Umgang mit Quellen & Zitation“ behandelt wird, kommt früher oder später auch immer das Thema „Plagiat“ auf den Tisch. In diesem Moment kann man die Anspannung und das erhöhte Interesse bei Studierenden spüren. Warum ist das so?

Den Studierenden wird regelmäßig vor Augen geführt, welche Folgen ein Plagiat haben kann. Sei es durch die Medien, die Plagiatsfälle von prominenten Personen aufgreifen oder durch die Hochschulen selbst. Letztere weisen regelmäßig auf das Thema „Plagiat(-sformen)“ und die Konsequenzen einer Plagiatserstellung hin (Wiederholung von Prüfungen, Herabsetzung von Noten, Exmatrikulation etc.). Viele Studierenden fühlen sich dadurch verunsichert und sehen sich häufig einem Generalverdacht ausgesetzt.

Keine Frage, ein vorsätzliches Plagiat von Studierenden ist kein Kavaliersdelikt und sollte geahndet werden. Hierbei kann eine Plagiatssoftware auch eine nützliche, nämlich abschreckende, Wirkung haben. Aber klar ist auch: Viele Studierende begehen ihre Plagiate unwissentlich – weil sie nicht wissen, wie man mit Quellen umgeht und diese zitiert, weil sie die Prinzipien, Funktions- und Arbeitsweisen der Wissenschaft nicht kennen, weil sie kein Problembewusstsein haben oder weil sie aufgrund von Zeitmangel den Überblick über ihre Quellen verloren haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Studierenden kennen sich zu wenig mit den Techniken sowie dem Sinn und Zweck des „Wissenschaftlichen Arbeitens“ aus.

Was tun?

Abgesehen von Lehrveranstaltungen zum „Wissenschaftlichen Arbeiten“ im oder außerhalb des Curriculums, kann den Studierenden auch der konkrete Einsatz einer Plagiatssoftware helfen, um grundlegende Kompetenzen im Bereich „Wissenschaftliches Arbeiten“ zu erlangen.

Wird eine Plagiatssoftware an einer Hochschule eingesetzt, sollte diese nicht nur als ein reines Kontrollinstrument von den Lehrenden für studentische Arbeiten genutzt werden. Leider wird dies aber in der Regel so praktiziert. Dabei kann eine Plagiatssoftware doch so nützlich sein – für alle Beteiligten, also auch für die Studierenden! Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Ok, für mich als Dozentin oder Dozent ist eine Plagiatssoftware eine prima Sache, auch wenn es eventuell sogar Mehraufwand bedeutet. Aber für die Studierenden?

Hier meine Antwort: Ja, die Studierenden sollten ebenfalls die Software nutzen dürfen. Denn mit Hilfe einer Plagiatssoftware haben die Studierenden die Möglichkeit an ihren eigenen Texten zu erfahren, was ein Textplagiat ausmacht. Natürlich dürfen die Studierenden dabei nicht allein gelassen werden. Denn es nützt wenig, ihnen den Prüfbericht ohne Kommentar in die Hand zu drücken: Den Studierenden muss erklärt werden, warum eine Textstelle von der Software als ein Plagiat eingestuft wird und wie das Plagiat vermieden werden kann (i. d. R. durch korrektes Zitieren). All das könnte z. B. im Rahmen einer Veranstaltung zum „Wissenschaftlichen Arbeiten“ geschehen.

Fazit für die Studierenden: Eine Plagiatssoftware muss nicht zwingend ein Kontrollinstrument sein, sondern kann auch als Lerninstrument genutzt werden und muss somit nicht verflucht werden.

Fazit für ALLE

Eine Plagiatssoftware ist (wie immer im Leben) weder Fluch noch Segen, sondern beides.

Für Sie, als Lehrende, kann eine Plagiatssoftware nützlich sein, indem der Korrekturprozess vereinfacht und unterstützt wird. Eine Zeitersparnis findet aber nicht zwingend oder gar nicht statt. Und: Gelesen werden muss die Arbeit auch weiterhin gemäß den üblichen fachspezifischen und wissenschaftlichen Kriterien.

Für die Studierenden muss eine Plagiatssoftware nicht nur ein Kontrollinstrument sein, sondern kann auch als Lerninstrument zur Plagiatsprävention im Schreibprozess eingesetzt werden.

Natürlich gibt es noch viele andere Dinge, die bei der Nutzung einer Plagiatssoftware eine Rolle spielen: Datenschutz, Quellengrundlage, Prüfungsordnung, Kosten und Lizenzen, Einbindung in Lernmanagementsysteme etc. Aber das sind andere Geschichten…

Literatur zum Thema:

Dagli-Yalcinkaya. Lara: PlagStop.nrw. Abschlussbericht. – Digitale Hochschule NRW, 2021.

Grävemeyer, Arne: Jagd auf Abschreiber. Plagiatchecker finden Verdachtsfälle, lassen sich aber austricksen. IN: c’t, (11) 2020. – S. 142-145

Malo, Markus: Skandalon Plagiarismus? Überlegungen zu einer aufgeregten Diskussion. IN: Forschung & Lehre, (9) 2021. S. 718-719

Reichmann, Gerhard: Textplagiate in der Wissenschaft und deren Verhinderung. Theoretische Überlegungen und empirische Befunde. IN: Informationen – Wissenschaft und Praxis, (4) 2013. – S. 175-184

Weßels, Doris: Wissenschaftliche Arbeiten und KI. Zwischen Original und Plagiat. IN: Forschung & Lehre, (6) 2020. S. 504-505

Weßels, Doris: Verführerische Werkzeuge. Plagiate und KI-gestützte Textproduktion an Hochschulen. IN: Forschung & Lehre, (12) 2021. S. 1018-1019

Ute Schlüter-Köchling ist Sozialwissenschaftlerin, Bibliothekarin und Schreibberaterin. Sie ist als Dozentin für „Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben“ tätig und berät Studierende zu ihren Schreibprojekten.

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Lieberknecht, Agnes; May, Yomb (2019): Wissenschaftlich formulieren: ein Arbeitsbuch. Mit zahlreichen Übungen für Schreibkurse und Selbststudium. Tübingen: narr Studienbücher.

18,99 Euro

Inhaltsübersicht:

1. Die Sprache der Wissenschaft

2. Thema, Forschungsfrage und Zielsetzung formulieren

3. Argumentationsverfahren – Argumentatives Formulieren

4. Wissenschaftssprachliche Strukturen gezielt anwenden

5. Textkohärenz: Den roten Faden verknüpfen

6. Der wissenschaftliche Schreibstil: Den richtigen Ton treffen

7. Verständlich formulieren

Lieberknecht/May: Sprechen Sie Wissenschaftssprache?

„Wissenschaftliche Texte sind selten beliebt und werden meist nicht gern gelesen.“ Mit diesem Satz, in dem sicher viel Wahres steckt, beginnt das Vorwort. Dr. Agnes Lieberknecht und Apl. Prof. Dr. Yomb May von der Universität Bayreuth haben hier ein Buch vorgelegt, durch das sich dieser Umstand ändern könnte. Sie möchten Studierenden nicht nur Kriterien für bessere Formulierungen an die Hand geben, sondern ihnen auch ganz konkret zeigen, wie es geht. Denn die Studierenden kommen, so ihre (und meine) Erfahrung aus Seminaren zum wissenschaftlichen Arbeiten, mit der reinen Nennung von Kriterien oft nicht gut zurecht.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Das Arbeitsbuch umfasst sieben Kapitel und beginnt dabei nicht erwartungsgemäß. Im ersten Kapitel, „Die Sprache der Wissenschaft“, wird zunächst einmal erklärt, was Wissenschaft überhaupt ist. Das halte ich auch dann für sehr wichtig, wenn es „nur“ um das Formulieren von Texten geht (und wie sich im Verlauf der Lektüre zeigen wird, ist das gar nicht der Fall). Hier hat das Buch bei mir also schon einmal gepunktet. Im zweiten Kapitel zu „Thema, Forschungsfrage und Zielsetzung formulieren“ geht es direkt gut weiter. An keiner anderen Stelle habe ich diesen Themenkomplex so ausführlich behandelt gesehen. Definitiv ein Pluspunkt!

Die folgenden fünf Kapitel bieten dann das, was ich unter dem Titel des Buches sowieso vermutet hätte: Hilfestellung beim Argumentieren und bei der sprachlichen Gestaltung aller Ebenen einer wissenschaftlichen Arbeit: vom kompletten Text über die Kapitel und Absätze bis hin zur Satzebene und einzelnen Wörtern.

Hilfreich ist der immer gleiche Aufbau der Kapitel. Nachdem die Regel vorgestellt und ihre Relevanz erklärt wurde, folgen jede Menge Beispiele und Übungen sowie die dazugehörigen Lösungsvorschläge.

Viel mehr als nur Formulierungen

Auf 230 Seiten ist natürlich Platz genug, um in die Tiefe zu gehen und die Wissenschaftssprache in allen Feinheiten nicht nur darzustellen, sondern auch üben zu lassen. Das „Formulieren“ wird hier im weiten Sinn verstanden, was sich an zwei Beispielen zeigen lässt. Erstens, im Kapitel zum Argumentieren geht es nicht nur um den sprachlichen Schliff der Argumente, sondern auch um die Elemente eines Arguments und um den Umgang mit verschiedenen wissenschaftlichen Positionen (ich fühlte mich ein wenig an „They say, I say“ von Graff/Birkenstein erinnert). Zweitens, im Zusammenhang mit Textkohärenz wird auch die Makro-Ebene, also die Gliederung einer Arbeit, betrachtet. Das Buch will also deutlich mehr sein als nur eine Zusammenstellung gut klingender Phrasen, und diesen Anspruch erfüllt es sehr gut!

Die Ausführungen liefern mir in meiner Rolle als Lehrende viele Begründungen für Phänomene, die ich sonst eher aus meinem Sprachgefühl ableite. Hier kann ich nun den Studierenden in Zukunft besser erklären, wieso manche Dinge so formuliert werden und nicht anders.

Zu viel des Guten

Nach ein paar Kapiteln hat sich bei mir eine gewisse Tabellenmüdigkeit eingeschlichen. Auf fast jeder Seite finden sich eine oder mehrere Tabellen, und nur vereinzelt habe ich zwei bis drei zusammenhängende Seiten ohne Tabelle gefunden. Puh! So sehr ich die Übersichtlichkeit schätze, die durch Tabellen entsteht – das war dann ein bisschen viel des Guten.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Um an der Feststellung aus dem Eingangssatz, dass wissenschaftliche Texte meist nicht gern gelesen würden, etwas zu ändern, bräuchte es andere, nämlich bessere Texte. In diesem Sinn empfehle ich das Buch allen Studierenden. Ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass wirklich alle hier mindestens einen Ansatzpunkt finden, um ihren Text zu verbessern! Ob das Buch für das Selbststudium geeignet ist, vermag ich hingegen nicht zu beurteilen. Erfahrungsberichte wären hierzu interessant. Denn meine persönliche Einschätzung wäre, dass es schon eine überdurchschnittlich hohe Motivation braucht, um das Buch allein durchzuarbeiten oder aber auch nur, um zu erkennen, wo man denn ansetzen sollte mit seiner individuellen Sprachverbesserung.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Für Kurse zum wissenschaftlichen Schreiben bzw. zum wissenschaftlichen Arbeiten oder für die curriculare Lehre halte ich das Buch sehr geeignet. Es bietet eine Fülle an Übungen, aus denen man schöpfen kann, und – ja – jede Menge Tabellen, die sich bestimmt gut in einer Präsentation oder einem Handout machen, um die wichtigsten Aspekte eines Gebiets auf einen Blick darzubieten.

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Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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Günther, Katja (2020): Selbstcoaching in der Wissenschaft. Wie das Schreiben gelingt. Opladen/Toronto: Barbara Budrich.

13,00 Euro

Inhaltsübersicht

Selbstcoaching in der Wissenschaft – wie das Schreiben gelingt

Vor dem Schreiben

Beim Schreiben

Zwischen dem Schreiben

Nach dem Schreiben

Hinter dem Schreiben

Um das Schreiben herum

Das Schreiben wirklich leben

Günther: Gutes Schreiben, gutes Leben

Wer gut schreibt, lebt gut? Das wäre ein wunderbarer Zusammenhang, das würde ich mir doch glatt gefallen lassen. Dem Ratgeberbändchen von Katja Günther, Mitgründerin des Schreibaschrams in Berlin und systemischer Schreibcoach, liegt die gegenläufige Prämisse zugrunde: Wer gut lebt, schreibt auch gut. Ausgehend von den eigenen, facettenreichen Erfahrungen mit fortgeschrittenen Schreibenden bereitet Katja Günther in diesem Buch jede Menge hilfreiche Herangehensweisen an das wissenschaftliche Schreiben auf. Ihnen allen ist gemein, dass gleichzeitig die Lebensqualität und die Produktivität beim Schreiben gesteigert werden sollen. Eigentlich könnte ich das „sollen“ auch weglassen und voller Gewissheit formulieren: „…gesteigert werden“. Denn vielfach erprobt wurden die Tipps bereits.

Wie ist das Buch aufgebaut?

Die Inhalte sind in acht Kapitel aufgeteilt, die von einem Vorwort und dem Anhang flankiert werden. Die Kapitel sind wiederum in kürzere Abschnitte gegliedert, so dass ein häppchenweises Lesen gut möglich ist. Jedes Kapitel endet mit einigen Fragen, die die Selbstreflexion anregen. Im Anhang befinden sich u.a. ein „Manifest fürs gute Schreiben“ und eine Anleitung für die Kollegiale Beratung. Die thematisch sortierte Literaturliste am Ende ersetzt die Quellenangaben im klassischen Sinn. Diese hätten, wären sie wissenschaftlich korrekt auch im Text angebracht worden, dessen Lockerheit eher gestört.

Neu oder nicht neu?

Wer sich vor der Lektüre schon intensiv mit dem Schreiben als solchem befasst hat, wird nicht viel Neues finden. Aber: Erstens tun genau das immer noch nicht alle, die oft schreiben. Da gibt es nach meiner Einschätzung nach noch jede Menge Menschen, die nach eigener Aussage „schreiben müssen“, sich aber noch nie damit auseinandergesetzt haben, wie sie das Schreiben angenehmer gestalten könnten. Zweitens kann ich selbst quasi als der gegenteilige Fall herhalten: Ich habe mich schon mit dem Schreiben beschäftigt und das Buch „trotzdem“ gern gelesen. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass das auch Anderen so geht, die ihr Schreibhandeln schon unter die Lupe genommen haben. Warum? – Weil es hier um Schreiben speziell im akademischen Kontext geht und weil die Autorin zudem offene und klare Worte für Situationen findet, die dort öfter einmal totgeschwiegen werden. Vieles dreht sich um Konflikte und Konkurrenz. Aber auch Aspekte, die nur einen selbst betreffen, werden ausführlich betrachtet (beispielsweise Kraftgrenzen oder der Umgang mit dem inneren Kritiker). Selbstfürsorge ist die Lösung. Wie das geht, ahnen wir wohl alle. An der Umsetzung hapert es bei vielen, und nach der Lektüre möchte man den Kopf über sich selbst schütteln, dass man mit diesem wichtigen Punkt so nachlässig umgeht. Das Schreibleben, das durch Katja Günthers Beschreibungen vor dem inneren Auge entsteht, ist ein sehr schönes. Eines, das man selbst führen möchte. Durch den Text fühle ich mich motiviert, ein paar Stellschrauben neu zu justieren.

Nicht verstanden habe ich die Einengung der Zielgruppe auf Schreibende an Universitäten und in den Geisteswissenschaften (S. 11). In dem Buch wird nicht deutlich, wieso genau nur diese Gruppe von den Anregungen profitieren sollte. Oder positiv gefasst: Auch andere Personen in der Wissenschaft würden das Buch sicher mit großem Gewinn lesen (und tun dies hoffentlich auch).

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Das Buch richtet sich nicht an Studierende in Bachelor- oder Masterstudiengängen, die ab und an eine Hausarbeit und am Ende ihre Abschlussarbeit verfassen. Diese scheinen sich dennoch gern von den Tipps und Fragen leiten zu lassen, wie sich aus den Rezensionen auf der Verlagsseite ablesen lässt. (Vielleicht ein Anzeichen für einen Wandel hin zu einem gesünderen Work-Life-Blending?)

Für Promotionsstudierende eignet sich der Ratgeber auf jeden Fall sehr gut. Denn sie finden ja gerade heraus, wie sie das Schreiben am besten in ihren Alltag integrieren, und sind daher sicher empfänglich für all die guten Impulse. Zudem fühlen viele Promovierende gewissermaßen vor, ob ihnen ein von wissenschaftlichem Arbeiten geprägtes Leben zusagt. Durch Katja Günters Buch lernen sie Gegenentwürfe zu dem abgeschotteten und sturen Schreiben kennen, das wenig Rücksicht auf das eigene Wohlbefinden nimmt.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Für den direkten Einsatz in der Lehre ist das Buch nicht gedacht. Wenn Sie selbst ein ausbalanciertes Schreibleben führen, bleibt dies Ihren Studierenden jedoch wahrscheinlich nicht verborgen, weil Sie gern davon berichten werden.

Weiterführender Link

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Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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Reinicke: Kurz und knack

Reinicke, Katja (2019): Wissenschaftlich schreiben und denken. Tübingen: narr STARTER.

10,90 Euro

Inhaltsübersicht

1. Schreiben kannst du

2. Denken in Fragen

3. Frei schreiben

4. Den Fokus finden

5. Bleib pragmatisch

6. Wissenschaft bedeutet Teamgeist

7. Ohne Formalia ist alles nichts

Reinicke: Kurz und knack

Ein Wagnis, auf nur 92 Seiten den Einstieg ins wissenschaftliche Schreiben vermitteln zu wollen, oder? Daher machten sich bei mir schon ein paar Bedenken breit, als ich das Buch in die Hand nahm. Positive Vorurteile hatte ich allerdings auch:

  • Das Buch stammt von einer Autorin, deren Buch „Fürchte Dich nicht – schreibe!“ ich sehr schätze (zur Rezension).
  • Der Titel lässt durch den Zusatz „Wissenschaftliches schreiben und denken“ bereits erahnen, dass der Schwerpunkt auf dem Prozess des Anfertigens einer wissenschaftlichen Arbeit liegt und nicht auf Formalia.
  • Die Reihenfolge der Kapitel sowie deren Überschriften bestätigen diesen Eindruck.

Ermutigend

Katja Reinicke ist Autorin, Dozentin und Schreibberaterin, für die das wissenschaftliche Schreiben ein „lebendiges Sich-Entfalten von Gedanken und Ideen“ ist (Klappentext). In diesem Geist und mit einer ermutigenden Haltung behandelt sie die wichtigsten Methoden für Studierende, damit diese ihre Schreibkompetenzen aufbauen und weiterentwickeln können.

Das Ziel: selbstbewusst und effizient ins wissenschaftliche Schreiben starten. Wie bei „Fürchte Dich nicht – schreibe!“ hat mir die bildhafte Sprache sehr gut gefallen, durch die die Inhalte nicht sachlich-trocken daherkommen, sondern emotional ansprechend sind. Da wird glaubhaft Zuversicht versprüht!

Und außerdem…

Hervorragend finde ich die Ausführlichkeit der Hinweise auf Hilfsangebote beim Schreiben wie beispielsweise Sprechstunden der Dozierenden oder Kurse und Beratung im Schreibzentrum. Durch die relativ lange Beschreibung werden diese den Studierenden regelrecht schmackhaft gemacht.

Am schwächsten kommt für mich Kapitel 7 daher. Es macht den Eindruck eines Sammelbeckens. Die Unterkapitel passen teilweise nicht recht unter die Überschrift „Formalia“ – denn was haben Exzerpieren oder Software da zu suchen? Das Kapitel (und damit das Buch) endet abrupt, was angesichts des Beziehungsaufbaus zu Beginn schade ist. Daher nur verdient das Buch die Überschrift „kurz und knack“: Die letzte Silbe ist unterwegs abhandengekommen, der Teil davor ist mehr als gelungen.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Vor allem Studierende in den ersten Semestern werden von diesem Buch profitieren. Wer noch gar keine Ahnung vom wissenschaftlichen Schreiben hat, findet hier einen gut zugänglichen und verständlichen Ratgeber. Viele werden wahrscheinlich davon überrascht sein, dass das Gelingen als möglich und wahrscheinlich dargestellt und nicht durch Aussagen der Art „Sie müssen unbedingt…“ und „Ohne… geht es auf keinen Fall!“ demotivierend in die Ferne gerückt wird.

Was bringt das Buch für den Einsatz in der Lehre?

Sie können das Buch Ihren Studierenden empfehlen – insbesondere wenn diese den Einstieg einfach nicht schaffen. Im Anschluss lassen sich immer noch mit weiteren Literaturtipps nachlegen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Studierenden nach der Lektüre von innen heraus motiviert sind, sich selbst kundig zu machen und einen weiteren Ratgeber zu Rate ziehen, um das wissenschaftliche Schreiben für sich zu entdecken und um z. B. mit der Heldenmethode von Katja Reinicke weiterzuarbeiten.

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

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Wissenschaftliches Arbeiten mit Herz

Auf meiner Visitenkarte steht geschrieben: „Wissenschaftliches Arbeiten mit Herz“. Wenn ich die Karte überreiche, sehe ich mein Gegenüber meist lesen und dann – lächeln. Die häufigste Reaktion lautet: „Oh, wie schön!“ Und das Lächeln bleibt noch eine Weile im Gesicht.

Seltsamerweise fragt mich niemand, was das eigentlich bedeuten soll, dieses wissenschaftliche Arbeiten mit Herz. Unausgesprochen scheint klar zu sein, dass das etwas sehr Sinnvolles und auch Wünschenswertes sein muss. Etwas, das es nicht so oft gibt in der aktuellen Hochschullandschaft.

Was soll das nun also heißen?

Eins steht zunächst einmal fest: Wissenschaftliches Arbeiten ist mehr als nur korrektes Zitieren. Das hat sich mittlerweile erfreulich weit herumgesprochen. Viele Lehrende unterschreiben diesen Satz, während andere zwar zustimmen, jedoch nur um unmittelbar danach zu ergänzen, dass ja wohl auch die Seitenränder und der korrekte Zeilenabstand dazugehören.

So meine ich das offensichtlich nicht. Tatsächlich meine ich zunächst einmal, dass neben der Form des zu verfassenden Texts auch die Sprache und natürlich inhaltliche Aspekte Gegenstand der Lehrveranstaltung zum wissenschaftlichen Arbeiten sein sollten. (Lehrpersonen, die wissenschaftliches Arbeiten nicht in ihrem Fach lehren, können inhaltlich selbstverständlich nicht in die Tiefe gehen. Dennoch wissen sie, wie argumentiert wird, und können das vermitteln.) Das alles ist gewissermaßen das Produkt des Schreibens.

Gehen wir einen Schritt weiter: vom Produkt zum Prozess.

Meine Überzeugung ist: Um dem Schreiben dieses Produkts gerecht zu werden, sollte auch der Prozess gebührend betrachtet und vor allem von den Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung auch erlebt werden. Sie sollen handelnd erleben, was wissenschaftliches Arbeiten ist und wie sie den Prozess individuell gestalten können, und ja, auch gestalten dürfen.

Weit und breit noch kein Herz zu sehen, meinen Sie?

Dann lassen Sie uns doch einmal einen Blick auf die Dozierenden werfen.

Eine Lehrperson, die nicht nur die korrekte Form einer wissenschaftlichen Arbeit lehrt, sondern auch Sprache und inhaltliche Aspekte und darüber hinaus noch den Schreibprozess in die Lehrveranstaltung integriert, kann das auf die eine oder andere Weise tun:

  • „Ohne Herz“ ist nach meinem Dafürhalten gleichzusetzen mit „streng, direktiv, festgefahren und unreflektiert“.
  • „Mit Herz“ ist gleichbedeutend mit „verständnisvoll, nicht direktiv, offen für Individualität, reflektiert“.

Sind die Adjektive hier als Gegensatzpaare zu verstehen? Ich denke nicht. Auch Lehren mit Herz kann streng und direktiv sein – allerdings braucht es dafür ein Gespür für die Situation. Dazu wiederum muss die Lehrperson zuhören und die richtigen Fragen stellen können. Manchen Lehrenden geht das komplett ab. Sie ziehen „ihren“ Stoff durch und übersehen dabei, dass sich doch die Studierenden etwas Neues zu eigen machen sollen (also die dargebotenen Inhalte zu ihrem eigenen Stoff machen sollen).

Ein Herz für Studierende

Der Wechsel zur psychologischen Ebene ist hier fließend, denn Themen wie Motivation und Prokrastination spielen beim wissenschaftlichen Arbeiten eine große Rolle. Wer als Lehrperson zuhört und gute Fragen stellt, landet über kurz oder lang bei diesen Themen. Es braucht „Herz“ im Sinne von Empathie, um diese Themen mehr als nur oberflächlich zu behandeln und adäquat auf die Fragen und Bedürfnisse der Studierenden zu reagieren.

Fragen Sie sich in diesem Zusammenhang doch einmal:

Kann ich nicht nur verstehen, sondern sogar akzeptieren,

  • dass der Studierende ein Problem beim wissenschaftlichen Arbeiten hat, das ich selbst noch nie hatte?
  • dass er es anders lösen will bzw. gelöst hat, als ich es lösen würde?

Oder aber:

  • Kann ich nachvollziehen, dass ein Studierender sein Problem noch nicht erkennt und dieses demnach auch nicht lösen möchte?

Und, wie oft haben Sie mit Ja geantwortet?

Was heißt „Wissenschaftliches Arbeiten mit Herz“ nicht?

Auf der Ebene der klassischen Lehrinhalte (Form, Sprache, inhaltliche Aspekte) soll „Wissenschaftliches Arbeiten mit Herz“ nicht bedeutend, dass die Lehrperson so verständnisvoll und offen ist, dass alles möglich ist. Es ist kein softes, orientierungsloses, planloses Herumreden. Es negiert nicht den Erfahrungsvorsprung der Lehrperson (andere würden sagen: die Hierarchie zwischen Lehrenden und Studierenden).

Auf der Ebene der prozessualen und psychologischen Lehrinhalte heißt es nicht „Wissenschaftliches Arbeiten mit Haut und Haaren“. Niemand muss sich komplett offenbaren und all seine Sorgen und Nöte preisgeben, die ihn vom wissenschaftlichen Arbeiten abhalten. Es gibt eine Grenze, die genau dort verläuft, wo die Themen nicht mehr angemessen in der Gruppe besprochen werden können. Das sind dann manchmal Fälle für Einzelgespräche und oft Fälle für den Hinweis auf die psychologische Beratung der Hochschule.

„Wissenschaftliches Arbeiten mit Herz“ heißt auch nicht „Einlullen und lobhudeln“. Es hilft niemandem weiter, wenn ich vor lauter Empathie nicht mehr Klartext über die Unzulänglichkeiten des Texts oder des Arbeitsprozesses reden kann. Auch mit Herz kann ich als Lehrperson einmal unbequem sein, die Samthandschuhe ausziehen und harte Fragen stellen. Ich muss es sogar, es ist mein Job.

Weiterführende Artikel

Ich weiß, was Sie nächsten November tun (2019) – das Eisbergmodell mit den verschiedenen Schichten beim Lehren des wissenschaftlichen Arbeitens

Lehrphilosophie (2017)

Manifest (2016)

Nicht Sie sind das Problem (2016)

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Studentische Texte, die man gern liest

Wie gern würden Sie einmal Texte von Studierenden in den Händen halten, die Sie so richtig gut finden? Bei denen die Lektüre ein Genuss ist?

Das tun Sie andauernd? Prima, herzlichen Glückwunsch! Dann brauchen Sie hier eigentlich gar nicht mehr weiterlesen.

Oder handelt es sich dabei um seltene Glücksmomente, die nur auftreten, wenn Sie Ausnahmestudierende in Ihrem Kurs haben?

(Spoiler: Wahrscheinlich liegt es an Ihnen, wenn Sie „immer“ nur schlechte Texte erhalten. Dann lesen Sie jetzt bitte weiter, auch wenn Sie gerade vielleicht sauer auf mich sind.)

Nicht-Lernerfahrungen

Viel zu viele Studierende machen im Lauf ihres Studiums leider Lernerfahrungen, die ihnen beim Schreiben-Lernen nicht helfen oder aber die sie sogar regelrecht ausbremsen. Eigentlich sollte man diese Erfahrungen besser „Nicht-Lernerfahrungen“ oder „Lernverhinderungs-Erfahrungen“ nennen.

  • Oft erklärt ihnen niemand das Ziel ihres Schreibens („Warum soll ich das überhaupt schreiben? Und wie soll das aussehen?“)
  • Die Schreibaufgabe ist ungeeignet, weil sie suggeriert, man müsse ein Thema abschließend behandeln, anstatt eine wissenschaftliche Frage zu bearbeiten.
  • Feedback ist kein Teil des Lernprozesses.

Da wundert es mich wirklich nicht, wenn Studierende in solchen Settings gar nicht mehr daran glauben, dass sie das Schreiben lernen können.

Ausführlicher habe ich diese Situation, die dahinterliegenden psychologischen Prozesse und vor allem Lösungsmöglichkeiten in einem Gastartikel im Blog von Dr. Eva-Maria Lerche beschrieben.

Ideal wäre es selbstverständlich, wenn an den Hochschulen passende Rahmenbedingungen für studentisches Schreiben geschaffen würden. Das wäre einmal wirklich eine sinnvolle Unterstützung beim Aufbau von Schreibkompetenz. Diese Anpassung der Rahmenbedingungen dauert allerdings ihre Zeit – wenn sie überhaupt Realität wird, wie die zähe Diskussion über die Verstetigung der QPL-Stellen zeigt.

Richten wir also lieber den Blick zunächst auf direkt anwendbare Ansätze für Sie – für Fachlehrende und Lehrende im wissenschaftlichen Arbeiten.

Als Lehrende können Sie darauf hinwirken, dass Studierende ihre Schreibschwierigkeiten bzw. den Umstand, dass es beim Schreiben nicht so geklappt hat, wie es sollte, als ein temporäres Problem, das auch nicht ihre Person in Gänze betrifft, empfinden. Was meine ich damit? Vermitteln Sie Erfolg bzw. Misserfolg als etwas, das zu weiten Teilen von der eigenen Anstrengung abhängt und nicht von festen Eigenschaften.

Zum Weiterlesen: „Nein, der ist nicht faul“ und „Nein, die ist nicht klug“

Das erfordert auf jeden Fall ein Umdenken, und das geht selten von heute auf morgen.

Ok, Sie wollen wissen, was Sie jetzt konkret tun können?

Et voilà! Hier kommen meine Vorschläge für Ihre ersten Schritte.

Erste Schritte für Lehrende in curricularen Veranstaltungen „Wissenschaftliches Arbeiten“

  • Integrieren Sie die Prozesse des Schreibens, Überarbeitens und Feedbackgebens bzw. -nehmens in die Lehre. Lassen Sie die Studierenden den Nutzen von sinnvoller Schreibsteuerung erleben, so dass sie für ihre individuellen Schreibsessions davon profitieren.
  • Kooperieren Sie mit den Fachlehrenden, tauschen Sie sich (am besten regelmäßig) mit ihnen aus.
  • Holen Sie sich Anregungen in einschlägigen Blogs ?

Erste Schritte zu schreibförderlicher Lehre für Fachlehrende

  • Informieren Sie sich über das sogenannte „Schreiben in der Lehre“, um eine Vorstellung davon zu entwickeln, wie Sie kleinere Schreibaufgaben in Ihre Veranstaltung integrieren. (Literaturtipp)
  • Vergeben Sie vor allem anfangs konkrete Schreibaufträge. Lassen Sie (ruhig auch kürzere) Texte schreiben, die auf konkreten Fragen Ihres Fachs beruhen.
  • Wenn Sie mit einer klassischen Themenvergabe arbeiten (müssen), leiten Sie die Studierenden dabei an, wie sie sich das Thema zu eigen machen, es eingrenzen und ihre Fragestellung bzw. Forschungsfragen entwickeln. Studierende brauchen vor allem bei ihrer ersten Arbeit erfahrungsgemäß Unterstützung bei diesem Prozess. Im Studienverlauf können Sie diese Hilfe immer mehr reduzieren.
  • Integrieren Sie kleine Feedback-Übungen zu studentischen Texten in Ihre Veranstaltungen.
  • Machen Sie Ihre Anforderungen an studentische Arbeiten transparent: Wie begutachten Sie? Worauf kommt es Ihnen an?
  • Weitere Anregungen für schreibförderliche Lehre finden Sie im Positionspapier der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung (gefsus).

 

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