Arn: Bewegung tut not!

Arn, Christof (2016): Agile Hochschuldidaktik. Weinheim: Beltz Juventa.

Preis: 29,95 Euro

 

Überblick über den Inhalt:

1 Das Ungeplante zum Programm machen!

2 Didaktik, die aus Kommunikation entsteht: öfter als man denkt

3 Dieses Buch besteht aus …

I Grundlagen

1 Namen, Eigenschaften, Definitionen, Verhältnisse

2 Wie neu ist eine solche Didaktik?

3 Was meint die Lehr- und Lernforschung dazu?

4 Zur Haltung in der Kunst der Co-Didaktik

II Agile Didaktik lernen

1 Das Normalste der Welt neu lernen!

2 Sie können Agilität schon längst – Analogien geben Hinweise

3 Chancen wagen

4 Mit den Lernenden zusammen agile Didaktik lernen

5 Weiterlernen

III Bausteine

1 Vorbereitung ist mehr und anderes als Planung

2 Risiko und Chance – Angst und Energie

3 Ein Ziel, das zieht

4 Ein agiles Verhältnis von Theorie und Praxis

5 Zuverlässiger Wissensspeicher

6 Kann jemand dazu eine Frage stellen?

7 Methodenwahl

8 Lernwiderstand und Motivation, Disziplin und Strafe

9 Große Gruppen

10 Agile Prüfungen

11 Gute Lehre: kontinuierliches Feedback – Evaluation und Qualitätsmanagement gemeinsam

12 Wo zu viel erklärt wird, da staunt niemand mehr (Eugène Ionesco)

IV Stufen […]

Arn: Bewegung tut Not!

Mit seinem Buch „Agile Hochschuldidaktik“ setzt Prof. Dr. Christof Arn, Leiter des Zentrums Lernen und Lehren an der Hochschule Luzern, im Kopf einiges in Bewegung. Er stellt in Frage, was für uns in der Lehre selbstverständlich geworden ist.

Eine Annäherung über viele Bezeichnungen

„Agile Hochschuldidaktik“ – was soll das überhaupt sein? Zunächst einmal ist es nur ein Vorschlag für eine alternative Herangehensweise an die Lehre, die ein besseres Lernen ermöglichen soll. Weitere mögliche Begriffe, die diskutiert werden: Co-Didaktik, Mit-Didaktik, Kontaktdidaktik, Begegnungsdidaktik, Performance-Didaktik, Präsenzdidaktik, Jetzt-Didaktik, Situationsdidaktik, Systemische Didaktik. Sie haben alle gemeinsam, dass es um Interaktion und echte Begegnung mit den Studierenden geht.

Das Gegenteil der Agilen Didaktik ist die Plan-Didaktik. Eben jene Herangehensweise, die den gründlich vorbereiteten Plan über alles stellt. Sollte sich die Lehrveranstaltung dann anders entwickeln, stört das den Plan und stellt den Lernfortschritt in Frage, so die Annahme. Das ist die Art von Didaktik, die bisher wohl den meisten Lehrenden sehr stark nahegelegt bzw. „eingetrichtert“ wurde. Die agile Didaktik hingegen ist zugleich Tradition und Trend („vom Dozierenden zum Lern-Coach“). Sie setzt die passende Haltung voraus: Die Lehrenden dürfen nicht besserwissen wollen, sondern stellen sich mit ihrem Wissensvorsprung in den Dienst der Sache und sind gemeinsam unterwegs mit den Lernenden.

Agiles Lesen

Das Buch muss nicht von vorne nach hinten durchgearbeitet werden, man kann überall beginnen und findet dann entsprechende Querverweise. Dadurch ergeben sich natürlich Redundanzen, die aber nicht weiter stören.

Arn versteht es, dem Leser das zu geben, was er braucht, und ihm Stück für Stück seine Unsicherheit zu nehmen. Dabei ist zu bedenken, dass durch das Medium Buch wohl einiges verlorengeht, was in einem (agilen) Workshop transportiert werden könnte. Und trotzdem ist es ein so zugkräftiges Buch!

Kein erprobtes Konzept

Bei den vorgestellten Inhalten handelt es sich (zum Glück!) nicht um ein fertiges, erprobtes Konzept, sondern vielmehr um einen individuell auszugestaltenden Ansatz. Reflektiert und bisweilen auch selbstkritisch gibt er viele Beispiele aus seiner Praxis als Lehrender, die den Ansatz anschaulich machen. Mit seinen Ausführungen hilft er dabei, motivierende Ziele für die eigene Veranstaltung zu finden und die passende Methoden auszuwählen bzw. zu entwickeln. Arn schreibt herrlich undogmatisch und lässt viel Raum für die eigene Gestaltung.

Für mich persönlich war das Kapitel über große Gruppen hochinteressant. Auch dort kann agile Didaktik funktionieren, wenn es richtig angepackt wird.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Vielleicht empfehle ich das Buch irgendwann einmal einem Studierenden, der mit großen Erwartungen sein Studium aufgenommen hat und im Lauf der Zeit frustriert und demotiviert wurde. Die Lektüre würde ihm zeigen, dass nicht alle Lehrenden gleich sein müssen und es durchaus noch andere gibt als, die er tagtäglich erlebt. Dass keinesfalls seit Bologna alles verloren sein muss.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Sollten Sie von der Plan-Didaktik überzeugt sein, machen Sie sich besser darauf gefasst, dass das Buch die Basis Ihrer Lehre in Frage stellen wird und Sie sich eventuell komplett neu orientieren müssen (bzw. dann wohl eher „wollen“).

Vielleicht erkennen Sie aber auch Ihren Lehrstil in Ansätzen wieder und fühlen sich bestätigt. Das Buch ermutigt Sie in diesem Fall, aus bisher eher zaghaften Schritten forschere Schritte werden zu lassen.

 

Weitere Rezensionen, in denen Sie noch mehr über den Inhalt erfahren:

https://schulesocialmedia.com/2016/08/09/rezension-christof-arn-agile-hochschuldidaktik/ von Philipp Wampfler

https://www.linkedin.com/pulse/rezension-zu-christof-arn-agile-hochschuldidaktik-verlag-blum?trk=mp-reader-card von Dr. Andreas-Michael Blum

Link zur Verlagswebsite mit dem kompletten Inhaltsverzeichnis und einer Leseprobe:

https://www.beltz.de/fachmedien/paedagogik/buecher/produkt_produktdetails/31601-agile_hochschuldidaktik.html


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Mein Blog langweilt Sie? Hier sind die Alternativen!

In diesem Artikel zeige ich Ihnen einschlägige Blogs, die Sie kennen sollten. Seien Sie nur bitte so gut und kommen wieder zu mir zurück, wenn Sie mit dem Lesen fertig sind.

In alphabetischer Reihenfolge:

Natascha Miljkovics Zitier-Weise-Blog: http://www.plagiatpruefung.at/zitier-weise-blog/

Der Zitierweise-Blog von Natascha Miljkovic richtet sich nicht nur an Lehrende, sondern auch an Studierende und eigentlich an alle, die im Wissenschaftssystem tätig sind. Natürlich dreht es sich darin überwiegend um Plagiatprävention, aber auch verwandte Themen werden angesprochen. Ab und an gibt es auch besondere Aktionen, wie etwa eine Buchverlosung oder eine Blogparade. Seit Herbst 2016 erscheint wieder regelmäßig jeden Mittwoch ein neuer Artikel.

Mit Natascha Miljkovic arbeite ich übrigens schon seit einiger Zeit zusammen, was sich bisher in folgenden Beiträgen niedergeschlagen hat:

Gastbeitrag „Unredlichkeiten und Plagiate aktiv angehen“

Interview „Plagiatprävention“

Mein Beitrag zur Blogparade 2016: Manifest für Lehrende

Nils Müller: http://nilsmueller.info/blog/

Auf seinem Blog veröffentlicht Nils Müller, Schreibberater an der FH Bielefeld, sporadisch Artikel zu seinen Erfahrungen in der Beratung der Studierenden und zu allgemeineren Aspekten des wissenschaftlichen Arbeitens, wie etwa zum Einsatz des Literaturverwaltungsprogramms Citavi. Die Inhalte der Tagung „Wissenschaftliche Textkompetenz fördern“ im Dezember 2016 in Bochum, an der ich ebenfalls teilgenommen habe, hat Nils Müller hier zusammengefasst und mir damit viele interessante Aspekte noch einmal vor Augen geführt.

Nils Müller hat übrigens auch an der oben erwähnten Blogparade 2016 teilgenommen: Wissenschaftliches Schreiben als Handwerk.

Schreibaschram: http://schreibaschram.de/de/category/allgemein/

Dieser Blog liefert kleine Einblicke in den Ablauf des Schreibaschrams, eines besonderen Trainings für konzentriertes Schreiben. Das Angebot richtet sich an fortgeschrittene Schreibende in der Wissenschaft. Nach welchen didaktischen Prinzipien Ingrid Scherübl und Katja Günther in ihrem Schreibaschram arbeiten, lesen Sie im Gastbeitrag „Writing by doing“. Zu meiner Rezension des sehr hilfreichen Schreibimpulsfächers der beiden Autorinnen geht es hier.

Natalie Struve: http://www.nataliestruve.de/blog/

Der Blog von Text-Coach Natalie Struve ist teilweise auf Deutsch, teilweise auf Englisch verfasst und richtet sich primär an potentielle Kunden. Dennoch sind einige Beiträge auch für Lehrende anregend, wie beispielweise dieser über Hindernisse im Schreibprozess. Im Herbst 2016 wurden mehrere Beiträge in Folge veröffentlicht. Derzeit ist es wieder etwas ruhiger.

Natalie Struve ist die Begründerin der Xing-Gruppe „Leichter, schneller, besser! Wissenschaft(lich) schreiben“  – sehr empfehlenswert für den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.

Johanna Vedral: https://schreibstudioblog.wordpress.com/beitrage/

Johanna Vedral, Psychologin sowie Trainerin für wissenschaftliches und kreatives Schreiben, veröffentlicht auf ihrem Blog nicht nur Artikel zu ihren Erfahrungen als Lehrende, sondern auch zu Schreibthemen der kreativeren Art, wie beispielsweise zu Collage Dream Writing. Sie gibt offene Einblicke in ihr eigenes Schreiben. Das Blogarchiv ist prall gefüllt, in loser Folge erscheinen neue Beiträge.

Ein Interview mit mir aus dem Sommer 2016 ist in verschiedene Beiträge eingeflossen:

Einstieg in die Hochschuldidaktik

Studierende zum kritschen Denken anleiten

Wie wird man Lektorin für wissenschaftliches Schreiben

Christian Wymanns „Mind your writing“-Blog: http://www.myw.schreibcoach.ch/

Der Untertitel dieses Blog lautet treffenderweise „Exploring (academic) writing“. Auf Englisch veröffentlicht Christian Wymann Beiträge zu seinen Erfahrungen in Lehre und Beratung und betrachtet die unterschiedlichsten Aspekte des wissenschaftlichen Schreibens. In seinem jüngsten Artikel befasst er sich zum Beispiel mit dem Feedback-Geben.

Gerade kürzlich habe ich Christian Wymanns aktuelles Buch, „Schreibmythen“, rezensiert.

 

Diese Liste darf gern wachsen! Ich freue mich über Kommentare mit Ihren Empfehlungen.

 

Wymann: Got 99 problems, writing ain’t one

Wymann, Christian (2016): Schreibmythen entzaubern. Ungehindert schreiben in der Wissenschaft. Opladen und Toronto: Verlag Barbara Budrich (UTB).

Preis: 12,99 Euro

 

Überblick über den Inhalt:

Wenn Mythen uns im Weg stehen

I Mythen zu den Schreibenden

1 Ich kann einfach nicht schreiben

2 Ich muss inspiriert sein

3 Übers Schreiben spricht man nicht

II Mythen zum Schreibprozess

1 Ich muss zuerst alles lesen und wissen

2 Ich sollte wie die anderen arbeiten

3 Ich brauche viel Zeit am Stück

III Mythen zum Text

1 Mein Erstentwurf muss perfekt sein

2 Ich darf niemals das Wort „Ich“ verwenden

3 Ich muss kompliziert und umständlich schreiben

Schluss: Mythen durchschauen

Dr. Christian Wymann arbeitet als Schreibberater an der Universitätsbibliothek Bern und außerdem als Schreibcoach für Studierende und Forschende (http://www.myw.schreibcoach.ch/ueber-mich/).

 

Wymann: Got 99 problems, writing ain‘t one

Der Buchtitel klingt verheißungsvoll: „Schreibmythen entzaubern“. Und als ob das nicht genug wäre, wird im Untertitel zusätzlich noch eine sehr, sehr verlockende Vorstellung beschrieben: „Ungehindert schreiben“. Wer wünscht sich das nicht?

Eine große Versprechung wird hier also gemacht: Wenn Du das hier liest, lieber Leser, hast Du vielleicht immer noch 99 Probleme in Deinem Leben, aber das Schreiben wird keins davon sein. (Um es einmal mit Jay-Z zu sagen.)

Ein anderer Zugang

Kann das gelingen? Kann ein einzelnes Buch diesen Anspruch erfüllen? Wer als Problemlösung einen klassischen Ratgeber mit allerlei Tipps erwartet, liegt falsch. Wymann geht anders vor. Er beschreibt insgesamt neun so genannte „Schreibmythen“. Darunter ist eine falsche Vorstellung zu verstehen, die man sich vom Schreiben macht. Diese Mythen ergänzt der Verfasser durch Schilderungen prominenter Autoren und Autorinnen und schließt daran Hilfestellungen für Schreibende an („Was Sie tun können“). Wymann stellt in dem Buch Bekanntes zusammen und erhebt auch gar nicht den Anspruch, etwas komplett Neues zu bieten, wie er selbst auf S. 10 f. schreibt. Dennoch ist das Buch sehr hilfreich, eben weil es einen anderen Zugang als herkömmliche Ratgeber bietet.

Durch die Gliederung in 3×3 Mythen erschließt sich die Struktur des Inhalts schnell: Im ersten Teil geht es um den Schreiber selbst, im zweiten Teil um den Prozess des Schreibens und im dritten um das Produkt, den Text. Mit einem Umfang von 118 Seiten lädt das Buch auch diejenigen zum Lesen ein, die vielleicht eher schnelle Hilfe suchen. Zudem ist es durch die verständliche Sprache und die klaren Formulierungen gut lesbar. An den passenden Stellen veranschaulichen Beispiele aus Wymanns Coaching-Praxis und seine eigene Erfahrungen mit dem Schreiben das Gesagte.

Durch die Schreibhölle gehen?

Im Schlusskapitel schreibt Wymann “Schreibbeschwerden empfand ich nur unbewusst als Problem, aber nicht als etwas, was ich gezielt und mit externer Hilfe hätte angehen können. Das war einfach so; da musste ich durch, meinte ich. Womöglich dachte ich insgeheim, dass es eine Art Prüfung sei, wenn man durch die Schreibhölle geht und sie durchsteht. Dass Schreiben keineswegs gleich einer Hölle sein muss, sondern ein anstrengender, herausfordernder, aber auch befriedigender Hindernisparkour sein kann, kam mir nicht in den Sinn.“ (S. 111 f.)

So geht es wahrscheinlich vielen, und damit komme ich zur Ausgangsfrage zurück. Kann ein einzelnes Buch dazu führen, dass man fortan ungehindert schreiben wird? Ja, denn um am eigenen Schreiben zu arbeiten, braucht es genau diese Erkenntnis aus dem Zitat. Durch die Lektüre des Buches reift sie früher heran. Das ist der erste und wahrscheinlich wichtigste Schritt zur Entzauberung der Mythen und damit zum ungehinderten Schreiben.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Das Buch kann allen Studierenden dabei helfen herauszufinden, ob sie falschen Vorstellungen über das Schreiben erlegen sind. Wer bereits weiß, dass er eines der neun Probleme hat, findet sich in den Beschreibungen der Schreibenden wieder und profitiert von den Denkanstößen.

Den größten Nutzen entfaltet das Buch vermutlich bei Anfängern oder, besser gesagt, bei Schreibenden, die sich noch nicht intensiv mit dem Schreiben auseinandergesetzt haben. Manche Mythen halten sich ja durchaus hartnäckig ein halbes Schreiberleben lang.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Schreibberater finden vor allem in den Beispielen gute Ansatzpunkte, um ihre eigene Beratungspraxis bei Bedarf etwas anzureichern. Fachlehrende, die sich bisher nicht in der Literatur zur Schreibforschung und -didaktik informiert haben, erhalten eine gute Vorstellung davon, was in den Köpfe ihrer Studierenden beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten passieren mag. Auch ein eigener Nutzen durch die Lektüre ist nicht auszuschließen. Vielleicht sind Sie ja auch einem Schreibmythos erlegen?


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Studierende, verzettelt Euch!

Wie viele Ihrer Studierenden lesen eigentlich so viel wissenschaftliche Literatur, dass sie Gefahr laufen, dabei den Überblick zu verlieren?

Sollten Sie angesichts dieser Frage gerade vor lauter Lachen vom Stuhl gefallen sein, tut es mir leid. Das wollte ich nicht!

Oder kennen Sie vielleicht doch eher Studierende, die gern etwas mehr Quellen verarbeiten dürften?

Ich schätze, dass die Antwort recht eindeutig ausfällt.

Einer (!) der Gründe für die „Leseunlust“ mag darin liegen, dass die Studierenden gar nicht wissen, wie sie ihr neu angelesenes Wissen organisieren sollten. Ein Gefühl der Überforderung macht sich breit, allein schon bei der Vorstellung von Bücherstapeln und riesigen Dateiordnern mit ungezählten PDFs. Exzerpieren ist ja schön und gut, aber wohin dann mit all den Exzerpten? Eine „Lösung“ sehen viele Studierende in der Reduktion der Quellenarbeit auf das Nötigste. Damit sind sie, was die Belastung und Arbeitstechniken angeht, auf der sicheren Seite, denn einige wenige Quellen lassen sich auch ohne besondere Hilfsmittel überschauen. Ein einfaches Durcharbeiten der Texte mit Markierungen und Randnotizen funktioniert noch gut, und das Problem der Exzerpte und deren Verwaltung taucht erst gar nicht auf.

Schade!

Mit einer solchen Vermeidungshaltung nehmen sich diese Studierenden viel. Zum Beispiel die Chance, neues Wissen aufzunehmen und sich fachlich weiterzuentwickeln. Was war noch gleich der Sinn eines Studiums?

Als Lehrende sollten wir aufzeigen, wie der Umgang mit Wissen gelingen kann, so dass es eben nicht so schnell zu überfordernden und abschreckenden Situationen kommen kann. Dazu bedarf es der richtigen Methoden und Techniken, und ja, auch der richtigen Tools. Diese müssen wir den Studierenden zugänglich machen.

Selbstverständlich lassen sich Exzerpte auch handschriftlich anfertigen und anschließend in Ordnern oder Karteikästen ablegen. Wer auf diese Weise gut zurecht kommt, muss sich nicht unbedingt umstellen. Ungezählte wissenschaftliche Publikationen sind auf der Basis solcher Vorarbeiten entstanden. Luhmanns Zettelkasten ist wohl das prominenteste Beispiel für einen nicht-digitalen Wissensspeicher.

Problematisch wird es bei der Arbeit ohne Software meist nicht beim Erstellen der Exzerpte, sondern beim Wiederfinden der Inhalte („Wo stand das noch mal? Ich habe das kürzlich doch irgendwo gelesen.“). Ohne ein ausgeklügeltes System und ein jederzeit zuverlässig funktionierendes Gedächtnis sieht man da manchmal alt aus.

Zettel, überall Zettel

Was ist die Lösung? Ein digitales Notizprogramm.

Das Angebot an Notizprogrammen wächst stetig. Allerdings ist die allgemeine Software wie OneNote, Evernote usw. für das wissenschaftliche Arbeiten nur mäßig geeignet, denn ihr fehlt eine Schnittstelle zur Literaturverwaltung.

Das Programm meiner Wahl ist daher der Zettelkasten ZKN von Daniel Lüdecke, die digitale Version des guten alten Zettelkastens. Den empfehle ich auch sehr gern meinen Studierenden weiter. Von Vorteil ist, dass er kostenlos erhältlich und plattformunabhängig zu nutzen ist. Einen Nachteil hat das Programm leider auch, nämlich dass es nicht ganz so modern daherkommt: Die Nutzeroberfläche wirkt ziemlich sachlich und nicht gerade einladend, es gibt keine ergänzende App, und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit anderen besteht auch nicht. (All diese Nachteile weist das herkömmliche Karteikartensystem, so nebenbei gesagt, übrigens auch auf.)

Der Zettelkasten kommt Luhmanns Arbeitsweise sehr nahe. Kurz gesagt: Mit dem Zettelkasten können Sie auf „Zetteln“ Informationen erfassen und sie mit Schlagworten sowie Verweisen und Literaturangaben versehen. Wenn Sie später mit den Zetteln weiterarbeiten wollen, lassen sich diese komfortabel suchen, nach Wunsch auf einem so genannten Schreibtisch anordnen und zu einem exportierbaren Rohtext zusammenstellen. Wer neugierig geworden ist, kann nähere Informationen auf Daniel Lüdeckes Blog und seinem YouTube-Kanal finden. (Update: Auch in meinem Buch erhalten Sie eine erste Einführung in die Nutzung des Zettelkastens. )

In einer Hinsicht ist bei der Arbeit mit dem Zettelkasten allerdings umdenken angesagt. Anstatt Ordner und Kategorien anzulegen und seine Zettel hinein zu sortieren, vergibt man für jeden Eintrag passende Schlagworte (tags). Diese Technik ist den meisten Studierenden wiederum gar nicht so fremd, weil sie sie von den sozialen Medien kennen (mehr dazu im Artikel #zitieren). Bei der Suche nach Inhalten helfen die Schlagworte und dabei ganz besonders eine bestimmte Funktion. Sie können Ihrem Zettelkasten nämlich beibringen, welche Schlagworte Sie als Synonyme verstanden haben wollen. So müssen Sie sich bei deren Vergabe nicht vorab festlegen oder gar erinnern, welche Schlagworte Sie bereits nutzen oder vor Jahren einmal verwendet haben.

Zettel zeigen

In der Vorlesung habe ich derzeit noch ein Problem. Ich will meine eigene Zettelkasten-Datenbank nicht zeigen. Das wäre mir dann doch zu persönlich, wenn alle sehen könnten, womit ich mich gerade beschäftige, wie ich formuliere und welche Schlagworte ich vergebe. Der nächste logische Schritt ist also das Anlegen einer aussagekräftigen Demo-Datenbank. Denn je weniger in so einem Zettelkasten erfasst ist, desto weniger spannend ist er leider auch. Je mehr Einträge vorhanden sind, desto besser entfaltet er seine Wirkung. Die Studierenden müssen derzeit also noch viel Vorstellungskraft mitbringen. Dennoch weiß ich von einigen, die in der Zeit zwischen zwei Vorlesungen zur Tat geschritten sind und den Zettelkasten einfach ausprobiert haben.

Wie halten Sie es mit den Zetteln? Was empfehlen Sie Ihren Studierenden?

Träger: Modernes Zitieren

Träger, Thomas (2016): Zitieren 2.0. Elektronische Quellen und Projektmaterialien richtig zitieren. München: Verlag Franz Vahlen.

-> Update: 2. Auflage 2018

 

Preis: 14,90 Euro

Überblick über den Inhalt:

A. Einführung

B. Grundlagen wissenschaftlicher Quellenarbeit

Sinn und Zweck von Quellenangaben und Zitaten/Wissens- und Datenquellen/Anforderungen an Quellen/Direktes, indirektes Zitat und Rezitat

C. Die korrekte Zitierweise wählen

Systematik und Priorisierung der Zitierweisen/Wahlentscheidungen beim Zitieren/Zitierstile/Überlegungen zum Zitierstil in diesem Buch

D. Zitieren aus dem Internet und von elektronischen Quellen

Besonderheiten digitaler Quellen/Qualitätskriterien und Zitierwürdigkeit elektronischer Quellen/Zitierfähigkeit der Quellen verbessern/Konkrete Zitiervorgaben nach Werks-/Medienart/Praktische Tipps für die Arbeit mit elektronischen Quellen

E. Zitieren von öffentlich zugänglichen Firmenquellen

Besonderheiten öffentlich zugänglicher Firmenquellen/Qualitätskriterien öffentlicher Firmenquellen/Zitierfähigkeit und Zitierwürdigkeit öffentlicher Firmenquellen verbessern/Konkrete Zitiervorgaben nach Werks-/Medienart

F. Zitieren von firmeninternen Quellen

Besonderheiten interner Quellen/Qualitätskriterien interner Quellen/Zitierfähigkeit und Zitierwürdigkeit interner Quellen verbessern/Konkrete Zitiervorgaben nach Werks-/Medienart/Praktische Tipps für die Arbeit mit internen Quellen

-> neu in der 2. Auflage:

G.Unterstützung durch Literaturverwaltungssoftware

Ausgewählte Literaturverwaltungen im Vergleich/Citavi für Zitieren 2.0 nutzen/Beurteilung der Verwendung einer Literaturverwaltung

H. Fazit

Das komplette Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe finden Sie auf der Website des Verlags.

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Träger: Modernes Zitieren

Noch ein Buch über das Zitieren. Ist nicht schon alles gesagt, und zwar von allen? Ist so ein Buch denn tatsächlich nötig?

Thomas Träger, Professor an der Steinbeis-Hochschule Berlin, zieht die Motivation für das Buch aus seiner Tätigkeit als Betreuer wissenschaftlicher Arbeiten. Dabei fiel ihm auf, welche Schwierigkeiten das Zitieren vielen Studierenden bereitet, vor allem beim Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis.

Ja, ein weiteres Buch über das Zitieren ist also nötig, denn es fehlen noch Standards für Internet- und elektronische Quellen, außerdem für Publikationen von Unternehmen und für firmeninterne Dokumente.

Alles drin

Zunächst einmal werden Grundlagen geschaffen: Träger erklärt die beiden Begriffe „Zitierfähigkeit“ und -„Zitierwürdigkeit“ sowie die einzelnen Zitierweisen und Zitierstile. Darauf aufbauend kommt der Autor dann in den Kapiteln D, E und F zum eigentlichen Kern, dem Zitieren aus dem Internet, aus öffentlich zugänglichen Firmenquellen und aus firmeninternen Quellen.

Und hier wird es wirklich ausführlich. In die Rubik „Elektronische Quellen“ fallen Audio-Stream/Podcast, Blog, DVD/CD, e-Book, Enzyklopädie, Fachlexikon, Forum, Internetseite, Twitter, Video und You-Tube sowie Zeitschriftenartikel.

Bei den öffentlich zugänglichen Firmenquellen behandelt der Autor Broschüren, Firmenwebseiten, Geschäftsberichte, Jahres- und Konzernabschlüsse, Präsentationsfoliensätze, Prospekte, Datenblätter und Kataloge sowie Reden von Firmenvertretern.

Richtig spannend wird es bei den firmeninterne Quellen, die ja landläufig als kaum zitierfähig gelten, weil sie eben nicht öffentlich zugänglich und damit schlecht nachvollziehbar sind (Tipps zur Herstellung der Zitierfähigkeit durch eine dauerhafte Archivierung der Quellen werden natürlich gegeben). In diesem Kapitel thematisiert der Autor die folgenden Werks- und Medienarten: Arbeitsanweisung, Betriebsanweisung, Betriebsvereinbarung, Datenbankinhalte, E-Mail, Handbücher: Organisations-, Qualitätshandbuch, Interview, Intranet-Inhalte, Memos und Notizen, Organigramm, Präsentationsfoliensätze, Projektauftrag, Prozessdiagramm, Rundschreiben und Verfahrensanweisung.

Neu in der 2. Auflage

Die größte Neuerung der 2. Auflage besteht in der Integration eines Kapitels über Literatuverwaltung. Nach einem sehr kurzen Überblick über drei der gängigen Programme – Citavi, Zotero und Endnote – wird der Umgang mit Literaturverwaltungsoftware am Beispiel von Citavi detailliert erläutert. Für den im Buch verwendeten Zitierstil wurde sogar eigens eine Citavi-Vorlage erstellt. Das nenne ich Service!

Auf den Punkt gebracht

Überzeugend finde ich, dass sich das Buch voll und ganz dem Zitieren widmet und nicht alibimäßig ein kompletter Ratgeber zum wissenschaftlichen Arbeiten um die entsprechenden Kapitel herumgebastelt wurde.

Hilfreich für das Verständnis ist die Unterscheidung von Wissens- und Datenquellen (grob gesagt „Theoriequellen“ und Daten aus der realen Welt). Nach meiner Erfahrung ist das ein Bereich, der für viele Studierende schwer zu durchschauen ist. Mit diesem Begriffspaar lässt sich der Unterschied gut vermitteln, wenngleich die Begriffe nicht hundertprozentig trennscharf sind. Sie erfüllen ihren Zweck. Es wird klar, warum man mit der einen Quelle anders umgeht als mit der anderen.

Für eine eventuelle Neuauflage wäre ein Index/Sachregister wünschenswert (-> das wurde in der 2. Auflage umgesetzt), und wenn es nur der Vollständigkeit dient. Denn aufgrund des ausführlichen Inhaltsverzeichnisses kann sich der Leser auch jetzt schon gut zurechtfinden.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Bei Trägers „Zitieren 2.0“ handelt es sich um ein Buch, das prinzipiell für alle Studierenden nützlich sein kann. Gemäß der fachlichen Herkunft des Autors ist es zwar etwas BWL-lastig, aber das stört ja nicht weiter.

Gerade jene Studierende, die viel aus „nicht-klassischer Literatur“ zitieren, profitieren davon. Vielerorts existieren natürlich Handreichungen. Es würde mich aber wundern, wenn in diesen bereits alle hier behandelten Fälle abgedeckt wären.

Für Studierende in dualen Studiengängen, in denen laut dem Autor „die spannendsten Abschlussarbeiten“ verfasst werden (S. 135), ist das Buch eine große Hilfe. Für Studierende, die ihre Abschlussarbeit in einem oder für ein Unternehmen schreiben, gilt dies natürlich gleichermaßen.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Wenn Sie Beispiele für die Lehre suchen, werden Sie hier auf jeden Fall fündig. Auch für Nachfragen Ihrer Studierenden werden Sie nach der Lektüre gut gerüstet sein.

Ansonsten ist Ihnen die Lektüre vor allem anzuraten, wenn Sie für Ihren Fachbereich, Lehrstuhl etc. eine Handreichung für die Studierenden neu aufsetzen oder aktualisieren wollen. Mit „Zitieren 2.0“ haben Sie eine sehr gute Diskussionsgrundlage und können die Zitiervorschläge leicht an Ihre Bedürfnisse anpassen.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!


 

Hier geht es zur Website von Prof. Dr. Träger. Dort lernen Sie, wie Sie Ihre Abschlussarbeit schreiben.

 

 

Lahm: Schatzkiste

Lahm, Swantje (2016): Schreiben in der Lehre. Handwerkszeug für Lehrende. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich (UTB).

Preis: 16,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

Spaß in der Lehre?

1 Fachlich lernen durch Schreiben
2 Schreibprozesse als Lernprozesse
2.1 Schreiben können – was heißt das genau?
2.2 Schreiben im Studium: Erfahrungen und Strategien von Studierenden
2.3 Spontan, elaboriert, komplex: Fähigkeiten, die das Schreiben fordert und fördert
3 Das Schreiben in der Lehre vorbereiten
3.1 Lehre, was Du tust: die eigene Schreibpraxis erkunden
3.2 Die Latte hochhängen: anspruchsvolle Schreib- und Arbeitsaufträge entwickeln
3.3 Den Rahmen abstecken: Lehrveranstaltungen vorausdenken
4 Vom Fragen und Zuhören
4.1 „Wer nicht fragt …“: wie Schreiben das Fragenlehren unterstützt
4.2 Lesen wie der Lauscher an der Wand: Lesen lehren durch Schreiben
5 Vom Denken und Sprechen
5.1 Informell und explorativ: Denken lehren durch das Schreiben in und zwischen den Sitzungen einer Veranstaltung
5.2 Gemeinsam Wissen schaffen durch Schreiben
6 Vom Forschen
6.1 Schritt für Schritt: Forschen lehren durch Schreiben
6.2 Anleitung zur Selbständigkeit: Studierende beim forschenden Schreiben begleiten
7 Von der Neugier und der Lust auf gute Texte
7.1 Ein guter Text ist kein One-Night-Stand: Überarbeitung ermöglichen
7.2 Benoten und dennoch neugierig bleiben
8 Zum Abschluss: eine Einladung zum Austausch

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Lahm: Schatzkiste

Wer über „Schreibintensive Lehre“ spricht, kommt in Deutschland an Bielefeld nicht vorbei. Hier finden richtungsweisende Aktivitäten statt, mit denen das fachliche Lernen der Studierenden durch Schreiben in der Lehre gefördert wird. Studentische Texte dienen nicht nur als Prüfungsleistungen, die nach dem Benoten in der Schublade verschwinden, sondern erleichtern ihren Verfassern den Einstieg in die jeweilige Disziplin mit ihren spezifischen Denkweisen.

Augenöffner

Das vorliegende Buch von Swantje Lahm hilft hoffentlich dabei, die lange vernachlässigte Kraft des Schreibens im Lernprozess zu verdeutlichen und den Ansatz des Schreibens in der Lehre im deutschsprachigen Raum zu verbreiten. Die Autorin stellt dafür ihr gesammeltes Wissen und ihre Erfahrung aus ihrer langjährigen Tätigkeit zur Verfügung (mehr zur Autorin und ihrem Hintergrund: Interview). Dabei gelingt es ihr en passant, Verständnis für die Studierenden zu schaffen. Sie kennt deren Nöten und Sorgen sowie deren Schwierigkeiten auf allen Ebenen, wenn sie Texte verfassen sollen. Gerade denjenigen Fachlehrenden, die sich nicht intensiv mit Schreiben und Schreibdidaktik auseinandergesetzt haben, öffnet das vermutlich das eine oder andere Mal die Augen.

Stöbern in der Schatzkiste

Die Abfolge der acht Kapitel wirkt gut durchdacht: Der Leser wird behutsam in die für ihn neue Denkweise eingeführt, seine möglichen Vorbehalte („Wer soll das alles lesen?“) werden entkräftet, und er wird Schritt für Schritt in die Lage versetzt, entsprechende Änderungen in seiner Lehre vorzunehmen. Die Sprache des Buches ist lebendig, oft wird der Leser auch direkt angesprochen. Konkrete Anregungen für die Umsetzung in der eigenen Lehre bieten die integrierten Übungen, bei denen es sich sowohl um Übersetzungen aus der englischen Literatur als auch um Übungen der Autorin handelt.

Der Begriff „Handwerkszeug“ im Untertitel kommt recht schnöde daher, so passend er auch sein mag. Für mich persönlich trifft es „Schatzkiste“ besser, denn ich habe so viel Wertvolles in Swantje Lahms Buch gefunden: die Bestätigung eigener Erfahrungen, etliche Quellen zum Weiterlesen, zahlreiche Übungen und Gedankenanstöße.

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Das Buch richtet sich nicht an Studierende. Übungen für Studierende sind zwar enthalten. Diese werden jedoch den Lehrenden vorgestellt und erläutert, damit sie sie gewinnbringend in der Lehre einsetzen können.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Viel, sehr viel. Das Buch baut neben der Wissensvermittlung über den Ansatz des Schreibens in der Lehre vor allem auf erprobte und kommentierte Übungen. Dadurch wird zum einen sichergestellt, dass die Lehrenden nicht mit „Übungen vom Reißbrett“ arbeiten. Zum anderen lernen sie durch die Erläuterungen, wie (und dass!) sie die Übungen an ihre Veranstaltung und ihre Vorlieben anpassen sollten. Das Auflisten in zwei getrennten Verzeichnissen („Übungen für Lehrende“ und Übungen für Studierende“) erleichtert das Wiederfinden.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

 

Tegtmeyer: Einladung zur Reflexion

Tegtmeyer, Inken (2014): Wozu in der Philosophie wissenschaftliche Texte geschrieben werden. Eine hermeneutische Erkundung. Würzburg: Königshausen und Neumann.

Preis: 44 Euro

Überblick über den Inhalt:

  1. Einleitung
  2. Erläuterung und Eingrenzung der Fragestellung
  3. Hermeneutische Grundlagen
  4. Leibkörperliche Dimension
  5. Narrative Dimension
  6. Soziale Dimension
  7. Historisch-kulturelle Dimension
  8. Wozu in der Philosophie wissenschaftliche Texte geschrieben werden

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Tegtmeyer: Einladung zur Reflexion

Universität Hildesheim, ein Propädeutikum zum wissenschaftlichen Arbeiten. Die Studierenden legen „Widerständigkeit“ und „liebenswürdige Uneinsichtigkeit“ (S. 9) an den Tag. Sie wollen wissen, wozu in der Philosophie wissenschaftliche Texte geschrieben werden. Die großen Philosophen hätten sich der Welt schließlich in ganz anderen Textsorten mitgeteilt.

Inken Tegtmeyer nimmt diese Frage nach dem Wozu als Ausgangspunkt für eine ausführliche hermeneutische Erkundung, die zugleich ihre Dissertation ist.

Eine Störung von Selbstverständlichkeiten

Jede Frage, schreibt Tegtmeyer, sei eine Störung von Selbstverständlichkeiten. In dem vorliegenden Buch wird dann auch ausführlich gestört und so ziemlich alles hinterfragt.

Die Erläuterung und Eingrenzung der Fragestellung in Kapitel 2 erstreckt sich über etwa 20 Seiten. Mehr als die Hälfte davon behandelt allein die verschiedenen Bedeutungen des Wörtchens „Wozu“. Nur Philosophen fragen wohl so ausführlich. Für mich als Nicht-Philosophin war es eine große Bereicherung, das zu lesen.

Die Autorin geht von der Existenz eines komplexen Geflechts wechselseitiger Abhängigkeitsverhältnisse aus, das sie in der Arbeit systematisch darstellen möchte: „Die Interessen, wozu in der Philosophie wissenschaftliche Texte geschrieben werden, stehen und entstehen in einem Spannungsfeld von Wissenschaftsverständnis, Philosophieverständnis und Selbstverständnis, deren Wirkungen und Wechselwirkungen sich in Schreibpraxis und Textgestaltung zum Ausdruck bringen.“ (S. 12).

Dies geschieht in den Kapiteln 4 bis 7, in denen die leibkörperliche, die narrative, die soziale und die historisch-kulturelle Dimension des Schreibens wissenschaftlicher Texte in der Philosophie Thema sind. Der Fokus liegt dabei auf der Schreibpraxis und damit den Schreibenden, und nicht auf dem Produkt oder den Rezipienten. Sowohl das Gelingen als auch das Scheitern werden mitgedacht.

Zusammenhänge entfalten und Verflechtungen zeigen

Das Schlusskapitel fasst die „Ergebnisse“ zusammen. Oder auch wieder nicht. Die Autorin schreibt das Wort ebenfalls in Anführungszeichen. Denn – und damit hat sie Recht – wenn der Sinn der ganzen Unternehmung darin besteht, komplexe „Zusammenhänge zu entfalten und in ihren vielfachen Verflechtungen zu zeigen“ (S. 273), dann führt ein nachträgliches Vereinfachen selten zu spektakulären Ergebnissen. Es lässt die Antworten jedoch in einem neuen Licht erscheinen. Man kann noch einmal Revue passieren lassen, was man erkannt hat.

Lesegenuss

Äußerlich weist der Text eigentlich zwei Merkmale auf, die oftmals trockene, leser-unfreundliche Texte kennzeichnen: auf vielen Seiten mehr Fußnoten- als Fließtext und keine einzige Abbildung. Dennoch habe ich das Buch sehr gern gelesen. Tegtmeyer verwendet eine offene, angenehme und bisweilen auch witzige Sprache, beispielsweise bei der Einleitung zu den Ausführungen über die leibkörperliche Dimension des Schreibens: „Um überhaupt schreiben zu können, braucht man einen Körper – das zumindest scheint unzweifelhaft.“ (S. 81)

Welchen Studierenden kann man das Buch empfehlen?

Puh. Das Buch ist definitiv keine leichte Kost. Für die Rezension habe ich lange gebraucht, und das nicht nur wegen der gut 300 Seiten Umfang. Vielmehr musste ich die Inhalte sacken lassen und frage mich dennoch, ob ich sie wirklich gebührend erfasst habe (wahrscheinlich nicht…).

Empfehlen Sie das Buch, wenn überhaupt, Ihren Top-5%-Studierenden. Es sei denn, es handelt sich um Studierende der Philosophie. Was denen „zuzumuten“ ist, können Sie besser entscheiden als ich.

Was bringt es für den Einsatz in der Lehre?

Jetzt kommen wir schon der Sache schon näher. Jeder, der wissenschaftlich schreibt oder andere dabei unterstützt, erhält hier viele neue Einsichten und Möglichkeiten, (seine eigene) Schreibpraxis zu reflektieren. Für Lehrende, „die sich über die Beschaffenheit studentischer Texte wundern“ (S. 279), sollen die Ausführungen erhellend sein, wünscht sich die Autorin. Sie werden in der Lage sein, die Komplexität und zuweilen die Widersprüchlichkeit der Konventionen beim wissenschaftlichen Arbeiten und somit den Sinn (das Wozu) besser zu vermitteln.

Nicht-Philosophen erleben bei der Lektüre des Buches zudem eine ihnen wahrscheinlich fremde Art von Erkenntnisgewinnung. Sie sehen, wie man intersubjektiv nachvollziehbar seine Leser zu neuen Erkenntnissen führen kann, obwohl man keine der ach so objektiven Methode angewendet hat.


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!


Und hier geht es zu dem Gastbeitrag von Inken Tegtmeyer, der im Mai 2016 erschienen ist: Über das Schreiben wissenschaftlicher Texte als soziale Praxis

Buchverlosung „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben mit Word“

Anlässlich des Blog-Geburtstags kam bei mitp, dem Verlag meines gerade entstehenden Buches, spontan die Idee auf, unter den Leserinnen und Lesern des Blogs ein Buch zu verlosen, und zwar das hier:

Cover_Tuhls

Meine Rezension dazu finden Sie hier: Tuhls: Wenn Word-Nutzer die Axt schleifen

Kurze Zusammenfassung: ein sehr hilfreiches, empfehlenswertes Buch!

Was müssen Sie tun, wenn Sie das Buch gewinnen möchten?

Schreiben Sie mir bis kommenden Mittwoch, 27. Juli, 12 Uhr, eine E-Mail an andrea.klein@wissenschaftliches-arbeiten-lehren.de mit dem Betreff „Wissenschaftliche Arbeiten schreiben mit Word“. Wenn Sie mir noch schreiben möchten, aus welchem Grund Sie das Buch dringend brauchen und wie wahnsinnig gern Sie meinen Blog lesen, können Sie das gern tun. Ich lese das, finde es interessant und freue mich darüber, es wird allerdings Ihre Gewinnchancen nicht erhöhen. Denn das Los entscheidet. Der Gewinner oder die Gewinnerin werden bis Ende Juli benachrichtigt. Ihre Adresse wird an den Verlag weitergegeben und ausschließlich für den Versand des Buches genutzt. Teilnehmen kann, wer volljährig ist. Ich nehme einfach mal an, dass das für Sie kein Problem darstellt.

Wissenschaftstheorie – Eine Sammelrezension

Gähn.

Theorie. Und dann auch noch Wissenschaftstheorie.

Muss das sein?

Wirklich?

Ja, das muss sein.

Die Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie ist so wichtig ist, weil sie vielerorts irgendwie, ganz unbemerkt, heimlich still und leise, aus den Curricula verschwunden ist. Dabei bildet sie doch die Basis für unser Verständnis von Wissenschaft. Sie bietet Orientierungswissen für alle, die sich in ein Fach einfinden wollen.

Für diesen Beitrag habe ich vier Bücher ausgewählt, deren überwiegendes Thema die Wissenschaftstheorie ist, und nicht solche, die ihr nur ein einzelnes Kapitel widmen. (Gut, eine Ausnahme gibt es.). Aus der BWL und den Sozialwissenschaften kommend, waren für mich vor allem Werke aus diesem Bereich interessant. Als da wären: Brühl, Schülein/Reitze, Helfrich und Kornmeier

In den Kommentaren haben Sie die Möglichkeit, Ihre Empfehlungen für andere Studienrichtungen zu geben.

Brühl, Rolf (2014): Wie Wissenschaft wissen schafft. Wissenschaftstheorie für Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler. Konstanz und München: UVK/Lucius (UTB)

19,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

1 Einleitung

1.1 Gründe für die Beschäftigung mit Wissenschaftstheorie
1.2 Pluralismus und wissenschaftliche Toleranz
1.3 Ziele des Buches
1.4 Aufbau des Buches
2 Wissenschaftstheorie und Forschungsprozess
2.1 Was ist Wissenschaftstheorie?
2.2 Kognitive Ziele der Wissenschaft
2.3 Dimensionen von Forschungsprogrammen

2.4 Wissen, Wahrheit und Validität
3 Ontologische Festlegungen für die Sozialwissenschaft
3.1 Sachverhalte in einer Ontologie des Sozialen
3.2 Eine Mehrebenen-Analyse der Ontologie
3.3 Realismus und Anti-Realismus
4 Forschungsprozess und Forschungsmethoden
4.1 Logik und Forschungsprozess
4.2 Induktion und Abduktion
4.3 Eine allgemeine Argumentform
4.4 Typen von sozialwissenschaftlichen Methoden
5 Verstehen
5.1 Verstehen als Konzept der Hermeneutik
5.2 Grundlegung einer hermeneutischen Methode
5.3 Methodologie sozialwissenschaftlicher Hermeneutik
5.4 Validität von Interpretationen
6 Beschreibung
6.1 Wesentliche Ziele beschreibender Untersuchungen
6.2 Begriffsbildung und Messung von Variablen
6.3 Von der Begriffs- zur Typenbildung
6.4 Beschreibung von Zusammenhängen
7 Erklärung
7.1 Von der DN-Erklärung zur intentionalen Erklärung
7.2 Kausalität und Erklärung in den Sozialwissenschaften
7.3 Theorien in den Sozialwissenschaften
7.4 Bewährung und Hypothesenprüfung
7.5 Bewährung und Validität
7.6 Erklären versus Verstehen
8 Gestaltung und Prognose
8.1 Merkmale von Gestaltung und Prognose
8.2 Methodologische Aspekte von Prognosen
8.3 Prognosen in den Sozialwissenschaften

8.4 Güte von Prognosen 287
8.5 Methodologische Aspekte der Gestaltung
8.6 Gestaltungsziel und Sozialtechnologie
8.7 Qualitätsaspekte in der Gestaltung

Cover_Brühl

Prof. Dr. Rolf Brühl ist Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensethik und Controlling an der ESCP Europe Wirtschaftshochschule Berlin.

Brühls Buch verfolgt einen pluralistischen Ansatz und wirbt für wissenschaftliche Toleranz. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wie die verschiedenen (empirischen) Methoden wissenschaftstheoretisch fundiert sind. So soll den Lesern ermöglicht werden, ihre eigene wissenschaftstheoretische Position zu finden. Letztlich bringt insgesamt gesehen ja nur ein reflektierter Einsatz der Methoden die Wissenschaft weiter.

Entlang der kognitiven Ziele der Wissenschaft – Verstehen, Beschreiben, Erklären, Prognostizieren, Gestalten – zeigt Brühl, wie „Wissenschaft Wissen schafft“. Dabei kommt auch die Hermeneutik nicht zu kurz, was keine Selbstverständlichkeit ist.

Das Buch ist so grundlegend, dass jeder es gelesen haben sollte, der in einer der angesprochenen Disziplinen zuhause sein möchte. Der übersichtliche Aufbau sowie das Glossar und das Sachregister erlauben es auch, später bei Bedarf schnell einmal etwas nachzuschlagen. Brühl macht es einem durch die gut verständliche Sprache, die vielen Schaubilder und die Beispiele im Text leicht, den Inhalt aufzunehmen. Außerdem sind die Schlüsselbegriffe fett hervorgehoben, es gibt so genannte „Philosophieboxen“, Zusammenfassungen am Kapitelende, Fragen zur Lernkontrolle und kommentierte Literaturempfehlungen. Wer also stärker in das Thema einsteigen möchte, bekommt hier viel Wertvolles geliefert.

Schülein, Johann August und Simon Reitze (2016): Wissenschaftstheorie für Einsteiger, 4. Aufl., Wien: facultas (UTB).

18,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

1 Wieso Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie?
Leben – Handeln – Wissen
Typen von Wissen und seiner Verwendung
Institutionalisierung von Wissensproduktion
Objektive Erkenntnis, Theorie und Wissenschaft
2 Die Anfänge von Erkenntnistheorie
Mythos
Religion
Philosophie
3 Der Neubeginn unter veränderten Bedingungen
Scholastik
Rationalismus
Empirismus
Methoden der Erkenntnis
Deutscher Idealismus
4 Der Beginn der Wissenschaftstheorie: Positivismus und Positivismus-Kritik
Positivismus
Positivismus-Kritik
5 Analytische Philosophie, Logischer Positivismus und Kritischer Rationalismus
Analytische Philosophie
Logischer Positivismus
Kritischer Rationalismus
6 Kritik des Kritischen Rationalismus
Innerwissenschaftliche Entwicklungen
Äußere Entwicklungen: Wirtschaft, Politik und Wissenschaft
7 Alternativen zum Positivismus: Neo-Konstruktivismus
8 Denotative und konnotative Theorien
Logisch unterschiedliche Gegenstände
Logisch unterschiedliche Theorien
Konsequenzen
9 Wozu also Wissenschaftstheorie?
Theorie und Praxis
Ein Blick zurück
Wissensgesellschaft
Wissenschaft, Politik und Moral
Möglichkeiten und Grenzen von Erkenntnis und Wissenschaftstheorie
Wissenschaft und Kreativität
Cover_SchüleinReitze

Prof. Dr. (em.) Johann Schülein lehrt am Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung der Wirtschaftsuniversität Wien.

Dr. Simon Reitze ist Berater, Philosoph, Autor und Künstler in Solothurn.

Diese Einführung von Schülein und Reitze bietet einen Überblick über die wichtigsten Vertreter der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Ihr Ansatz ist ein historischer, der Leser wird von der Antike bis zur Gegenwart geleitet und lernt in chronologischer Nachzeichnung die verschiedenen Positionen kennen. Ein Kapitel über die Bedeutung der Beschäftigung mit Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ist einleitend vorangestellt. Dafür gehen die Autoren weit in der Menschheitsgeschichte zurück und betrachten auch Mythos, Religion und Philosophie als Formen des Erkenntnisgewinns.

Auch hier finden die Leser über die gut verständliche Sprache leicht in den Text. Ein Glossar und ein Personenregister erleichtern den Zugang. Im Vergleich mit Brühls Buch ist es jedoch deutlich textlastiger und somit weniger an den Bedürfnissen des flüchtigen Lesers ausgerichtet. Das stellt ja nicht per se einen Nachteil dar. Wer sich tiefer für die Materie interessiert, findet in diesem Buch ein komplexes Thema sehr gut aufbereitet. Die Literaturliste ist in drei Bereiche gegliedert: Primärliteratur, Einführende und Weiterführende Literatur. Je nach Bedarf kann man sich also zum Weiterlesen das Richtige herauspicken.

 

Helfrich, Hede (2016): Wissenschaftstheorie für Betriebswirtschaftler. Wiesbaden: Springer Gabler.

24,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

  • 1 Gegenstandsbereich der Wissenschaftstheorie
  • 2 Betriebswirtschaftslehre im Kanon der Wissenschaften
  • 3 Aufgaben der Betriebswirtschaftslehre als Realwissenschaft
  • 4 Wissenschaftliches Schlussfolgern
  • 5 Wissenschaftliche Aussagen
  • 6 Theorien als Aussagensysteme
  • 7 Modelle als vereinfachte Abbildung von Zusammenhängen
  • 8 Wissenschaftstheoretische Positionen
  • 9 Gütekriterien methodischer Vorgehensweisen
  • 10 Forschungsstrategien
  • 11 Datengewinnung und -messung
  • 12 Datenauswertung
  • 13 Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit

Cover_Helfrich

Prof. Dr. Hede Helfrich war Lehrstuhlinhaberin für Psychologie und Interkulturelle Kommunikation an den Universitäten Hildesheim und Chemnitz. Derzeit lehrt und forscht sie als Gastprofessorin an der Dongbei-Universität für Finanzen und Wirtschaft (DUFE) in Dalian (China).

Helfrichs Buch stellt die Betriebswirtschaftslehre in den Vordergrund und bettet diese in den Kontext des Wissenschaftssystems ein. Es sind ausdrücklich die Grundlagen, Vorgehensweisen und Grenzen betriebswirtschaftswissenschaftlicher Forschung das Thema. Somit ist dieses Werk vor allem für (angehende) BWLer interessant. Mit seinen vielen Abbildungen und Tabellen ist es gut zu erfassen, auch hier hilft wieder ein Glossar beim Finden der wichtigsten Begriffe.

Es mag verwundern, dass eine Psychologin über die Betriebswirtschaftslehre schreibt. Dieser Umstand wird an keiner Stelle thematisiert, bringt allerdings aus meiner Sicht vor allem einen Vorteil mit sich: Helfrich schreibt mit dem Blick von außen, wie etwa eine Ethnologin, die ein fremdes Volk betrachtet. Die praktischen Beispiele aus betriebswirtschaftlicher Forschung und Praxis, die zur Veranschaulichung dienen, muss die Autorin dann wohl aufwändig recherchiert haben.

Forschungsstrategien werden in einem eigenen Kapitel behandelt. Das bietet einen guten Überblick über die Möglichkeiten den Faches, wenngleich die quantitativen Methoden dominieren. Ich glaube auch, die größere Vertrautheit mit den Ansätzen und Methoden zu bemerken, die in der Psychologie verwendet werden. An diesen Stellen schreibt die Autorin tendenziell ausführlicher.

Das letzte Kapitel des Buches soll den idealtypischen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit zeigen. Tatsächlich liest es sich wie eine Kurzanleitung zum Wissenschaftlichen Arbeiten. Ob das an der Stelle nun wirklich nötig war, ist fraglich. Es wirkt etwas fehl am Platz, denn was wollen Studierende damit anfangen? So oder so benötigen sie benötigen sie einen zusätzlichen Ratgeber, wenn es an das Verfassen der eigenen Arbeiten geht.

Der rote Faden des Buches ist, zumindest für mich, nicht klar erkenntlich, obwohl mit Abbildung 1 im Vorwort versucht wird, den Zusammenhang zwischen den Kapiteln grafisch zu veranschaulichen. Auch wird mir nicht klar, worauf das Buch abzielt. Einige Themen sind sehr abstrakt, vor allem in den Kapiteln über Aussagen und Theorien als Aussagensysteme, andere hingegen eher auf die praktische Umsetzung ausgerichtet. Für mich verbindet sich das für mich nicht, sondern steht auf eine seltsame Art nebeneinander.

Kornmeier, Martin (2007): Wissenschaftstheorie und wissenschaftliches Arbeiten. Eine Einführung für Wirtschaftswissenschaftler. Heidelberg: Physica-Verlag.

17,99 Euro

Überblick über den Inhalt:

1 Stellenwert der Wissenschaftstheorie für die Betriebswirtschaftslehre

1.1 Historische Entwicklung der Betriebswirtschaftslehre: ein kurzer Rückblick

1.2 Abgrenzung von Wissenschaft, Wissenschaftstheorie und wissenschaftlichem Arbeiten

1.3 Einordnung der Betriebswirtschaftslehre in die Wissenschaft

1.4 Aufgaben und Ziele der Betriebswirtschaftslehre als Ausgangspunkt wissenschaftlicher Arbeiten

1.5 Stellenwert wissenschaftstheoretischer Ansätze für die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten

(Naiver) Realismus, (Radikaler) Konstruktivismus, (Klassischer) Rationalismus, Empirismus, Konstruktivismus, Kritischer Rationalismus

2 Grundbegriffe der Wissenschaftstheorie: Wesentliche Elemente einer wissenschaftlichen Arbeit.

2.1 Aussagen

2.2 Definitionen

2.3 Hypothesen

2.4 Modell und Theorie

3 Quellen zur systematischen Gewinnung von Wissen

3.1 Grundsätzliche Optionen

3.2 Literaturstudium

3.3 Meta-Analyse

3.4 Sekundäranalyse (Schreibtischforschung)

3.5 Primärerhebung (Feldforschung)

3.6 Wahl der Erkenntnisquelle: Einflussfaktoren

4 Idealtypischer Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit

Prof. Dr. Martin Kornmeier ist Head of Department International Business sowie Head of International Bachelor Program der Dualen Hochschule Baden-Württemberg am Standort Mannheim sowie Herausgeber der BA KOMPAKT.

Auch Kornmeiers Einführung in die Wissenschaftstheorie ist sehr stark auf BWL ausgerichtet und liefert ebenfalls, wie Helfrichs Buch, sehr gut nachvollziehbare Beispiele. Der Autor erklärt sowohl die die wissenschaftstheoretischen Grundpositionen als auch die wesentlichen Begriffe, zudem vermittelt er gut verständlich die Methoden der empirischen Sozialforschung. Auch die Literaturrecherche findet hierbei Beachtung. Kornmeiers Buch, oder nennen wir es Ratgeber, kombiniert also die Wissenschaftstheorie und das wissenschaftliche Arbeiten. Während bei anderen Ratgebern die Wissenschaftstheorie doch oft sehr kurz kommt, wird sie hier ausführlich behandelt. Der Teil zum Wissenschaftlichen Arbeiten jedoch weist wieder diese eine Eigentümlichkeit auf, die vor allem bei Büchern von Professoren der BWL verbreitet ist: „Text entsteht“, sprich der Schreibprozess wird nicht weiter thematisiert.

Bei Kornmeier gefällt die Struktur besser als bei Helfrich, denn der Leser kann direkt aus dem Inhaltsverzeichnis sehr viel besser ersehen, wo genau er welche Themen und Begriffe erwarten darf und vor allem, wie diese aufeinander aufbauen.

Die zweite Auflage des Buches wird 2017 bei Springer erscheinen und dann ausführlicher hier rezensiert.

Im Überblick

Welchen Studierenden kann man welches Buch empfehlen?

Je nach Interessenslage und Studienfach lautet die Empfehlung etwas anders.

Während Brühls Buch so allgemein und übergreifend angelegt ist, dass ich es allen Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ans Herz legen würde, eignen sich Helfrichs und Kornmeiers Bücher vor allem für BWLer, auch wenn der Klappentext Gegenteiliges behauptet.

Wem nach der Lektüre von Brühl noch die Beschreibung der wissenschaftstheoretischen Strömungen fehlen, sei zur Ergänzung Schülein/Reitze empfohlen.

Welches Buch bringt für den Einsatz in der Lehre am meisten?

Hier ist vor allem das Buch von Brühl herauszuheben. Mit den Kontrollfragen haben Lehrende erste Anhaltspunkte, was sie für die Vorlesung aufbereiten könnten oder was sich als Aufgabe für Gruppenarbeiten verwenden lässt.

Auf der Website des Autors besteht die Möglichkeit, Begleitmaterialien anzufordern. Außerdem gibt es das Inhaltsverzeichnis, eine Leseprobe und das Glossar zum Herunterladen.

 

Wie lauten Ihre Literaturempfehlungen zur Wissenschaftstheorie?

Einfach auffächern und weiterschreiben

Scherübl, Ingrid und Katja Günther (2015): Der Schreibimpulsfächer. Inspirationen für das Selbstcoaching beim Schreiben. Barbara Budrich: Leverkusen.

12,99 Euro

 

Inhaltsverzeichnis

Das Wort „Inhaltsverzeichnis“ wirkt nicht ganz passend für den Schreibimpulsfächer, denn es handelt sich dabei nicht um ein Buch, sondern eben tatsächlich um einen Fächer. Dessen Karten im Format 5,4 x 20 cm sind nach den fünf Phasen einer optimalen Arbeitseinheit gegliedert:

Einstimmen – Loslegen – Durchsteigen – Dranbleiben –Abrunden.

Jede Phase trägt eine bestimmte Farbe auf der Rückseite und dem Register auf der Vorderseite. Das erleichtert den schnellen Zugriff.

 

Cover_Schreibimpulsfächer

Einfach auffächern und weiterschreiben

Der Schreibimpulsfächer ist für das Selbstcoaching gedacht. Seine 55 Schreibimpulse „inspirieren Deinen Schreibprozess genau da, wo Du gerade stehst.“ Demnach soll der Fächer auch nicht angewendet werden, wenn es gerade gut läuft, sondern nur wenn es stockt.

Die Tipps des Schreibimpulsfächers beflügeln und spenden Motivation. Sein Format zwingt zu kurzen, prägnanten Tipps. Für ellenlange Erklärungen ist kein Platz. Das wirkt.

Sowohl handfeste Tipps als auch eher emotionale Tipps sind vertreten. Die Impulse sprechen zudem Geist und Körper an. Das Konzept einer sinnvollen Balance von Konzentration und Erholung, das die Autorinnen verfolgen, ist hier sehr gut umgesetzt.

In die Hand nehmen und wieder ins Handeln kommen

Wer sich ein bisschen mit dem Thema Schreiben befasst hat, kennt viele Tipps aus den einschlägigen Ratgebern. Aber: Haben die Schreibenden diese Tipps dann auch tatsächlich parat, wenn es darauf ankommt? Den Fächer hingegen nimmt man bei Bedarf gern in die Hand, blättert ein bisschen darin und bringt sich dadurch wieder zum Handeln.

Offene Fragen

Zwei Fragen sind bei mir offen geblieben, und ich hoffe auf kundige Antworten von Ihnen.

Erstens: Woher können (gerade unerfahrene) Schreibende wissen, dass ein bestimmter Tipp gerade gut für sie ist? Das, was einen anspricht, kann ja genau in dem Moment ungünstig oder sogar kontraproduktiv sein. Ich denke da zum Beispiel an einen Impuls aus der Kategorie „Loslegen“, der einem empfiehlt, an einer ganz anderen Stelle im Text weiterzuarbeiten: „Folge der Anziehung“. Was, wenn man sowieso dazu neigt, sich zu verzetteln?

Zweitens: Mich würde interessieren, wie es um die Langzeitwirkung bestellt ist. Kann der Schreibimpulsfächer auf Dauer begeistern, oder verfliegt die Begeisterung im Laufe der Zeit?

Welchen Studierenden kann man den Schreibimpulsfächer empfehlen?

Alle, die etwas schreiben müssen oder wollen, können grundsätzlich vom Schreibimpulsfächer profitieren. Dabei ist es egal, wie weit das Studium fortgeschritten ist, oder um welche Fachrichtung es geht. Der Fächer dürfte auch für andere Textsorten als wissenschaftliche Arbeiten hilfreich sein, weil die meisten Impulse eher allgemein gehalten sind.

Vorteilhaft ist es wahrscheinlich, wenn die Schreibenden schon ein wenig Erfahrung mitbringen (vgl. die erste der beiden offenen Frage). Dann fällt es ihnen leichter zu beurteilen, ob ein bestimmter Impuls zu der Situation passt, in der sie sich gerade befinden.

Seine Grenzen hat der Fächer dort, wo es um das Produkt des Schreibens geht. Dabei hilft er nicht, dazu gibt er keine Erläuterungen. Der Fokus liegt auf dem Prozess. Das ist auch gut so. Auf so engem Raum sollte man nicht versuchen, „alles“ unterzubringen, um den Grundgedanken nicht zu verwässern.

Was bringt er für den Einsatz in der Lehre?

Einen direkten Nutzen für die Lehre sehe ich beim Schreibimpulsfächer nicht. Natürlich kann man in der Vorlesung oder in einem Workshop über die einzelnen Tipps sprechen. Der Hauptvorteil des Fächers liegt jedoch in seiner direkten Verfügbarkeit während des Schreibens.

Lehrende können den Schreibimpulsfächer ihren ratsuchenden Studierenden bedenkenlos weiterempfehlen. Ewige Dankbarkeit wird ihnen sicher sein.

 


Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!