Intuition in Lehre und Beratung – Herz über Kopf

Da.

Da war es wieder.

Ein Gedankenblitz.

Eine Idee, mitten in einer zäheren Phase der Lehrveranstaltung, scheinbar aus dem Nichts.

Eine Bauchentscheidung, dass es im nächsten Moment genau so weitergehen wird und nicht anders.

Hatten Sie das schon einmal?

Oder sind Sie noch relativ neu in der Lehre? Ich glaube nämlich, es braucht ein Mindestmaß an Erfahrung, um spontan sein können. In dem Fall sollten Sie bis zum Ende des Beitrags lesen, wo ein paar Tipps auf Sie warten.

 

Das Thema Intuition habe ich bisher ziemlich vernachlässigt. Dabei kann es einen riesengroßen Unterschied machen.

Die klassische Didaktik geht bekanntermaßen eher planvoll vor. Man erstellt vor der Lehre einen mehr oder minder detaillierten Plan für die anstehende Einheit, der Ziele, Inhalte und Methoden umfasst. Im Optimalfall basiert dieser Plan auf einer Gesamtplanung für das komplette Semester – oder zumindest wird das meist so vermittelt. Gerade kürzlich habe ich wieder in einem hochschuldidaktischen Workshop mit den Lehrpersonen darüber gesprochen, wie meine Lehrveranstaltungen typischerweise ablaufen, nämlich anhand eines eher groben Plans, den ich dann spontan mit Leben fülle. Und siehe da, etliche Anwesende handhaben das genauso. Nur laut sagen sollte man das nicht überall.

Der klassische Fall von Spontaneität wäre ja, dass man in der Lehrveranstaltung aus welchen Gründen auch immer gegen Ende noch etwa 20 Minuten „übrig“ hat und sich leicht panisch überlegt, wie man die denn nun füllen könnte. Um ein komplett neues Thema zu beginnen, ist es vielleicht zu wenig Zeit. Um den Kurs früher in die Pause zu lassen, ist es zu viel, mir zumindest, denn die Zeit fehlt dann später irgendwo. Ich stehe also da und soll mir schnell etwas Sinnvolles einfallen lassen. Da ist es gut, wenn ich ein Back-Up vorbereitet habe, zum Beispiel eine Übung, die ich aus dem Ärmel schütteln kann.

Ist das Intuition?

An der Stelle ist natürlich die Frage berechtigt, was genau das nun mit Intuition zu tun hat. Ist das nicht der Alltag von Lehrpersonen, dass sie situationsangepasst reagieren und Entscheidungen über den weiteren Verlauf der Einheit treffen?

Es geht auch insgesamt noch viel freier und spontaner, wie wir an der agilen Didaktik sehen, die Christoph Arn vertritt. Das ist für mich persönlich ein Ansatz, den ich vor allem nutze, wenn ich in den Inhalten extrem sicher bin. Natürlich sollte man in allen Inhalten, die man lehrt, gut bewandert sein. Trotzdem haben wohl die meisten Lehrpersonen Lieblingsthemen oder solche, bei denen sie einfach sattelfest sind, egal wie sehr das Pferd bockt. Ich möchte mir bei agiler Lehre zu jeder Zeit sicher sein, dass alle wesentlichen inhaltlichen Aspekte in der Veranstaltung Berücksichtigung finden. Das kann ich nur, wenn ich das Thema überblicke. Um „off the top of my head“ lehren zu können, muss „in the head“ natürlich jederzeit abrufbares Wissen sein. Auf das wissenschaftliche Arbeiten bezogen, bedeutet das konkret, dass mir alle Grundlagenthemen des Schreibens für eine agile Vorgehensweise offenstehen. (Bei den Feinheiten einzelner Forschungsmethoden sieht es schon wieder anders aus. Das möchte ich dann doch lieber vor-strukturierter angehen.) Bei so einer Art der Lehre braucht es auf jeden Fall Intuition, um den Bedürfnissen der Gruppe gerecht zu werden.

Neben der inhaltlichen Komponente betrifft die Intuition vor allem die Interaktion mit den Studierenden. Dann kommt oft das zum Vorschein, was ich eingangs beschrieben habe: ein Geistesblitz, eine Idee. Da macht die Intuition einen Unterschied.

Ein Beispiel: Eine Situation in der Lehre zu Semesterende. Die Lehrveranstaltung ist schlecht besucht, weil sich viele Studierende auf die anstehenden Klausuren vorbereiten und „keinen Kopf für wissenschaftliches Arbeiten“ haben. Drei Studierende nehmen teil, und es entwickelt sich eine Mischung aus „Lehre“ und „Einzelberatung mit Zuhörern“. Eine der Beratungen ist auf eine seltsame Art festgefahren, ein Lösungsansatz ist nicht in Sicht. Spontan entscheide ich, dem Studierenden ein Rollenspiel anzubieten (ich hasse Rollenspiele, aber was muss, das muss…). Et voilà, danach sind einige Steine aus dem Weg geräumt. Ich freue mich, dass ich meiner Intuition nachgegangen bin, obwohl meine Ratio doch einige Einwände hatte („Du bist doch gar nicht darauf vorbereitet.“, „Was, wenn es total albern wird?“)

Wie können Erstlehrende diese Intuition erlernen?

Gar nicht. Zumindest nicht schnell und bewusst. Entweder man hat es, oder aber man muss sich ein wenig gedulden. Ich befürchte, dass das leider wirklich ein Prozess ist, der sich über mehrere Jahre erstreckt. Da gibt es keine Abkürzung.

Wie können Sie sich behelfen, bis es so weit ist?

  • Bereiten Sie Plan A, B, C und Z vor. Dann können Sie in der Lehre aus einer Vielzahl an Möglichkeiten auswählen, wenn es zu Abweichungen vom Plan kommt.
  • Trauen Sie sich, Ihrer Intuition auch einmal nachzugehen. Vielleicht ist anfangs eine Massenvorlesung nicht der richtige Zeitpunkt dafür, sondern eher ein Seminar mit überschaubarer Studierendenzahl.
  • Bei der Begutachtung studentischer Texte stellt sich auch oft ein Hauch von einer Ahnung ein, wie die vorliegende Arbeit wohl zu bewerten ist. Gehen Sie dem nach und suchen Sie, woran Sie es festmachen können. Im Lauf der Zeit werden Sie „Ihre“ rationalen Kriterien finden.
  • Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl und reflektieren später allein oder mit fremder Unterstützung, wie die Entscheidung unter Abwägung aller Aspekte zu beurteilen ist.
  • Nutzen Sie ein Journal, um Ihre Erkenntnisse festzuhalten. Nach einiger Zeit blättern Sie es mit etwas Abstand wieder durch und freuen sich über Ihre Fortschritte.

 

Schreiben Sie einen Kommentar: Welche Erfahrungen haben Sie mit intuitivem Handeln in Lehre und Beratung gemacht? Wann kommt Herz vor Kopf?

 

Für alle, die gerade neu in die Lehre einsteigen, ein Buch-Tipp

Im gerade frisch erschienenen Buch „Mein Start in die Hochschullehre“ finden Sie viele Inhalte, Übungen und Reflexionsfragen für den gelungenen Einstieg in die Lehre. Einer der vier Teile ist der Lehre des wissenschaftlichen Arbeitens und ein weiterer der Betreuung und Begutachtung studentischer Arbeiten gewidmet.

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Mehr zum Buch lesen Sie in dem Artikel von Co-Autorin Dr. Natascha Miljkovic

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Was können Sie als Lehrende tun, damit Ihre Studierenden das Schreiben lernen?

Ein Gastbeitrag von Christina Hollosi-Boiger

 

Was können Sie als Lehrende tun, damit Ihre Studierenden das Schreiben lernen?

Als Schreibtrainerin beschäftige ich mich mit dieser Frage schon lange:

Seit 2011 unterrichte ich Schreiben an verschiedenen Hochschulen, Institutionen, Organisationen in Österreich mit ganz unterschiedlichen Teilnehmer*innen (diverse Muttersprachen, Schreib-Erfahrungen, Ausbildungshintergründen, …).

Ich frage vor und in jedem einzelnen Kurs nach den Gelingensbedingungen für Schreiben – und was ich als Lehrende bzw. Workshopleiterin dazu beitragen kann.

 

Ich gebe Andrea im Blogbeitrag vom 20.03.2016 Recht: Schreiben lässt sich nicht lehren!

Doch: Als Lehrende kann ich Lern-Impulse setzen und für jene Bedingungen sorgen, in denen Teilnehmer*innen eigenständig zu Lern-Ergebnissen kommen. Diesen Mix aus Lern-Impulsen und Gelingensbedingungen kann ich als Schreib-Lehrende beeinflussen – und somit flexibel an die Teilnehmer*innen anpassen.

Dazu ist es natürlich wichtig, eine Übersicht über die komplexen Handlungsfelder des Schreibens zu haben. Das Modell der situativen Schreibfelder bietet Lehrenden und Lernenden eine Orientierung über die Themen und konkreten Schreibhandlungen, die in Bezug auf das Schreiben und den Text besprochen und angeregt werden können – und im Folgenden möchte ich Ihnen dieses Modell kurz vorstellen:

Die Schreibfelder

Felder des Schreibens

In der Schreiblehre kann zum Beispiel die Text-Entstehung, der Weg des Textes, der Schreibprozess (Schreibfeld A) besprochen werden. Dieses Handlungsfeld bezeichnet die einzelnen Phasen des Schreibprozesses, von der Ideenfindung über die Konzeption über mögliche Zwischentexte bis zu Finaltext. Auch der Weg des Textes (welche Stationen oder Hände er durchlaufen muss), die Meilensteine, die möglichen Stolpersteine – all das kann in Bezug auf dieses Schreibfeld thematisiert werden.

Hilfreich auf diesem Weg können Schreibtechniken und Schreibstrategien (Schreibfeld B) sein, ebenso wie die Analyse der Infrastruktur des Schreibens (Schreibfeld C), die den Schreib-Ort, die Schreib-Zeit, das Schreib-Material und die Umgebung der Schreibenden einschließt.

Damit rückt die schreibende Person (Handlungsfeld D) in den Fokus, was sich in spezifischen Fragestellungen, wie „Wie stehe ich persönlich zu dem Geschriebenem?“, „Wo und wie darf ich im Text vorkommen bzw. darf ich das Wort „Ich“ schreiben?“, auch „Wie geht es mir beim Schreiben?“

Andere Personen (Handlungsfeld E), die in Beziehung mit dem eigenen Schreiben stehen (z.B. Betreuende bei wissenschaftlichen Abschlussarbeiten oder Kolleg*innen bei einem kollaborativen Schreibprojekt), können dies ebenso beeinflussen wie bisherige Aneignungserfahrungen des Schreibens (Handlungsfeld F). Die Aneignung des Schreibens, der Erwerb verschiedener Schreibstrategien und das Lernen des Feldes „Schreiben“ können z.B. reflexiv betrachtet werden – um daraus neue, individuell passende Strategien zu modellieren.

Aus diesem Feld können auch gelungene Beispiele (Handlungsfeld O) generiert werden oder umgekehrt: Die Orientierung an gelungenen Beispielen kann Sicherheit beim Erlernen des Schreibens bieten.

 

Direkt im Text sichtbar sind die inhaltliche Ebene des Textes (Handlungsfeld I), die strukturelle Ebene des Textes (Handlungsfeld J) und die sprachliche Ebene des Textes (Handlungsfeld K). Diese Ebenen sind stark von den konkreten Anforderungen an den Text (Handlungsfeld L) abhängig, die die Textsorte, das Kommunikationsmedium oder die professional community vorgeben.

Die Sichtbarkeit des Textes (Handlungsfeld M) bezeichnet dabei den Veröffentlichungsgrad des Textes und die intendierte Zielgruppe, die Kommunikationssituation (Handlungsfeld N) bettet den Text in einen größeren Zusammenhang ein, der auch die intendierte Wirkung betrachten kann.

Die Rahmenbedingungen des Textes (Handlungsfeld O) bringen Implikationen für das Schreiben und den Text mit ein, wie etwa die für das Schreiben & Überarbeiten zur Verfügung stehende Zeit, Auftraggeber*innen mit außertextlichen Interessen oder die multimodale Nutzung des Textes.

 

Die einzelnen Handlungsfelder sind keine singulären, in sich geschlossenen Felder – sie hängen miteinander zusammen: Manche Schreibstrategien bedingen zum Beispiel besonders gut strukturierte Texte. Oder vorhandene Beispiele beeinflussen die schreibende Person. Manche von diesen Zusammenhängen sind bereits gut erforscht, andere werden in der aktuellen schreibdidaktischen Literatur kaum beachtet.

Das bringen die Schreibfelder im Lehralltag:

Auf Basis dieses Modells der situativen Schreibfelder, können Sie nicht nur flexibel im Lehralltag reagieren, sondern agil mit Teilnehmer*innen interagieren:

 Vorbereitung, Planung, und Gestaltung von Schreib-Lehr-Settings

Schreib-Lehr-Settings können durch das Modell der situativen Schreibfelder auf einfache Weise teilnehmer*innen- und somit lernenden-orientiert vorbereitet, geplant und gestaltet werden. Denn das Modell kann bei Operationalisierung von Lernzielen genutzt werden, zum Beispiel beim Lernziel „Die Teilnehmer*innen sind nach der Absolvierung in der Lage, eigenständig ein Exposé für eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen“.

Wenn Sie dieses Lernziel umsetzen möchten, haben Sie unzählige Möglichkeiten, diesen Inhalt „Exposé schreiben“ mit verschiedenen Lernformen umzusetzen. Wahrscheinlich machen Sie das nach bestem Wissen und Gewissen, mit Hilfe der vorhandenen Unterlagen aus vorigen Semestern, auf Basis von Fachliteratur etc. Sie zeigen dabei vielleicht auch in Form einer Übersichtsliste auf, welche Themen Sie besprechen – aber Sie zeigen nicht, was Sie nicht unterrichten.

Impuls für Ihr Schreib-Lehr-Setting: Planen Sie doch die Lehreinheit mit Hilfe des Modells der situativen Schreibfelder und wägen Sie ab, welche Felder für die Vermittlung des Exposé-Schreibens relevant sind. Dann strukturieren Sie die Themen entsprechend, zum Beispiel so:

  • die Anforderungen an den Text, die sich auf der inhaltlichen Ebene (I), der strukturellen Ebene (J) und der sprachlichen Ebene des Textes (K) zeigen.
  • Schreibtechniken & Strategien (B), die eine gute Textqualität erzeugen und
  • sich somit auf die Textentstehung (A) auswirken.

Agile Interaktion im Schreib-Lehr-Setting

Das Modell der situativen Schreibfelder bietet die Möglichkeit im Schreib-Lehr-Setting selbst, professionell spontan zu handeln; also agil mit den Teilnehmer*innen zu interagieren, den Lehr-Verlauf anzupassen und adäquate Schreibimpulse auszuwählen.

In Ihrer Schreiblehre können Sie diese Schreibfelder offenlegen und somit aufzeigen, was Studierende eigenständig erarbeiten müssen. Im Beispiel oben wird zum Beispiel die Infrastruktur des Schreibens (C) den Schreibenden überlassen, die Kommunikationssituation des Textes (N) wird als bekannt vorausgesetzt und es werden auch keine Beispiele gelungener Exposés (G) zur Verfügung gestellt.

Sie können dies durch die visuelle Darstellung der Schreibfelder ausweisen – und vielleicht lassen Sie die Studierenden gleich markieren, wo aus der Eigenperspektive weiterer Informationsbedarf besteht.

Zugleich können Sie als Schreiblehrende flexibler auf die Situation reagieren, vielleicht sogar agil mit den Teilnehmer*innen interagieren, indem sie gemeinsam Fragen aufwerfen und nach geeignete Antworten suchen.

Das Modell fördert eine aktive Lernhaltung

Schon alleine mit dem Offenlegen der möglichen Schreibfelder, die man für einen Text besprechen kann, nehmen Sie eine andere Lehrhaltung ein: Sie fordern von den Teilnehmer*innen, sich alle Aspekte des Schreibens und des Textes Gedanken zu machen, sich Text-Wissen anzueignen und selbstverantwortlich zu agieren.

Wenn Sie es zudem schaffen, mit den Teilnehmer*innen agil zu interagieren, zeigen Sie den Teilnehmer*innen Ihre eigene Neugierde, Ihre Erkenntnisbereitschaft – und damit die Fundamente der Wissenschaft.

 

Schreiben mit Chribs – das ist Schreiben mit Grips

Mag.a Christina Hollosi-Boiger, BA (www.schreibenmitchribs.at ) ist seit 2011 als Schreibtrainerin & –beraterin, Hochschuldidaktikerin und Qualitätstechnikerin an Hochschulen und in Organisationen in ganz Österreich tätig.

Sie begleitet Personen, die etwas schreiben müssen / dürfen / sollen / wollen. Fokus ihrer Arbeit ist das systematische und professionelle Verfassen von Texten sowie der nachhaltige Umgang mit Texten, für das sie das Textmanagementsystems TEMASYS® entwickelt hat.

Für sie ist Schreiben Profession und Passion.

PS: Sie erkennen sie am Hut!

 

 

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Warum Sie vielleicht doch eine Coaching-Ausbildung absolvieren wollen

Wenn ich von meiner – mittlerweile abgeschlossenen – Coaching-Ausbildung erzähle, lautet die Reaktion des Gegenübers häufig: „Das interessiert mich auch sehr. Ich kann mir gut vorstellen, selbst eine Coaching-Ausbildung zu beginnen.“ Coaching scheint also für viele Menschen in meinem Umfeld attraktiv zu sein. Vielleicht haben sie nur davon gehört, vielleicht haben sie sogar bei einem eigenen Anliegen erfahren, wie Coaching wirkt, und möchten anderen Menschen die gleichen Ergebnisse ermöglichen.

Unter dem Begriff „Coaching“ verstehe ich in Anlehnung an Migge die gleichberechtigte und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit einem gesunden Klienten, der mich als Prozessberaterin beauftragt. Dabei geht es um Standortbestimmung, das Schärfen von Zielen sowie das Entwickeln von Lösungs- und Umsetzungsstrategien oder den Ausbau von Kompetenzen (Migge, Björn (2014): Handbuch Coaching und Beratung. 3. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz. S. 30.). Dies beschreibt den autonomen Coaching-Ansatz, denn der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Erarbeiten von Zielen und Lösungen (anders als beim autoritären Ansatz, bei dem direktiv beraten wird). Coaching lässt sich mit Beratung und Training verbinden, wenn die Situation es erfordert.

Was bringt die Coaching-Ausbildung für den Umgang mit den Studierenden?

Schon während der Ausbildung habe ich bemerkt, wie sehr mir die behandelten Themen bei der Arbeit helfen. Durch das Reflektieren und Üben kam vieles in Bewegung. Daher vermute ich, dass auch bei Ihnen ähnliche Effekte eintreten würden. Bei mir verbesserten sich die Fähigkeiten,

  • gute Fragen zu stellen,
  • wirklich zuzuhören,
  • den nächsten nötigen Schritt zu erkennen und
  • zielgerichtet auf Veränderungen hinzuwirken.

Außerdem habe ich gelernt, mich vom Anliegen – bei aller Empathie – so zu distanzieren, dass es mir uneingeschränkt möglich ist, in Lösungen und Wirkungen zu denken.

Damit will ich nicht unterstellen, dass Sie das nicht alles sowieso schon können oder vielleicht auch wirklich gut darin sind. Bei mir war es jedoch so, dass ich erst in der Coaching-Ausbildung merkte, wie groß das Potenzial in all diesen Bereichen noch ist.

Eine Coaching-Ausbildung fordert Sie als ganze Person, die eigene Weiterentwicklung ist kaum zu vermeiden. Für mich war das eine sehr hilfreiche Erfahrung, weil ich ja tagtäglich mit Menschen befasst bin, die mitten in einem Entwicklungsprozess stecken. Ich bin der festen Überzeugung, dass fachliches Lernen und persönliches Wachsen miteinander einhergehen. Wenn, ja wenn, die Lehrperson fähig und willens ist, auch tatsächlich beides zu begleiten.

Coaching und Schreibberatung

Vor nunmehr über zwei Jahren habe ich Swantje Lahm interviewt, und eine der Fragen zielt auf die Ausbildung zum Coach ab. Damals hatte ich übrigens nicht mehr als eine leise Ahnung, dass ich mich kurze Zeit ebenfalls zum Coach ausbilden lassen würde…

Hier der entsprechende Auszug aus dem Interview. Jede einzelne Aussage unterschreibe ich sofort!

„Für die Schreibberatung und auch die Arbeit mit Lehrenden ist die Ausbildung als Coach aus folgenden Gründen für mich sehr wichtig:

  1. Ich kenne meine eigenen Schwächen und Vorannahmen, d.h. ich laufe weniger Gefahr, meine Themen auf mein Gegenüber zu projizieren.
  2. Ich weiß, wo Schreibberatung endet und psychosoziale Beratung anfängt. In der konkreten Situation ist das ja nicht immer sofort klar zu erkennen. Jemand, der mit seinem Schreibprojekt nicht weiterkommt, kann sehr verzweifelt sein und z.B. eine depressive Symptomatik entwickeln. Für mich ist entscheidend, darauf zu achten, ob sich die Symptome verändern, sobald wir in die Schreibberatung einsteigen und ob die Person in der Lage ist, die von mir angebotene Unterstützung produktiv zu nutzen. Wenn ich merke, dass die Schreibberatung nicht greift, würde ich an unsere Kolleg/innen in der Zentralen Studienberatung verweisen.
  3. Haltung ist wichtig. Im Kontakt mit Lehrenden versuche ich, ihre Situation und die Eigenlogiken ihres Handelns nachzuvollziehen. Das bewahrt mich davor, im Hinblick auf das Schreiben missionarisch zu werden. Ich gehe immer erstmal davon aus, dass ich keine Ahnung davon habe, was für jemand anderen richtig und hilfreich ist.
  4. Schließlich hat die Ausbildung mein Verständnis für Veränderungsprozesse geschärft und mich Methoden gelehrt, sie zu gestalten. Für mich ist das Arbeiten mit analogen Methoden, also allem was man haptisch im Raum nutzen kann (Figuren, Karten etc.), wichtig – gerade auch in der Schreibberatung, wo es hilfreich sein kann, Gedanken wirklich ‚greif-bar‘ zu machen.“

Das komplette Interview finden Sie hier.

Und jetzt?

Falls Sie nun tatsächlich überlegen, eine Coaching-Ausbildung zu absolvieren, lege ich Ihnen den Ratgeber meiner geschätzten Ausbilderin Dr. Brigitte Wolter ans Herz:

Wolter, Brigitte (2017): Ich will Coach werden. Verlag Barbara Budrich

Durch die Lektüre des Buches erhalten Sie Orientierung in einem sehr unübersichtlichen Markt.

 

Schreiben voller Selbstvertrauen!

Ein Gastbeitrag von Dr. Eva-Maria Lerche

 

Vor vielen Jahren habe ich an einem zweijährigen Schreiblehrgang zum literarischen Schreiben teilgenommen. Eigentlich kannte ich als Schreibtrainerin genügend Tricks und Methoden, um die Muse hervorzulocken. Trotzdem war ich überrascht, was dort mit meiner Kreativität passierte. Im ersten Jahr hatte ich eine Studienleiterin, die immer ganz euphorisch auf meine Geschichten reagierte und mir zurückspiegelte, was bei ihr ankam, wie sie die Geschichten verstand, was ihr besonders gut gefallen hatte. Meine Ideen sprudelten nur so und ich merkte, wie sich mein Schreibstil entwickelte. Im zweiten Jahr dann hatte ich eine Studienleiterin, die nur kritisierte und bewertete. Vielleicht hätte die Kritik noch geholfen, wenn sie sich auf meinen Text bezogen hätte. Doch ich hatte mehr als ein Mal das Gefühl, dass sie meine Geschichte allenfalls überflogen hatte, ihre Antworten aus fertigen Bausteinen zusammensetzte, nicht auf meine Geschichte, den Plot, die Ideen einging. Und was passierte, obwohl ich mir fest vornahm, mich nicht davon beeinflussen zu lassen? Ich hatte keine Ideen mehr, keine Lust mehr, überhaupt zu schreiben – und das, was ich schrieb, wurde langweiliger und hölzerner. Warum ich das erzähle?

Schreibende sind immer Menschen

Nicht nur kreatives Schreiben, sondern auch wissenschaftliches und berufliches Schreiben ist öfters als uns bewusst und lieb ist, mit uns selbst, unserer Sicht auf die Welt, unseren Erfahrungen, Erlebnissen und Begegnungen verknüpft. Entsprechend reagieren wir auch auf Rückmeldungen zu unserem Schreiben und unseren Texten mal gelassener, mal empfindlicher. Sicher gibt es Menschen, an denen destruktive Rückmeldungen abperlen wie Wasser an der frisch gewachsten Regenjacke. Hier geht es eher um diejenigen Schreibenden, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen von unbedachten Äußerungen oder negativem Feedback verunsichern lassen – im besten Fall „nur“ mit der Folge, dass Schreiben eine lästige Pflicht wird, im schlimmsten Fall mit richtiggehenden Schreibblockaden bis hin zum Studienabbruch. Da ist beispielsweise die Studentin, die bei dem Satz „Arbeiten Sie mal noch an Ihrem wissenschaftlichen Stil“ hört: „He, Sie da, Sie haben hier in den heiligen Hallen der Wissenschaft nichts zu suchen“ und nun vor jedem Schreibprojekt Angst hat, „entlarvt“ zu werden. Oder die Doktorandin, der ihr Betreuer statt konkretem Feedback ein gut gemeintes „Machen Sie einfach mal“ mitgibt und die nun im Schreiben steckenbleibt, weil sie verzweifelt versucht, nicht formulierte Erwartungen des Betreuers zu erraten. Oder der Doktorand, der sich gerade voller Neugier in sein Thema stürzt, die ersten Ideen präsentiert und dann im Kolloquium auseinandergenommen wird, ganz so als würde man mit einem Gummistiefel auf ein kleines Pflänzchen treten und glauben, ihm dadurch beim Wachsen zu helfen.

Ich erinnere mich, wie ich zu Beginn meiner Dissertation die ersten schmalen Thesen – Ergebnisse meiner Archivrecherchen –, auf einer kleinen Historiker-Tagung in Bautzen vorstellte. Vom Ende der Promotion aus betrachtet hatte der Vortrag noch keine ernstzunehmende wissenschaftliche Substanz. Die Teilnehmenden aber haben so neugierig und offen zugehört und meine Begeisterung für mein Thema geteilt, dass ich von ihren Reaktionen noch wochenlang getragen wurde. Es sind diese Erfahrungen, die ich allen Schreibenden wünsche – jeden Tag eine Portion.

Was beflügelt unser Schreiben (nicht)?

In einer fehlerfeindlichen Lernkultur haben wir gelernt, immer erstmal zu kritisieren. Doch genau dieses Kritisieren, Bewerten, Abwerten und damit häufig Beschämen zerstört das Selbstvertrauen, das es zum Schreiben braucht. Dieses Selbstvertrauen ist aber notwendig, um sicheren Boden unter den Füßen zu spüren, von dem aus ich die Welt erkunden kann: um schreibend Neues auszuprobieren, neue Gedanken zu testen, neue Möglichkeiten der Strukturierung zu erkunden … Wenn der Boden jederzeit wegbrechen könnte, bleibe ich lieber bewegungslos stehen. Entwicklung findet nicht statt.

Vertrauensvolle Lernräume schaffen

Wenn ich als Lehrende Studierende stärken möchte, ist deshalb für mich die erste Regel, einen Lernraum zu schaffen, in dem sich alle sicher sein können, dass sie nicht bloßgestellt werden, auch wenn ihr Beitrag noch etwas schlichter ausfällt. Dazu gehört nicht nur, dass ich jeden Redebeitrag würdige und ernst nehme, sondern auch mit entsprechenden Gruppenmethoden dafür sorge, dass sich die Studierenden untereinander nicht be- und abwerten. Auch in dicht gedrängten Seminaren lohnt es sich, gerade zu Beginn Zeit darauf zu verwenden, dass die Gruppe zusammenwächst. Methoden wie Lebendige Statistik und Speeddating beispielsweise brauchen nicht viel Zeit, lassen sich auch in großen Gruppen durchführen und helfen, eine vertrauensvolle Arbeitsbasis zu schaffen.

Neugier und Offenheit trainieren

Eine schöne (Peer-)Feedbackübung, die auf Peter Elbow und Pat Belanoff (Being a Writer 2003) zurückgeht, besteht darin, zu einem Text oder einem Thema rückzumelden, an welchen Stellen man neugierig geworden ist und mehr hören möchte. Dies hilft nicht nur den Schreibenden zu erfahren, wo die Leser*innen „angebissen“ haben und welche Bereiche noch vertieft werden könnten. Es hilft auch den (Peer-)Feedbackgeber*innen, den Perspektivwechsel zu vollziehen: vom Blick auf das Defizitäre zu einem Blick voller Neugier und Interesse auf die Texte und Ideen anderer.

Zwei gegenläufige Mentalitäten im Schreiben

Feedback variiert und muss zum Schreibprozess passen. Dahinter steckt die Idee, die ebenfalls Peter Elbow stark gemacht hat (Writing with Power 1998) und die ich am Schreiblabor Bielefeld kennengelernt habe, dass sich Schreiben in zwei gegensätzliche Mentalitäten unterteilt, die sich abwechseln: creating and criticizing. In der schaffenden Phase denke ich enthusiastisch und unzensiert in alle Richtungen, sammle Ideen, Thesen, führe Gedankenexperimente durch, schleudere Textentwürfe hinaus, kurz: ich begebe mich auf das unendliche Meer der Entdeckungen. In der beurteilenden Phase kehre ich an Land zurück, überprüfe, was ich so gefangen habe, ordne, sortiere aus, verarbeite weiter, treffe Entscheidungen, trete einen Schritt zurück und lasse den kritischen Blick aus der Distanz zu.

 

Zwei gegenläufige Mentalitäten im Schreibprozess

 

Stärkendes Feedback heißt, genau hinzusehen

Wenn ich stärkendes und ermutigendes Feedback geben möchte oder als Peer-Feedback anleite, achte ich darauf, in welcher Mentalität sich die Schreibenden befinden und was ihnen in dem Moment hilft. Entwickeln sie gerade freudestrahlend Ideen und haben sozusagen den sicheren Boden verlassen? Dann teile ich ihre Neugier und Begeisterung, frage interessiert nach, bringe vielleicht noch weitere Ideen ein. Oder versuchen Schreibende gerade, Ordnung und System in das gesammelte Material zu bekommen und sich für einen Weg zu entscheiden? Dann steuere ich einen analytischen Blick bei, helfe, Strukturen und Zusammenhängen sichtbar zu machen und stelle Fragen, die eine Entscheidung oder Auswahl herauskitzeln.

Das Schreiben beflügeln

Feedback, das beflügelt, bedeutet nicht, alles unkritisch und oberflächlich weich zu spülen. Es bedeutet, wirklich zuzuhören, genau hinzuhören, ehrlich und authentisch zu bleiben. Mit dieser Haltung ist dann die Aussage „Hier habe ich echt nicht verstanden, was du sagen möchtest“ keine Kritik oder Bewertung, sondern ein Ansporn, Klarheit in den Text und die Gedankengänge zu bekommen und der neugierigen Feedbackgeber*in wirklich verständlich machen zu wollen, was man sagen möchte.

Studierende zu stärken, Selbstvertrauen in ihr Schreiben zu erlangen, ist mehr als Menschenfreundlichkeit. Es bedeutet, ihnen die Tür zu ihren eigenen Entwicklungsmöglichkeiten zu öffnen.

Feedback von Studierenden am Ende eines Seminars 2016: „Wir sind gediehen“

 

Dr. Eva-Maria Lerche ist Inhaberin des Schreibraums Münster, bei dem die inneren Kritiker vor die Tür geschickt werden, und bietet dort Workshops und Coaching zum wissenschaftlichen, beruflichen und kreativen Schreiben an. Als selbständige Schreibtrainerin und systemische Coachin (SG) arbeitet sie für Hochschulen, freie Bildungsträger, Vereine und Unternehmen.

Zur Website von Dr. EvaMaria Lerche oder direkt zu ihrem Blog

(Foto: Bernadette Lütke Hockenbeck)

„Traumhafter Höhepunkt des Studiums statt traumatischer Höhepunkt“: Interview mit Silvio Gerlach, Teil 2

Dieser Beitrag ist der 2. Teil des Interviews mit Silvio Gerlach. Falls Sie Teil 1 noch nicht gelesen haben, geht es hier entlang.

 

Sie bieten auch eine Art Themenbörse. Das ist natürlich eine gute Sache. Woher kommen denn die Themen? Nehmen wir einfach einmal das Thema Forschendes Lernen als Beispiel. Ich kann mir das gerade in der Praxis noch gar nicht vorstellen.

Die Themen kommen von unseren Themen-Kuratoren. Das sind Experten in einem Fach. Wir arbeiten dabei mit Themenmustern. Die Muster sehen in der Anwendung z.B. so aus:
„Erfahrungen mit dem Konzept Forschendes Lernen in deutschen Hochschulen – eine empirische Analyse von Fallbeispielen“ oder „Barrieren der Einführung des Konzepts Forschendes Lernen in Hochschulen – eine systematische Analyse“.
Es gibt recht viele solcher Muster, über 30, die stimmig sind und sich methodisch sehr gut greifen lassen. Das ist wichtig für die Klarheit über das Vorgehen. Und damit für die Motivation der Forscher bzw. Schreiber. Denn jedes Thema wird begleitet von einem Online-Guide, je nach Art der Arbeit und Art der Analyse.

Mit unserer Themenbörse können wir vielen Thesis-Schreibern einen echten Auftrag geben und damit ganz unbürokratisch Forschungsprojekte anstoßen. Peer-Themen sind natürlich auch sinnvoll.

Klar ist ein Themen-Template ein Frame. Aber irgendwo müssen wir anfangen. Sonst schaffen wir es nie, dass die Thesis endlich ein traumhafter Höhepunkt des Studiums statt ein traumatischer Höhepunkt wird.

Wie geht es dann weiter?

Ich habe die obigen Themen in unsere Themenbörse eingestellt: https://aristolo.com/search/topic?q=hochschule. Die Suchfunktion wird noch weiter verbessert. Und natürlich werden wir weiter viele schöne Themen eintragen.

Sie haben schon sehr viele Personen bei deren Arbeiten begleitet. Wie kann ich mir das praktisch vorstellen?

Praktisch ist das ein ausgedehnter Workshop. Es gibt einen Gesamtplan, und wir besprechen immer nur konkrete Probleme wie ein bestimmtes Modell oder die Methoden für die Datenerhebung oder den Umgang mit bestimmten Modellen aus Quellen. Das ist sehr unterschiedlich, je nach Coachee. Auffällig ist aber, dass die Probleme zu 80% methodischer Natur sind und nicht inhaltlicher Natur. Das WIE ist wichtiger als das WAS. Wie das schon im Faust Teil 2 heißt: „Das Was bedenke, mehr bedenke WIE“. Das unterstreicht auch, dass die Coachees ihre Diss selbst erstellen. Schließlich dringen sie auch tiefer in ein Gebiet ein als irgend jemand sonst auf der Welt.

Bilden Sie auch Experten aus, die nach Ihrer Methode arbeiten?

Andere in Dissertation Coaching auszubilden ist sehr schwierig. Aber ich denke, dass wir das auf der Basis unseres Online Guides angehen können. Im Moment arbeiten wir daran, den Guide mit Algorithmen smart zu machen. Man kann damit die Kongruenz von Thema, Leitfrage, Ziel und Gliederung automatisch prüfen lassen. Das ist die Zukunft.

Ist das wirklich Coaching, so wie Sie es nennen? Sind Sie ausgebildeter Coach, oder muss man das gar nicht sein?

Ich bin ein Fach- und Methoden-Coach und sehe mich vor allem als Sparringspartner. Wie schon gesagt, meine Coachees sind selbst Experten in ihrem Fach, viel mehr als ich das je sein werde.

Sehr gerne leite ich meine Coachees mit einfachen Fragen auf den richtigen Weg. Dazu gehört am Anfang übrigens immer die Frage: Was ist eigentlich XY? Und XY ist der Hauptbegriff. Da kommt manchmal zu wenig Griffiges. Dann arbeiten wir daran. Ich bin ein großer Fan von Definitionen. Sie helfen, das Projekt in den Griff zu kriegen.

Eine Ausbildung zum Coach habe ich nicht. Aber schon in der 5. Klasse habe ich Nachhilfe gegeben, in Mathe und Geschichte und Deutsch. Dann war ich im gesamten Studium Nachhilfe-Lehrer und Tutor und Repetitor. Das hat mich geschult. Wenn Menschen Geld für eine Leistung bezahlen, die sie gleich nebenan in der Uni oder Schule kostenlos bekommen können, dann muss man sich was einfallen lassen und was anbieten… Der Sprech-Coach aus „The Kings Speech“, Lionel, der jungen traumatisierten Soldaten half, wieder normal sprechen zu können, ist ein gutes Beispiel dafür, dass dieser Weg funktioniert. Aber natürlich habe ich sehr viel über meine Arbeit reflektiert. Ich bekomme ja auch immer unmittelbar Feedback von meinen Coachees.

Wie sind die Preise gestaltet? Wie kann sich ein Studierender oder Doktorand das leisten?

Mein Coaching ist nicht günstig. Aber die gesparte Zeit ist weit kostbarer, was Lebensqualität angeht, aber auch real, ganz praktisch gesehen als Verdienstausfall. Die Kosten sind natürlich abhängig vom Aufwand und vom Ziel. Das ist immer individuell und lässt sich nicht pauschal sagen.

Wie nahe bewegen Sie sich am Rande der Illegalität? Inwiefern greifen Sie in die Arbeiten Ihrer Kunden ein?

Ich bin mit Leib und Seele Diss Coach und Thesis-Coach. Eine Stunde Coaching zieht zwischen 20 und 40 Stunden Arbeit für den Coachee nach sich. Damit ist zweifelsfrei klar, wessen Arbeit das am Ende ist, oder?

Was sind Ihre nächsten Ziele mit dem Buch und Ihrem Online-Service Aristolo?

Wir wollen wissenschaftliches Arbeiten von seinem schlechten Image befreien. Wissenschaftliches Arbeiten ist für alle, nicht nur für Wissenschaftler. Und es kann Spaß machen, wenn es klappt und man neue Erkenntnisse gewinnt. Deshalb ist auch unser Motto: Enjoy Research!

Am liebsten würde ich das sperrige Wort wissenschaftliches Arbeiten durch Analysieren ersetzen. Denn das ist der Kern des wissenschaftlichen Arbeitens, Analysieren. Das ist die wesentliche Technik, die wir ja auch im richtigen Leben brauchen und jeden Tag viele Male anwenden.

Unser großes Ziel ist, die vielen Millionen Stunden des Thesis-Schreibens für gute Zwecke zu nutzen, nämlich relevante Themen zu bearbeiten und neue Erkenntnisse zu gewinnen. Was relevant ist, entscheidet natürlich das Leben, kein einzelner. Am Ende stehen dann Tausende neue Bücher und Ebooks, die für alle zugänglich sind und die Welt besser machen.

Herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!

Silvio Gerlach, Diplom-Volkswirt. Studierte Außenpolitik in Potsdam und Moskau und VWL in Marburg und Córdoba/Argentinien. Gründer und Leiter des Studeo Verlages (seit 2002), der Studeo Repetitorien (von 1995 bis 2002) und des Studeo Coachings für Thesis und Dissertation (seit 2003). Er will jedem Studierenden einen Monat bei seiner Thesis sparen und jedem Promovierenden ein ganzes Jahr.

Studeo Group, Berlin
Thesis Coaching www.studeo.de
Thesis Guide www.aristolo.com

„Traumhafter Höhepunkt des Studiums statt traumatischer Höhepunkt“: Interview mit Silvio Gerlach, Teil 1

 Ein Interview mit Silvio Gerlach

Das Interview mit Silvio Gerlach, dem Autor des Diss Guide und des Thesis Guide, lesen Sie aufgrund der Länge auf zwei Seiten.

Teil 1: Diss Guide, Promotion
Teil 2: Themenbörse, Coaching

Herr Gerlach, Sie haben ein Buch veröffentlicht namens „In 200 Tagen zur Diss“, das ich auch rezensiert habe. Nun bin ich kein Fan von Patentrezepten und des „Quick ’n dirty“-Ansatzes. Der Titel hat mich, offen gesagt, erst einmal in eine ziemlich falsche Richtung denken lassen.

Danke, dass Sie das so offen ansprechen. Sie wissen natürlich, dass ein knackiger Titel wichtig ist. Interessant ist aber, dass am Ende auch in fünf Jahren kaum mehr als 2.000 Stunden effektives Arbeiten an der Diss zusammenkommen. Ein Tag pro Woche im Durchschnitt. Das können viele interne Doktoranden bestätigen. In manchen Monaten kommen sie gar nicht zum Schreiben. Oder sie schieben es vor sich her, weil eine Diss eben nicht trivial ist.

Zur Qualität: Wenn das Ziel der Diss, nämlich die gewünschten neuen Erkenntnisse, auf Basis eines gründlichen Reviews frühzeitig klar formuliert und operationalisiert sind und auch methodisch erreichbar sind, dann ist doch egal, wie lange jemand dafür braucht. Solange das Ergebnis den formulierten Anforderungen genügt, ist der Zeitrahmen sekundär. Von dieser Maxime gehe ich keinen Millimeter ab! Was nützt ein schnell gebautes Haus, wenn es darin zugig ist und die Heizung im oberen Stockwerk nicht wärmt.

Unsere 60 Sprints sind nichts für Kandidaten, die an der Oberfläche bleiben wollen. Das ist viel zu viel Arbeit!

Auf dem Markt gibt es jede Menge Ratgeber, die eine Diss in wenigen Wochen versprechen. Aber natürlich machen die sich nicht die Mühe einer konkreten Aufstellung der Schritte wie sie unser Diss Guide enthält.

Sie haben selbst noch nicht promoviert. Wie entstand das Buch?

Ich bin dabei, kumulativ zu promovieren, über Barrieren für wissenschaftliches Arbeiten. Nur gibt es da so viele Baustellen und folglich Themen. Ich verbinde das Promovieren mit dem Bau unseres Online Guides.

Das Buch ist die große Schwester des Thesis-ABC „In 31 Tagen zum Text“. Seit vielen Jahren bin ich Coach für wissenschaftliches Arbeiten. Mit der Zeit kamen immer mehr Doktoranden, und ich merkte, dass ich ihnen helfen kann, obwohl ich selbst noch nicht den Titel hatte.

Ich bin Volkswirt und habe auch einige Semester Außenpolitik studiert, mit Schwerpunkt Geschichte der internationalen Beziehungen. Mein Spezialfach an der Uni Marburg war „Wissenschaftstheorie und Dogmengeschichte“ bei Professor Wilhelm Meyer. Auf das Fach hatten nur wenige Lust. Wir waren eine kleine Gruppe in der Vorlesung, also war das recht intensiv. Eher ein Bootcamp als eine Vorlesung. Wir nudelten ein Modell nach dem anderen durch, von allen möglichen Nobelpreisträgern in Wirtschaft. Das war hart, aber eine gute Schule im Denken. Nach meiner Erfahrung ist ein Modell der Anfang und das Ende von wissenschaftlichem Arbeiten. Das wird aber viel zu wenig an den Hochschulen trainiert, vermutlich weil das wirklich nicht im Vorbeigehen zu schaffen ist. Da muss man tief einsteigen. Ich liebe so was.
Aristoteles, der Vater der Wissenschaft, war einer meiner Helden. Deshalb heißt mein Online Guide übrigens auch Aristolo.com. Wir wollen Aristoteles stolz machen.

Die Inhalte im Diss Guide kommen direkt aus meinem Erfahrungsschatz mit vielen Thesis-Schreibern und Doktoranden. Das sind Antworten, die ich schon viele Male gegeben habe und die praktisch zum Ziel geführt haben. Ich würde meinen Ansatz als eine Art Technologie bezeichnen. Das erklärt auch die zeitliche Komponente. Schließlich hilft uns Technologie überall im Leben, Zeit zu sparen.

Heißt das im Umkehrschluss, die konventionelle Betreuung von Doktoranden durch deren Professoren und Professorinnen hat versagt?

Nein, es gibt jede Menge gute Betreuung. Und auch inspirierende Umgebungen. Aber mit der Betreuung ist es wie beim Arzt, es ist nie genug Fürsorge, nie genug Anteilnahme. Immer wünscht man sich mehr davon. Aber es ist ein Geben und Nehmen. Die Betreuenden müssen auch besser „behandelt“ werden. Die Vorbereitungen von Konsultationen müssen viel besser werden. Man muss vorgearbeitet haben, dann wird die Betreuung auch besser. In vielen unserer Sprints wird explizit auf die Konsultationen Bezug genommen. Übrigens ist die Nachbereitung noch wichtiger. Warum soll ein Betreuender sich beim nächsten Gespräch ins Zeug legen, wenn vom letzten Mal gar kein Feedback kam? Meine Coachees schreiben immer ein Protokoll von Gesprächen mit konkreten To Dos. Das macht einen guten Eindruck und bringt das Projekt voran.

Mein Ziel mit dem Diss Guide ist, eine erprobte Vorgehensweise anzubieten und viele unnötige Fragen und Diskussionen mit Betreuern abzukürzen oder sogar zu vermeiden. Promovierende können sich mit dem Buch viele technische und organisatorische Fragen selbst beantworten. Zum Beispiel wird ein Literature Review in der Masterarbeit oft noch nicht verlangt. Also macht man ihn während der Diss zum ersten Mal. Im Buch steht alles Wichtige dazu.

Das Arbeiten mit Modellen ist sehr zeitaufwändig. Da müssen die Betreuenden eine gute Vorbereitung erwarten, damit in der Sprechstunde was rauskommt. Auch das behandelt der Guide ausführlich.

Was ist mit strukturierten Promotionsprogrammen? Da müsste es doch eigentlich besser laufen. Oder fehlt dort auch etwas?

Nun, ich habe schon einige Promovierende aus solchen Programmen betreut. Das läuft schon strukturierter ab. Aber wenn es um die Tiefe geht, dann fehlen auch dort die Werkzeuge. Unser Diss Guide hilft dabei, sich gut auf die tiefer gehenden Etappen vorzubereiten.

 

Hier geht es weiter zu  Teil 2.

Lange Nacht der Aufschieberitis

Jedes Jahr am ersten Donnerstag im März wiederholt sich ein fast schon irrwitziges Spektakel namens „Die lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“. Dutzende, ach was Hunderte Studierende, ziehen abends mit Laptop und Material bepackt, in die Bibliothek oder ins Schreibzentrum, lassen sich in Workshops und Einzelberatungen Tipps geben, setzen sich an ihre Arbeiten, kommen ein gutes Stück weiter oder vollenden sie sogar. Arbeiten, die seit Wochen liegen und vor sich hergeschoben wurden. Das Rahmenprogramm hat auch einiges zu bieten, gern Schreibtisch-Yoga oder Entspannungsübungen, und für den kleinen Hunger zwischendurch wartet ein reichhaltiges Snack-Buffet. Das ist alles ist auch aus der Ferne und auch jetzt im Nachhinein noch bestens nachzuverfolgen, wenn man einmal bei Twitter den Hashtag #lndah bemüht.

Einige auserwählte Studierende werden während der Schreibnacht gern von den Vertretern lokalen/regionalen/nationalen Presse kurz befragt, damit deren Artikel ein paar nette O-Töne aufweisen, im Stile von

„Hiltrud, 16. Semester Kunstgeschichte: ‚Endlich habe ich mal den Hintern hochbekommen. Hier war so eine tolle Stimmung, da hat es einfach Spaß gemacht zu schreiben. Jetzt lege ich mich erst einmal schlafen.‘“

Oder

„Gerwin, 3. Semester Wirtschaftsinformatik: ‚Gut, irgendwann muss die Arbeit ja geschrieben werden. Warum also nicht heute mit der Unterstützung von Profis? Ich habe super Tipps zur Plagiatskontrolle bekommen.‘“

Motivationsschub

Den Sinn der Aktion verstehe ich so: Durch ein Event wie die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten soll eine besondere produktive Atmosphäre entstehen, die die Studierenden bei der Anfertigung ihrer Texte unterstützt. Da entsteht ein Motivationsschub, vielleicht werden da sogar Blockaden durchbrochen und die Teilnehmer fangen „endlich mal“ mit ihrer Hausarbeit an oder machen sie „endlich mal“ fertig. Ich halte es für gut, wenn Probleme ans Tageslicht geholt werden (ok, eher an das Licht der des Nachts brennenden Schreibtischlampe) anstatt dass sich alle alleine damit herumschlagen und dabei auch noch denken, es ginge nur ihnen so. Prokrastination ist nun einmal eines der Riesenthemen des Studiums. Ich halte es für gut, dass Studierende auf diese Art auf die unterstützenden Angebote der Schreibzentren und Universitätsbibliotheken aufmerksam werden. In die Vorbereitung des Events fließt viel Herzblut, das ist richtig kreativ, und auch die Durchführung bis spät in die Nacht zeugt von dem großen Engagement der Beteiligten.

Motivationsschübchen

So, und jetzt kommt’s: Ich finde das alles zwar sinnvoll. Aber es greift für mich zu kurz. Die Lange Nacht ist für mich nur einer von vielen möglichen Ansätzen der Schreibförderung und ja, auch der Öffentlichkeitsarbeit. Ich frage mich: Wie nachhaltig ist das denn? (Gibt es dazu eigentlich Erkenntnisse? Solche, die über die unmittelbar am Veranstaltungstag durchgeführte Evaluation hinausreichen?)

Andere Formate würde ich – zusätzlich – auch für sinnvoll halten. So etwas wie „Der kurze und knackige Morgen der Frühstarter“ oder „Die wahnsinnig produktive Woche“. Entschuldigen Sie bitte, das sind nur Arbeitstitel. Sie verstehen hoffentlich trotzdem gut, in welche Richtung ich denke. Mit solchen zusätzlichen Formaten meine ich nicht die bestehenden Angebote der Schreibzentren, sondern ein ebenso öffentlichkeitswirksames Format wie die Lange Nacht. Allein schon um dem Bild entgegenzuwirken, dass alles Aufgeschobene im Studium letztlich in einer durchgemachten Nacht erledigt werden „muss“. (Ist das eigentlich ein Naturgesetz?) Darf man eigentlich laut sagen, dass man Frühaufsteher ist? Unter Studierenden ist das eher verpönt. In vielen Köpfen hat sich – von dieser Frage abgesehen – zumindest der Gedanke festgesetzt, dass es zumindest eine Hauruck-Aktion braucht, um eine wissenschaftliche Arbeit zu Ende zu bringen. „Das gehört zum Studieren doch einfach dazu…“ Sind solche Gedanken hilfreich? Ich denke: nicht so sehr. Ich denke, dass der Aufbau von individuell sinnvollen Arbeitsroutinen mehr Raum einnehmen sollte.

Aufschieben hat Gründe

Darüber hinaus bleibt außerdem das grundsätzliche Problem bestehen: der innere Konflikt, der sich im Aufschieben zeigt. Aus Studierendensicht: Was ist der Sinn dieser Arbeit, die ich da schreiben soll? Wieso soll ich Zeit dafür aufwenden, wenn ich doch sowieso für die Schublade schreibe oder die Rückmeldung meines einzigen Lesers laaange auf sich warten lässt? Daran ändert eine Lange Nacht natürlich nichts. Aber man kann mit den Studierenden an ihrer Haltung dazu arbeiten. Das dauert wahrscheinlich länger als einen Workshop lang und sollte kontinuierlich studienbegleitend stattfinden.

Vielleicht ist die Ursache für das Aufschieben aber auch in einer ganz anderen Ecke zu suchen. Manche Studierende haben zu viel Zeit in den Semesterferien, verlieren sich in Details und entwickeln keinen Blick für das Wesentliche. Wie lange bräuchten diese Studierenden eigentlich tatsächlich, wenn sie sich einen sinnvollen Arbeitsplan schreiben und für einen überschaubaren Zeitraum den vollen Fokus auf die Hausarbeit legen würden? Ja, ich weiß, alle (!) müssen in den Semesterferien jobben, niemand (!) mehr hat so viel Zeit wie vor Bologna etc. Ich glaube das nicht.

Prokrastination hat Gründe, und zwar viele unterschiedliche. Wegweisend hierzu ist immer noch das Buch von Hans-Werner Rückert, „Schluss mit dem ewigen Aufschieben“.

Aufschieberitis lässt sich durch eine einzige Lange Nacht nicht heilen. Das ist zu kurz gedacht.

Wo sind weitere öffentlichkeitswirksame Angebote, die den Studierenden zusätzlich helfen?

 

Ergänzung (Juli 2018): Diesen tollen Artikel von Gerd Bräuer habe ich erst nach dem Schreiben dieses Beitrags entdeckt. Darin schlägt der Autor den Bogen vom Event „Lange Nacht“ zum Literacy Management“. Sehr lesenswert!

Antwort an Leonie: Die besondere Situation im dualen Studium

Liebe Leonie,

oh wow, da bieten Sie mir ja reichlich Futter mit Ihren beiden Artikeln zum wissenschaftlichen Arbeiten (Artikel zu Projektarbeit 2 und Projektarbeit 1). Ihren Blog finde ich sehr interessant. Durch meine Tätigkeit in der Lehre und Betreuung habe ich einen sehr guten Einblick in die Herausforderungen des dualen Studiums, und „meine“ Studierenden berichten mir Ähnliches vom Entstehungsprozess ihrer wissenschaftlichen Arbeiten. Es handelt sich auch um eine ganz spezielle Situation, in der Sie sich als duale Studentin befinden.

Ihre Abneigung gegen das wissenschaftliche Schreiben liegt sicher nicht darin begründet, dass Sie sich zu blöd anstellen, wie Sie in Ihrem Artikel schreiben. Wenn Sie sonst einigermaßen durch das Studium kommen, sind Sie definitiv in der Lage, auch das auf die Reihe zu bekommen, und zwar mit mehr Freude und Sinn.

Würde ich Sie in Ihrem Studium und bei Ihren Arbeiten betreuen, würden wir uns über Folgendes austauschen:

Die doppelte Betreuung

Sie schreiben, man „sollte jede Freiheit der Gedankenentfaltung, Kritikäußerung oder Ähnlichem genießen.“ Das denke ich allerdings auch.

Um Gedanken zu entfalten und Kritik zu äußern, braucht es Betreuungspersonen an der Hochschule, die ausreichend Orientierung bieten und das wissenschaftliche Arbeiten in gute Bahnen lenken. Im dualen Studium braucht es noch dazu einen Praxisbetreuer, der souverän genug ist, mit den Ergebnissen umzugehen: sie anzunehmen, weiterzuverarbeiten und vollends passend zu machen. Die Ergebnisse aus einer studentischen Arbeit sind aus Unternehmenssicht vielleicht einfach noch nicht komplett fertig. Es mag sein, dass bei der Bearbeitung wichtige Hintergrundinformationen aus der Praxis fehlten, oder dass der Studierende die Theorie nicht so durchdrungen hat, wie es nötig gewesen wäre. So eine studentische Arbeit kann also als fundierte Diskussionsgrundlage dienen.

Was für ein Luxus, dass sich jemand so detailliert und fundiert mit einem praktischen Problem beschäftigt. Da sollte sich ein Vorgesetzter doch freuen. Jedes Beratungsunternehmen würde mit Vergnügen eine saftige Rechnung schreiben. Ein guter Praxisbetreuer berücksichtigt, dass der Studierende in einer Entwicklung steckt und noch nicht so viel weiß wie ein Absolvent. Als Studierende sollten Sie über ausreichend Kritikfähigkeit verfügen, falls Ihre Ergebnisse noch der Nacharbeit bedürfen. Auf lange Sicht gewinnt das bessere Argument.

Den schmalen Grat zwischen eigener Leistung und fehlenden Belegen können Sie übrigens verbreitern, wenn Sie auf der Theorieebene gut fundieren und mit ausreichend vielen und qualitativ hochwertigen Quellen arbeiten. So wird der schmale Grat fast schon zu einem ausgetretenen Wanderweg, auf dem Sie bequem zu Erkenntnissen für die Praxis gelangen.

Mündlich versus schriftlich

Mündliches ist vergänglich. Gesagt sind Sachen schnell. Spätestens, wenn etwas verbindlich werden soll, benötigt man die Schriftform. In der Wissenschaft ist das Schriftliche „sowieso“ die dominante Form der Auseinandersetzung. Das ermöglicht eine tiefere Auseinandersetzung mit den Inhalten, die Gedanken sind (hoffentlich) sortierter.

Das Sortierte unterscheidet den „normalbürgerlichen Studenten“ vom Absolventen und vom Experten. Was Sie nicht an Sortierungsarbeit leisten, muss das Gegenüber leisten. Das ist eine Zumutung.

Einfach nur Ideen „rauszuhauen“ ist leicht. Da kann man auch einen x-beliebigen Passanten von der Straße ziehen und ihn nach seinen Tipps fragen. Die Schriftform jedoch bedeutet: Das steht da jetzt, und ich als Autorin muss dazu stehen.

Schreiben mit Spaß

Es tut mir leid zu lesen, dass Ihnen der Spaß am Schreiben so abhandenkommt, wenn Sie wissenschaftlich schreiben. Es gibt so viele Möglichkeiten, den Spaß auch bei der Produktion dieser Textform zu haben. Schreiben muss auch nicht einsam sein.

Schade, dass es keine Zwischenstufen zwischen dem Lesen fremder Texte und Ihrem endgültigem Text gab. Ich wünsche Ihnen, dass Sie – am besten noch vor Ihrer Bachelorarbeit – entdecken, wie vielfältig die Möglichkeiten sind. Ich lasse Ihnen als ersten Input einmal zwei Links zu Rezensionen da:

Schreibfächer

Zusammen schreibt man weniger allein

Suchen Sie sich für die Bachelorarbeit einen Betreuer, der Ihre Mühe würdigt, und ein Thema, das Sie wirklich von Herzen interessiert. Sprechen Sie im Unternehmen über Themen, deren Bearbeitung wirklich hilfreich ist.

Wenn Sie mögen, treffen wir uns gern mal auf einen Kaffee, um gemeinsam über die restlichen Aspekte Ihrer Posts nachzudenken und Lösungen dafür zu entwickeln. Warum ich das anbiete? Darum: Meine Lehrphilosophie

 

Die studentische Brainpower anzapfen: Kollegiale Beratung bei Schreibprojekten

Im heutigen Beitrag erfahren Sie, wie Sie sich schamlos in der Lehre ausruhen und die Studierenden arbeiten lassen können.

Wait, what?

Die Methode, die ich Ihnen gleich schildere, beruht tatsächlich darauf, dass Sie als Lehrperson sich größtenteils zurückziehen. Sie schaffen zunächst – ganz im Sinne des facilitating, des Ermöglichens von Lernen – den Rahmen und sind danach hauptsächlich einfach nur noch da. Sie dürfen gespannt zusehen, wie die Studierenden wechselweise Hilfe geben und Hilfe erfahren, und wie sich die Gedanken entfalten. Genieße Sie es!

Die Kollegiale (Fall-)Beratung ist vor allem in den sozialen Berufen weit verbreitet, für den ganz schnellen Einstieg lesen Sie hier oder auch hier.

Wer teilnimmt (und wie viele)

Die Kollegiale Beratung eignet sich für Studierende aller Niveaus. Am besten gelingt sie mit Studierenden, die über ein gewisses Maß an Erfahrung und Vorkenntnissen im wissenschaftlichen Arbeiten verfügen. Die Methode kann jedoch bei Studierenden mit hohem Reflexionsvermögen auch schon gut zu Beginn des Studiums eingesetzt werden. Ich habe beispielsweise auch mit einer Gruppe, die damals am Ende ihres ersten Semesters stand, positive Erfahrungen gemacht.

Fünf Studierende sollten mindestens teilnehmen. Nach oben gibt es keine Begrenzung. In diesem Fall wechseln die Studierenden zwischen Aktivität (Durchführen der Kollegialen Beratung) und Passivität (Beobachten der Kollegialen Beratung). Bei Gruppen, die bereits Erfahrung mit der Methode gemacht haben, können Sie auch mehrere Beratungen parallel laufen lassen, eine entsprechend großzügige Raumsituation vorausgesetzt, so dass sich die Gruppen nicht gegenseitig stören.

Was Sie erreichen

Die Übung macht die studentischen Ressourcen innerhalb einer Gruppe sichtbar. Denn die Lösung für das studentische Schreibproblem ist schon da, die Beteiligten müssen sie nur noch gemeinsam herausarbeiten. Die Lehrperson brauchen sie dazu nicht, auch wenn die Studierenden das am Anfang vielleicht noch denken. Mit der Methode brechen Sie das oft übliche Spiel von „Studierende fragen, Lehrperson erteilt Ratschläge“ auf und schaffen Raum für neue Lösungswege.

Die Übung lässt sich sehr gut nutzen für das Besprechen der Fragestellung einer wissenschaftlichen Arbeit, die unter einem vorgegebenen Thema zu entwickeln ist, für die Gliederungsbesprechung und insgesamt für alle Entscheidungen während des Schreibprozesses, mit denen sich die Schreibenden schwertun. Es gibt also inhaltlich kaum Grenzen.

Wie Sie vorgehen

Die Durchführung einer kollegialen Beratung dauert inklusive Vorbereitung und ggf. Nachbereitung meist 20 bis 30 Minuten, in Ausnahmefällen geht es vielleicht auch einmal schneller oder benötigt einmal mehr Zeit.

Der Ablauf entspricht dem einer regulären kollegialen Beratung: Ein so genannter Fallgeber bringt seinen Fall in die Runde ein. Die Runde besteht aus etwa drei bis vier Beratern plus einem Moderator. Bei der Schilderung des Falls durch den Fallgeber machen sich die Berater Notizen und stellen Verständnisfragen. Auf die vom Fallgeber formulierte Schlüsselfrage antworten sie mit Lösungsvorschlägen, die sich der Fallgeber notiert. Am Ende bedankt sich der Fallgeber bei seinen Beratern.

Vor der allerersten Beratung erläutern Sie den Studierenden die verschiedenen Rollen (Fallgeber, Berater, Moderator etc.). Ich habe zu diesem Zweck ein Handout mit einer tabellarischen Übersicht gestaltet. Das Ziel ist es, dass die Studierenden wissen, wie sie sich in welcher Rolle verhalten sollen. Denn die Lehrperson greift, sobald die Beratung läuft, weder inhaltlich noch in den Prozess ein. Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn der Moderator derart ins Schwimmen gerät, dass die geordnete Durchführung in Gefahr ist.

Wechseln Sie nach Abschluss einer Beratung kurz auf die Meta-Ebene und geben Feedback dazu, wie die einzelnen Rollen ausgefüllt wurden. Am Anfang ist das sicherlich nötig, weil meist niemand Erfahrung mit der kollegialen Beratung mitbringt. Wenn Sie die Methode öfter einsetzen, reduziert sich der Anteil der Reflexionszeit erheblich.

Bei der Durchführung mehrerer Beratungen am Stück erfragen Sie zunächst, welche „Überschriften“ die einzelnen Durchgänge haben (also welche Themen die Studierenden an diesem Tag mitbringen) und gestalten daraus eine ansprechende Reihenfolge.

Potentielle Schwierigkeiten und wie Sie sie lösen können

Was, wenn nicht alles glatt läuft und Sie sich doch nicht entspannt zurücklehnen können? Was kann passieren, und wie gehen Sie damit um?

  • Schwierigkeit 1: Manchmal fällt es schwer, überhaupt einen Studierenden zur Teilnahme zu bewegen.

Gerade am Anfang ist das alles natürlich ungewohnt und erfordert etwas Überwindung. In meinen Veranstaltungen hat es jedoch meist gereicht, den Studierenden die Vorteile der Methode erneut zu schildern. Und hey, was spricht dagegen, diese Form der Beratung einfach einmal auszuprobieren? Die Studierenden haben die Gewissheit, dass wir im Falle des Nicht-Gefallens die Methode auch wieder wechseln. Simple as that.

  • Schwierigkeit 2: Manchmal fällt es den Studierenden schwer, eine Schlüsselfrage zu formulieren.

Mit etwas mehr Vorbereitungszeit funktioniert das dann meist besser. Wenn es gar nicht gelingen will, dann ist das vielleicht vorläufig das Ergebnis: die Erkenntnis, dass das Problem derzeit noch nicht benannt werden kann und weitere Schritte nötig sind.

  • Schwierigkeit 3: Manchmal fällt es schwer, die hundertprozentige Studierendenzentrierung tatsächlich durchzuziehen, und zwar beiden Seiten!

Es kann vorkommen, dass Sie ganz dringend etwas zum Fall beitragen möchten und nicht dürfen. Denn das ist ja gerade nicht Ihre Rolle. Manchmal suchen auch die Studierenden Bestätigung bei Ihnen, entweder die Berater während der Beratung per Blickkontakt („War mein Lösungsansatz richtig?“) oder der Fallgeber nach der Beratung („Welchen Ansatz soll ich denn nun weiterverfolgen?“).

Mein dringender Rat: Halten Sie sich raus! Jedes inhaltliche Eingreifen ist kontraproduktiv. Sie legen damit den Studierenden nahe, dass die Lehrperson „es sowieso am besten weiß“ und am Ende die „Auflösung“ schon präsentieren wird. Welche Folgen das für weitere kollegiale Beratungen hätte, kann man sich leicht ausmalen. Wenn Sie also Ihre eigene Expertise einbringen möchten, finden Sie dafür besser andere Formate, die losgelöst sind von der kollegialen Beratung.

  • Schwierigkeit 4: Manchmal hören Sie sich quasi selbst reden, wenn Studierende das von Ihnen Gelernte reproduzieren und dabei ähnliche Worte wie Sie benutzen.

Ich fürchte, das müssen Sie einfach ertragen. Vielleicht gelingt es Ihnen, es als Kompliment zu nehmen?

Eine extreme Erfahrung: die 180-Grad-Wende

Eine Studierende war zu Beginn der Veranstaltung überaus skeptisch der Methode gegenüber, da ihr bei ihrem speziellen Problem sowieso niemand helfen könne – so ihre Wahrnehmung. Es war ein so einzigartiges Problem, dass niemand aus der Gruppe von über 30 Personen es zuvor gelöst hatte. Es handelte sich um eine wissenschaftliche Arbeit im dualen Studium, und die Studierende musste mit einer bestimmten Konstellation im Praxisbetrieb umgehen (deutlicher kann ich das hier aus Gründen der Wiedererkennbarkeit nicht schreiben). Sie ließ sich dennoch auf die Methode ein. Wie ich das geschafft habe, weiß ich selbst nicht mehr so genau. Mit der Haltung „Na gut, was habe ich zu verlieren“ kam die Studierende nach vorne und stellte ihr Beraterteam zusammen. Dabei wählte sie die mutmaßlich klügsten Köpfe. Nach und nach, bereits nach wenigen Minuten, wich die Hoffnungslosigkeit. Die Studierende hatte von ihrem Beraterteam Denkansätze bekommen, deren Weiterverfolgen ihr lohnenswert erschien. Diese Beratung konnte bereits vor Ablauf der vereinbarten Zeit zur Zufriedenheit aller Beteiligten beendet werden. Eine 180-Grad-Wende von kompletter Hoffnungslosigkeit zu Zuversicht.

Literaturhinweis:

  • „Kollegiale Praxisberatung“ in Macke/Hanke (2016): Kompetenzorientierte Hochschuldidaktik. Weinheim und Basel: Beltz. (eigentlich gedacht für ein Setting mit mehreren Lehrenden, die sich gegenseitig beraten; es lässt sich jedoch übertragen)

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit kollegialer Beratung in Studierendengruppen gemacht? Schreiben Sie es gern in die Kommentare.

 

 

Umfrage zum Einstieg in die Lehre: Bitte um Unterstützung

Werte Kollegin!
Werter Kollege!

Didaktik wird nicht umsonst als Kunst(!) und Wissenschaft vom Lehren und Lernen definiert: Lehre ist bereichernd, kreativ und herausfordernd zugleich! Die Erstlehre ist dabei sicherlich die schwierigste Phase für Lehrpersonen, da sie auf keine oder kaum eigene Erfahrungen zurückgreifen können, wenn sie vor der Aufgabe stehen eine neue Veranstaltung zu entwickeln.Für eine geplante Publikation suchen wir Hochschullehrende, die uns über ihren Einstieg in die Hochschullehre und die Betreuung von Studierenden Auskunft geben könnten. Wie lange der Einstieg zurückliegt oder welches Fachgebiet unterrichtet wird/wurde, ist dabei nicht relevant. Die Befragung wird in etwa 15 Minuten dauern:

https://www.soscisurvey.de/erstlehrende/

Von den Ergebnissen erhoffen wir uns neue Ansätze für eine Verbesserung der Einstiegsphase, damit zukünftige Lehrende diese Zeit mit all ihren Herausforderungen gut meistern können.

Bitte leiten Sie den Umfragelink an Ihre KollegInnen in der Lehre, DissertantInnen, Post-Docs, HabilitandInnen und Alumni weiter. Gerne können Sie den Link auch in Ihren Social-Media-Kanälen und Newslettern teilen.

Über Ihre Unterstützung würden wir uns sehr freuen!

Vielen Dank vorab

Andrea Klein und Natascha Miljkovic

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