Wehr und Meier-Soriat: Doppelte Augenweide

Meier-Soriat, Diana (2018): Bullet Journal – Das Praxisbuch. Frechen: mitp.

19,99 Euro

Cover Meier-Soriat

 

 

 

 

 

 

Wehr, Tanja (2017): Die Sketchnote Starthilfe. Frechen: mitp.

21,99 Euro

Cover Wehr Starthilfe

 

 

 

 

 

 

 

Wehr, Tanja (2018): Die Sketchnote Starthilfe – Neue Bilderwelten. Frechen: mitp.

24,99 Euro

Cover Wehr Neue Bilderwelten

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Inhaltsübersichten der drei Bücher finden Sie am Ende des Artikels.

 

Wehr und Meier-Soriat: Doppelte Augenweide

Mit der Hand schreiben ist wieder in, malen ist wieder in. Da sind nicht nur Sketchnotes und Bullet Journals (BuJos), da sind auch Trends wie Handlettering, Zentangle und Ausmalbücher. Ich mag das, denn es bringt mich zwischendurch weg vom Monitor und hilft ungemein beim Denken. Dieser Zusammenhang ist zwar allgemein bekannt, nur an der Umsetzung hapert es ja zuweilen.

Sketchnotes (also „Skizzen-Notizen“) und Bullet Journals (also „Aufzählungsstrich-Tagebücher“) ergeben zusammen eine wunderbare Kombination und machen aus schnöden Notizen eine wahre Augenweide. Daher rezensiere ich heute gleich ein ganzes Buchpaket, bestehend aus drei sehr praxisorientierten Ratgebern. In Anlehnung an Schopenhauers „Es wäre gut Bücher kaufen, wenn man die Zeit, sie zu lesen, mitkaufen könnte“ möchte ich hier vorwegschicken, dass Sie die Zeit zum Üben sicher nicht mitkaufen müssen. Alle drei Bücher sind so motivierend geschrieben und so ansprechend gestaltet, dass Sie sicher wie ich gleich loslegen wollen und auch werden. Das lässt sich auch zwischendurch in geistigen Leerlaufphasen immer wieder einschieben.

Der Selbstvertrauens-Booster

Tanja Wehr kann ich nicht genug danken. Mit ihren beiden Sketchnote-Büchern hat sie mir das Selbstvertrauen in Sachen Malen zurückgegeben. Wenn ich es grob überschlage, komme ich auf 25 oder sogar 30 Jahre, in denen ich kaum etwas gemalt habe. An dieser Stelle gehen schöne Grüße an meine damalige Kunstlehrerin, die mir mehr als einmal deutlich gemacht hat, dass ich das üüü-ber-haupt gar nicht kann und auch eigentlich gar weiter nicht versuchen muss.

Wie hat Tanja Wehr es binnen Minuten geschafft, diese hartnäckige Überzeugung zu aufzuweichen? Zunächst einmal mit ihrer lockeren und witzigen Art und dem sympathischen Einstieg mit einem Bericht über ihre Erlebnisse im Lateinunterricht. Noch ein paar Seiten weiter, und dann konnte ich plötzlich ein Fahrrad malen. Ich! Ein Fahrrad! Ein Fahrrad, das man erkennen kann! Wow, nach diesem Erfolgserlebnis gab es kein Halten mehr. Eine Strich-für-Strich-Anleitung nach der anderen habe ich ausprobiert und direkt im Anschluss an Mann und Kind der Bewährungsprobe unterzogen. Die beiden sollten erraten, was ich da zu Papier gebracht habe. Und was soll ich sagen? In fast allen Fällen lagen sie richtig. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Das war alles zu schön, um wahr zu sein. Ich dachte an meine ehemalige Kunstlehrerin. Es waren keine liebevollen Gedanken.

Natürlich gab es auch Rückschläge. Mein Oeuvre „Zwei Baguettes verschwinden in der Toilette“ sollte selbstredend etwas ganz anderes darstellen. Schreiben Sie mir gern in die Kommentare, was Sie darin erkennen.


 

 

 

 

 

 

 

Das jüngst erschienene zweite Buch von Tanja Wehr setzt noch konsequenter auf das Prinzip der Bilderwelten. Diese Sammlungen von Symbolen zu einem Thema halte ich für ziemlich nützlich, um das eigene Repertoire aufzubauen. Da lernen Sie, reale Objekte aufs Papier zu bringen (zum Beispiel im Bereich Bildung eben Bücher, Stifte, Notizblöcke). Ergänzend ist eine zweite Kategorie wichtig, nämlich die der abstrakten Begriffe. Denn auch eine Glühbirne, eine Schatztruhe oder eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern haben ihre Berechtigung, wenn sie ein Aha-Erlebnis, eine bedeutsame und aufbewahrenswerte Erkenntnis oder eben einen gelungenen Abschluss symbolisieren sollen.

Mein Ziel ist es, im Lauf der kommenden Monate eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Vielleicht komme ich ja auch tatsächlich irgendwann an den Punkt, an dem das Kopieren aufhört und ich ohne Vorlagen zurechtkomme. Die Reduktion auf das Wesentliche scheint mir mittlerweile erlernbar. Oft sind es auch nur ein oder zwei winzige Striche, die das Gesamtbild ändern. In den Büchern erfahren Sie, welche das sind. Die visuell gestalteten Verzeichnisse helfen beim schnellen Auffinden der gewünschten Bilder. Außerdem lernen Sie, wie wichtig ein grauer Marker ist. An dieser Stelle darf ich Ihnen mitteilen, dass der Heidelberger Einzelhandel schlecht aufgestellt ist. In keinem der zwei größten Geschäfte wurde ich fündig. Der Schritt zu meiner endgültigen Professionalisierung muss also noch warten ?

Ein Traum: alle Notizen an einem Ort

Diana Meier-Soriat hat mit dem Praxisbuch einen wirklich überzeugenden Ratgeber vorgelegt, der bei mir die letzten Vorbehalte gegenüber Bullet Journals ausgeräumt hat. Neben dem Prinzip „Track the past“ gibt es nach dem Erfinder des Bullet Journals, Ryder Carroll, noch „Organize the present“ und „Plan the future“, die eigentlichen Hauptverwendungszwecke. All das sammelt sich in einem einzigen Notizbuch, in dem die Rubriken durch einen Index gut auffindbar sind und in dem man den Status seiner Aufgaben durch eigene Symbole auf einen Blick gut erfassen kann.

So lautet zumindest die Theorie. Mal schauen, wie das in der Praxis dann wird. In der einen oder anderen Form hatte ich das früher schon einmal ausprobiert, wenn auch nicht unter dem Namen. Ich war nie wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Perfektion ist aber überhaupt nicht nötig, auch wenn das Ergebnis von versierten Bullet-Journal-Schreibenden meist nahezu perfekt aussieht. Genauso wenig benötigen Sie eine einmal erdachte und dann immer gleichbleibende Organisation innerhalb des Journals. Oder wie die Autorin einem so schön mitgibt: „Du bist hier der Boss!“ und „Mach einfach mal!“. Diese Flexibilität kommt mir und meinem Lehrstil sehr entgegen. In dem Buch finden Sie jede Menge an Vorlagen und Inspiration zum individuellen Anpassen.

Für das wissenschaftliche Arbeiten und das Studium sind Habit Tracker ein guter Einstieg, also Übersichten über das Einhalten von Routinen und Vorsätzen. Daher nehme ich das nun auch für mich als Einstieg, bevor ich dann später vielleicht noch weitere Elemente integriere.

Hilfreich fand ich im Bullet Journal-Buch von Diana Meier-Soriat außer den konkreten Tipps zu geeignetem Material auch die vielen Beispiele zu den einzelnen Themen, darunter ein kurzer Abschnitt über das Planen im Studium. Anregungen aus anderen Bereichen lassen sich übertragen.

1, 2 oder 3?

Natürlich habe ich bei den Themen dieses Buchpakets anders als beim Thema „Wissenschaftliches Arbeiten“ keinen echten Vergleich mit anderen Ratgebern. Sicher gibt es da draußen noch viele andere tolle Bücher zum Sketchnoten und Schreiben von Bullet Journals. Auch im Netz finden Sie viele Informationen – wahrscheinlich eher zu viele…

Mit den besprochenen Büchern machen Sie auf jeden Fall alles richtig. Sie finden darin gebündelt alle nötigen Informationen, bei mir ist wirklich keine Frage offengeblieben. Sollten auch Sie sich in Sachen Sketchnotes und Bullet Journal noch völlig auf Neuland bewegen, empfehle ich Ihnen die folgende Lesereihenfolge: Am besten starten Sie mit der „Sketchbote Starthilfe“ und schließen daran mit der Lektüre von „Sketchnote Neue Bilderwelten“ an. Erst ganz am Ende würde ich mir das „Praxisbuch Bullet Journal“ vornehmen, dann sind Sie vorbereitet, wenn Sie dort zu dem Teil mit den Symbolen kommen.

Welchen Studierenden kann man die Bücher empfehlen?

Guten Gewissens kann ich alle drei Bücher allen interessierten Studierenden empfehlen. Ein bisschen drängt sich mir zwar der Eindruck auf, dass das „mehr so ein Mädchending“ ist. Aber vielleicht liege ich da auch komplett falsch, und selbst wenn, ist es sowieso egal. Vereinzelt habe ich übrigens schon Studierende in den Veranstaltungen gesehen, die ein Bullet Journal geführt haben und dabei auch die eine oder andere Visualisierung benutzt haben. Bei sehr abstrakten Inhalten wird es natürlich schwierig mit dem Sketchnoten. Tanja Wehrs Standardbeispiel ist hierfür das Bruttosozialprodukt Das lässt sich eben einfach schlecht verbildlichen.

Was bringen die Bücher für den Einsatz in der Lehre?

Spontan während der Lehrveranstaltung eine gekonnte Zeichnung auf das Flipchart zaubern, das wäre schon was? Oder eine Zeichnung, die man zumindest einmal erkennt, wir wollen die Latte ja nicht zu weit nach oben schieben. Die meisten Kollegen, die ich bisher auf das Thema angesprochen habe, sagten mir entweder, dass sie da großen Nachholbedarf hätten („Oh ja, da sagst Du was…“), oder dass da sowieso gar keine Hoffnung mehr bestünde. Ihnen kann geholfen werden, wie ich oben ausgeführt habe.

Das Bullet Journal halte ich für eine eher private Angelegenheit, so dass ich hier kaum Einsatzmöglichkeiten in der Lehre sehe. Sollten alle Studierenden mit der Methode vertraut sein, könnte ich mir vorstellen, dass in Formaten wie Workshops oder Projektseminaren die gemeinsamen To Dos auch in einer Bullet-Journal-ähnlichen Form für alle sichtbar am Whiteboard oder Flipchart festgehalten werden.

 


Herzlichen Dank an den Verlag für die Rezensionsexemplare!


Die Inhaltsverzeichnisse

Meier-Soriat, Diana (2018): Bullet Journal – Das Praxisbuch. Frechen: mitp.

Einleitung – Materialkunde – Organisationssystem – Inhaltlicher Aufbau eines Bullet Journals – Schmuckelemente, Icons, Schriften und Co. – Anwendungen und Vorlagen – Dein Bullet Journal als Tagebuch und Erinnerung – Travel Journal – Mit Farben arbeiten – Dekoelemente – Social Media und Bullet Journal Features

 

 Wehr, Tanja (2018): Die Sketchnote Starthilfe – Neue Bilderwelten. Frechen: mitp.

Einleitung – Hilfsmittel, Menschen und Mimik – Bilderwelten – Farbe und Schatten – Die eigene Bildsprache – Übungen

Wehr, Tanja (2017): Die Sketchnote Starthilfe. Frechen: mitp.

Einführung

Teil 1: Bildsprache

Bilderwelten – Menschen und Emotionen – Hilfsmittel

Teil 2: Schriftarten

Blockbuchstaben – Schreibschrift – Handlettering

Teil 3: Feinschliff

Schatten und Farbe – Aufbau einer Sketchnote

Teil 4: Los geht‘s

Live-Vorträge – Individualisierung, Tipps, Tricks, Übungen

 

 

Wissenschaftliches Arbeiten ist wie Krafttraining

Nutzen Sie manchmal Vergleiche, um Ihren Studierenden in der Lehrveranstaltung die Inhalte zu veranschaulichen? Meine Vergleiche haben meistens etwas mit Sport (und noch viel öfter etwas mit Essen) zu tun. Heute möchte ich drei Gedanken zum Thema „Wissenschaftliches Arbeiten ist wie Krafttraining“ mit Ihnen teilen.

Festige die Technik, bevor Du Dich an die schweren Gewichte wagst.

Der Bewegungsablauf einer Übung sollte exakt sitzen, bevor man sich die Hantel volllädt. Anderenfalls riskiert man Überlastungen oder Verletzungen. Beim wissenschaftlichen Arbeiten sollten die grundlegenden Techniken des Recherchierens, Lesens und Schreibens gefestigt sein, ehe man sich mit größeren Arbeiten befasst. Beim Krafttraining steigert man sich über Wochen und Monate; beim wissenschaftlichen Arbeiten wird man hoffentlich über die Semester hinweg entsprechend angeleitet und erhält im besten Fall Aufgaben mit dem jeweils angemessenen Schwierigkeitsgrad.

Pack‘ nur so viel auf die Hantel, wie realistisch ist.

Jeder sollte sich nur so viel zumuten, wie er auch gut zu Ende bringen kann. Das gilt am Squat Rack gleichermaßen wie beim wissenschaftlichen Arbeiten. Wer das Gewicht der Hantel unterschätzt, bringt die letzte Wiederholung nicht sauber zu Ende ­­­­– was  unschön aussieht und bei Umstehenden für Erheiterung, Mitleid oder Kopfschütteln sorgt. Wer sich beim wissenschaftlichen Arbeiten zu viel vornimmt und dann nicht fertig wird, erntet das Kopfschütteln der Betreuungsperson. Diese hat wie ein guter Trainer hoffentlich im Vorfeld gewarnt. Ich denke hier vor allem an zu große Fragestellungen in studentischen Arbeiten, die im Beratungsgespräch identifiziert und gemeinsam handhabbar gemacht werden sollten.

Trainiere ausgeglichen alle Partien.

Wer ausschließlich die Arme trainiert und dann „keine Zeit“ (hüstel) mehr für die Beinübungen hat, sieht nach einiger Zeit ziemlich unproportioniert aus. Wie ein Discopumper eben, der durch seinen Bizeps Eindruck schinden möchte ­– was übrigens nur selten gelingt. Der Wissenschafts-Discopumper ist für mich jemand, der inhaltlich einseitig arbeitet und nur solche Quellen heranzieht, die seine vorgefertigte Meinung stützen. Er setzt sich nicht oder zumindest nicht ernsthaft mit anderen Argumenten auseinander und baut auf diese Art niemals eine echte Position auf. Daher wird er von jenen, die ernsthaft arbeiten, genauso belächelt wie ein Discopumper.

Für uns als Trainerinnen und Trainer bedeutet das aus meiner Sicht:

  • Die grundlegenden Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens sollten im Lauf des Studiums ordentlich vermittelt werden, bevor es an die Abschlussarbeit geht.
  • Unsere Studierenden benötigen unsere Anleitung, um den passenden Schwierigkeitsgrad für Ihre Arbeiten auszuwählen.
  • Wir sollten unseren Studierenden zeigen, wie sie eine ausgewogene Arbeit anfertigen, mit der sie in der Community ernstgenommen werden.

 

Einen ähnlichen Artikel finden Sie hier: Was mich Yoga über wissenschaftliches Arbeiten lehrt

Mal ehrlich, war das wirklich nötig?

Das 501. Buch zum wissenschaftlichen Arbeiten kommt in den Handel. Mein Buch. Wieso um Himmels willen noch ein Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten?

Zwei Gründe waren für mich ausschlaggebend, als ich im Januar 2016 mit dem Schreiben begonnen habe.

Grund Nummer 1: Ermutigen und anleiten

Ausgehend von dem, was ich im Manifest niedergeschrieben habe, wollte ich einen Ratgeber verfassen, der sich nicht nur mit der Form der Arbeit und/oder mit dem Schreibprozess beschäftigt. Vielmehr sollten die Studierenden „vorbereitet“ und durch den Prozess geleitet werden. Daher beginnt das Buch mit dem persönlichen Nutzen, der Motivation und Zeitplanung. Nebenbei räume ich auch ein klein wenig mit den Mythen auf, die das wissenschaftliche Schreiben umranken. (Es war ganz wunderbar, dass Christian Wymanns hilfreiches Buch dann mitten im Schreibzeitraum erschien und meine Gedanken bestätigte.)

So weit, so gut. Solche Ratgeber existieren schon. Mir fehlte aber NOCH etwas Wichtiges. Nämlich:

Grund Nummer 2: die Software

Software ist heutzutage beim wissenschaftlichen Arbeiten nicht mehr wegzudenken. Manche Studierende motiviert das sehr. Andere schreckt Software ab, oder der Auswahlprozess überfordert sie, oder aber der Nutzen ist ihnen nicht vollumfänglich klar. (Mehr zu diesem Thema habe ich hier geschrieben.)

Die bisherigen Ratgeber streifen den Aspekt der Software nur am Rande, wenn überhaupt. Niemand hat sich bisher die Mühe gemacht, systematisch für Studierende die Software aufzubereiten, die für das wissenschaftliche Arbeiten hilfreich sein kann. Ich weiß mittlerweile auch, warum: Es war verdammt viel Arbeit. Für jedes Programm, das  im Buch aufgeführt ist, gibt es mindestens eines, das ich verworfen habe. Hier zeige ich Ihnen, wo ich recherchiert habe.

Meine besten Informationsquellen bei der Software-Recherche

https://101innovations.wordpress.com/ von der Universität Utrecht

https://blogs.fu-berlin.de/ideenbar/tools/ von der FU Berlin

https://edshelf.com (mit Einschränkungen, da hier auch viel für schulische Zwecke gelistet ist)

Alternative to: http://alternativeto.net/

DIRT (Digital Research Tools): http://dirtdirectory.org/

Ihnen als Lehrenden gibt Ihnen mein Buch einen guten Überblick, damit Sie Ihre Studierenden besser mit Tipps versorgen können, ohne sich selbst durch all diese Listen und Datenbanken zu wühlen.

Bitte anschnallen

Wenn Sie möchten, kommen Sie doch mit nach drüben auf www.effizient-schreiben.de. Dort erfahren Sie alles Weitere.

 

 

Gotcha – wie ich mich selbst eines Plagiats überführte

Haben Sie schon einmal so richtig absichtlich plagiiert? – Ok, Sie waren bestimmt jung und brauchten den Schein (= die Leistungspunkte).

Und haben Sie schon einmal unabsichtlich plagiiert? Wissen Sie nicht? Mir ist es passiert, und ich wusste es natürlich auch erst einmal nicht.

Die deutsche Sprache hält für solche Situationen ein schönes Wort bereit: Tja. Es ist kein schönes Gefühl, ein Plagiat zu entdecken. Wenn es sich dann noch um ein eigenes handelt: Tja. Ein geknicktes Tja. Ein „Tja, und nun?!?“-Tja.

Die ganze Angelegenheit hatte aber auch etwas Gutes, und zwar für die Lehre.

Nähern wir uns der Sache doch einmal chronologisch an.

Und das geschah so…

  • Anfang 2016:
    Auf der Suche nach Impulsen für die Lehre lese ich Passagen aus „Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf“ von Andrea Frank, Stefanie Haacke und Swantje Lahm (2013, 2. Aufl., Stuttgart: Metzler). Eine richtig intensive Lektüre ist das zu der Zeit nicht, dazu stehen zu viele andere Themen auf meinem Plan.
  • Mitte März 2016:
    In einer E-Mail an eine der Autorinnen schreibe ich:
    „Ihr Buch ‚Schlüsselkompetenzen‘ habe ich übrigens, wie der Zufall es will, gerade hier liegen und konnte schon viel Nützliches für meine Arbeit mit den Studierenden herausziehen.“
  • Ende Mai 2016:
    Ein Gastbeitrag von mir erscheint auf dem Blog von Daniela Keller (http://www.statistik-und-beratung.de/2016/07/ueberarbeiten-vom-aufraeumen-zum-dekorieren/). Darin nutze ich das Bild des Aufräumens, um zu verdeutlichen, wie Studierende beim Überarbeiten ihrer Texte sinnvollerweise vorgehen sollten.
  • Ende August 2016:
    Als ich an einem ruhigen Home Office-Tag so vor mich hinarbeite, nehme ich das Buch „Schlüsselkompetenzen“ erneut zur Hand. Mir fährt der Schreck in die Glieder. Da lese ich etwas von „Überarbeiten als Aufräumen“ (S. 67). Genau so habe ich meinen Gastbeitrag genannt und dabei sogar noch „von grob zu fein“ zum Motto erhoben! Genau so, wie es Frank, Haacke und Lahm es formuliert haben.

Hilfe! Wie peinlich!

Mein Herz rast. Ich schaue noch mal genau in das Buch. Das steht da wirklich. Ich schaue meinen Gastartikel an. Auch da steht das. Wirklich. Meine Gedanken überschlagen sich.
Was tun? Und überhaupt: Wie konnte das passieren? Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diese Stelle im Buch noch nicht gelesen hatte, als ich den Gastartikel verfasst habe.

Oder? Bin ich mir da wirklich sicher? Bei meiner Lesemenge ist es gut möglich, dass ich es nur überflogen, aber gar nicht richtig wahrgenommen habe und dann später als vermeintlich eigene Idee verfolgt habe. Zumal ich in dem Moment ja nicht im „Wissenschafts-Modus“ war. Dann gehe ich sorgfältiger vor und mache mir parallel zum Lesen Notizen oder fertige gleich ein ordentliches Exzerpt für meinen Zettelkasten an.

Wenn ich hingegen auf der Suche nach Ideen für die Lehrveranstaltungen bin, ist es wahrscheinlicher, dass ich beim scannenden Lesen auch Inhalte streife, die ich in dem Moment gar nicht suche, und denen ich daher keine große Beachtung schenke.

Später setzt ein anderer Gedanke ein: Könnte es nicht sein, dass ich selbst und eigenständig die gleiche Idee wie die drei Autorinnen hatte? Vielleicht handelt es auch einfach eine naheliegende Metapher. Kolleginnen und Kollegen bestätigen mir das: Aufräumen und Überarbeiten haben tatsächlich viel gemeinsam, die Übertragung bietet sich nun einmal an. Wie dem auch sei, im Lichte meiner E-Mail von Mitte März 2016 („und konnte schon viel Nützliches für meine Arbeit mit den Studierenden herausziehen“) musste auch eine solche Erklärung unglaubwürdig klingen.

Letztlich kann ich nicht mehr zu 100 Prozent nachvollziehen, wie das alles zustande kam.

Was tun?

Ich trete die Flucht nach vorne an, denn ich will die Sache aus der Welt schaffen. Auf meine ziemlich zerknirschte E-Mail, wiederum an die eine der Autorinnen, mit der ich schon in Kontakt stand, folgt eine schnelle Antwort. Ein Auszug:

„Ich sage auch immer Studierenden: wir bemühen uns um Redlichkeit, aber im Rahmen dessen, was möglich ist. Und das, was Sie beschrieben haben (hab ich’s selbst erdacht oder woanders her) kennt sicherlich jede/r.“

Erleichterung und Entspannung setzen ein. Puh.

Eine Lehre für die Lehre

Neue Fragen tauchen auf.

Muss ich als Lehrende nicht mit gutem Beispiel vorangehen? Gerade wenn ich „Wissenschaftliches Arbeiten“ unterrichte? Und dann steht da ein Gastartikel mit einem solchen No-Go auf einer gut besuchten Website für die ganze (deutschsprachige) Welt sichtbar.

Würden nicht über kurz oder lang Studierende an mich herantreten und sagen „Sie, Frau Klein, das haben Sie aber schön abgeschrieben! Hätten Sie da nicht die Quelle angeben müssen? Hätten Sie nicht wissen müssen, dass das eine fremde Idee war? Hätten Sie das nicht prüfen müssen?“

Meine Gegenfrage wäre gewesen: „Ja, wie denn? Wie soll ich denn so etwas prüfen?“

Da sind wir genau an dem Punkt, an dem ich umgekehrt mit den Studierenden in der Lehrveranstaltung stehe. Manchmal fragen sie mich: „Woher soll ich denn wissen, ob die Inhalte, die ich in meinem Text niederschreibe, nicht schon mal jemand anders irgendwann geschrieben hat?“ Das ist, so meine Standardantwort, zunächst eine Frage der Belesenheit: Wie gut kenne ich mich in meinem Gebiet aus? Je mehr ich lese, desto besser kann ich wissen, welche Gedanken schon gedacht und vor allem schriftlich festgehalten wurden. Erstsemester sind hier im Nachteil gegenüber Studierenden, die bereits an der Abschlussarbeit sitzen. Sie bauen diese Belesenheit erst auf.

Ein weiterer Aspekt ist die Arbeitsweise mit der Literatur. Der Arbeitsprozess selbst kann auch „plagiatsgefährdet“ sein, wie Ulmi et al. schreiben (2014, Textdiagnose und Schreibberatung, Opladen & Toronto: Budrich, S. 216): „Die Autorin liest viel, schreibt vielleicht auch ein Journal, schreibt eigene Gedanken zum Gelesenen auf und entdeckt neue Zusammenhänge. Diese aber sind möglicherweise ganz ähnlich wie jene, die in einem früheren Text schon gestanden haben, nur hat die Autorin sie aufgrund ihres damaligen Wissensstandes noch nicht aufnehmen können – und jetzt kommen ihr die damaligen Erklärungen gewissermaßen als eigene Einsichten daher.“ Hier liegt es also an uns Lehrenden, wie wir lesen lehren.

Für die Lehre war mir die Angelegenheit eine Lehre. Denn es mag sein, dass ich vor diesem Vorfall auf einem hohen Ross saß, was die Quellenangaben anging. Ich dachte: Natürlich weiß man, was man woher hat, und gibt dann einfach die Quelle an. Mittlerweile bin ich deutlich offener für die Schwierigkeiten der Studierenden.

Die Aufmerksamkeit steigt beträchtlich, wenn ich diese Geschichte in der Vorlesung erzähle. Nun kann ich Ihnen jedoch schlecht raten, selbst ein Plagiat zu fabrizieren, um dieses dann zu Lehrzwecken zu verwenden. Sie dürfen daher gern meine Geschichte verwenden, wenn es der Sache dient.

Zum guten Schluss noch ein Hinweis: Die Überschrift dieses Blogartikels bezieht sich auf den sehr lesenswerten Artikel von Margaret Price (2002): „Beyond ‚Gotcha‘: Situating Plagiarism in Policy and Pedagogy“ in College Composition and Communication, Vol. 54, No.1. Ein wichtiger Punkt darin ist, dass die saubere Verarbeitung von Literatur den Studierenden nicht qua Leitfaden vermittelt werden kann, sondern nur in einem längeren Prozess des gemeinsamen Lernens und Schreibens.

Was mich Yoga über wissenschaftliches Arbeiten lehrt

Neulich habe ich nach einer längeren Pause wieder mit Yoga angefangen. Das war auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Sogar für den Blog hat es sich als aufschlussreich erwiesen.

Sie werden den Beitrag übrigens auch gut verstehen können, wenn Sie mit Yoga überhaupt nichts am Hut haben.

Bildquelle:Pixabay

Lesen Sie im Folgenden die fünf Dinge, die mich Yoga über das wissenschaftliche Arbeiten lehrt. Oder besser gesagt: über die Lehre im Fach Wissenschaftliches Arbeiten.

1) Es ist in Ordnung, dass verschiedene Menschen verschiedene Ziele anstreben.

Im Yoga geht jeder nur so weit, wie er kann. Wo der eine den Schulterstand gut beherrscht, übt der andere vielleicht den halben oder unterstützten Schulterstand. Jeder tut das, was für ihn in dem Moment richtig ist.
Auch beim wissenschaftlichen Arbeiten bestimmt jeder selbst den Anspruch, den er an sich hat. Hier prägen dann vor allem die Wahl der Fragestellung und der Methode das Niveau der Arbeit. Wir als Lehrende greifen in der Beratung ein, wenn die Studierenden nicht erkennen, dass die Latte zu hoch oder zu niedrig liegt, oder bewerten eine abgegebene Arbeit entsprechend als „nicht bestanden“. Um im Yoga-Bild zu bleiben: Wenn der Studierende flach auf dem Rücken liegen bleibt, wo ein Art von Schulterstand gefragt ist, ist es dann eben keine ausreichende Studienleistung – individuelle Ziele hin oder her. Im Yoga gibt es eine solche Beurteilung natürlich nicht. Wenn ich jedoch in einer angeleiteten Einheit von vorneherein die ganze Zeit flach auf der Matte liegen bleiben möchte, darf der Sinn hinterfragt werden.

2) Was für mich leicht ist, kann für andere schwierig sein, und umgekehrt.

Jeder bringt individuelle körperliche Voraussetzungen mit. So kommt es, dass die verschiedenen Übungen als unterschiedlich schwierig empfunden werden.

Ähnlich ist es mit den Elementen des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses: Einer liest schnell und verarbeitet einen Berg an Informationen ohne erkennbare Mühe, bringt seine Ideen aber nur langsam aufs Papier. Ein anderer wiederum schreibt vielleicht schnell, hat jedoch Schwierigkeiten mit dem Überarbeiten und Fertigstellen der Arbeit.
Sowohl im Yoga als auch in der Lehre sollten wir nicht von uns auf andere schließen. Es gilt zu reflektieren und sich in der Lehre auf die verschiedenen Vorkenntnisse und Vorlieben einzustellen. Und sie vor allem nicht zu werten.

3) Mache Dinge, die ein bisschen weh tun, aber nicht sehr.

Eine wichtige Regel im Yoga: Um sein Ziel zu erreichen, sollte man an seine Grenzen gehen, aber eben nicht darüber. Denn wer sich gar nicht erst an seine Grenzen annähert, wird keine Veränderung bewirken. Wer hingegen seine Grenzen überschreitet, schädigt sich mit großer Wahrscheinlichkeit und wird lange brauchen, um sich davon zu erholen.

Daher ist es wichtig herauszubekommen, was man den Studierenden zumuten kann. Welche Aufgabe können sie erfüllen, wenn sie sich ein bisschen strecken? Wie viel Unbequemlichkeit können sie aushalten, ohne zu resignieren und entmutigt oder überfordert zu sein? Und umgekehrt: Worauf sind sie stolz, wenn sie es letztlich geschafft haben? Weil es eben keine zu leichte Aufgabe war, sondern eine, die genau den richtigen Grad an Anstrengungerfordert.

4) Halte durch, auch in schwierigen Fällen.

Im Yoga wollen manche Haltungen einfach nicht gelingen, monatelang. Und schwupp, irgendwann unverhofft, findet man sich in eben jener Position wieder, an der man lange verzweifelt ist – und kann sein Glück kaum fassen. (Hallo „Krähe“!)

Manche Studierenden scheinen einfach nicht zu wollen. Sie zeigen sich in der Vorlesung desinteressiert, stellen nie eine Frage, arbeiten nicht mit. Auch daran könnte man als Lehrende verzweifeln. Irgendwann macht es jedoch manchmal „klick“, und am Ende haben die Betreffenden dann doch etwas gelernt oder sogar ein wahres Interesse am Fach entwickelt. Das heißt nun nicht , dass man es in solchen Fällen einfach immer laufen lassen und nur darauf hoffen soll, dass sich alles von alleine regelt. Es bedeutet vielmehr, dass unter der Oberfläche mehr passiert, als wir denken, und dass sich der Fortschritt manchmal eben nicht erzwingen lässt.

5) Gib den Übungen einen spannenden Namen.

„Wir drehen jetzt unseren linken Fuß, bis er parallel zur kurzen Mattenkante steht. Der rechte Arm zeigt waagerecht nach vorne, der linke…“ Oder auch einfach: „Krieger 2“. Sofern alle Bescheid wissen und einigermaßen geübt sind, übermittelt man mit einer kurzen Ansage schneller alle Informationen als mit detaillierten Erklärungen. Anstatt also umständlich zu sagen, „Wir nehmen uns ein Blatt Papier, und jeder schreibt jetzt fünf Minuten lang…“, sage ich ein Freewriting an. Fertig.

Abgesehen davon, dass man nicht immer wieder neu erklären muss, macht es auch einfach mehr Spaß, eine Übung mit einem ansprechenden Namen durchzuführen.

In diesem Sinne: Namaste!

Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten

Unabhängig davon, welche Tools Sie selbst nutzen, wie gehen Sie mit diesem Thema eigentlich in der Lehre um? Das würde mich wirklich einmal interessieren.

Mit Tools meine ich Software für den Rechner, Apps für das Handy und die vielen Websites mit ihren Diensten. An oberster Stelle steht da beim wissenschaftlichen Arbeiten natürlich die Literaturverwaltung. Hinzu kommen Tipps und Tricks für die Textverarbeitung. Außerdem die digitale Form des guten, alten Zettelkastens. Und gerade in vermeintlichen Randbereichen wie Selbstorganisation und Zeitmanagement existieren sehr viele digitale Hilfen.

Bei der Recherche für mein Buch habe ich mich in den vergangenen Monaten intensiv mit Software im Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens auseinandergesetzt. (An dieser Stelle ein kleiner Gruß an die jeweiligen Namensgeber der Programme und Apps. Ihr habt mich an den Rand des Wahnsinns gebracht mit Euren austauschbaren Namen und Binnenmajuskeln! Ein Beispiel: Kanbanchi, Kanbanik, Kanboard, KanbanTool und KanbanFlow, wer soll das bitte auseinanderhalten? Für Mindmapping-Programme gilt es analog.)

Hatte ich das Buch hier auf dem Blog schon einmal richtig erwähnt? Im ersten Quartal 2017 erscheint es – es wird der erste Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten, der den Software-Aspekt ausführlich beleuchtet.

Geeks and nerds vs. DAUs

Bei den technikaffinen Studierenden rennt man mit solchen Themen natürlich offene Türen ein. Die Tools versprechen eine Arbeitserleichterung und lösen Begeisterung aus. Allerdings ist der Anteil dieser Studierenden nach meiner Erfahrung überraschenderweise gar nicht so hoch. Wo sind die all die Digital Natives?

Bei den DAUs hingegen, die noch den Knopf zum Anschalten des Laptops suchen, wird es problematisch. Die Vorbehalte sind einfach sehr groß: Man muss sich erst einmal lange und umständlich einarbeiten; die Technik erstickt jede Kreativität im Keim; und schließlich besteht die Gefahr, dass mit einem Klick alles weg ist. Diese Vorbehalte wollen erst einmal entkräftet sein, bevor die inhaltliche Auseinandersetzung beginnen kann.

Didaktischer Ansatz?

Beim Thema Tools habe ich noch keinen Weg für die Lehre gefunden, der mich richtig zufriedenstellt. Noch habe ich kein Mittel, wie ich mit den sehr unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Studierenden umgehen kann. Da sind zum einen die erwähnten persönlichen Vorlieben und Vorkenntnisse. Zum anderen gibt es da ja auch noch ein technisches Problem, die unterschiedlichen Betriebssysteme und die Frage der Kompatibilität. Auch möchte ich nicht, dass die Lehrveranstaltung zu einer Softwareschulung wird oder wie die Demo eines Software-Verkäufers anmutet.

Momentan gestalte ich es so, dass ich zuerst ganz allgemein über Auswahlkriterien bei der Softwaresuche spreche. Damit sollen die Studierenden in die Lage versetzt werden, im Fall der Fälle kluge Entscheidungen zu treffen. Ausgewählte Tools demonstriere ich kurz, andere erwähne ich an den passenden Stellen nur.

Aber bald wird es ja leichter. Dann stelle ich mich in der Vorlesung vorne hin und sage einfach „Kauft! Mein! Buch!“ – Nein, natürlich mache ich das nicht. Was habe ich das gehasst bei so manchem Professor während meines Studiums!

Zu guter Letzt möchte ich noch ein bisschen Prophylaxe betreiben. Falls der Eindruck entstanden sein sollte, ich würde Software für das Allerwichtigste beim wissenschaftlichen Arbeiten halten: Die wichtigste Software ist und bleibt immer noch das Gehirn.

brain

(Die abgebildete Website kann ich übrigens nur empfehlen. Auf alternativeto.net können Sie bei Bedarf nach Ersatz für Ihre bisherigen Softwarelösungen suchen.)

Und jetzt stelle ich noch einmal meine Frage vom Anfang des Artikels, in der Hoffnung auf Antworten:

Wie gehen Sie mit dem Thema „Tools beim wissenschaftlichen Arbeiten“ in der Lehre um? Und: Wollen Sie dem Thema überhaupt Zeit schenken?

 

Oh, Du bist aber groß geworden!

Mindmap_Bloggeburtstag

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, lieber Blog! Du bist aber groß geworden!

Ungläubig staunend sitze ich manchmal da, wenn ich im WordPress-Dashboard die Zahl der Artikel und Kommentare sehe. Stand heute: 50 Beiträge und 48 Kommentare.

Nach einem spannenden ersten Jahr ist es an der Zeit, einmal das Geschehene anhand der drei folgenden Leitfragen Revue passieren zu lassen:

  1. Was war mein Ziel mit dem Blog?
  2. Wie lautet mein Zwischenfazit nach einem Jahr?
  3. Wie soll es weitergehen?

Sie dürfen heute die Innensicht lesen, jetzt wird es persönlich.

  1. Was war mein Ziel mit dem Blog?

Vor allem wollte ich Lehrende des Wissenschaftlichen Arbeitens kennenlernen und dabei natürlich am liebstem vor allem Gleichgesinnte.

Ich habe einen Austausch über Inhalte und Methoden gesucht.

Außerdem wollte ich meine Erfahrungen mit der Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens weitergeben.

Nachzulesen ist das alles auf der „Über diesen Blog“-Seite, deren Text seit über einem Jahr unverändert da steht.

Ich werde oft gefragt, warum ich das alles eigentlich mache. Warum nehme ich es auf mich, Woche für Woche einen Beitrag zu veröffentlichen? (Ok, eine Pause an Weihnachten habe ich mir gegönnt, und auch den Sommer werde ich nicht komplett durchmachen.) Warum tue ich mir das an, so viel selbst zu schreiben und Gastbeiträge zu akquirieren? Kurz: Warum stelle ich ein Medium auf die Beine, als dessen Autorin und Redakteurin ich jede Woche in der Pflicht bin?

Die Antwort ist ganz einfach: Es ist mir ein Anliegen, die vielfältigen Möglichkeiten bei der Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens auf eine leicht zugängliche Art und Weise darzubieten, damit die Lehrenden und in der Folge die Studierenden besser vorankommen.

In einer E-Mail, die ich kürzlich erhalten habe, heißt es:

„Ich habe ein wenig in Ihrem Blog gelesen und mich über Ihre Texte gefreut, insbesondere darüber, dass Sie und andere Beitragende gerade das ‚Menschliche‘ thematisieren. Wissenschaft soll uns Menschen dienen und nicht umgekehrt.“

Volle Zustimmung! Das bringt meine Haltung sehr gut auf den Punkt.

  1. Was ist mein Zwischenfazit nach einem Jahr?

Kennenlernen anderer Lehrender

Der erste Punkt, das Kennenlernen anderer Lehrender, hat sich auf jeden Fall erfüllt. Ich habe viele tolle Menschen „getroffen“ und interessante neue Verbindungen geknüpft. Zu Beginn geschah das über die Xing-Gruppe „Leichter, schneller, besser! Wissenschaft(lich) schreiben“, später dann auch über E-Mails.

Mittlerweile habe ich einen Stamm an treuen Newsletter-Abonnenten/-innen aufgebaut, die jede Woche eine Mail von mir erhalten. Mit Ihnen im Hinterkopf schreibe ich oft meine Artikel. Sie sind als Publikum für mich greifbar, und Sie warten ja auf den nächsten Beitrag. Das bilde ich mir zumindest ein, nehmen Sie mir bitte nicht die Illusion.

Überraschend ist für mich immer noch, dass so viele ausgebildete Schreibberater/-innen Interesse an meinem Blog zeigen. Das ist natürlich erfreulich und bereichernd, ich hatte eben nur nicht damit gerechnet. Abgezielt hatte ich ja eher auf die, die ich immer „Fachlehrende“ nenne: Lehrende, die in ihren jeweiligen Fächern unterrichten und das Wissenschaftliche Arbeiten zusätzlich vermitteln.

Diese Fachlehrenden finde ich schwierig zu erreichen. Sie sind in Ihren jeweiligen Communities organisiert. Wer von ihnen jedoch auch noch Wissenschaftliches Arbeiten lehrt, ist nirgendwo verzeichnet.

Wenn es allerdings um Aspekte wie die Betreuung von Studierenden und die Korrektur von wissenschaftlichen Arbeiten geht, sind wieder alle Lehrenden angesprochen. Nicht zu vergessen auch die Vorbildfunktion, die jeder Lehrende ausübt.

Sie dürfen also gern die Werbetrommel für den Blog rühren, wenn Sie gern hier lesen!

Austausch über Inhalte und Methoden

Den gewünschten Austausch über Inhalte und Methoden habe ich – bedingt durch Punkt 1 – gefunden. Ein bisschen intensiver dürfte die Diskussion in den Kommentaren gern sein. Ein Teil der Diskussion findet aber auch abseits des Blogs statt: in der besagten Xing-Gruppe, in E-Mails und manchmal auch am Telefon und in persönlichen Gesprächen.

Aus meiner persönlichen Sicht kann ich hier übrigens bestätigen, was die Schreibdidaktik schon seit geraumer Zeit weiß: Fachliches Lernen vollzieht sich beim Schreiben, die beiden Dinge gehen Hand in Hand. Durch die intensivere Beschäftigung und das Hinterfragen und natürlich nicht zuletzt durch den Austausch entwickelt man sich weiter. Sie dürfen mir hier also quasi beim Lernen zusehen.

„Wer schreibt, zeigt sich“, heißt es so schön. Mein Mut wurde belohnt. Ich erlebe Leser/-innen, die gern von meinen Ideen lesen und wohl auch etwas Bestätigung ihrer eigenen Arbeit finden, weil sie manche Themen gleich oder ähnlich unterrichten.

Die meist gelesenen Artikel (ungeachtet der recht unterschiedlichen Zeit, die sie schon online stehen) sind übrigens:

  1. Das Manifest für Lehrende
  2. Fehler Nummer 1 in studentischen Arbeiten
  3. Schlüsselkompetenz Schreiben?
  4. Wie Sie Hausarbeiten korrigieren und trotzdem glücklich bleiben

Auch sehr beliebt ist das Schlagwort „Zeitmanagement“. Natürlich nur aus Interesse für die Lehre desselben, nehme ich an!

Erfahrungen weitergeben

Das Weitergeben meiner eigenen Erfahrungen hat mir viel Resonanz gebracht. Es hat mich vor allem anfangs einiges an Überwindung gekostet, etwas zu veröffentlichen, das nicht „perfekt‘“ ist. Ein einzelner Blogartikel ist nicht so zu Ende gedacht wie ein in sich geschlossener Fachartikel oder gar ein Buch. Vom Gesamtaufbau des Blogs ganz zu schweigen – es war auch neu für mich, nicht von vorneherein zu wissen, wie es genau weitergeht, sondern nur mit einem groben Plan dem Lauf der Dinge zu folgen. So ein Blog entwickelt eine gewisse Eigendynamik, was ja auch durchaus erwünscht ist.

Ich erhalte immer wieder einmal E-Mails, in den Leser/-innen ihrer Freude darüber Ausdruck verleihen, dass ich die Dinge so klar benenne und die Inhalte gut konsumierbar darbiete. Mein Ton ist nicht wissenschaftlich, sondern alltagssprachlich. Das scheint für viele eine willkommende Abwechslung zu sein. Manchmal, so meine Befürchtung, wirken meine Gedanken durch die lockere Sprache vielleicht etwas oberflächlich. Auch werden ja immer nur Ausschnitte präsentiert. Der echte Tiefgang fehlt also. Allerdings habe ich gar keine Lust, hier wissenschaftlich-anstrengend und langweilig zu sein.

Und sonst so

Eine ungeplante, aber umso erfreulichere Nebenwirkung hatte das alles hier auch noch. Eigentlich wollte ich ja einfach nur bloggen, siehe Punkt 1. Tja, was soll ich sagen? Am Anfang des Jahres habe ich einen Buchvertrag unterschrieben. Das Witzige daran ist, dass ich die Form des Blogs ursprünglich gewählt habe, weil ich dachte, keine Zeit zum Buchschreiben zu haben. Jetzt mache ich beides parallel… Anfang 2017 ist es dann so weit mit dem Buch. Es wird ein Ratgeber zum Wissenschaftlichen Arbeiten (ja, der 500.), der sich einem ansonsten stark vernachlässigten Aspekt widmet: dem Umgang mit Software beim Wissenschaftlichen Arbeiten.

  1. Wie soll es weitergehen?

Durch die Vergabe der ISSN ist der Blog jetzt natürlich hochgradig seriös. Sie da drüben, hören Sie auf zu lachen! Hier wird jetzt nicht mehr gelacht.

Ok, im Ernst. Wohin soll die Reise gehen?

Ich möchte gern noch die Leserschaft ausweiten. Dabei möchte ich gern noch mehr Fachlehrende ansprechen und ihnen einen unkomplizierten Zugang zur Lehre des Wissenschaftlichen Arbeiten und zu ausgesuchten Aspekten der Schreibdidaktik bieten.

Auch kann ich mir gut vorstellen, dass auch Peer Tutoren hier einige interessante Aspekte einbringen könnten. Wenn Sie mir helfen möchten, sie zu erreichen: gern!

Inhaltlich wird es erst einmal weitergehen wie bisher. In meinem Redaktionsplan stehen Themenideen, die bis weit ins nächste Jahr reichen. Wenn Sie aber etwas Bestimmtes lesen möchten, lassen Sie es mich einfach wissen (andrea.klein@wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de). Eigendynamik des Blogs und so. Es lässt sich vieles relativ schnell umsetzen.

Ein wichtigen Punkt habe ich mir bis zum Ende des Geburtstags-Artikels aufgehoben: Ein didaktisches Konzept für die Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens ist in Entwicklung. Gemeinsam mit einer Kollegin tüftele ich gerade daran herum. Sie werden es auf jeden Fall mitbekommen, wenn es fertig ist.

So, das soll es dann auch schon gewesen sein für heute.

Haben Sie das wirklich alles gelesen?

Lassen Sie mich an Ihren Gedanken teilhaben? Meine Innensicht kennen Sie jetzt ja.

 

Wie ich selbst wissenschaftlich arbeite – und was ich daraus für die Lehre lerne

Bekommen Sie aus den anderen Posts eigentlich den Eindruck, ich selbst wäre ein Paradebeispiel für effizientes wissenschaftliches Arbeiten? Sieht es so aus, als hätte ich vom ersten Semester an alles richtig gemacht? Dann muss ich hier wohl mal ein bisschen was klarstellen.

Meine eigene erste wissenschaftliche Arbeit

Ziemlich unbedarft bin ich in meinem Anglistikstudium in das erste literaturwissenschaftliche Proseminar gestolpert. Ich hielt es, ohne groß darüber nachzudenken, für die Verlängerung des Englisch-Leistungskurses. Diese Einschätzung sollte sich bis zum Ende des ersten Semesters nicht ändern, danach plante ich erst einmal ausgiebig für den Sommer eine zweimonatige Reise durch Kanada, und irgendwann musste eben die noch ausstehende Hausarbeit zügig verfasst werden. Das neue Semester stand ja bereits vor der Tür.

Was lag also näher, als mit der Arbeitseinstellung „Ein Aufsatz – ok, das kann ich ja“ ans Schreiben zu gehen? Für meine Literaturinterpretationen hatte ich in der Schule überwiegend positive Rückmeldungen erhalten. So falsch konnte das also nicht sein, was ich da gemacht hatte – dachte ich. Dementsprechend plante ich also, das bisherige Erfolgskonzept auf das neue Umfeld zu übertragen und einen besseren Aufsatz zu verfassen – bestehend einzig und allein aus meinen eigenen Gedanken. Weil es sich um Uni handelte und nicht mehr um Schule, gedachte ich immerhin, etwas mehr Zeit zu investieren. Mehr Mühe machte ich mir allerdings nicht. Ich recherchierte kaum Literatur und war mir sogar nicht zu schade, aus dem Anhang des Primärwerks zu zitieren. Die Rückmeldung auf diese Hausarbeit kann sich jeder ausmalen. Es gab eine freundliche Drei mit nicht ganz so freundlich klingenden Erläuterungen dazu. Heute wäre der Zugriff auf die Arbeit mit größeren Umständen verbunden (kennt jemand noch Disketten?), und ehrlich gesagt bin ich sehr froh über diesen Umstand.

Hätte ich etwas anders gemacht, wenn eine Veranstaltung zum Wissenschaftlichen Arbeiten angeboten worden wäre? Ich denke schon. Mir wäre der Stellenwert von Literaturrecherche klarer geworden. Damit steht und fällt es ja. Es geht darum, seine eigene Analyse in das bereits vorhandene Wissen zu integrieren. (Bei einer Erstsemesterarbeit wäre es wahrscheinlich auch ausreichend gewesen, nur das fremde Wissen zusammenzustellen und gut zu belegen, aber das ist ein anderes Thema.)

So beschränkte sich die Information auf ein paar wenige Sätze in der Lehrveranstaltung und ein dürftiges Heftchen der Fachschaft, das keinerlei „offiziellen“ Status hatte. Es schien, als ginge es hauptsächlich um das Einhalten formaler Anforderungen. Hauptsache, der Seitenrand und die Schriftgröße stimmen.

Mir war auch schlicht und ergreifend nicht klar, dass ich auf dem Gebiet des Wissenschaftlichen Arbeitens eine große Wissenslücke (oder besser: Kompetenzlücke) hatte. Sonst wäre ich vielleicht doch einmal losgezogen und hätte mich da eingelesen.

Fünf Jahre KVP

Der Rest meiner fünf Studienjahre ist schnell abgehandelt (so lange studierte man „vor Bologna“). In einer Art kontinuierlichem – oder manchmal auch nicht so kontinuierlichem – Verbesserungsprozess habe ich mir die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens angeeignet. Es waren schließlich einige Hausarbeiten und eine Magisterarbeit zu schreiben. „Learning by doing“ war das Motto, denn andere Möglichkeiten gab es ja nicht.

Begonnen habe ich damals damit, mehr Quellen zu suchen. Die fehlende Literaturbasis war eine einfach auszumerzende Schwäche der ersten Hausarbeit. Das Lernen des richtigen Zitierens ging mit der Recherche und der Verarbeitung der Quellen einher.

Schwieriger fand ich es da schon, eine interessante wissenschaftliche Fragestellung zu erarbeiten. Das ist mir einmal in Psychologie sehr gut gelungen, indem ich zwei eigentlich unverknüpfte Gegenstände gemeinsam betrachtet habe. Leider hat mich der Mut zu einer solchen Vorgehensweise danach wieder verlassen (warum auch immer).

Ansonsten erinnere ich mich nur noch an ein stark verbesserungswürdiges Zeitmanagement. Das hatte ich mir wohl für die Promotionszeit aufgespart.

Fast forward: Dissertation in BWL

Einige Jahre später. Die grundlegenden Methoden und Techniken wissenschaftlichen Arbeitens hatte ich also im Laufe des Studiums gelernt, zusätzlich den Umgang mit dreierlei Anforderungen (ein Hauptfach und zwei Nebenfächer). Daher war das bei der Dissertation (viertes Fach) kein Thema mehr, und es ging eher um das Entwickeln des eigenen Arbeitsstils.

In der Promotionszeit hatte ich beispielsweise Gelegenheit, den für mich geeigneten Rhythmus zu finden. Also: Wie hole ich am meisten aus einem Tag? Wann erledige ich welche Art von Aufgabe am besten? Wie viele Tage im stillen Kämmerlein brauche ich im Verhältnis zu Tagen mit Anregung von außen? All das hat sich erst im Lauf der Zeit herauskristallisiert.

Diesen Findungsprozess sollten wir den Studierenden auch zugestehen. Damit meine ich nicht, dass die Studierenden in ihren drei Jahren bis zum Bachelor genau den Weg meistern sollen, für den Doktoranden nach dem Studium noch einmal drei oder mehr Jahre benötigen. Ich denke jedoch, dass man das etwas herunterbrechen kann. Die meisten Studierenden berichten mir am Ende des Studiums auch davon, dass sie ihren Weg gefunden haben (ok, das ist ein wenig verzerrt, denn viele von denen, die ihren Weg nicht gefunden haben, haben das Studium nicht abgeschlossen…).

Meine Haupterkenntnis der Promotionszeit war, im Nachhinein betrachtet, dass unüberschaubare Projekte bestenfalls dynamisch geplant werden können. Eine Dissertation ist per se zu Beginn unüberschaubar, sonst wäre es meiner Meinung nach keine. Wenn alles offen vor einem läge (was ist genau die Forschungsfrage, welche Literatur wird mir wirklich nützen, welche Methoden soll ich verwenden, wozu genau sollen die neu gewonnenen Erkenntnisse dienen), wäre es eine x-beliebige wissenschaftliche Arbeit und keine Dissertation. Eine solche entwickelt sich, und sie ergibt sich gewissermaßen aus den Entscheidungen, die man im Lauf der Zeit trifft. Das Vorhaben, den Bearbeitungszeitraum vorab detailliert durchplanen zu wollen, muss also scheitern. Und wenn es ganz simpel daran liegt, dass ein bestimmter Knoten im Kopf nicht vorherzusehen ist, wochen- und monatelang einfach nicht platzen will und so das [beliebigen Fluch einsetzen] vierte Kapitel der Doktorarbeit nicht so früh fertig wird wie geplant.

Als Lehrende sollten wir eines nicht vergessen: Für die Studierenden ist im Regelfall die erste Hausarbeit genauso unüberschaubar wie für einen Doktoranden die Doktorarbeit. Das Gleiche gilt für die Bachelorarbeit. Sie mag den meisten Studierenden wie ein Berg von einer Aufgabe vorkommen. Ausgang ungewiss. Darauf sollten wir mehr Rücksicht nehmen, wenn uns selbst, die wir einen jahrelange Vorsprung in dem Fachgebiet haben, die Fragestellung klar, die Methodenwahl offensichtlich und die Lösung fast schon trivial vorkommen.

Heute: Alles auf einmal schreiben

Durch die Lehre im Fach Wissenschaftliches Arbeiten habe ich mich eine Zeit lang mit den verschiedenen Schreibtypen beschäftigt. Jeder geht ja etwas anders an seine Schreibprojekte heran. Bei Ulrike Scheuermann (Die Schreibfitness-Mappe) habe ich von vier Typen gelesen: Planer und Drauflosschreiber sowie Versionen- und Patchworkschreiber. Was das jeweils bedeutet, verraten die Namen ja schon fast. Der Planer plant vor dem Losschreiben, der Drauflosschreiber eben nicht. Der Versionenschreiber fertigt etliche Varianten seines Textes an, bis er ihm perfekt erscheint, und der Patchworkschreiber fügt seine Texte zusammen, indem er an vielen Ecken und Enden parallel arbeitet.

Bei mir stelle ich immer mehr fest, dass ich beim Schreiben am erfolgreichsten bin, wenn ich nicht geradlinig vorgehe. Ich würde mich demnach als „planende Patchworkschreiberin“ bezeichnen. Ich plane zwar meine Schreibprojekte, lese im Vorfeld viel (dazu weiter unten gleich mehr) und erstelle auch eine Grobgliederung, bevor ich so richtig mit der Textproduktion loslege. Dann aber schreibe ich an vielen Stellen gleichzeitig: Kapitel 2 und 4 eines Fachartikels, und/oder den nächsten, übernächsten und überübernächsten Blogartikel. Es muss nicht erst eines abgeschlossen sein, bevor das andere beginnt. Gern verteile ich meine Schreibzeit auch über mehrere Publikationen.

Für die Lehre hat mir diese Erkenntnis einen entscheidenden Punkt gebracht. Ich fordere bei der Betreuung von größeren schriftlichen Arbeiten nicht mehr vehement von allen Studierenden eine Vorab-Gliederung ein. Manchmal treffe ich auf Drauflosschreiber, die den Eindruck erwecken, sehr genau zu wissen, was sie da tun. Dann lasse ich es gut sein. Auch für Studierende, die mir nicht exakt sagen können, wie weit sie eigentlich mit ihrer Rohversion sind, habe ich seither mehr Verständnis. In vielen Fällen haben etwa Versionenschreiber schon etwas produziert, sind damit aber nicht zufrieden (und zählen es daher nicht als „echten Text“) oder es sind Patchworkschreiber wie ich.

Sprechen wir noch kurz über das Lesen. Ein Punkt, der mir auch heute noch immer wieder Probleme bereitet, ist das Abdriften bei der Literaturrecherche. Grundsätzlich finde ich viele Themen interessant und bin oft gedanklich schon bei der übernächsten Idee, bevor das ursprüngliche Projekt abgeschlossen ist. Meine derzeitige Strategie besteht darin, die Ideen und dazugehörigen Fundstellen in der Literatur an einem gemeinsamen Ort, meist einer Datei, zu notieren, um alles griffbereit zu haben, wenn der richtige Zeitpunkt dann irgendwann gekommen ist. (Wenn jemand dafür eine bessere Methode hat, immer her damit.) Für die Lehre zeigt mir dieses andauernde Problem, wie sehr man von der Fülle der Literatur „erschlagen“ werden kann. Gerade als Erstsemester fehlt einem ja auch meist noch die Fähigkeit des Einordnen-Könnens, welche Fundstellen vermutlich brauchbar sein werden und welche nicht.

Fazit: Alles gar nicht so einfach

Überlegen Sie doch einmal: Wie lange haben Sie selbst benötigt, um einigermaßen im Wissenschaftsbetrieb anzukommen und sich zurechtzufinden? Ganz zu schweigen von der Optimierung der eigenen Arbeitsweise, die oft Monate und Jahre beansprucht. Ich finde, der Blick zurück lässt einen bescheidener werden. Was hat Ihnen geholfen?