Wissenschaftliches Arbeiten lehren

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Erfahrungen, Einblicke und ein bisschen Ernüchterung nach einigen Jahren Lehre "Wissenschaftliches Arbeiten"

Materialien

Probieren geht über studieren: Ideen für Übungen, die die Studierenden selbst lösen müssen.

Literatur

Bücher, Links und Apps zum Wissenschaftlichen Arbeiten gibt es viele - für Studierende. Aber welche eigenen sich für die Lehre?

Die drei wichtigsten Aha-Erlebnisse, die ich den Studierenden wünsche

Überlegen Sie einmal: Was sind Ihre Hauptanliegen, wenn Sie „Wissenschaftliches Arbeiten“ lehren? Sicher, im Curriculum steht, was inhaltlich abgedeckt werden muss: Literaturrecherche, Gliederungsarten, Zitierrichtlinien und all die anderen Grundlagen.

Aber welche übergeordneten Erkenntnisse sollen bei den Studierenden ankommen?

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie ihnen?

Meine ganz subjektive Top 3-Liste habe ich hier für Sie zusammengefasst:

Aha-Erlebnisse

Im Detail:

Eine Fragestellung erleichtert vieles, weil sie dem Thema eine Richtung und ein Ziel gibt.

Ich bete es in der Lehrveranstaltung rauf und runter: „Das Thema ist noch nicht die Fragestellung.“ Aber: Meine Erfolgsquote liegt leider immer noch nicht bei 100 Prozent. Es reichen also immer noch Studierende Arbeiten ein, in denen keine Fragestellung explizit formuliert und verfolgt wird.

Wissenschaftliches Arbeiten macht (mehr) Spaß, wenn es gelingt, eine persönliche Motivation für das Thema aufzubauen. Das lässt sich mit einer Fragestellung erreichen, die einen ernsthaft interessiert. Viele Studierende sind überrascht, wie vielfältig dabei die Möglichkeiten auch bei vorgegebenen und scheinbar langweiligen Themen sind. (Netter Nebeneffekt: Die Lehrenden freuen sich auch, wenn sie etwas zu lesen bekommen, das abseits der schon hundert Mal begangenen Wege liegt.)

Ich wünsche den Studierenden dieses erste Aha-Erlebnis möglichst früh in ihrem Studium.

Der wissenschaftliche Arbeitsprozess hält sich nicht an Schema X.

Die individuellen Herangehensweisen an wissenschaftliche Arbeitsaufgaben unterscheiden sich stark. Das fängt bei der ersten Zeitplanung an und hört beim Schreiben und Überarbeiten auf. Was bei dem einen Studierenden funktioniert, führt beim nächsten ins Chaos. Standardrezepte kann es demnach nicht geben.

Traditionelle Modelle des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses postulieren einen linearen und damit gut planbaren Ablauf. Das wird dem „echten Leben“ nicht gerecht. Wer die angeblichen Schritte nicht in der empfohlenen Reihenfolge abarbeitet, kommt oft trotzdem oder gerade deswegen zu einem sehr guten Ergebnis.

Ich wünsche den Studierenden hier vor allem Lehrende, die nicht Standardrezepte verbreiten, sondern die vielen möglichen Wege aufzeigen.

Wer früh anfängt, kann Verzögerungen und Störungen besser abfedern.

Mit dieser Ansicht stehe ich bei den Erstsemestern oft allein da. Denn früh anfangen ist etwas für Streber. Für ein frühes Anfangen haben viele Studierende schlicht und ergreifend keine Zeit! Erst einmal kommen die Klausuren und andere dringende Angelegenheiten, danach passt das schon noch.

Früh anfangen bedeutet nicht, dass man in der Summe mehr Aufwand in eine Arbeit stecken muss. Es heißt erst einmal nur, dass mehrere Sachen parallel laufen. Und wenn man dann beispielsweise drei Monate vor dem Abgabetermin bei der Recherche erfährt, dass eine wichtige Quelle erst in vier Wochen zur Verfügung steht, kann man das noch mit einem entspannten Lächeln abwarten. Bei einem späten Start bekommt man diese Mitteilung möglicherweise drei Wochen vor der Deadline – dann ist es vorbei mit der Entspannung.

Ich wünsche den Studierenden, dass sie möglichst bald den für ihre wissenschaftlichen Schreibaufgaben optimalen Startzeitpunkt herausfinden.

Bla, bla, bla

Manche Studierende müssen diese Dinge selbst erleben und auch erst einmal scheitern, um das alles wirklich zu begreifen. Lehrende können da viel erzählen – was ankommt, ist „Bla, bla, bla“. Dennoch baue ich diese drei Weisheiten wieder und wieder in meine Vorlesung ein. Bei einigen Studierenden kommen meine Worte nämlich doch an. Außerdem kann ich dann milde lächeln, wenn ich bei einem Glas Sekt anlässlich der Bachelorfeier erzählt bekomme: „Sie hatten ja so recht damals.“

 

Welche Aha-Erlebnisse wünschen Sie Ihren Studierenden?

Schreiben lässt sich nicht lehren

Irgendwann kommt der Punkt, an dem die Rohfassung des Texts entsteht.

„Der Text entsteht.“ Klingt das nicht toll? Das erweckt den Eindruck, als würde der Text ohne Zutun von außen, also einfach ganz von allein wachsen, bis er eben damit fertig ist.

Viele Ratgeber zum Wissenschaftlichen Arbeiten (Theisen oder Brink, um nur zwei zu nennen) schweigen sich darüber aus, wie Schreibende von den ersten Skizzen zur Rohfassung gelangen. Die Ratgeber zum Wissenschaftlichen Schreiben hingegen sind natürlich voll mit Methoden und Übungen. (Wissenschaftliches Arbeiten vs. Schreiben)

Frühere Blogartikel in der Rubrik „Materialien“ beschreiben ein paar der Vorarbeiten im wissenschaftlichen Arbeitsprozess: das Finden einer Fragestellung, die Literaturrecherche, das Erstellen einer Gliederung. Damit soll nicht gesagt sein, dass Schreiben generell erst nach dem Durchlaufen dieser Schritte passieren darf. Im Gegenteil: Schreiben ist ein wichtiges Werkzeug im gesamten Arbeitsprozess. Was ich jetzt meine, ist die ausformulierte Rohfassung – ein einigermaßen lesbarer, zusammenhängender Text, der als Grundlage all die Stichworte, Versatzstücke, Clusterings und Mindmaps nutzt, die bis zu diesem Zeitpunkt erarbeitet wurden. Ein vorläufig fertiger Text, wie man ihn klassischerweise jemandem zum Lesen gibt, um Feedback zu erhalten.

Das Schreiben dieses Rohtexts lässt sich nicht gut lehren. Lehrende können diesen Vorgangs nicht so leicht erklären wie etwa Zitierregeln oder die Möglichkeiten der Online-Recherche. Warum? Es gibt keine einzelnen Schritte, die man einfach nacheinander ausführt, damit ein Rohtext entsteht. Um einen Sachverhalt zu beschreiben oder eine These argumentativ zu belegen, kann man eine fast unendliche Zahl an möglichen Sätzen verwenden.

Schreiben lehren = aufräumen

Sie könnten an der Stelle in der Lehrveranstaltung über wissenschaftlichen Schreibstil im Allgemeinen und im Besonderen sprechen. Aber was bringt es? Die Studierenden sind noch mit ganz anderen Fragen beschäftigt. Im Endeffekt bewirkt es eine Überforderung, vor allem wenn es sich um das erste Semester handelt. Angebrachter wäre es, über die wichtigsten Schreibstrategien zu sprechen.

Sie sollten an dieser Stelle vor allem eines tun – aufräumen! Und zwar mit der Vorstellung des idealen Schreibers in den Köpfen der Studieren.

Wissenschaft hat immer mit Lesen und Schreiben zu tun. In manchen Disziplinen kommen zwar noch andere Tätigkeiten hinzu, wie etwa das Durchführen von Experimenten oder Befragungen. Das Lesen und Schreiben aber ist allen Wissenschaften gemein.

Vom idealen Wissenschaftler nehmen viele Studienanfänger an, dass dieser auch komplexe, wissenschaftliche Texte mühelos lesen, ihren Inhalt auf Anhieb verstehen und diesen dann auch noch dauerhaft behalten kann.

Ähnliches gilt für das Schreiben: Vermutetermaßen ist der ideale Wissenschaftler derart genial, dass er seine Ideen direkt druckreif zu Papier bringt. Sind seine Gedanken erst einmal zu Ende gedacht, formuliert er sie mühelos zu einem wohlstrukturierten und gut lesbaren Text.

Also erst einmal aufräumen in den Köpfen, weg mit den Mythen:

  • „Um gut zu schreiben, muss man auf jeden Fall begabt sein.“
  • „Schreiben heißt, direkt einen druckreifen Text zu formulieren.“
  • „Wer lange für die Überarbeitung braucht, hat vorher viel falsch gemacht.“

Wenn Sie diese Mythen thematisieren, reden Sie am besten von sich selbst und Ihren Schreibprojekten. Sie werden merken, dass die Studierenden aufmerksamer als sonst zuhören. Plötzlich geht es um das echte Leben, um Erfahrungen aus erster Hand. Lassen Sie die Studierenden daran teilhaben. Erklären Sie, dass nicht immer alles gleichmäßig abläuft beim Schreiben. Dass sich Zeiten auf der Überholspur mit Zeiten im Stau und in Sackgassen abwechseln. Nicht so erfahrene Schreiber wissen das noch nicht, weil sie es noch nicht (oder nicht so oft) erlebt haben.

Alle Wege führen nach Rom

Achtung: Sagen Sie immer dazu, dass Ihr Weg nur ein Weg von vielen ist. Viele Studierende sind auf der Suche nach dem einen richtigen Weg (gerade die Typ 2-Studierenden). Sie wollen erklärt bekommen, wie das alles richtig geht, und fragen sinngemäß: „Wie muss ich mich beim Erstellen meiner wissenschaftlichen Arbeiten verhalten, um auf jeden Fall Erfolg zu haben?“ Antworten, die aus einzelnen Tipps bestehen, können hilfreich sein. Und zwar dann, wenn sie zufällig auf Studierende treffen, die genau auf diese Weise gut arbeiten und nur einen kleinen Anstoß brauchten.

Beispiel: Die Studierenden erhalten in der Lehrveranstaltung den Tipp, nach einem festen Rhythmus immer zur gleichen Uhrzeit für eine vorab festgelegte Dauer zu schreiben. Das funktioniert bekanntlich für einige Schreibende sehr gut. Andere hingegen fühlen sich dadurch eingeengt und kommen überhaupt nicht mehr ins Schreiben.

Der Lehrende produziert mit so einem einseitigen Tipp also zwei Gruppen von Studierenden: erstens die, bei denen es fortan mit dem Schreiben besser vorangeht, und zweitens die, die mit dieser Vorgehensweise nichts anfangen können. Je nach Veranlagung werden sich Studierende der zweiten Gruppe entweder in Zukunft schlecht fühlen („Ich mache zwar alles, genau wie er es gesagt hat, aber es funktioniert trotzdem nicht. Es muss an mir liegen.“) oder die Ratschläge und damit die Kompetenz des Lehrenden anzweifeln („Sein toller Tipp hat mir überhaupt gar nichts gebracht.“).

Eigentlich muss die Antwort an die Studierenden also lauten: „Erweitern Sie Ihr Repertoire an Arbeitstechniken, und finden Sie heraus, in welchen Situationen Ihnen was genau am besten hilft.“ Das ist eine unbequeme Antwort, weil dieses Herausfinden ein Ausprobieren erfordert. Das wiederum bedeutet, dass es zwischendurch zu Rückschlägen kommen wird. Aber auch das können Sie den Studierenden erklären: So etwas gehört zu einem Lernprozess dazu. Auch hier können Sie ja wieder von sich selbst sprechen und erklären, welche Tipps Sie einmal vergeblich ausprobiert haben.

Quality Time

Klagen über schlechte Texte von Studierenden haben Sie im Kollegenkreis sicher mehr als einmal gehört. Es genügt ja mitunter ein einziges, klug gewähltes Stichwort, um Lehrende dazu zu bringen, sich stundenlang über die Qualität der eingereichten Texte zu beschweren. Die Studierenden heutzutage können eben einfach nicht mehr schreiben, lautet dann das Fazit.

Falsch, die Studierenden heutzutage müssten ihre Texte einfach mehr überarbeiten. Viele Arbeiten sind so schlecht, weil sie zu wenig überarbeitet werden. Die Qualität kommt bei der Überarbeitung.

Bei den Studierenden fehlt es oft an dem Wissen über die Notwendigkeit des Überarbeitens. Es fehlt aber auch an einem guten Zeitmanagement. Letzteres entwickelt sich meist erst über die Semester.

Ermuntern Sie also die Studierenden, mehr „Quality Time“ für ihren Text einzuplanen. Sprechen Sie in Ihrer Lehrveranstaltung die folgenden Aspekte an:

  • die Notwendigkeit des Überarbeitens („Überarbeiten bringt Qualität.“),
  • die verschiedenen Ebenen der Überarbeitung (inhaltlich, sprachlich und formal),
  • die dazugehörigen Techniken und
  • die dafür zu veranschlagende Zeit.

Manche Ratgeber empfehlen, bis zu 50 Prozent der Gesamtzeit für die Überarbeitung einzuplanen. Ich ernte oft ungläubige Blicke, wenn ich das in der Vorlesung sage. Nach der Abgabe der Arbeit räumen dann manche Studierende freimütig ein, dass da wohl doch etwas Wahres dran ist und ihr Text mit einer längeren Überarbeitungszeit noch an Qualität gewonnen hat (oder hätte….).

Schreiben lehren = überarbeiten lehren

Statt allzu ausführlich auf stilistischen Empfehlungen einzugehen, reiße ich dieses Thema nur kurz an und verwende im ersten Semester fremde Texte. In den Folgesemestern ist immer noch Zeit für die detaillierte Betrachtung von Techniken und Stilfragen. Dann können die Studierenden auch auf ihre ersten eigenen Erfahrungen mit dem wissenschaftlichen Schreiben zurückgreifen.

Welche Art von Texten nutze ich?

 

  • 3 Einleitungen zum gleichen Thema

Da in meiner Lehrveranstaltung zu diesem Zeitpunkt noch keine eigenen Texte vorliegen, greife ich auf Auszüge aus älteren Arbeiten zurück. Und selbst wenn die Studierenden schon Texte verfasst hätten: Die meisten Erstsemester (und nicht nur die) öffnen sich sowieso eher ungern vor ihren Mitstudierenden. Zudem gilt das „Gesetz des Schulhofs“ – Kritisiere nicht, wenn Lehrende zuhören.

Machen Sie auch nicht den Fehler, für eine solche Übung einen eigenen Text auszuteilen. Ich spreche aus leidvoller Erfahrung. Es ist nicht schön, wenn so viele, zum größten Teil im Feedback-Geben unerfahrene Leser den eigenen Text durch die Mangel drehen. Einmal und nie wieder!

Also nehme ich drei Einleitungen aus studentischen Texten, die das gleiche Thema behandeln: eine von mir als gut befundene, eine mittelgute und eine schlechte Variante. Einleitungen wähle ich aufgrund ihrer Bedeutung für den wissenschaftlichen Text. Die Studierenden sehen bei dieser Übung noch einmal, dass unter einem Thema verschiedene Fragestellungen bearbeitet werden können. Sie erkennen auch die Wirkung einer schwammig formulierten oder gar einer nicht näher benannten Fragestellung. Einleitungen bieten auch die Gelegenheit, noch einmal darüber zu sprechen, dass der Leser zu Beginn der Arbeit „abgeholt“ werden muss.

  • „Musterarbeit“

Wenn das Semester weiter fortgeschritten ist, kommt eine so genannte „Musterarbeit“ ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine komplette studentische Arbeit, und eben nicht nur um einen Auszug daraus. So können wir auch über übergeordnete Aspekte wie den Aufbau des gesamten Textes oder die Übergänge zwischen den Kapiteln sprechen und gemeinsam herausfinden, ob die Arbeit in sich geschlossen ist. Die Denkhaltung bei dieser Übung lautet „Überarbeiten“ – gemeinsam mit den Studierenden gehe ich so an den Text, als wäre es ein eigener zu überarbeitender Text (ausführlicher Beitrag zum Thema: Musterarbeit).

Schreiben lehren = aufräumen = überarbeiten lehren

Die Aussage „Schreiben lässt sich nicht lehren“ ist in dieser Absolutheit natürlich nicht richtig. In dem Beitrag habe ich dargestellt, wieso ich vor allem bei Studienanfängern recht wenig über die Entstehung des, äh pardon, das Verfassen des Rohtexts rede, sondern mich mehr auf das Aufräumen mit hartnäckigen Mythen und auf das Überarbeiten konzentriere.

Schreiben lehren = aufräumen = überarbeiten lehren – Wie sieht Ihre Gleichung beim Lehren des Rohtextens aus?

HSW-Themenschwerpunkt 5+6/2015: Hurra, Gleichgesinnte!

Themenschwerpunkt: Anleitung zum Erwerb wissenschaftlicher Schreibkompetenzen durch Studierende

Das Hochschulwesen. Forum für Hochschulforschung, -praxis und -politik.

63. Jahrgang, Heft 5+6 2015

 

HSW 5+6 2015_Front

 

HSW-Themenschwerpunkt: Hurra, Gleichgesinnte!

Die Doppelausgabe 5+6/2015 der Zeitschrift „Das Hochschulwesen“ widmet einen Schwerpunkt der Frage, wie Lehrende ihren Studierenden wissenschaftliche Schreibkompetenzen vermitteln können. Drei Beiträge liefern Erfahrungen aus der Praxis und vielfältige Anregungen:

  • Kühl, Stefan: Der publikationsorientierte Erwerb von Schreibkompetenzen. Zur Orientierung des studentischen Schreibens am wissenschaftlichen Veröffentlichungsprozess, S. 143-157
  • Oberzaucher, Frank, Stefanie Everke Buchanan und Benjamin Kerst: Schreibprozessorientierte Seminare wagen, S. 189-193
  • Schultz, Julia; Deutsche Grammatik als „Schreibwerkstatt“: Reflexionen zu einer Lehrveranstaltung mit experimentellem Charakter, S. 194-200

Neue Wege

Frank Oberzaucher, Stefanie Everke Buchanan und Benjamin Kerst von der Universität Konstanz befassen sich damit, wie Seminare schreibprozessorientiert gestaltet werden können. Aufbauend auf Girgensohns/Sennewalds Stufenmodell des Arbeitsprozesses beim wissenschaftlichen Schreiben legen sie konkret dar, wie sie in einem soziologischen Seminar alle fünf Phasen des Modells umgesetzt (also diese in die Veranstaltung geholt) haben.

Julia Schultz, Universität Heidelberg, beschreibt die Erfahrungen, die sie mit ihrem neuen schreibintensiven Lehrformat gemacht hat. Ausgewählte schreibdidaktische Methoden begleiteten die Studierenden durch das komplette Semester. Während sich anfangs einige erst noch an die unbekannten Methoden gewöhnen mussten, stellte sich das Experiment am Ende als gelungen heraus. Die Qualität der Texte stieg, und sowohl die Studierenden als auch die Dozentin empfanden die neuartige Lehrform als Bereicherung und Zugewinn.

Rückbesinnung

Auf den ausführlichen Beitrag von Stefan Kühl, Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld, möchte ich näher eingehen. Er schildert, wie Studierende durch ein entsprechendes Lehrkonzept systematisch an den wissenschaftlichen Publikationsprozess herangeführt werden können und welchen Nutzen sie daraus ziehen.

Kühls Ausgangspunkt ist folgender: Die ungezählten Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten entfalten nicht die gewünschte Wirkung, und viele Lehrende nehmen das gesunkene Niveau studentischer Arbeiten fatalistisch in Kauf. Gleichzeitig ist es im Sinne des Gesamtsystems jedoch wünschenswert, wissenschaftliche Standards aufrechtzuerhalten. Also müssen neue Konzepte entwickelt werden, mit denen es gelingt, die Schreibkompetenz der Studierenden zu fördern.

Bei Kühls publikationsorientierten Ansatz geht es weniger darum, dass einige wenige Studierende ihre herausragenden Arbeiten tatsächlich veröffentlichen. Vielmehr sollen alle Studierenden fünf verschiedene Textsorten (Artikel, Rezension, Buch, Forschungsantrag und Essay) kennenlernen und mit ihren Arbeiten selbst die für die Wissenschaft typischen Feedback-Prozesse durchlaufen. Anders als üblich werden die studentischen Arbeiten also nicht nur für einen einzigen Leser, nämlich den Lehrenden, verfasst, sondern für möglichst viele. Dieser Umstand wirkt auf die einzelnen Studierenden mitunter sehr motivierend. Allerdings ist das jedoch nicht immer leicht zu implementieren. Denn dieser Ansatz läuft der herrschenden Kultur entgegen – im Beisein der Lehrkraft hat man sich nicht zu kritisieren (von Kühl „Gesetz des Schulhofs“ genannt).

Im abschließenden Abschnitt des Artikels diskutiert Kühl die Möglichkeiten und Grenzen des Konzepts und ordnet es mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in die Anforderungen an moderne Hochschullehre ein: Brauchen denn diese „Schmalspurstudierenden“, die ja nur den Bachelorabschluss anstreben, überhaupt so etwas wie eine publikationsorientierte Lehre? Die Antwort lautet natürlich ja, und mir gefällt die Argumentation (kurz gesagt: wider die direkte Verwertbarkeit).

Letztlich geht es um eine Rückbesinnung auf den ursprünglichen Zusammenhang zwischen dem wissenschaftlichen Artikel und der Prüfungsform „Hausarbeit“ (S. 145), wobei dem Konzept wohlgemerkt nichts Rückständiges anhaftet. Durch die Verortung im derzeitigen Hochschulsystem wird deutlich, wieso eine solche publikationsorientierte Vorgehensweise auch heutzutage sinnvoll sein kann.

Hurra, Gleichgesinnte!

Insgesamt hatte ich bei der Lektüre aller drei Beiträge den Eindruck, dass da Gleichgesinnte schreiben – nämlich solche, die die Studierenden voranbringen wollen und dafür neue Wege in der Lehre suchen. Ich freue mich auch immer sehr, wenn jemand offen ausspricht, dass die Gründe für die (angeblich) schlechten Schreibfähigkeiten der Studierenden nicht nur in den Studierenden selbst liegen, sondern ganz, ganz eventuell auch bei den Lehrenden zu suchen sind. Oder deutlicher ausgedrückt:

„Man muss es klar sagen, es sind oft in erster Linie die Lehrenden, die Nachholbedarf haben. Die mangelnde Schreibkompetenz der Studierenden sind auch traditionellen Vorstellungen der Konzeption von Lehrveranstaltungen geschuldet (z.B. wenige bis keine Schreibaufgaben im Semester, keinerlei Feedbackkultur oder Sensibilität für Schreibanregungen)…“ (Oberzaucher, Evereke Buchanan, Kerst, S. 193)


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

„Morgen fange ich dann wirklich an …“ – Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten

Ein Gastbeitrag von Stefan Dobler

Studierende sind im Laufe Ihres Studiums mit zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten konfrontiert. Diese „schimpfen“ sich mal Haus- oder Seminararbeit, man findet jedoch auch Praxis-, Projekt- Assistentenarbeiten, Praktikums- und Belegarbeiten sowie zum Ende des Studiums Bachelor- oder Masterarbeiten.

Derartige wissenschaftliche Arbeiten stellen Studierende oft vor eine neue, gewaltige Herausforderung: Häufig müssen sie erstmals in ihrem Leben sich über einen längeren Zeitraum und in einem größeren Kontext mit einer Thematik wissenschaftlich auseinandersetzen, zumindest um eine passable Note zu erzielen.

Da reicht es nicht, sich einfach den Stoff in der Nacht vorher für die anstehende Klausur „reinzuziehen“ oder mal schnell eine Präsentation aus dem Internet zu laden, rasch ein paar Folien zu ändern und dies als eigenständige Präsentation zu „verkaufen“.

Die zahlreichen Hochschul-Veranstaltungen unter dem Titel „Die lange Nacht der (aufgeschobenen) Hausarbeiten“ zeugen oft von Hürden des wissenschaftlichen Arbeitens. Gerne wird die Recherche, Analyse, empirische Erhebung oder das bloße Textschreiben verschoben mit dem Verweis: „Ich hab ja noch drei Monate Zeit, das reicht locker.“ … oder so ähnlich.

In der psychologischen Forschung und Praxis wird das Aufschieben als Prokrastination bezeichnet. Erste Studien stammen dazu aus den 70er-Jahren. Was weiß man über dieses Phänomen? Es gilt als kulturunabhängig, ist in allen Milieus und Schichten zu finden, betrifft Weiblein wie Männlein und kann pathologisch – sprich krankhaft – werden.

Was können Lehrende tun?

Aus Sicht der Studierenden gibt es sicher einige Möglichkeiten. Doch möchte ich hier vor allem die Perspektive der Lehrenden einnehmen.

Eine wissenschaftliche Arbeit kann neben ihrem eigentlichen Zweck noch eine weitere Schlüsselkompetenz vermitteln: das Projektmanagement.

Wissenschaftliche Arbeiten haben die gleichen Bedingungen wie andere Aufgaben auch, die meist mit Projekten gelöst werden. Es handelt sich in der Regel um ein neuartiges Thema, welches in einer vorgegebenen Zeit mit einer gewissen Qualität erfolgreich abgeschlossen werden sollte. Und die Ressourcen dafür, wie der Ökonom formulieren würde, sind knapp.

Eine wissenschaftliche Arbeit als Projekt zu begreifen, welches es zu managen gilt, ist Methode und Haltung zugleich. Methode, weil die Studierenden ein Handwerkszeug mitbekommen, um effizient umfangreiche Aufgaben zu lösen. Haltung, weil auch das systematische wie auch planerische Denken jedes Einzelnen geschult werden kann. Damit kann es gelingen die Komplexität einer wissenschaftlichen Fragestellung durch Systematisierung erheblich zu vereinfachen.

Was im Großen gilt, gilt auch im Kleinen: Ursachen für das Scheitern liegen oft in der Startphase. Das zeigen Großprojekte wie der Flughafen Berlin Brandenburg, aber auch viele kleine wissenschaftliche Projekte: Viel zu knappe zeitliche Pläne, Unterschätzung einzelner Aufgaben, Ignorieren möglicher Risiken von Beginn an etc..

Wie kann nun das Projektmanagement-Gen eingeimpft werden?

Natürlich fällt die Kompetenz eines effizienten Projektmanagements bei wissenschaftlichen Arbeiten nicht vom Himmel. Aber sie kann vermittelt werden. Dazu ist zunächst eine umfassende gemeinsame Projektplanung notwendig. Dabei sind wir als Lehrende besonders gefragt. Mit unserer Erfahrung können wir Studierende auf die vielen Fallstricke hinweisen. Dazu gehören beispielsweise unwissenschaftliche Fragestellungen, viel zu enge Zeitpläne, einen Plan B bei mangelnden empirischen Daten etc..

Danach sollten gemeinsam Arbeitspakete geschnürt werden. Darin wird festgelegt, was ist bis wann mit welchen Mitteln zu erledigen? Sie meinen, dies klingt sehr formal? Stimmt. Aber Probleme wie „Jetzt habe ich vergessen die Bücher zu bestellen und kann nicht an meinem Theorie-Teil weiter schreiben“ oder „Ich wusste gar nicht, dass ich für die Befragung erst den Betriebsrat fragen muss“ gehören dann hoffentlich der Vergangenheit an.

Diese kleinen Meilensteine motivieren, wenn sie geschafft sind, und bieten einen guten Überblick über bisher Geleistetes und die Aufgaben, die noch vor einem liegen.

Projektcontrolling

Wie jedes Projekt sollte es auch ein Projektcontrolling bei wissenschaftlichen Arbeiten geben. Dieses sollte ehrlich sein, sprich etwa eine zeitliche Abweichung sollte auch als solche erkannt werden und dementsprechend nachgesteuert werden. Beispielsweise sollten Kapazitäten realistisch eingeschätzt und geplant werden. Zu einer Überforderung kann es kommen, wenn etwa Klausuren im Bearbeitungszeitraum anstehen oder private Verpflichtungen den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit unterbrechen. Dabei kommt der Einzelne verständlicherweise an seine Kapazitätsgrenze.

Im Rahmen des Projektcontrollings sollten auch Risiken bewusst gemacht werden und realistisch eingeschätzt werden. Gerade unvorhergesehene Entwicklung können viele Studierende völlig aus dem Konzept bringen. Ein immer wiederkehrendes Beispiel ist bei empirischen Erhebungen eine viel zu geringe Fallzahl oder ein Mangel an Repräsentativität. Wer sich zu Beginn des Projekts damit schon einmal gedanklich auseinandergesetzt hat, empfindet es nicht als (zu) schlimm und kann rasch gegensteuern.

Wie verpflichtend sollten denn die Planungen sein?

Natürlich sollte jede Planung verpflichtend sein und auch das Papier wert sein, auf dem sie steht. Aber sie darf auch „atmen“, sprich sie sollte Abweichungen zulassen. Schließlich gelten Studierende meist als eher unerfahren in einer derartigen Arbeitsmethode. Eine gute Wirkung erzielen meiner Erfahrung nach „Verträge“ zwischen Studierenden und Lehrenden. Dabei können zu Beginn ihrer Arbeit die Studierenden nicht nur ihre Gliederung, sondern auch ihre Projektplanung mit dem Lehrenden absprechen. Beides sollte schriftlich fixiert werden und eventuell von beiden unterzeichnet sein. Feste Meilensteine des Projekts „wissenschaftliche Arbeit“ sollten vorher festgehalten und als gemeinsame Termine vereinbart werden. Die Studierenden sollten die Gesprächsinhalte wie die Bewertung der bisherigen Arbeit und die Planung zukünftiger Aufgaben dokumentieren. Mit der Unterschrift beider Parteien, der Studierenden wie auch der Lehrenden, bekommt das Ganze einen verbindlichen Charakter. Das schützt auch vor späteren unangenehmen Missverständnissen.

Das angesprochene Projektmanagement-Gen kann also vermittelt werden: In Lehrveranstaltungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, in Kolloquien, aber auch in persönlichen Gesprächen während der Projektphase.

Welche Erfahrungen haben Sie denn im Bezug auf Projektmanagement bei wissenschaftlichen Arbeiten gemacht?

 

Über den Autor

StefanDoblerStefan Dobler (Jg. 1980) lehrt an zahlreichen Hochschulen wie auch Akademien in vier Bundesländern. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Wissenschaftliches Arbeiten, Statistik, VWL sowie Medien und Kommunikation.

Nach einer sechsjährigen Tätigkeit in einem Marktforschungs- und Beratungsinstitut als Projektleiter gründete er ein eigenes Forschungs- und Beratungsunternehmen. Er studierte im Erststudium Politische Wissenschaft auf Magister und im Zweitstudium VWL auf Diplom.

 

 

 

 

Update 01.05.2016: In der Fortsetzung des Beitrags geht es um die individuelle Didaktik im Management wissenschaftlicher Projekte.

Nicht Sie sind das Problem, sondern Ihre Kollegen

Ok, das war jetzt gemein.

Wir alle haben hoffentlich sehr kompetente und nette Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir gern zusammenarbeiten. Aber da gibt es eben auch die anderen. Um einmal Pareto zu bemühen: 20 Prozent der Kollegen verursachen 80 Prozent des Ärgers.

Um diese 20 Prozent Problemkollegen soll es heute gehen.

Schreibberater und Schreib-Abrater

In dieser Infografik können Sie sehen, wie sich die Hochschulen in Deutschland zahlenmäßig zu Schreibzentren und zu den Dozierenden verhalten. Das Ergebnis: 427 zu 31 zu 381.269.

Es gibt also wenige Schreibzentren im Vergleich zur Zahl der Hochschulen. Würden die Dozierenden die Schwierigkeiten abfedern, die aus diesem Mangel entstehen, wäre die Situation nur halb so schlimm. Unter den besagten 381.269 Dozierenden sind jedoch mit Sicherheit viele, die grundsätzlich anders an wissenschaftliche Schreibaufgaben herangehen als ein ausgebildeter Schreibberater. Solche, die sich nicht des Stellenwerts bewusst sind, den das Schreiben im wissenschaftlichen Arbeitsprozess haben kann.

Zum Glück gibt es diejenigen Kollegen, die sich Gedanken gemacht haben und daher den Studierenden nicht nur fachlich, sondern auch „schreibtechnisch“ gut weiterhelfen. Dann gibt es da noch die, die wenigstens keinen Schaden anrichten, weil sie in der Hinsicht einfach nichts tun. Bei den Problemkollegen hingegen passiert allerdings leider nicht einfach nur nichts, sondern – viel schlimmer – die Studierenden werden schlecht beraten.

Eckpfeiler der Schreibberatung

Das personenzentrierte Beraten liefert erste Ansatzpunkte für das, was – bei Nicht-Beachten – in der Interaktion zwischen Dozierenden und Studierenden schieflaufen kann.

Mit personenzentrierter Beratung ist eine Grundhaltung gemeint, „die den Ratsuchenden ermöglicht, das Gespräch nach ihren Bedürfnissen zu gestalten. Als Beratende sollten Sie die Ratsuchenden als Person schätzen, deren Autonomie achten und ihnen Entscheidungsfreiheit zugestehen.“ (Grieshammer et al., 2013, „Zukunftsmodell Schreibberatung“ et al., S. 98 (zur Rezension)).

Alles Rogers?

All das fußt auf Carl Rogers‘ Menschenbild und seinem nicht-direktiven (klientenzentrierten) Ansatz des Beratens. Die Ratsuchenden erhalten Impulse von den Beratenden, bleiben jedoch selbst Experten für die Lösung ihres Problems.

Die Studierenden werden bei einer solchen Beratung in die Lage versetzt, selbst die verschiedenen Lösungswege abzuschätzen und eigenständig über ihr weiteres Vorgehen zu entscheiden. Dabei ist es hilfreich, wenn sie die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen können. Denn wenn Selbstbild und Handeln auseinanderklaffen, droht der Schreibprozess ins Stocken zu geraten. Das bedeutet für die Beratung einerseits, gemeinsam das Selbstbild des Schreibenden zu reflektieren, und andererseits verschiedene Schreibtechniken zu vermitteln oder auch direkt während der Beratung zu erproben.

An die Beratenden stellt ein solches personenzentriertes Vorgehen folgende Anforderungen:

  • Empathie: Sie können sich auf den Ratsuchenden und die Situation einstellen.
  • Akzeptanz und positive Wertschätzung: Sie nehmen die Studierenden ernst und trauen ihnen eigenständige Entscheidungen zu.
  • Kongruenz und Echtheit: Sie sollen sich echt verhalten und offen ihre momentane Verfassung zeigen.
  • Transparenz: Dies betrifft die Möglichkeiten und Grenzen der Beratung, die offen gelegt werden sollen.

(vgl. Grieshammer et al., S. 100)

So weit, so gut. Aber kommen wir wieder zurück zu den problematischen 20 Prozent. Warum sind manche Kollegen Problemkollegen? Ein Blick auf die genannten Anforderungen hilft weiter:

1) Kollegen ohne Empathie

  • Leider können sich Problemkollegen nicht richtig gut auf die Ratsuchenden und die Situation einstellen.

Sie haben schon vergessen, wie das war, als sie selbst ihre ersten Schritte in der Wissenschaft gemacht haben. Sie holen die Studierenden nicht dort ab, wo sie stehen, und erzählen von hehren Ansprüchen an die hohe Wissenschaft, während die Studierenden noch um die Basics ringen. Mit „Basics“ ist dabei nicht Kleinkram im Stile von „Wo setze ich welches Satzzeichen bei den Quellenangaben?“ gemeint, sondern durchaus Fragen inhaltlicher Art oder der methodischen Herangehensweise an die Forschungsfrage (sofern eine solche überhaupt schon vorhanden ist: Fehler Nr. 1).

Problemkollegen fordern, alles müsse beim Wissenschaftlichen Arbeiten zwingend genau so gemacht werden, wie sie es gelernt haben oder es sich über die Jahre selbst angeeignet haben. Ein Problemkollege, der selbst beim Schreiben dringend erst eine Gliederung braucht und diese beim Schreiben nur noch abarbeitet, will es von den Studierenden genauso. Wer selbst beim Schreiben immer jede Menge Ideen generiert, stellt das als den allein glücklich machenden Weg hin.

Abseits der Beratungssituation zeigen sich weitere schädliche Verhaltensweise von Problemkollegen. Zum Beispiel unfreundliche Korrekturen mit komplett durchgestrichenen Passagen oder arroganten Kommentaren („Nonsens!“ oder ähnliche Nettigkeiten). Oder chronische Nicht-Erreichbarkeit für Feedbackgespräche nach der Korrektur und Notenvergabe. Problemkollegen führen, wenn überhaupt, Tür-und-Angel-Gespräche und kanzeln die Studierenden ab. Ade Lernprozess – schade um all die Mühe, die in der studentischen Arbeit steckt.

2) Kollegen ohne die nötige Akzeptanz und positive Wertschätzung für die Studierenden

  • Leider nehmen Problemkollegen die Studierenden mit ihren Anliegen nicht ernst.

Sie glauben: „Schreiben kann man halt“ oder „Das mussten wir uns auch alles selbst erarbeiten.“ Wozu also überhaupt beraten?

  • Leider trauen Problemkollegen den Studierenden keine eigenständige Entscheidungen zu.

Sie haben ein schlechtes Bild von den Studierenden und halten die heutige Generation von Studierenden für faul. (Diese Art von Beschwerden über „die Jugend“ kennt man ja seit Sokrates…). Problemkollegen werfen den Studierenden Unwillen vor, wenn es sich eigentlich um Anfängerschwierigkeiten handelt. In ihren Augen haben die Studierenden eben nicht ausdauernd genug versucht, das Problem eigenständig zu lösen. Das Einholen von Feedback wird nicht als sinnvolle Strategie des Vorankommens interpretiert, sondern als Unselbständigkeit.

Manche Problemkollegen lassen auch den „guten Studierenden“ (sprich: den Einser-Kandidaten) und vor allem den selbstsicher auftretenden Studierenden weitgehend freie Hand. Den Rest beraten sie auf eine direktive Art und Weise. Unschön wird das spätestens dann, wenn sich diese Kollegen im Nachhinein nicht mehr an ihre eigenen Ratschläge erinnern und diese schlecht bewerten.

3) Kollegen, die keine Kongruenz und Echtheit zeigen

  • Leider sind Problemkollegen nicht authentisch.

Sie verstecken sich hinter Konventionen und Belehrungen über vermeintlich allgemeingültige Gebote und Verbote („Sie müssen aber…!“ und „Sie dürfen auf keinen Fall…!“).

Sie zeigen den Studierenden ihr Pokerface und lästern im schlimmsten Fall hinterher bei den Kollegen. Damit ist nicht gemeint, dass die Studierenden im Gespräch jeden negativen Eindruck des Beratenden ungefiltert abbekommen müssen. Ich selbst habe allerdings nur gute Erfahrungen damit gemacht, in der Beratung meine persönliche Wahrnehmung der Ratsuchenden und ihrer momentanen Situation zu schildern. Die Studierenden fühlen sich „gesehen“ und verstanden.

4) Kollegen, die nicht transparent sind

  • Leider machen Problemkollegen die Möglichkeiten und Grenzen der Beratung nicht transparent.

Die Studierenden hegen falsche Erwartungen und sind dann enttäuscht. Dies betrifft vor allem die doch oft gewünschte vorzeitige „Absegnung“ der Arbeit, also die Frage, „ob das alles so richtig ist“. Darauf wird es während einer Beratung allerdings keine abschließende Antwort geben können. Problemkollegen antworten auf solche Fragen gern vorschnell mit „Ja, ja, das passt schon“ – und merken dann später bei der Benotung, dass eben doch nicht alles passte. Das schlägt sich in einer schlechten Note nieder, die die Studierenden kalt erwischt. Denn angeblich war doch alles in Ordnung.

Nix mehr roger(s)?

Sie können sich leicht ausmalen, was passiert, wenn Studierende an einen Problemkollegen geraten. Sie werden frustriert („Ich habe alles falsch gemacht!“), verunsichert („Wie ist es denn nun richtig?“) und blockiert („So wie bisher darf ich nicht an diese Aufgabe gehen.“). In einem Wort: demotiviert.

Ärgert Sie das genauso wie mich?

Schlüsselkompetenz Schreiben?

427 Hochschulen

427 Hochschulen gab es in Deutschland im Wintersemester 2014/15.

31 Schreibzentren

Die Zahl der Schreibzentren lag ein Jahr davor bei 31 und hat sich seitdem vermutlich etwas erhöht, es existiert keine offizielle Zählung. Einen Überblick über die vielfältigen Angebote zu erhalten, ist schwierig. Denn die Bezeichnungen variieren: Schreibzentrum, Schreibberatung, Schreiblabor… Zudem sind die Angebote institutionell unterschiedlich verankert: von der eigenständigen Einheit innerhalb der Hochschule bis zum sporadisch stattfindenden Workshop eines einzelnen Lehrenden…

381.269 Dozierende

Über 381.000 Dozierende lehren an den Hochschulen. Selbst wenn sie nicht Wissenschaftliches Arbeiten lehren, begleiten sie doch auf die eine oder andere Art die Studierenden bei deren Schreibprojekten oder bewerten die fertigen Arbeiten.

Bei den Dozierenden handelt es sich in den wenigsten Fällen ausgebildete Schreibtrainer. Und wie viele von ihnen die Methoden des Wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens intensiv reflektiert haben, kann keiner wissen. Damit meine ich nicht, dass die Dozierenden nicht selbst wissenschaftlich arbeiten. Ich will sagen, dass sie möglicherweise die eigene Praxis zum allgemeingültigen Standard erheben. So verwehren sie unbewusst den Studierenden den Zugang zu anderen (nützlichen!) Herangehensweisen.

Schlüsselkompetenz Schreiben

So richtig fröhlich stimmt mich das nicht. Wie geht es Ihnen damit?

Oertner/St. John/Thelen: Zu kurz gedacht

Oertner, Monika, St. John, Ilona und Gabriele Thelen, (Hrsg.) (2014): Wissenschaftlich Schreiben. Ein Praxisbuch für Schreibtrainer und Studierende. Paderborn: Wilhelm Fink (UTB).

Preis: 24,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

Einführung

1 Texte einordnen

Teil 1 Wissenschaftliche Standards

2 Gliederung

3Zitiertechnik

4 Quellennachweis

5 Plagiatsvermeidung

Teil 2 Wissenschaftlich Schreiben

6 Themenfindung

7 Recherche

8 Zusammenfassen

9 Exzerpieren

10 Wissenschaftlicher Schreibstil

11 Der rote Faden

12 Argumentation

13Überarbeitung

14 Wissenschaftlich Schreiben!

Anhang (u.a. mit Wissenstest und Analyseexempel)

 

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Oertner/St. John /Thelen: Zu kurz gedacht

14 Kapitel für je 1,5 Stunden Lehre, so ist das Buch von Monika Oertner, Ilona St. John und Gabriele Thelen aufgeteilt. Das macht mich neugierig, denn ein Buch für Lehrende des Wissenschaftlichen Arbeitens würde ich ja gern einmal lesen.

Das Buch soll gleichzeitig ein „Praxishandbuch für Schreibtrainer und Studierende“ sein. Ob das gut geht? Gleich im Vorwort erfährt man dann, dass sich die Autorinnen an noch mehr und dabei sehr verschiedene Gruppen richten. Der Adressatenkreis des Buchs umfasst: Dozentinnen und Dozenten im Fach Wissenschaftliches Schreiben, Schreibberaterinnen und Schreibberater, Tutorinnen und Tutoren, Lehrerinnen und Lehrer der Oberstufe, Studierende, Abiturientinnen und Abiturienten in Vorbereitung auf ein Studium, Nicht-Muttersprachler (S. 8). Ich bin gespannt.

Didaktisch sehr gut aufbereitet

Alle Kapitel folgen dem gleichen Aufbau, was natürlich die Orientierung erleichtert: Ein Warm-Up aktiviert das Vorwissen der Leser, daran schließen sich immer Einzel-, Partner- und Gruppenarbeiten sowie Plenumsdiskussionen an. Natürlich erhalten die Leser auch Lösungsvorschläge zu den Übungen. Auf der Verlagsseite stehen viele der Materialien zum Herunterladen bereit.

Hilfreich sind die für jedes Kapitel formulierten Lernziele (S. 9 ff.). So können die Lernenden am Ende reflektieren, was sie verstanden haben. Zudem findet sich im Anhang ein kleiner, 20 Fragen umfassender Multiple-Choice-Test, der ihnen ebenfalls zur Überprüfung des neu erworbenen Wissens dient. Für Lehrende bietet die Liste der Lernziele einen ersten Anhaltspunkt für eine weiter auszudifferenzierende Checkliste.

Ärmel hoch und Wissen erarbeiten!

Inhaltlich setzt der Ratgeber ganz am Anfang an, als Studierender benötigt man keinerlei Vorwissen. Die Leser erhalten solides Basiswissen zu den wissenschaftlichen Standards und Arbeitsschritten, wenn sie sich durch das Buch arbeiten – und auch nur dann. Wer versucht, das Buch wie einen herkömmlichen Ratgeber zum Wissenschaftlichen Arbeiten zu lesen, wird nicht glücklich werden. Selbst aktiv werden ist gefragt.

Positiv fällt am Inhalt auf, dass das Exzerpieren, das in anderen einschlägigen Ratgebern eher vernachlässigt wird, hier seinen Raum bekommt (Kap. 9).

Problematisch erscheinen die Regeln zu den formalen Bestandteilen einer Arbeit und deren Paginierung (S. 30 ff.). Sie werden als allgemeingültig dargestellt, obwohl sie mit Sicherheit nicht an allen Hochschulen in dieser Form gelten oder gern gesehen sind.

An manchen Stellen habe ich mich gefragt, ob die Inhalte wirklich relevant sind, um das Wissenschaftliche Schreiben zu erlernen. In Kapitel 13, „Überarbeitung“, werden etwa ausgewählte Korrekturzeichen nach DIN 16511 präsentiert (S. 142), wo ein Hinweis auf die technischen Möglichkeiten der gemeinsamen Überarbeitung (Korrekturmodus u. ä.) mindestens ebenso angebracht gewesen wären. Oder Kapitel 12 zum Thema „Argumentation“: Es behandelt Mengendarstellungen von Aussagen, Logisches Schließen und Argumentsorten in derart vereinfachender Form, dass der Gewinn fraglich ist. Ich bezweifle, dass die Studierenden daraus einen echten Nutzen ziehen können.

Leider werde ich insgesamt mit dem Buch nicht richtig warm.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Für Studienanfänger oder Schülerinnen und Schüler, die sich schon vor dem eigentlichen Start auf ihr Studium vorbereiten wollen, kann das Praxisbuch einen guten Einstieg bieten. Die Aufmachung erinnert sogar ein wenig an ein Schulbuch.

Das kleinschrittige Vorgehen überfordert sicher die wenigsten Leser. Eher im Gegenteil: Manchmal liegt die Latte ziemlich niedrig, beispielsweise bei der Erläuterung der römischen Zahlen (S. 26).

Die praktischen Übungen sind häufig als Partner- und Gruppenarbeiten oder als Plenumsdiskussionen angedacht. Dies dürfte für die Zielgruppe, die sich im Selbststudium mit den Inhalten befasst, schwierig werden. Viele der Übungen lassen sich zum Glück jedoch in abgespeckter Form auch allein durchführen.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Praktische Übungen und Ideen für die Wissensvermittlung im Fach Wissenschaftliches Arbeiten finden Lehrende hier zuhauf. Jeder darf für sich selbst sehen, welche Ansätze er sowieso schon nutzt und welche sich noch in die eigene Lehre integrieren lassen. Einsteiger in die Lehre des Wissenschaftlichen Arbeitens finden sicher jede Menge Inspiration.

Als gelungen empfinde ich den Einstieg in die Thematik mit der Textsortenanalyse. Ich nutze in meinen Vorlesungen seit langem einen anderen Auftakt. Die Herangehensweise der Autorinnen gefällt mir jedoch gut, so dass ich eine abgewandelte Form davon weiter an den Anfang des Semesters ziehen werde.

Fazit: Nach der Lektüre hänge ich irgendwie in der Luft. Den Studierenden mag ich das Buch nicht bedingungslos empfehlen, und ich selbst als erfahrene Lehrende ziehe vergleichsweise wenig Nutzen daraus. Von einem solchen Buch, das explizit (auch)für Lehrende geschrieben wurde, hätte ich erwartet, dass es die typischen Schwierigkeiten bei der Vermittlung und die typischen Verständnisschwierigkeiten bei den Studierenden anspricht. Darüber ist allerdings nichts zu lesen. Hier sollten zu viele Zielgruppen auf einmal erreicht werden. Deshalb kommen leider alle zu kurz.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Gliederungen: Wie Sie in fünf Schritten das Gliedern lehren

Wetten, dass Sie bereits mehr als einmal den folgenden Fall hatten?

Ein Studierender möchte die Gliederung seiner Arbeit besprechen, und Sie finden vieles derart unlogisch, dass Sie gar nicht genau wissen, wo Sie ansetzen sollen. Sie schauen auf einen Ausdruck der Gliederung und fragen sich insgeheim: Ist die Verwirrung tatsächlich so groß, oder konnte der Studierende die Punkte nur nicht so zu Papier bringen, wie er sie eigentlich meinte? Innerlich schlagen Sie die Hände über dem Kopf zusammen. Äußerlich üben Sie sich in Gelassenheit und sagen aufmunternd: „Dann wollen wir mal!“

Was macht das Gliedern für die Studierenden so schwierig? Sicherlich sind beim Erstellen einer formvollendeten Gliederung viele Details zu beachten. Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen. Es geht um das große Ganze. Die Gliederung ist schließlich das Spiegelbild des Gedankenflusses des Autors, wie Brink es formuliert (Brink, Alfred, 2013, Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, München: Oldenbourg, S. 142).

Knackpunkt Gliederung

Beim Erstellen der Gliederung handelt es sich um einen echten Knackpunkt im wissenschaftlichen Arbeitsprozess. Denn wer eine Gliederung erstellt, befindet sich meist an einem Übergang.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Nachdenken zum Lesen.

Wer mit einem relativ unbekannten Thema konfrontiert ist, macht oft ein erstes Brainstorming und sortiert dann seine Gedanken in einer Grobgliederung, die ihm als Arbeitsauftrag für die Literaturrecherche dient. Jetzt erst weiß derjenige, wonach im nächsten Schritt gesucht werden muss.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Lesen zum Schreiben.

Wer die relevante Literatur bereits kennt oder sie sich gerade erarbeitet hat, braucht für das weitere Vorgehen oft eine Art Grundgerüst. Die Fülle des Stoffes wird sortiert und damit das Schreiben portioniert.

  • Die Gliederung markiert den Übergang vom Schreiben zum Fertigstellen.

Selbstverständlich gibt es auch Studierende, die erst nachträglich gliedern (die so genannten Drauflosschreiber). Auch und gerade sie müssen wissen, wie sie einen geeignete Struktur in ihren Text bringen können.

Kein Wunder also, dass Studierende manchmal (noch) nicht so wohlsortiert sind, wie wir es gern hätten. Sie befinden sich eben an einem Übergang. Da ist das so. Habe ich mal gehört. (Und natürlich selbst erfahren – wie viele vermeintlich gute Gliederungen habe ich ein paar Tage, Wochen, Monate später wieder umgeworfen? Ich will es nicht zählen.)

Der Plan für die Lehre: Gliedern lernen in fünf Schritten

Wie können Sie nun dazu beitragen, dass die Studierenden die Prinzipien des Gliederns verinnerlichen? Das ist nicht nur für die Studierenden wichtig und unabdingbar. Auch Sie selbst haben ja schließlich viel davon, wenn Sie in Ihren Beratungsgesprächen bessere Gliederungsentwürfe vorgelegt bekommen.

Was jetzt kommt, ist viel Arbeit. Sie müssen das entsprechende Übungsmaterial vorbereiten, und Sie benötigen in der Lehrveranstaltung einige Zeit für die Anwendung. Ich setze drei bis vier Unterrichtseinheiten dafür an.

Hier kommt der Plan:

  1. Voraussetzungen schaffen
  2. Sinn und Zweck erläutern
  3. Anforderungen besprechen
  4. Ein fremdes Inhaltsverzeichnis prüfen
  5. Selbst gliedern lassen

Ja, richtig. Nicht weniger als fünf Schritte sind zu beachten und durchzuführen.

 

  1. Voraussetzungen schaffen

Ohne eine Fragestellung wird das alles nichts beim Wissenschaftlichen Arbeiten. Das wissen Sie ja. Machen Sie es an dem Punkt auch Ihren Studierenden noch einmal eindrücklich klar.

Es hat also keinen Sinn, das Thema Gliederung anzusprechen, bevor Sie nicht mit Ihren Studierenden aus einem Thema eine Fragestellung entwickelt haben.

  1. Sinn und Zweck erläutern

Jetzt ist es an der Zeit, über das Wesen von Gliederungen zu sprechen. Welche Funktionen erfüllen sie für den Leser und welche für den Autor? Für viele Studierende ist das ein Aha-Erlebnis, wenn Gliederungen als Arbeitsinstrument für den Autor vorgestellt werden. Sie kennen sie eher in Form von Inhaltsverzeichnissen, die dem Leser die behandelten Themen, deren Gewichtung sowie deren Über-und Unterordnung zeigen. Dass sie auch für den Autor selbst wichtige Orientierungspunkte bieten können, ist ihnen neu.

Eine große Zahl von Studierenden hält Gliederungen übrigens für ein von Beginn an feststehendes, unverrückbares Schema – oder fühlt sich zumindest schlecht, wenn sie im Lauf des Bearbeitungszeitraums umgestellt werden muss. Weisen Sie ruhig mehr als einmal darauf hin, dass eine Gliederung vorläufig ist und im Extremfall auch noch bei der Endredaktion verändert werden kann.

  1. Anforderungen besprechen

An diesem Punkt bespreche ich formale und inhaltliche Anforderungen an eine gelungene Gliederung (wie zum Beispiel verschiedene Gliederungsschemata, das Pyramidenprinzip usw.). Wenn Sie dazu noch einen generellen Überblick benötigen, empfehle ich Ihnen wieder Brink (2013, Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten, München: Oldenbourg, S. 141 ff.). Sollten in Ihrem Fach spezielle Anforderungen hinzukommen, behandeln Sie diese an der Stelle natürlich zusätzlich.

  1. Ein Inhaltsverzeichnis prüfen

Nehmen Sie ein fremdes Inhaltsverzeichnis und lassen Sie es von den Studierenden korrigieren. Diese Korrekturen beziehen sich vor allem auf den formalen Aufbau (deswegen schreibe ich hier auch „Inhaltsverzeichnis“ und nicht „Gliederung“) und nur zu einem geringen Teil auf die Inhalte. Denn diese lassen sich ohne Sachkenntnis schwer beurteilen. Natürlich sieht man aber in etwa, ob die Gewichtung stimmt oder ob die zugrundeliegende Fragestellung zielorientiert bearbeitet würde.

Wenn Sie kein geeignetes (in dem Fall also fehlerhaftes!) Inhaltsverzeichnis haben, suchen Sie eine Vorlage aus einer alten Arbeit oder aus dem Internet und verschlimmbessern sie. In jedem Fall sollten Sie diese „Ideengeber“ so stark verfremden, dass keinerlei Rückschlüsse auf den Urheber des Ausgangswerks mehr möglich sind. Alternativ können Sie sich auch selbst ein komplett neues Inhaltsverzeichnis ausdenken.

Ein Tipp am Rande: Beschriften Sie das Inhaltsverzeichnis dieser Übungsaufgabe unübersehbar als „fehlerhaft“, dass es auf keinen Fall aus Versehen als Muster genutzt wird. Alle, die die Lehrveranstaltung versäumt haben und nur das Blatt in die Hände bekommen, müssen direkt erkennen können, dass ein solches Inhaltsverzeichnis nicht zur Nachahmung empfohlen wird.

Für sich selbst sollten Sie einen übersichtlich aufbereiteten Lösungshorizont parat haben, damit Sie bei der Besprechung der Fehler im Eifer des Gefechts nichts vergessen. Eventuell werden Sie auch nach einer Musterlösung gefragt („Wie geht es denn jetzt richtig?!“) und wollen darauf vorbereitet sein. Ein guter Zeitpunkt, um die Typ 2-Studierenden (mehr zu den Studierendentypen hier und hier) noch einmal darauf hinzuweisen, dass es mehr als eine korrekte Lösung gibt.

  1. Selbst gliedern lassen

Gliedern lernt man nur beim Gliedern. Punkt. Bisher war fast alles nur graue Theorie. Selbst die Übungsaufgabe aus Punkt 4 hat die Studierenden noch nicht dazu gezwungen, ein großes Gebiet eigenhändig in mehrere Teilgebiete zu zerlegen, diese logisch anzuordnen und dafür jeweils treffende Kapitelüberschriften zu formulieren.

Was läge näher, als die Fragestellung aus der Gruppenarbeit zu „Mobiler Kommunikation“ zu verwenden? Hier stelle ich es den Studierenden frei, ob sie allein oder in Gruppen weiterarbeiten. Je nach persönlicher Vorliebe darf jeder das Gliedern entweder für sich oder im Austausch mit Anderen üben. Geben Sie genügend Zeit dafür. Erfahrungsgemäß wird die Lösung mehr als einmal verworfen. Es wird gestrichen, ergänzt, geändert, noch einmal ganz neu begonnen. Nicht selten fliegen zerknüllte Papiere in den Mülleimer. Lassen Sie die Studierenden an den Punkt kommen, an dem sie selbst einigermaßen zufrieden mit ihrem Entwurf sind.

In großen Gruppen bespreche ich die Lösungen, indem ich die Anforderungen an eine gelungene Gliederung (also Punkt 3 unserer Liste von oben) noch einmal durchgehe und die Teammitglieder zu einem Selbst-Check anhalte. Wer danach noch unsicher ist, darf mir den Entwurf mitgeben und bekommt ihn beim nächsten Mal mit meinen Anmerkungen zurück.

Damit sind die fünf Schritte durchlaufen. Jetzt können wir ein zweites Mal wetten. Wetten, dass Sie von Studierenden, die mit diesem Vorgehen gliedern gelernt haben, besser durchdachte Gliederungsentwürfe erhalten?

Wenn Sie in der Lehre mit anderen Methoden gute Ergebnisse erzielen, würde ich mich freuen, in den Kommentaren mehr darüber zu erfahren.

Plagiatprävention: „Die derzeitige Situation zu belassen, wäre fahrlässig“ – Interview mit Dr. Natascha Miljković

Frau Miljković, Sie beschäftigen sich seit einigen Jahren intensiv mit akademischer Redlichkeit und haben im Jahr 2012 in Wien eine Agentur für Plagiatprävention gegründet, „Zitier-Weise“. Was hat Sie dazu bewegt, diesen Weg einzuschlagen?

Als Naturwissenschaftlerin habe ich viele Jahre zahlreiche Projekte an Hochschulen in Österreich und im Ausland geplant und durchgeführt. Aus dieser Zeit stammt viel von meinem praktischen Wissen um Projektmanagement, etliche Weiterbildungen dazu folgten.

Zudem hatten mich Wissenschaftsethik und Wissenschaftstheorie immer schon begeistert, das Dahinterschauen, das finde ich sehr inspirierend. Nachdem ich ab 2010 ein zweijähriges Projekt an einer Hochschule in Wien zur Implementierung einer internen Stelle für Plagiatsprüfung leitete, wollte ich unbedingt in diesem Gebiet bleiben und mein Fachwissen zum Thema auch weiterhin zur Verfügung stellen.

Wie viele Kolleginnen und Kollegen haben Sie eigentlich in Österreich?

Das ist sehr überschaubar! Hauptberuflich arbeitend, wie ich das mache, kenne ich niemanden. Es gibt einzelne Personen, die sich aus unterschiedlichen Fachrichtungen kommend in ihrem Gebiet mit akademischen bzw. wissenschaftlichen Unredlichkeiten auseinandersetzen – Juristen, Didaktiker.

An Hochschulen findet man natürlich die offiziell Zuständigen, meist müssen Institutsvorstände oder die Lehrenden ein Auge auf Abschlussarbeiten und deren Plagiatsprüfungen haben. Diese arbeiten allerdings nur kontrollierend und führen meist keine vollständige Plagiatsprüfung durch. Schließlich kommen vereinzelt noch einige Schreibtrainer vor, die gelegentlich auch eine Plagiatsprüfung durchführen. Ein kleiner, aber feiner Kreis an Expertinnen und Experten also!

Welche Unterschiede sehen Sie zu anderen Ländern? Ist die Situation in Deutschland anders als in Österreich? Was haben unsere andere Länder voraus, vor allem die USA?

In Deutschland ist die Situation, was hauptberuflich Plagiatsprüfende betrifft, ähnlich. Hie und da gibt es Agenturen, die nach dem zu Guttenberg-Skandal entstanden sind. Einen großen Unterschied mache ich bezüglich „Plagiatsjägern“ aus, die diversen Plattformen freuen sich in Deutschland doch einiger Beliebtheit. Dieses aktive Nachjagen ist in Österreich etwas verpönt (was nicht bedeutet, dass nicht auch viele der zumeist anonymen „Plagiatsjäger“ Österreicher sind).

Im anglo-amerikanischen Raum sieht es komplett anders aus, daher auch meine Berufsbezeichnung des Science Counsellor bzw. Academic Integrity Officer, eine deutschsprachige Entsprechung gibt es dafür (noch) nicht. Man setzt sehr auf Prävention anstatt wie bei uns in Europa eher auf Aufdeckung von Zuwiderhandlungen. Daher findet man an vielen Hochschulen in den USA und Großbritannien standardmäßig hauptberuflich tätige Berater für akademische Redlichkeit. Ich sehe den Trend bei uns langfristig auch in diese Richtung gehend, die derzeitige Situation zu belassen, wäre fahrlässig.

Wenn Sie Arbeiten prüfen – finden Sie lieber etwas, oder finden Sie lieber nichts?

Das ist sehr leicht zu beantworten – am liebsten finde ich nichts! Wobei das relativ ist, denn im Grunde liefert jede Plagiatsprüfung Textähnlichkeiten. Das ist ganz normal, vor allem die Literaturangaben in den Texten, Fußnoten und im Verzeichnis liefern natürlich viele „false positives“. Null bis fünf Prozent Ähnlichkeit finde ich sogar etwas verdächtig, da könnte es nämlich sein, dass jemand schon an der Arbeit „herumgedoktert“ hat, und zwar schlecht.

Was geht in Ihnen vor, wenn Sie fündig werden?

Bei den weniger gut erstellten Abschlussarbeiten tut es mir sehr leid für die Studierenden, denn da ist offensichtlich etwas mächtig schief gelaufen. Ohne etwas schön reden zu wollen, aber es gibt für so etwas viele Gründe! Häufig hat es an Zeit gemangelt, gut, daran sind viele selbst Schuld, beginnen zu spät zu schreiben usw. Andererseits weiß ich von Bekannten, Freunden sowie von Interviews mit Kunden, dass es oft auch an professioneller Betreuung gemangelt hat. Die Studierenden tun ihr Bestes, aber so gänzlich ohne Anleitung kann das ungünstig verlaufen.

Weiters können Fehlannahmen zum wissenschaftlichen Erkenntnis- und Schreibprozess dahinter liegen. Schwer zu sagen, was im Einzelfall passiert ist! Ich kann anhand der Plagiatsprüfung unterstützen und aufzeigen, wie die Studierenden eine formell bessere Arbeit machen können, eben indem sie beispielsweise Zitate gründlicher einarbeiten. Wenn sie bei mir ankommen und eine Überprüfung wollen, ist es in jedem Fall schon höchste Eisenbahn, meist ein, zwei Wochen bis einige Tage vor Abgabe, für viele der letzte Ausweg doch noch was Ordentliches abzugeben.

Nur, sehr schlechte Arbeiten ärgern mich wirklich! Da ist fast immer absichtlich geschlampt worden, sorry, das kann man auch mit viel Wille für Verständnis nicht mehr schön reden. Da tun mir die Lehrenden leid, die sich damit herumplagen müssen. Schade, um die vergeudete Zeit und den ganzen Aufwand.

Beeinflussen Plagiatsskandale Ihre Arbeit? Wie sehr greift deswegen eine gewisse Paranoia bei Studierenden und Wissenschaftlern um sich?

Leider ja! Aus den Kundengesprächen weiß ich, dass viele Studierende Angst haben, das war bis vor diesen Skandalen nicht so. Sehr viele wissen gar nicht, ob und wie an ihrer Hochschule plagiatsgeprüft wird. Eigentlich unvorstellbar im Informationszeitalter! Die meisten sind sehr verunsichert, besonders was unabsichtliche Fehler betrifft.

Für mich sind diese Skandale sehr zweischneidig, zum Einen bekommt die Wissenschaftsethik dadurch deutlich mehr Aufwind, es wird mehr diskutiert, was ich sehr positiv finde. Das Thema ist wirklich lohnenswert, alle Wissenschaftler sollten sich über das wissenschaftliche Arbeiten an sich mehr Gedanken machen dürfen. Andererseits entstehen bei mangelnder Aufarbeitung und geringer Informationsweitergabe an die Studierenden eben diese Ängste. Das wäre leicht vermeidbar! Zudem kommt dem Aufdecken dadurch viel mehr Aufmerksamkeit als der Prävention zu.

Wissenschaftler sind ebenfalls verunsichert, in meinen Workshops mit Lehrenden wird mir regelmäßig berichtet, wie sehr sie selbst sich auch mit der mangelnden Information und oftmals fehlenden Strategie ihrer Hochschulen herumschlagen. Vieles wird von Fall zu Fall im stillen Kämmerlein abgearbeitet. Ich erlebe Frust an allen Ecken und Enden, aber auch sehr viel Wille etwas zu verbessern, das motiviert mich sehr!

Sowohl in Österreich als auch in Deutschland müssen vielerorts bereits in der weiterführenden Schule größere schriftliche Arbeiten mit Quellennachweisen angefertigt werden. Inwiefern prägt das bei den Schülern das Vorverständnis von Wissenschaft und Wissenschaftlichem Arbeiten?

Richtig! In Österreich ist dies die Vorwissenschaftliche Arbeit, eine neue schriftliche Abschlussarbeit für das Abitur, die nach den Grundsätzen des wissenschaftlichen Arbeitens erstellt werden soll. Auch sogenannte „Diplomarbeiten“ an höheren berufsbildenden Schulen gehen in diese Richtung. Grundsätzlich ist diese Form der Prüfung sehr lehrreich, da die Jugendlichen länger an einem Projekt arbeiten und sich unter Anleitung der Lehrenden intensiver mit dem Wissenserwerb auseinandersetzen.

Aus meiner Arbeit mit Schülern und Mittelschul-Lehrenden weiß ich, dass jedoch auf beiden Seiten große Überforderung herrscht. Theoretisch ist alles klar, doch die Ausführung ist doch etwas komplett Neues. Was heißt überhaupt „vorwissenschaftlich“? Welche wissenschaftlichen Prinzipien sind eigentlich genau gemeint? Eine Lehrerin fragte mich vor kurzem in einem Workshop aufgebracht „Was muss ich denn noch alles vermitteln?!“ In Wirklichkeit ist nichts davon neu, nur kondensierter. Man muss den Schülern nun die Recherche nach Informationen und die Bewertung von gefundenen Inhalten etwas genauer erläutern, nicht alles glauben was man findet, hinterfragen lernen, Abläufe für Interviews und Experimente planen und dokumentieren lehren usw. Durchaus herausfordernd also, aber auch sehr spannend! Ob es die Sicht auf Wissenschaft ändern wird, wird erst die Zukunft zeigen.

Wie hat Ihre Tätigkeit als Plagiatprüferin Ihre Lehre verändert?

Nur durch meine mehrschichtige Tätigkeit bestehend aus analysieren, plagiatsprüfen und lehren, kann ich die aktuellsten und wichtigsten Themen mit den Teilnehmern besprechen. Oft ist auch das Sichtbarmachen von Hintergründen der jeweils anderen Seite nötig.

Lehrenden ist zum Beispiel oft nicht bewusst, dass das, was sie zum wissenschaftlich Schreiben lehren, von den Studierenden nicht so ohne weiteres direkt in die Praxis übersetzt werden kann. Viele würden ein kurzes Feedback benötigen, was in vielen Fächern großem Zeitmangel zum Opfer fällt. Studierende fragen mich sehr häufig, was mit Paraphrasieren nun wirklich genau gemeint ist. Gehört haben sie es, sie machen es auch, aber es sagt ihnen ja niemand, ob sie es auch richtig machen. Besonders mangelhaftes Paraphrasieren, also zu nahe am Original zu bleiben, ist definitiv eine große Fehlerquelle bei der Entstehung von Plagiaten!

Meine Vorgehensweise praxisnahe vorzutragen, löst viele Aha-Momente bei meinen Teilnehmern aus. Die Rückmeldungen, die ich zu meinen Lehraufträgen bekomme, sind dementsprechend toll, was mich wirklich sehr ehrt! Ich liebe es zu unterrichten!

Zum Abschluss: Ihr größter Wunsch an die Dozierenden an den Hochschulen?

Bleiben Sie dran und reden Sie mit! Nur durch Infragestellen und regelmäßiges Diskutieren kann man Probleme mit akademischer Integrität bearbeiten. Haben Sie außerdem Mut auch Fehler zu besprechen, wenn geht auch zu publizieren. Das alles stellt für mich die Quintessenz von Wissenschaft und wissenschaftlicher Integrität dar!

Frau Miljković, herzlichen Dank für dieses aufschlussreiche Interview!

 

(c) Thomas Steibl
(c) Thomas Steibl

Natascha Miljković ist Inhaberin der Firma „Zitier-Weise“, Agentur für Plagiatprävention (www.plagiatpruefung.at), Naturwissenschaftlerin, Wissenschaftsberaterin, Educational Counsellor, Lektorin an österreichischen und internationalen Bildungseinrichtungen, Autorin, Editorin und präventive Plagiatprüferin.

Sie analysiert und berät Bildungseinrichtungen zu akademischen Unredlichkeiten, führt Hochschul-Strategieentwicklungsprozesse durch und unterrichtet, wie man wissenschaftliche Integrität fördern kann. Weiters beschäftigt sie sich mit wissenschaftlich Arbeiten, writing scientific English, Karriereentwicklung für Akademiker, Self Branding in den Wissenschaften u. v. m. Ihren Blog finden Sie hier.

Tuhls: Wenn Word-Nutzer die Axt schleifen

Tuhls, G.O. (2016): Wissenschaftliche Arbeiten schreiben mit Microsoft Office Word 2016, 2013, 2010, 2007. Frechen: mitp.

Preis: 19,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

Teil I: Gute Vorbereitung ist alles!

  • 1 Dokument vorbereiten und einrichten
  • 2 Dokument in Fließtext und Überschriften gliedern
  • 3 Kopf- und Fußzeilen
  • 4 Seiten nummerieren
  • 5 Verweise und Verzeichnisse
  • 6 Formatvorlagen professionell

Teil II Word ist keine Schreibmaschine

  • 7 Text eingeben und bearbeiten
  • 8 Navigieren und markieren
  • 9 Zeilen und Absätze
  • 10 Text importieren und anpassen
  • 11 Korrektur- und Eingabehilfen
  • 12 Text formatieren und hervorheben
  • 13 Text suchen, ersetzen und sortieren

Teil III Ergänzend zum Fließtext

  • 14 Aufzählungen und nummerierte Listen
  • 15 Tabellen
  • 16 Bilder, Grafik und andere Illustrationen
  • 17 Formeln
  • 18 Abbildungen, Tabellen und andere Objekte beschriften
  • 19 Fragebogen und Formulare
  • 20 Felder und Funktionen
  • 21 Zählen und rechnen

Teil IV Arbeit abschließen und publizieren

  • 22 Dokumente verwalten
  • 23 Überarbeiten und Workflow
  • 24 Exportieren und drucken
  • 25 Viel Erfolg!
  • A Word & Windows
  • B Die eigene Word-Oberfläche
  • C Don’t panic
  • D Grundlagen und Glossar
  • Stichwortverzeichnis

Auf der Verlagsseite finden Interessierte eine ausführliche Leseprobe inklusive Inhaltsverzeichnis. Da das Inhaltsverzeichnis eines fast 500 Seiten umfassenden Buches sehr umfangreich ist, musste für die obige Darstellung eine Ebene entfernt werden. Einen besseren Einblick erhalten Sie also auf jeden Fall, wenn Sie das komplette Inhaltsverzeichnis ansehen.

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Tuhls: Wenn Word-Nutzer die Axt schleifen

 

„Wenn ich acht Stunden Zeit hätte, um einen Baum zu fällen, würde ich sechs Stunden die Axt schleifen.”

Getreu dem bekannten Zitat Abraham Lincolns sollten sich eigentlich alle, die mit Word arbeiten, viel intensiver mit dem Programm auseinandersetzen, als sie es bisher vermutlich getan haben.

Pareto, wieder einmal

80 Prozent der Word-Anwender nutzen nur 20 Prozent der Funktionen, wird gemeinhin vermutet (S. 19). Um sich selbst – und in der Folge Ihren Studierenden – ein paar Prozentpunkte mehr zu erschließen, sollten Sie dieses Buch von Tuhls verwenden. Es ist als Arbeitshilfe gedacht und daher wie Nachschlagewerk zu lesen. Redundanzen gehen somit in Ordnung, und auch das Behandeln von Basiswissen hat seinen Platz. Der Autor kann schließlich nicht ahnen, welche 20 Prozent ein Leser beherrscht.

Mit einem Sanduhrsymbol sind die „Quick and dirty“-Lösungen für Studierende kurz vor Abgabeschluss hervorgehoben. Auch Notfallhilfe wird hier also geboten. Wer es genauer wissen will, kann in die so genannte „Trickkiste“ greifen, die mehr als Standardlösungen anbietet.

Der Autor beschreibt die Materie mit der nötigen Distanz und verwendet ab und an gern auch humorvolle Formulierungen, wie etwa das Wort „Hoppelformatierung“ für – na ja, Sie wissen schon (Leerzeichen und Tab-Sprünge, wohin man blickt). Hier schreibt kein softwareverliebter Nerd, sondern einer, der weiß, welche Probleme den Nutzern das Leben schwer machen. Das macht die Lektüre angenehm, ebenso wie die Seitenhiebe auf die Word-Entwickler und -Übersetzer.

Bei mir hat sich nach der Lektüre das beruhigende Gefühl eingestellt, dass ich zwar schon viel wusste und viele Funktionen des Programms nutze. Aber angesichts der Möglichkeiten lohnt es sich auf jeden Fall, dranzubleiben und kontinuierlich das eigene Wissen auszubauen. Theoretisch könnte man sich das alles selbst im Internet zusammensuchen, aber dann wüsste man gar nicht, was einem entgeht (weil man gar nicht wüsste, wonach man suchen könnte).

Als kleine Schwachstelle empfinde ich das Kapitel über die Literaturverwaltung, das mit zehn Seiten eher kurz ausfällt, obwohl es ein zentrales Thema des wissenschaftlichen Arbeitens ist. Im Stichwortverzeichnis ist dieses Kapitel außerdem unter „Quellenverwaltung“ (bzw. behelfsmäßig unter „Literaturverzeichnis“ oder „Zitat“) und nicht unter „Literaturverwaltung“ zu finden – das stellt natürlich kein unüberwindbares Hindernis dar, ist aber unglücklich für den vermutlich noch unbedarften Nutzer, der von der Terminologie des Wissenschaftlichen Arbeitens her kommt und nicht von der Terminologie Words.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Uneingeschränkt allen Word-Nutzern. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um Studienanfänger oder Studierende kurz vor der Abschlussarbeit handelt. Auch das Studienfach spielt keine Rolle, wenngleich Studierende mancher Fächer andere Programme wie LaTex bevorzugen.

Word ist jedoch und bleibt vermutlich das beliebteste Textverarbeitungsprogramm. Da sich fundierte Word-Kenntnisse für die meisten Absolventen auch im Berufsleben als nützlich erweisen werden, lohnt sich die Zeit für die gründliche Einarbeitung doppelt.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Sie werden als Lehrende im Wissenschaftlichen Arbeiten zwar keine Word-Schulungen abhalten wollen. Aber wenn Fragen verzweifelter Studierender auftauchen, helfen doch die Meisten gern mit einem kleinen Hinweis. Mich zumindest freut es, wenn die Betreffenden nach der Lösung des Problems weiterarbeiten können und vielleicht in Zukunft sogar noch etwas effizienter werden.

Für eine solche Hilfestellung erweist es sich als sehr vorteilhaft, dass in dem Buch die neuesten vier Word-Versionen berücksichtigt sind. Tuhls schreibt: „Die Entwickler und Übersetzer von Microsoft machen sich offenbar eine Jux daraus, die Anwender bei jedem Versionswechsel durch neu platzierte und umbenannte Befehle zu verwirren.“ (S. 20). Bei jedem Thema sieht der Leser direkt, was in der jeweiligen Word-Version zu tun ist.

Darüber hinaus ziehen Sie aus dem Buch auch noch selbst einen Nutzen. Bei Ihren eigenen Dokumenten profitieren Sie von jedem weiteren Prozentpunkt, den Sie im Sinne der eingangs zitieren Pareto-Aussage zulegen.


Von dem gleichen Verlag stammt übrigens dieses lesenswerte Buch, in dem 23 Interviews mit Experten aus neuartigen Schreibberufen versammelt sind:

Diehm, Susanne/Firnkes, Michael (2015): Die Macht der Worte. Schreiben als Beruf, 2. Aufl. Frechen: mitp.

Inhaltsverzeichnis

  • Texten für Onlineshops (Sabrina Kirnapci)
  • Social-Media-Management (Annette Kaiser)
  • Suchmaschinenoptimiertes (Björn Tantau)
  • Unternehmenskommunikation (Su Franke)
  • Storytelling & Content-Marketing (Silvia Göttel)
  • Fundraising (Silvia Starz)
  • Buch-PR (Ulrike Plessow)
  • Blogging (Christina Fuchs)
  • Corporate Blogging (Tanja Wolf)
  • Online-Ratgeber (Heike Thormann)
  • (Online-)Texten im Kundenauftrag (Jutta Reinert)
  • Drehbücher (Andreas Hug)
  • Audioguides & Audiowalks (Dr. Matthias Morgenroth)
  • E-Books für Kindle & Co. (Marcella Montreux)
  • Ghostwriting (Nico Gourgé)
  • Kreative Leitung & Dozent (Claus Mischon)
  • Schreibpädagogik (Gitta Schierenbeck)
  • Schreibcoaching (Ulrike Scheuermann)
  • Schreibtherapie (Alexander Graeff)
  • Gesundheitsförderndes Kreatives Schreiben (GKS) (Jutta Michaud und Susanne Diehm)
  • Netzwerken & Projektmanagement (Karola Braun-Wanke)
  • Schreibzentrum (Universität) (Dr. Katrin Girgensohn)
  • Wissenschaftliche Schreibberatung und -training (Judith Theuerkauf)

 Cover_DiehmFirnkes

Auch für dieses Buch gibt es eine Leseprobe und Inhaltsverzeichnis zum Herunterladen. Bereits im Dezember habe ich es bei Amazon rezensiert. Hier ein Auszug daraus:

Auf dieses anregende Buch bin ich aufmerksam geworden, da ich mich beruflich damit beschäftige, wie man Studierenden das wissenschaftliche Schreiben näherbringen kann. […] Vor diesem Hintergrund waren vor allem drei Kapitel interessant, die drei unterschiedliche Aspekte betrachten:

1) Schreibcoaching (Ulrike Scheuermann, Kap. 18)

Hier geht es um den Schreibenden selbst: Wie läuft Schreiben individuell ab, und wie kann ein Schreibcoach diesen Prozess psychologisch unterstützen? In welchen Situationen hilft das so genannte Schreibdenken?

2) Schreibzentren an Universitäten (Katrin Girgensohn, Kap. 22)

In diesem Kapitel steht die institutionelle Verankerung des Schreibens im Fokus: Unter welchen Rahmenbedingungen arbeiten Schreibzentren an deutschen Universitäten bzw. was braucht es, um eines neu zu gründen? Was können wir von den angelsächsischen Ländern lernen?

3) Wissenschaftliche Schreibberatung und -training (Judith Theuerkauf, Kap. 23).

Eine Schreibberaterin und -trainerin berichtet über ihren Arbeitsalltag und die Inhalte ihrer Workshops, Kurse und Beratungen, darunter auch die „Zehn goldenen Regeln für einen besseren Schreibstil“.

Wer beruflich „etwas mit Schreiben machen möchte“, kann sich mithilfe dieses Buches sehr gut orientieren. Es ist so gut durchdacht und ansprechend gestaltet, dass ich auch die für mich nicht unmittelbar relevanten Kapitel mit Genuss gelesen habe!


Herzlichen Dank an den Verlag für die Rezensionsexemplare!